Der Erste Weltkrieg (1914-1918)
Der Krieg brach in einer Zeit aus, die durch Hochimperialismus, übersteigerten Nationalismus, Rivalitäten u. internationale Krisen gekennzeichnet war. Dtschld. u. Österreich-Ungarn fühlten sich teils durch »Einkreisung« bedroht, teils in ihren Entfaltungsmöglichkeiten als »Weltmächte« behindert; sie hatten aber diese Entwicklung selbst mit zu verantworten. Es bestanden Spannungen mit Frankreich wegen der Elsaß- Lothringen-Frage, mit Großbritannien wegen der dt. Flottenpolitik, mit Rußland wegen seines Drangs zu den Meerengen u. seines panslawistisch motivierten Engagements im Donau- u. Balkanraum. Jedoch begann kein Staat den Weltkrieg aufgrund eines Offensivbündnisses oder mit konkreten Eroberungsabsichten.
Unmittelbarer Anlaß war die Ermordung des österr. Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand u. seiner Gemahlin in Sarajevo am 28. 6. 1914 durch südslaw. Nationalisten. Österreich- Ungarn versicherte sich der Unterstützung Deutschlands u. stellte ein scharfes Ultimatum an Serbien, das abgelehnt wurde. Die daraufhin erfolgende österr.-ungar. Kriegserklärung an Serbien vom 28. 7. 1914 bewog Rußland zu offener Parteinahme für Serbien u. zur Mobilmachung, was wiederum übereilte diplomat. u. militär. Schritte in Dtschld. auslöste, das Anfang Aug. 1914 Rußland u. Frankreich den Krieg erklärte. Das internationale Bündnissystem verursachte nun rasch eine Kriegserklärung nach der anderen. Auf die Seite der Gegner Deutschlands u. seiner Verbündeten traten folgende Staaten: Großbritannien, Japan (Aug. 1914), Italien (Mai 1915), Portugal (März 1916), Rumänien (Aug. 1916), die USA, Kuba, Panama (April 1917), Griechenland (Juni 1917), Siam (Juli 1917), Liberia, China (Aug. 1917), Brasilien (Okt. 1917), Guatemala (April 1918), Nicaragua, Costa Rica (Mai 1918), Honduras (Juni 1918), Haiti (Juli 1918). Zu den sog. Mittelmächten vereinigten sich Dtschld. u. Österreich-Ungarn, ferner die Türkei (Nov. 1914) u. Bulgarien (Okt. 1915).
Die Westfront
Der von A. von Schlieffen 1905 entworfene dt. Operationsplan, der die Umfassung u. Vernichtung der gesamten französ. Armee mittels einer durch das neutrale Belgien führenden weitausgreifenden Offensive vorsah, scheiterte in der Marneschlacht (5.-12. 9. 1914). Nachdem auch der »Wettlauf zum Meer« im Sept./Nov. keine Umfassung des Gegners u. keine Behinderung des brit. Nachschubs gebracht hatte, bestanden keine Hoffnungen mehr, den Krieg rasch an der Westfront beenden zu können. An die Stelle des Bewegungskrieges trat der Stellungskrieg auf einer Front vom Meer bis zur schweizer. Grenze, an die Stelle der Entscheidungsschlachten der Zermürbungskrieg mit gelegentl. Stellungsverbesserungen u. Durchbruchsversuchen. Der Krieg an der Ostfront zwang die Deutschen 1915-1917 zur Defensive an der Westfront (Champagne, Artois, Flandern; 1916 Sommeschlacht, Schlacht um Verdun; 1917 dt. Rückverlegung in die Siegfriedstellung, Tankschlacht bei Cambrai). Fünf dt. Offensiven, die 1918 mit Hilfe der an der Ostfront freigewordenen Truppen unternommen wurden, erreichten nicht den Durchbruch durch die französ. Front, brauchten aber die letzten dt. Reserven auf. Vor der Großoffensive der durch US-amerikan. Truppen entscheidend verstärkten Alliierten mußten die dt. Truppen weichen. Sie zogen sich bis zum 4. 11. 1918 auf die Linie Antwerpen-Maasstellung zurück.
Die Ostfront
Die in Ostpreußen mit zwei Armeen eingerückten Russen wurden noch im Aug./Sept. 1914 bei Tannenberg u. an den Masurischen Seen geschlagen. Österreich-Ungarn errang Anfangssiege bei Krasnik u. Zamosc-Komarow, mußte dann jedoch auf die Karpaten zurückweichen. 1915 beendete ein dt. Sieg über die Russen in der Winterschlacht in Masuren u. ein dt.-österr. Durchbruch in Galizien (Gorlice u. Tarnow ) den russ. Druck auf die Grenzen. Der dt. Vormarsch im Baltikum u. in Südostpolen führte zum allg. Rückzug der Russen, die einer Entscheidung auswichen. Russ. Gegenangriffe (Brussilow-Offensiven 1916, Kerenskij-Offensive 1917) konnten teils von dt. Truppen aufgefangen werden, teils wurden sie durch Auflösungserscheinungen im russ. Heer u. durch die von der dt. Regierung geförderte Oktoberrevolution in Rußland entwertet. Der dt. Gegenangriff in Ostgalizien u. im Baltikum mit der Eroberung der Inseln Ösel u. Dagö führte zum Waffenstillstand mit der Sowjetregierung am 15. 12. 1917. Nachdem Rußland die eingeleiteten Friedensverhandlungen abgebrochen hatte, besetzte Dtschld. Anfang 1918 weite russ. Gebiete. Daraufhin schloß Sowjetrußland am 3. 3. 1918 mit den Mittelmächten den Frieden von Brest-Litowsk.
Die Balkanfront
Die Österreicher besetzten am 2. 12. 1914 Belgrad, mußten aber vor der serb. Offensive über die Donau zurückgehen. Durch einen dt.-österr.-bulgar. Angriff gelang seit Sept. 1915 die Eroberung von Serbien, Montenegro u. Albanien. Die seit Okt. 1915 in Saloniki gelandeten brit.-französ. Truppen bauten in Makedonien eine neue Front auf. Die Rumänen wurden von den Mittelmächten Ende 1916 rasch niedergeworden (9. 12. 1917 Waffenstillstand, 7. 5. 1918 Friede von Bukarest ). Am 15. 9. 1918 brach Bulgarien unter dem Druck der Saloniki-Armee zusammen; am 29. 9. schloß es mit den Alliierten den Waffenstillstand von Prilep. Der Zusammenbruch der Balkanfront machte die militär. Niederlage der Mittelmächte offenkundig.
Die Italienfront
Der italien. Vormarsch begann am 26. 5. 1915, führte aber in elf Isonzoschlachten nur zu verhältnismäßig geringen Erfolgen. Mit Hilfe von Ententetruppen wurde der Zusammenbruch Italiens schließlich verhindert u. die österr. Offensive am 15. 6. 1918 aufgehalten. Eine italien. Gegenoffensive gegen die von den Ungarn verlassene österr. Front führte zum Durchbruch u. zum Waffenstillstand von Padua am 4. 11. 1918.
Die Türkei
Türk. Angriffe gegen Ägypten u. im Kaukasus scheiterten. Die alliierten Landetruppen auf Gallipoli wurden mit dt. Hilfe zum Rückzug gezwungen (1915). Brit.-französ. Druchbruchsversuche an den Dardanellen waren vergeblich. Die Briten eroberten 1917 Bagdad zurück u. besetzten bis zum Herbst 1918 Palästina. Am 30. 10. 1918 schloß die Türkei den Waffenstillstand von Mudros. Die deutschen Kolonien wurden von den Gegnern bald erobert: 1914 Tsingtau (Qingdao) u. Togo, 1915 Dt.-Südwestafrika u. 1916 Kamerun. Die dt. Schutztruppe vermochte zwar Dt.-Ostafrika nicht zu halten, leistete aber bis nach dem Waffenstillstand 1918 Widerstand.
Der Seekrieg
Der mit illusionären Erwartungen begonnene Unterseebootkrieg fügte zwar dem Gegner beträchtl. materielle Verluste zu; er führte aber zum Kriegseintritt der USA, der die Niederlage der Mittelmächte zur Folge hatte. Die dt. Schlachtflotte kam mit Ausnahme der Seeschlacht am Skagerrak (1916) nicht zum Einsatz.
Der Luftkrieg
entwickelte sich erst im Laufe des Krieges. Französ. u. brit. Bombenangriffe auf dt. Städte wurden mit Luftangriffen auf französ. u. brit. Städte (bes. London) erwidert. Die dt. Luftüberlegenheit an der Westfront ging nach der Ankunft der Amerikaner verloren.
Das Ende
Nach einem überstürzten, von der Obersten Heeresleitung zu verantwortenden dt. Waffenstillstandsersuchen, das sich auf Präs. W. Wilsons »Vierzehn Punkte« berief, endete der 1.Weltkrieg am 11. 11. 1918 durch den Waffenstillstand von Compiègne, der das Dt. Reich wehrlos machte. 1919 folgten die Friedensschlüsse in den Pariser Vorortverträgen. Auf seiten der Mittelmächte hatten 24,2 Mill. Soldaten an den Kämpfen teilgenommen, auf seiten der Alliierten 42,9 Mill. Rd. 10 Mill. Soldaten waren gefallen, 20 Mill. verwundet worden, 6,5 Mill. in Kriegsgefangenschaft geraten. Auf Dtschld. kamen 1,8 Mill. Gefallene, 4,2 Mill. Verwundete u. 600000 Gefangene. Dem Nahrungsmangel infolge der Blockade fielen in Dtschld. ca. 750000 Menschen zum Opfer.
Politische Entwicklung in Deutschland
Der 1.Weltkrieg beendete für Dtschld. eine Phase ununterbrochener Prosperität seit den 90er Jahren des 19.Jh. In anfängl. Kriegseuphorie erhoffte man von dem erwarteten raschen Sieg eine innere Versöhnung der in sich gespaltenen Nation durch grundlegende Reformen, die auf gemeinsamen Kriegsanstrengungen basieren würden. Der zunächst von allen Parteien gewahrte »Burgfrieden« u. die Ausgleichspolitik des Reichskanzlers Bethmann Hollweg scheiterten an unüberbrückbaren Gegensätzen in den Fragen der Kriegsziele u. einer innenpolit. Neuorientierung. In der Außenpolitik vertrat die eine Seite annexionistische Konzeptionen (Septemberprogramm, Kreuznacher Programm), die andere war um Ausgleich bemüht (undifferenziertes Friedensangebot der Mittelmächte 1916, Juliresolution 1917). Innenpolitisch scheiterte der Reformkurs mit der Osterbotschaft u. der Entlassung Bethmann Hollwegs 1917. Seitdem standen sich die reaktionär-restaurativen, teils bereits auf eine moderne Militärdiktatur abzielenden Kräfte der 3. Obersten Heeresleitung (Hindenburg u. Ludendorff ), die einen Siegfrieden anstrebten, u. die neue Mitte-Links-Mehrheit des Reichstages, die einen Verständigungsfrieden wünschte, unversöhnlich gegenüber. Die Heeresleitung fand breite Unterstützung in der Dt. Vaterlandspartei u. blieb politisch so lange bestimmend, wie Hoffnungen auf einen Sieg geweckt werden konnten. Die Reichstagsmehrheit stützte sich auf den Volksbund für Freiheit u. Vaterland, kam aber erst zum Zuge, als die Niederlage der Mittelmächte feststand. Die Tatsache, daß Dtschld. militärisch besiegt war, wurde jedoch schon bald nach Kriegsende von den Verfechtern eines Siegfriedens geleugnet (Dolchstoßlegende).
Die dt. Nation war somit Ende 1918 tiefer gespalten als je zuvor. Bei dem Versuch, das Volk wieder zusammenzuführen, stand die neue Führung, die sich alsbald auf eine parlamentarischrepublikanische Staatsform einigte, vor größten Schwierigkeiten: Der Friede von Versailles war eine schwere Belastung, die vom Krieg verursachte materielle Not war lange Zeit nicht zu beheben, u. die traditionelle Führungsschicht bestritt ihre Verantwortung für Krieg u. Niederlage. Dies alles trug zum späteren Scheitern der Weimarer Republik bei.
Internationale Bedeutung
Häufig gestellte Fragen
Was waren die Hauptursachen für den Ersten Weltkrieg (1914-1918)?
Der Krieg wurde durch eine Mischung aus Hochimperialismus, übersteigertem Nationalismus, Rivalitäten zwischen Großmächten und internationalen Krisen ausgelöst. Deutschland und Österreich-Ungarn fühlten sich durch Einkreisung bedroht und in ihren Expansionsmöglichkeiten als Weltmächte eingeschränkt, trugen aber selbst zu dieser Situation bei. Es gab Spannungen mit Frankreich aufgrund der Elsass-Lothringen-Frage, mit Großbritannien wegen der deutschen Flottenpolitik und mit Russland aufgrund seines Strebens nach den Meerengen und seines panslawisch motivierten Engagements auf dem Balkan.
Was war der unmittelbare Auslöser des Krieges?
Der unmittelbare Anlass war die Ermordung des österreichischen Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand und seiner Frau in Sarajevo am 28. Juni 1914 durch südslawische Nationalisten. Österreich-Ungarn erhielt die Unterstützung Deutschlands und stellte Serbien ein Ultimatum, das abgelehnt wurde. Daraufhin erklärte Österreich-Ungarn Serbien am 28. Juli 1914 den Krieg, was Russland zur Mobilmachung veranlasste und in Deutschland übereilte militärische und diplomatische Schritte auslöste.
Welche Staaten waren am Ersten Weltkrieg beteiligt?
Auf der Seite Deutschlands und seiner Verbündeten (den Mittelmächten) standen Österreich-Ungarn, die Türkei (ab November 1914) und Bulgarien (ab Oktober 1915). Auf der Seite der Gegner standen Großbritannien, Japan (August 1914), Italien (Mai 1915), Portugal (März 1916), Rumänien (August 1916), die USA, Kuba, Panama (April 1917), Griechenland (Juni 1917), Siam (Juli 1917), Liberia, China (August 1917), Brasilien (Oktober 1917), Guatemala (April 1918), Nicaragua, Costa Rica (Mai 1918), Honduras (Juni 1918) und Haiti (Juli 1918).
Wie verlief die Westfront?
Der deutsche Schlieffen-Plan scheiterte in der Marneschlacht (5.-12. September 1914). Der Bewegungskrieg ging in einen Stellungskrieg über, der sich von der Küste bis zur Schweizer Grenze erstreckte. Es kam zu Zermürbungsschlachten mit gelegentlichen Stellungsverbesserungen und Durchbruchsversuchen. Deutsche Offensiven im Jahr 1918 brachten nicht den Durchbruch und erschöpften die letzten deutschen Reserven. Die alliierten Truppen, verstärkt durch US-amerikanische Einheiten, zwangen die deutschen Truppen zum Rückzug.
Wie verlief die Ostfront?
Die russischen Armeen wurden 1914 in Ostpreußen bei Tannenberg und an den Masurischen Seen geschlagen. 1915 gelang den Deutschen und Österreichern ein Durchbruch in Galizien. Der russische Widerstand wurde durch Auflösungserscheinungen im Heer und die Oktoberrevolution geschwächt. Ein Waffenstillstand mit Sowjetrussland wurde am 15. Dezember 1917 geschlossen, gefolgt vom Frieden von Brest-Litowsk am 3. März 1918.
Wie verliefen die Kämpfe auf dem Balkan?
Serbien, Montenegro und Albanien wurden 1915 von den Mittelmächten erobert. Eine britisch-französische Front wurde in Saloniki aufgebaut. Rumänien wurde Ende 1916 rasch besiegt. Bulgarien brach im September 1918 zusammen, was zur militärischen Niederlage der Mittelmächte beitrug.
Welche Rolle spielte Italien im Ersten Weltkrieg?
Italien trat 1915 in den Krieg ein, erzielte aber in elf Isonzoschlachten nur geringe Erfolge. Eine österreichische Offensive wurde 1918 aufgehalten, und eine italienische Gegenoffensive führte zum Waffenstillstand von Padua am 4. November 1918.
Was geschah im Osmanischen Reich während des Krieges?
Türkische Angriffe gegen Ägypten und im Kaukasus scheiterten. Alliierte Landetruppen auf Gallipoli wurden zum Rückzug gezwungen. Die Briten eroberten 1917 Bagdad und besetzten bis Herbst 1918 Palästina. Ein Waffenstillstand wurde am 30. Oktober 1918 geschlossen.
Wie wirkte sich der Seekrieg aus?
Der U-Boot-Krieg führte zum Kriegseintritt der USA, was zur Niederlage der Mittelmächte beitrug. Die deutsche Schlachtflotte kam nur in der Skagerrakschlacht (1916) zum Einsatz.
Wie entwickelte sich der Luftkrieg?
Der Luftkrieg entwickelte sich im Laufe des Krieges. Bombenangriffe auf Städte wurden erwidert. Die deutsche Luftüberlegenheit an der Westfront ging nach der Ankunft der Amerikaner verloren.
Wie endete der Erste Weltkrieg?
Nach einem überstürzten Waffenstillstandsersuchen endete der Krieg am 11. November 1918 mit dem Waffenstillstand von Compiègne. 1919 folgten die Friedensschlüsse in den Pariser Vorortverträgen. Der Krieg forderte Millionen von Toten und Verwundeten.
Wie wirkte sich der Krieg auf Deutschland aus?
Der Krieg beendete eine Phase des Wohlstands. Innere Spannungen in Deutschland verstärkten sich. Annexionsforderungen und Reformbestrebungen standen sich gegenüber. Die militärische Niederlage wurde von einigen geleugnet (Dolchstoßlegende). Die Weimarer Republik stand vor großen Herausforderungen.
Welche internationalen Folgen hatte der Erste Weltkrieg?
Das Staatengefüge Europas veränderte sich. Österreich-Ungarn und das Osmanische Reich wurden aufgelöst. Neue Staaten entstanden, und viele Grenzen wurden neu gezogen. Das Selbstbestimmungsrecht der Völker wurde nicht vollständig durchgesetzt. Der Krieg führte zur bolschewistischen Revolution in Russland und zum Eintritt der USA in die Weltpolitik.
- Citar trabajo
- Anonym (Autor), 1999, Der Erste Weltkrieg (1914-1918), Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94829