Die Entwicklung der Schia auf persischem Boden bis zu ihrer Etablierung als Staatsreligion unter Schah Ismail


Seminar Paper, 1999

22 Pages


Excerpt


INHALT

1 Die Herausbildung der Shia innerhalb des Islam

2 Historische Ausgangssituation auf persischem Boden vor dem Auftreten der Safawiyya im 14. Jhd
2.1 Politische Situation
2.2 Ökonomische Situation
2.3 Religiöse Situation

3 Die Safawiyya
3.1 Die Formationsphase des Ordens unter seinem Gründer und Namensgeber Shaykh Safi al-Din Ardabili
3.1.1 Shaykh Safi al-Din als Typus des sufischen Ordensmeisters als Grundlage für die wachsende Macht des Ordens
3.1.2 Die Ziele Safi al-Dins
3.1.3 Die Stellung der Safawiyya zur Shia unter Safi al-Din
3.2 Die Entwicklung des Ordens nach dem Tod Safi al-Dins (1334 - 1447)
3.3 Die Phase der Verweltlichung des Ordens
3.3.1 Der militärische Charakter unter Shaykh Djunayd
3.3.2 Der Wandel zur militärischen Einheit unter Shaykh Haydar

4 Die Gründung des islamischen Nationalstaates unter Schah Ismail
4.1 Die Mahdi Erwartung des Volkes
4.2 Die charismatische Persönlichkeit Schah Ismails
4.3 Die Proklamation der 12er Shia zur Staatsreligion

5 Zusammenfassung

6 Literaturverzeichnis

7 Anmerkungen

1 Die Herausbildung der Shia innerhalb des Islam

Als der Begründer[1] des Islam[2], Muhammad[3], "das Siegel der Propheten"[4], im Jahre 632 n. Chr. starb, hatte er seine Nachfolge nicht geregelt. Seine engsten Gefährten (Sahaba) bestimmten seinen Freund und Schwiegervater[5] Abu Bakr zum Nachfolger. Abu Bakr war somit der erste Kalif[6], dessen Wahl aber nicht unumstritten war. Diese "Entmachtung" leiblicher Nachkommen Muhammads war ursächlich für das Entstehen der Shia[7]. Fatima, Muhammads Tochter und Frau Ali ibn Abi Talibs (im weiteren Ali genannt), bestand darauf, dass Muhammad bei der Rückkehr von seiner letzten Pilgerfahrt nach Mekka Ali zu seinem Nachfolger bestimmt hätte[8]. So soll er Ali bei der Hand genommen und gesagt haben: "Jeder, dessen Patron ich bin, der hat auch Ali zum Patron."[9]. Fest steht jedoch, dass Muhammad im Verlauf seiner tödlichen Krankheit niemals direkt seine Nachfolge angesprochen hat[10]. Die Gegner Abu Bakrs bekannten sich Zug um Zug zu ihm, was Ali nach ca. sechs Monaten zur Aufgabe seines Widerstandes zwang.[11] Nach Abu Bakr folgten die Kalifen Umar und Uthman. Nach der Ermordung Uthmans wurde schließlich der Vetter und Schwiegersohn Muhammads, Ali, im Jahre 35/656[12] zum Kalifen erhoben.

Die Erhebung Alis zum Kalifen verwirklichte erstmals den Anspruch der Aliden[13], die in Ali den einzig rechtmäßigen Nachfolger Muhammads sahen.[14] Nach der Ermordung Uthmans verließen die Angehörigen seines Clans (Banu Umayya) Medina, wirkten also bei der Wahl Alis zum Kalifen nicht mit. Aus diesem Grund erklärte der Umayyade Muawiya[15], ein Vetter Uthmans, das Kalifat Alis für ungültig. Daraus resultierte die erste bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Muslimen[16] und damit der erste Bruch innerhalb der islamischen Gemeinschaft (Umma). Durch die blutige Schlacht gegen Muawiya (Schlacht bei Siffin) war Ali gezwungen, sich dem Urteil einer Schiedskommission zu unterwerfen. Diese sollte anhand des Koran und der Sunna[17] des Propheten entscheiden, ob der Mord an Uthman zu rechtfertigen war. Der Schiedsspruch[18] bestätigte die Rechtmäßigkeit des Kalifats von Uthman und billigte damit Muawiyas Anspruch auf Rache und Fortsetzung der Herrschaft durch die Umayyaden. In Folge dieser Entscheidung und des 658 errichteten Gegenkalifats Muawiyas verlor Ali immer mehr an Autorität, bis er im Jahre 40/661 umgebracht wurde. Mit dem Tod Alis und dem Festhalten seiner Anhänger an der Ansicht, dass nur ein direkter Nachfahre Muhammads ein Imam[19] und damit Führer der islamischen Gemeinde (Umma) sein kann, beginnt die beeindruckende Entwicklung der Shia[20], der Partei Alis[21], zu einer der beiden bedeutenden Ausrichtungen des Islam.

Die ersten drei rechtgeleiteten Kalifen wurden von den Shiiten als Usurpatoren[22] dieses Amtes betrachtet, was den Beginn vieler bis heute andauernder Auseinandersetzungen zwischen Shiiten und Sunniten bildete. Für die Shiiten beginnt die rechtmäßige Nachfolge Muhammads mit Ali, die von den weiteren Imamen fortgeführt wird. Die Shia spaltete sich im Laufe weiterer Entwicklungen in viele Richtungen,[23] wobei die drei Hauptrichtungen entweder fünf (Zaiditen), sieben (Ismailiten), oder 12 (Imamiten) Imame anerkannten.[24] Einige Zweige der Shia hatten keine größere Bedeutung und starben meist innerhalb kurzer Zeit aus, während andere Nebenzweige bis heute noch existieren.[25]

Die Shia war nicht nur eine von den Herrscherdynastien tolerierte und akzeptierte Richtung des Islam, sondern einige Herrscherhäuser hingen selbst dem shiitischen Glauben an. So waren die Mitglieder der Fatimiden - Dynastie Ismailiten, während die Buyiden Imamiten waren.[26] Als stärkste Gruppierung innerhalb der Shia kristallisierten sich im Laufe der Zeit die Imamiten heraus. Diese 12er Shia, oder Itna Ashariyya, wurde im Jahre 1501 n. Chr. unter Schah Ismail in Iran zur Staatsreligion ernannt.

Welche Bedingungen führten dazu, dass die Shia zum ersten (und bis heute einzigen) Mal in der Geschichte des Islam den Rang einer Staatsreligion[27] erhielt?

2 Historische Ausgangssituation auf persischem Boden vor dem Auftreten der Sa- fawiyya im 14. Jhd.

2.1 Politische Situation

Der berühmte Kampf zwischen dem "weißen Banner" der Umayyaden und dem "schwarzen Banner" der Abbasiden endete 750 n. Chr. mit der Erhebung des Abbasiden al-Saffah zum Kalifen[28]. Das Kalifat der Abbasiden erlebte einen steilen Aufstieg in der islamischen Welt, da sie (im Gegensatz zu den Umayyaden) die religiöse und weltliche Komponente wieder zusammenfügten.[29]

Der langsame Zerfall dieses Kalifats begründete sich u. a. in der Größe des Reiches, welches schon nach den ersten 50 Jahren nicht mehr zentral zu regieren war.[30] Es bildeten sich in vielen Regionen des Reiches unabhängige Herrscherhäuser, welche aber die politische und religiöse Autorität des jeweils herrschenden abbasidischen Kalifen zumindest formell anerkannten.[31] Die bereits erwähnten shiitischen Dynastien der Buyiden und Fatimiden gehörten zu den einflussreichsten Regionalherrschaften. Vor allem unter den Buyiden, die das Abbasidenkalifat zeitweise dominierten, fanden die nach Iran geflüchteten Shiiten Schutz und Förderung.[32] Die Abbasiden stellten bis zum Jahr 1258 den Kalifen. Somit blieben sie trotz aller regionalen Machtverluste ein wichtiger Faktor für die innere und äußere Stabilität in der islamischen Welt. Mit der Eroberung Irans durch die Mongolen und der Exekution des letzten Abbasidenkalifen al-Mustasim war die Usurpatorendynastie[33] der Abbasiden beendet.[34] Für die imamitische Shia stellte das eine Befreiung von ihren beiden mächtigsten Konkurrenten, den Abbasiden und den Ismailiten[35] Irans, dar.[36]

Das so entstandene Machtvakuum gab den Startschuss zu einem erneuten Wettlauf auf die Vorherrschaft im Islam.

Nach dem Ende der Ilkhaniden (756/1355)[37] kämpften einzelne Turkstämme und der mongolische Stamm der Djalayiriden um die Vormacht in Persien. Die Stärksten unter ihnen waren die Stämme der Ak Koyunlu (weiße Hammel) und Kara Koyunlu (schwarze Hammel)[38]. Die Ak Koyunlu kämpften während den verheerenden Westfeldzügen auf der Seite des Samarkander Dschingisiden Timur, während die Kara Koyunlu auf der gegnerischen Seite standen. Beide Stämme überstanden die Schlachten und Timur. Nach dessen Tod gingen die Kämpfe der beiden Stämme untereinander weiter. Die Ak Koyunlu traten nach der Eroberung der alten Mongolenhauptstadt Tabriz (813/1410) das Erbe der Mongolenherrscher im Westen an.[39]

Persien stand in dieser Zeit ständig im Spannungsfeld zweier Großmächte, dem osmanischen Reich im Westen und den mongolischen Ilkhanen im Osten.

Bis dato hatte sich nach den Abbasiden noch keine neue Zentralgewalt durchsetzen können.

2.2 Ökonomische Situation

Die Bevölkerung war der leidtragende Teil der großen Anzahl von Kriegen zu dieser Zeit. Durch die oft wechselnden Lokalherrscher wurden Familien zerrissen, die Männer, deren Arbeitskraft für die Familie zwingend notwendig war, wurden zum Kriegsdienst herangezogen. Ein neuer Herrscher bedeutete auch neue Steuern für die arme Bevölkerung.

Die Herrschaft der Mongolen hatte neben den in vielen Büchern beschriebenen Massakern in den Städten weitere langfristige Auswirkungen auf die Landwirtschaft in Persien. Um das Hinterland der Städte fruchtbar zu machen, mussten Kanäle zur Bewässerung der Felder angelegt werden, denn es gab dort keine Flüsse. Durch die vielen Massaker der Mongolen unter den Kleinbauern und deren Landflucht konnte die dringend notwendige Wartung der Kanäle nicht durchgeführt werden. Viele dieser unterirdischen Wasserkanäle wurden auch während der Invasion zerstört und nicht mehr instand gesetzt. Als Folge trat eine erhebliche Reduzierung und teilweise Vernichtung des Ackerbaus in Persien ein.[40]

Eine weitere Folge der unsicheren, von Kriegen geprägten Zeit war der Zusammenbruch des Handels in den Städten. Es gab keine Zentralgewalt, die für die Sicherheit der Handelswege sorgen konnte. Weiterhin waren die verschiedene Wegezölle eine große Belastung für den Handel. Bemühungen einzelner, das Steuersystem zu reformieren, schlugen fehl.

Fehlende Arbeitskräfte und Kriegsverwüstungen führten zum wirtschaftlichen Niedergang und zunehmender Verarmung der Bevölkerung.

Das Zusammenwirken der genannten Faktoren förderte die allgemeine Unzufriedenheit des Volkes und es kam zu einer "vorrevolutionären Stimmung".

2.3 Religiöse Situation

Nach dem Zerfall der Zentralgewalt des Abbasidenkalifats geriet der Islam sowohl als Religion, wie auch als politischer Faktor in eine ernste Krise.

Durch die Invasion der Mongolen wurden viele islamische Heiligtümer zerstört, wie z. B. die Schreine der Kazimain, andere entgingen der Plünderung und Zerstörung nur durch die freiwillige Unterwerfung unter die Herrschaft der Mongolen.[41]

Die Mongolen waren anfänglich auf keine Religion fixiert. Während ihrer Regierungszeit waren vermehrt christliche Einflüsse festzustellen, welche sich u.a. in neuen Handelsbeziehungen mit christlichen Staaten manifestierten.[42]

Bemerkenswert in dieser Epoche ist weiterhin der Bau von Tempeln und Kirchen sowie der Zustrom buddhistischer Bettelmönche aus Zentralasien und China nach Iran. Die Einstellung der Mongolen zum Islam war zuerst relativ indifferent. So zeigten die frühen Ilkhane im allgemeinen kein Interesse an dem religiösen Leben der Muslime, bevorzugten jedoch, wenn überhaupt, den imamitischen Zweig der Shia.[43]

Der erste zum (sunnitischen) Islam übergetretene Ilkhan Mahmud Ghazan (Ilkhan von 694/1295 bis 713/1304) zeigte durch sein Handeln[44] eine Tendenz zur Shia. Am Beispiel Ghiyath al-Din Muhammad Khar-Banda Öldjeytüs (Ilkhan von 704/1304 bis 716/1316) wurde die religiöse Undefiniertheit besonders deutlich. Er trat nacheinander fast allen in der damaligen Zeit bekannten Religionen bei, um schließlich (über den sunnitischen Zweig des Islam) zur Shia zu gelangen.[45]

Auch wenn die Ausrichtung zur Shia deutlicher wurde, gab es politisch und religiös keine klare Linie. Es erfolgte eine allgemeine Abwendung von der offiziellen Theologie und Ablehnung des religiösen Dogmatismus[46] und die Hinwendung zu einer volkstümlichen Religion, die Wunderglaube, Heiligenverehrung in Form von Wallfahrten zu deren Wirkungsstätten und besonders deren Gräbern sowie eine weitverbreitete Verehrung Alis mit sich brachte. Da sich die islamische Gemeinde in dieser Zeit ohne eine klare, einheitliche Führung entwickelte, kann man von einem schiitisch geprägten Volksislam sprechen.[47]

Dies führte zu einem starken Aufschwung der islamischen Mystik[48] auf persischem Boden, offensichtlich geworden durch die Gründung neuer Derwisch-Orden und zugehöriger Konvente.

Vor diesem Hintergrund entstand auch der Orden der Safawiyya und wuchs zu seiner späteren Bedeutung heran.

3 Die Safawiyya

3.1 Die Formationsphase des Ordens unter seinem Gründer und Namensgeber Shaykh Safi al-Din Ardabili

In der Hagiographie[49] Shaykh Safi al-Din Ardabilis (*650/1252 - 735/1334, im weiteren Safi genannt) wird beschrieben, dass er von Kind an für große Dinge bestimmt war. Als kleiner Junge verbrachte er viel Zeit mit religiösen Dingen und war auf der Suche nach einem geistlichen Lehrer (murshid). Diesen fand er in Gestalt Shaykh Zahid Gilanis (675/1276), welcher ihm außerordentliche Zuneigung zu Teil werden ließ. Shaykh Gilani gab Safi seine Tochter Bibi Fatima zur Frau. Vor seinem Tod (700/1301) bestimmte Shaykh Gilani Safi zu seinem Nachfolger als Oberhaupt des Zahidiyya Ordens, eines Sufi-Orden rein lokaler Bedeutung. Mit Safi wuchs der Orden in Ardabil unter dem Namen seines Gründers zur Safawiyya, und damit zu einer bedeutenden religiösen Bewegung heran. Die Ordensgründung fiel in die Zeit der Ilkhane. Der Verbreitung der Safawiyya in ganz Persien folgte die in Syrien, Asien und sogar Ceylon. Safi errang schon zu seinen Lebzeiten beträchtlichen politischen Einfluss. Die Nominierung seines Sohnes zu seinem Nachfolger zeigte sein Bestreben, die gewonnene Macht innerhalb seiner Familie zu belassen und zu sichern.[50]

3.1.1 Shaykh Safi al-Din als Typus des sufischen Ordensmeisters als Grundlage für die wachsende Macht des Ordens

Die Ordensmeister der Sufis (Shaykhs) erregten bei den orthodoxen (sunnitischen) Theologen oft Missgunst, denn die Praktiken der Mystiker waren meist mit den konventionellen Riten nicht vereinbar. Von einigen Dogmatikern wurden sie teilweise sogar der Häresie (Ketzerei) beschuldigt. Bei der einfachen Bevölkerung erfreuten sie sich jedoch außerordentlicher Beliebtheit und erlebten regen Zulauf.

Die Sufiorden wurden oft zum Mittelpunkt religiöser Massenbewegungen, indem sie eine große Anzahl von Adepten (Schülern) hatten. Diese kamen vorwiegend aus dem niederen Volk, erst aus der näheren, dann auch aus der weiteren Umgebung, zum Wirkungsort ihres Meisters geströmt. Von ihm erhielten sie ihre mystische Weihe.

Was missfiel der islamischen Orthodoxie an dieser Erscheinung? Die Religion hatte ihren elitären Charakter verloren und war auf einmal für das "gemeine Volk" zugänglich geworden! Ihr Wesen entsprach zunehmend dem einer Volksreligion. Das Volk verehrte die Sufis und speziell ihre Meister so sehr, dass es ihnen die Vollbringung von Wundertaten zuschrieb. So hing es u. a. an sehr profanen Dingen, ob ein einfacher Sufi zum überzeugten Anhänger Safis wurde.[51] Die Wirkungsstätten der Meister wurden zu Wallfahrtsorten, gleiches gilt für deren Gräber.

Der Shaykh galt als wundertätiger Mann Gottes und erlangte bei seinen Anhängern schon zu seinen Lebzeiten die Stellung eines Heiligen.[52] Die ursprüngliche Quelle für die Frühzeit der Safawiyya, die Safwat as-safa von Ibn Bazzaz, ist voll von Wundererzählungen über Safi und seinen Sohn und Nachfolger Shaykh Sadr al-Din Ardabili (im weiteren Sadr genannt). Sie bilden genauer gesagt den Kern des Buches und lassen damit auf die große Bedeutung gerade dieser Wundertaten und die daraus resultierende tiefe Verehrung Safis und seines Sohnes Sadr als Heilige schließen.[53]

Diese Heiligenverehrung war das Fundament von Safis Macht. Er gewann dadurch immer mehr an Bekanntheit und zunehmenden Einfluss auf die Bevölkerung. Diese beiden Faktoren begründeten auch seine wachsende Geltung im weltlichen Bereich. Für die weltlichen Machthaber war sein Ansehen bei den Mongolen, vor allem aber der Einfluss auf deren Untertanen, genügend Motivation, seine Autorität anzuerkennen und die Verbindung zu seinem Orden zu suchen.

Die wirtschaftliche Grundlage und Unabhängigkeit des Ordens wurde durch Safis Anhänger sichergestellt. Sie überhäuften ihn mit reichen Gaben und Zuwendungen, z. B. Stiftungen von Ländereien, Naturalien und Finanzmitteln. Safis "Unternehmen SufiOrden" kam auf diesem Weg zu einer großen wirtschaftlichen Macht, was seinen Fähigkeiten, auch als schlauer Geschäftsmann, zu verdanken war.

Wenn man den religiösen und ökonomischen Faktor zusammen betrachtet, sind der Neid und die Missgunst anderer Shaykhs und weltlicher Machthaber auf der einen, ihre Abhängigkeit und Machtlosigkeit auf der anderen Seite leicht zu verstehen. Diese Haltung seiner Gegner wird durch die Antwort Giyath al-Dins auf verleumderische Reden des Ali Padischah über Safi sehr deutlich: "Es ist nicht zweckmäßig, einen so Großen gering zu behandeln, weil nämlich mindestens 100 000 Menschen seine Anhänger sind. Wenn man ihn ablehnt, werden diese 100 000 Leute vor den Kopf gestoßen und verfluchen mich. Wäre es klug, wenn man sich 100 000 Leute statt zu Freunden zu Feinden macht?[54] "

Safi war allerdings auch ein nüchterner Realpolitiker, dem seine weltliche Bedeutung sehr wohl bewusst war und der diese bei jeder Gelegenheit ausbaute. Streben nach politischer Macht kam für ihn nicht in Frage, dazu war seine Zeit nicht reif und die mongolischen Herrscher zu stark.[55]

Die Faktoren religiöse, ökonomische und politische Größe machten Safi zu einer unübersehbaren lokalen Einflussgröße im Nordwesten des heutigen Iran.

3.1.2 Die Ziele Safi al-Dins

Safi setzte seine Macht sehr bewusst für das Erreichen seiner Ziele ein. Er wollte nicht der Führer einer kleinen, elitären Glaubensgemeinde sein, sondern konzentrierte sich auf die breite Masse, das religiös und politisch ausgehungerte islamische Volk. Die Aussage Safis, "Wenn die ganze Welt murid [56] wäre..."[57], bestätigt seine allgemeine Zielrichtung, eine Art religiöse Welteroberung.

Safi trat sehr oft als Vermittler zwischen Bürger und Herrschenden auf, bei denen er konsequent die begründeten Rechte der Armen anmahnte. Er gestaltete seine Predigten lehrhaft, um die weltlichen Herren von der übermäßigen Ausbeutung und Tyrannisierung der Bevölkerung abzuhalten.[58]

Als Anwalt und Beschützer der Bedrängten nahm Safi durch ungesetzliche Blutrache Verfolgte auf, setzte sich für die Freilassung von Sklaven ein und schlichtete allgemeine Streitigkeiten.[59]

Safi sah sich selbst als pflichtbewussten Muslim, der eine Mission für den Islam zu erfüllen hatte. Er versuchte, die Mongolen zum Islam zu bekehren, indem er seinen Einfluss geltend machte und die durch Tusi bewirkte positive Grundeinstellung der Mongolen gegenüber dem Islam nutzte. Er wollte so die Position des Islam festigen. Safi nahm dem Islam mehr und mehr seinen bisherigen, zum Teil volksfremden elitären Charakter, ohne sich für eine seiner herkömmlichen Richtungen zu entscheiden.[60]

Er suchte somit eine Richtung, die jenseits der extremen Orthodoxie, Häresie und sektiererischer Strömungen lag. Dadurch konnte er auch viele der zahlreich zugewanderten turkmenischen und mongolischen Volksgruppen für seinen Orden und damit den Islam gewinnen.

Die politischen Ziele wurden durch sein Bestreben, den Einfluss seines Ordens (und damit seinen eigenen) systematisch zu erweitern, deutlich geprägt.

Die genannten Faktoren brachten ihm weitere Gegner. Seine hauptsächlichen Widersacher waren die gebildeten muslimischen Theologen. Sie traten Safi mit Neid, Missgunst sowie einem gewissen Bildungshochmut entgegen und versuchten ihn, ständig zu diskreditieren.[61] Anderen Sufis war er suspekt, weil sie sich durch den Massenbetrieb und dadurch bedingten Zufluss von Analphabeten abgestoßen fühlten. Durchschnittliche Leute empfanden das Benehmen der Sufis (z.B. lautes, ekstatisches Rezitieren) als unangenehm, sonderbar, falsch oder auch lasterhaft.[62] Es gab natürlich auch Shaykhs, die Safi den Erfolg neideten, während die weltlichen Machthaber, wie bereits beschrieben, eher Angst vor Safis Macht hatten.

Alles in einem war Safi al-Din ein echter Volksführer und wahrer Erneuerer des Islam in seiner Zeit. Sein übergeordnetes Ziel, die Umma Muhammadiyya wieder zu einer Gemeinde zu verschmelzen, sollte später durch seine Nachfahren verwirklicht werden.

3.1.3 Die Stellung der Safawiyya zur Shia unter Safi al-Din

Die Stellung der Safawiyya zur Shia war in dieser Zeit noch nicht definiert. Safi hielt sich (wie bereits beschrieben) für das breite Volk offen. Sein Hauptziel war es, den Islam im Volk zu verbreiten und für den Islam zu missionieren.

Die Sufi-Orden waren in ihrem Ursprung sunnitisch geprägt, hatten jedoch keine strenge ideologische Ausrichtung zu einer der traditionellen Gruppierungen des Islam. Bedingt durch die Vernichtung der Ismailiten durch Hülagu, die weit verbreitete Verehrung Alis und der anderen Imame, die Shia freundlichen Mongolen und die Verbreitung shiitisch geprägter Lehren (z. B. durch Tusi), tendierte die religiöse Empfindlichkeit der Gläubigen allerdings in die immamitische Richtung.

3.2 Die Entwicklung des Ordens nach dem Tod Safi al-Dins (1334 - 1447)

Der Posten des Ordensmeisters blieb in den Händen der Safawiden selbst. Safis Nachfolge traten also seine leiblichen Nachkommen, Söhne, Enkel, etc. an. Direkter Nachfolger war sein Sohn Sadr. Das von Safi geschaffene Ansehen, begründet auf die oben genannten Faktoren, übertrug sich von ihm auf seine Nachfolger.[63] Die Zeit nach Safis Tod bis zur Übernahme des Ordens durch Shaykh Djunayd von seinem Vater Shaykh Ibrahim, wurde durch die Konsolidierung des Ordens in Aserbaidschan und den Zugewinn von weiteren Landteilen geprägt.

Zu einer stärkeren Anlehnung an die Shia kam es in dieser Zeit nicht, aber eine der Legitimierungen für die spätere Staatsgründung unter Shah Ismail und lange währende Streitfrage tauchte mit hoher Wahrscheinlichkeit aus dieser Zeit. Nach der Überlieferung hatte Sadr sich im Jahre 1368, auf einer Pilgerfahrt nach Mekka, bei Sharif Sayyid Sihab alDin seinen Stammbaum erklären lassen. Dieser führte Sadrs Stammbaum über den Imam Ali auf den Propheten Muhammad zurück. Dieses Ereignis im Laufe der Pilgerreise wurde durch Geschichtsschreiber weiter überliefert und durch andere Aussagen Sadrs zu seiner Herkunft[64] ergänzt. Die Genealogie der Safawiyya wurde über 20 Generationen auf den siebten Imam Musa al-Kazim bezogen und schloss so die Ahnenkette auf den Propheten. Dadurch war zum ersten Mal eine direkte Verbindung zu den shiitischen Imamen und damit zur Shia selbst hergestellt worden. Angehörige der Safawiyya konnten von nun an den Titel Sayyid (oder Sharif)[65] für sich in Anspruch nehmen. Dieser Eingriff in den Stammbaum wurde im nachhinein vorgenommen, ist also sehr wahrscheinlich eine Fälschung und diente dazu, den Machtanspruch der Safawiyya zusätzlich zu legitimieren.[66] Die Biographie Safi al-Dins entstand um die Mitte des 14. Jhd., also anderthalb Jahrhunderte vor der Staatsgründung Schah Ismails. Damit werden Behauptungen widerlegt, die Ismail eine absichtliche Fälschung seiner Ahnenreihe vorwerfen. Es ist daher wahrscheinlich, dass Ismail später seine edle Herkunft aus Überzeugung betont und bewusst für seine Pläne genutzt hat.[67]

3.3 Die Phase der Verweltlichung des Ordens

3.3.1 Der militärische Charakter unter Shaykh Djunayd

Mit der Nachfolge Shaykh Djunayds (851/1447) begann ein Bruch mit der bisherigen Ordensführung und seiner eher friedlichen und rein religiösen Ausrichtung. Zum ersten Mal wurde mit Djunayd ein Nachfahre Safis aus Ardabil vertrieben. Djunayd musste wegen der Drohung des Kara Koyunlu-Herrschers Djahanshah, anderenfalls Ardabil zu zerstören, seinen Orden verlassen. Sein Onkel Djafar, auf dessen Bitte an Djahanshah Djunayd vertrieben wurde, führte den Orden in Ardabil während dessen Abwesenheit weiter und nahm die gewohnten Weihgeschenke der Bevölkerung entgegen. Djunayd fehlte dagegen im Exil die materielle Basis, um aus der Entfernung verlorene Macht und Einfluss wieder zu gewinnen. Er wurde von Uzun Hasan, dem Stammesführer der Ak Koyunlu aufgenommen und heiratete dessen Schwester. Es gelang ihm zunehmend Anhänger zu gewinnen, ohne ein neues, dem Ardabiler vergleichbares Ordenszentrum schaffen zu können oder auch nur zu wollen. Seine Anhängerschaft hatte den Charakter von Söldnertruppen, da sie von ihm unterhalten wurde und stark militärisch Orientiert war. Ein Versuch Djunayds, nach Ardabil zurückzukehren, wurde durch die Forderung Djafars, der großen Einfluss auf Djahanshah hatte, nach einer erneuten Ausweisung vereitelt.[68] Djunayd zog darauf nach Norden (Tabarsaran), von wo aus er aus wirtschaftlicher Notwendigkeit, religiös motivierte Raubzüge (Djihad)[69] führte. Djunayd wurde, als erster der Nachkommen Safis gewaltsam im Rahmen einer militärischen Kampfhandlung getötet.[70]

Das durch heilige Kriege und Wanderschaft geprägte Leben Djunayds wirkte sich auf die weitere Entwicklung der Safawiyya zu einem militärisch geprägten Orden maßgeblich aus. Dies stellte einen entscheidenden Richtungswechsel, der letztendlich mit zur Staatsgründung unter Schah Ismail führte dar.

3.3.2 Der Wandel zur militärischen Einheit unter Shaykh Haydar

Shaykh Haydar (864/1460) wurde nach dem Tod seines Vaters Djunayd geboren. Er genoss keinerlei religiöse Erziehung am Hofe von Amid, sondern lernte von Kindesbeinen an nichts als den Umgang mit Waffen und die Kunst der Kriegsführung. Nachdem Uzun Hasan die Kara Koyunlu besiegt hatte, musste Shaykh Djafar die Rückkehr des jungen Haydars nach Ardabil dulden, wo er ihn jedoch vom Ordensleben fernhielt. Haydars weltliche Eigenschaften, seine militärischen und organisatorischen Fähigkeiten, gepaart mit der mystischen Aura und Heiligkeit seiner Vorfahren, machten ihn zu einem wie einen Heiligen verehrten Führer einer schlagkräftigen Armee. Damit war der Wandel des volkstümlichen Sufi-Ordens zu einer militärischen Organisation endgültig vollzogen.[71] Religiöses Gemeinschaftsleben fand, wenn überhaupt, nur zur Förderung der Disziplin und Kampfmoral für den Djihad statt.

Nach außen hin und somit für jedermann sichtbar wurde dieser Wandel durch die von Haydar eingeführte uniformähnliche Tracht, die sich vor allem durch eine rote, zwölfzwickelige Kappe auszeichnete. Die Träger dieser Kappe, also die Gefolgschaft Haydars, erhielten daraufhin den treffenden Beinamen kizilbash oder Rotköpfe. Diese Mütze mit ihren 12 Zwickeln wurde vielfach von einer Verehrung der 12 Imame abgeleitet[72], was auf einen weiteren Schritt zur Shia hindeutet.

Haydar wurde 893/1488 in der Schlacht gegen den Shirwanshah getötet. Sein ältester Sohn Ali übernahm darauf die Führung des Ordens. Er und seine Brüder Ibrahim und Ismail (der spätere Schah Ismail) repräsentierten jetzt ein heiliges und beinahe königliches Geschlecht, das seine Herrschaftsansprüche sowohl aus dynastischer als auch religiöser Legitimation bezog und durch die charismatische Führungspersönlichkeit Ismails auch verwirklichen konnte.

4 Die Gründung des islamischen Nationalstaates unter Schah Ismail

4.1 Die Mahdi Erwartung des Volkes

"Gott wird seiner Gemeinde am Beginn jedes Jahrhunderts jemanden schicken, der ihren Glauben (din) erneuert (yudjaddidu)."[73] Diese Aussage des Propheten Muhammad war die Motivation für Muslime, um die Jahrhundertwende auf einen Führer ihrer Gemeinde zu warten. Da zu dieser Zeit keine geeigneten Führer in der islamischen Welt auszumachen waren, verbreitete sich die Meinung, dass das Ende der Welt zum Wechsel in das 16. Jahrhundert anstehen würde. Die islamische Gemeinde erwartete nun den Mahdi. Es wurden auch Gegenstimmen von Gelehrten laut, die sich zum Teil selbst als Erneuerer des 16. Jahrhundert sahen. Dieser Erneuerer sollte nach der Vorstellung der Itna Ashariyya der in der Verborgenheit (ghaiba) lebende 12. Imam sein. Er war in ihren Augen der Mahdi, der bei seinem Wiederauftauchen die Welt von allen ihren Leiden erlöst. Auf der politischen Ebene gab es noch keine Gewalt die stark genug war, die alleinige Herrschaft zu übernehmen, also eine zentrale Gewalt hätte sein können. Es gab immer noch viele Scharmützel und die Bevölkerung wurde von allen Seiten ausgebeutet. Hinzu kamen in dieser Zeit tödliche Seuchen, die keinen Unterschied zwischen den verschiedenen Völker und Religionen kannten.

In einer Zeit, in der Hunger nach Religion, Stabilität und einem starken Führer im Volk unermesslich war, erlebte die islamische Welt den Aufstieg eines kleinen Jungen zu einem starken weltlichen Herrscher und geistlichen Führer ihrer Gemeinde.

4.2 Die charismatische Persönlichkeit Schah Ismails

Ismail wurde im Alter von zwei Jahren, zusammen mit seinen zwei Brüdern, von den Ak Koyunlu in der Festung Istakhr in Fars gefangen gehalten. Nachdem sein Bruder Ali (der Nachfolger Haydars) von den Ak Koyunlu getötet wurde, floh Ismail im Alter von sieben Jahren ins Exil nach Gilan am Kaspischen Meer. Dort genoss er Zuflucht, Schutz und auch seine religiöse Erziehung. Sein shiitischer Lehrer, Shams al-Din Lahidji, der ihn von 899/1494 bis 905/1499 unterrichtete, prägte sein weiteres Denken und Handeln im Sinne der Lehre der 12er Shia.[74]

Ismail war sich sehr wohl seiner Herrschaftslegitimation und der von außen an ihn herangetragenen Führungsposition bewusst. In von ihm unter einem Pseudonym in azeritürkischer Sprache, der Sprache "seiner kizilbash", verfassten einfachen Gedichten kam sein sehr stark ausgeprägtes Sendungsbewusstsein zum Ausdruck. So sah er sich selbst als den Mahdi und die Reinkarnation Alis und der 12 Imame.[75] Die oft hervorgehobene charismatische Ausstrahlung Ismails lässt sich am besten mit überlieferten volkstümlichen Historien illustrieren, in denen Ismail als Statthalter des Herrn der Zeit beschrieben wird.[76] Er verkörperte ganz und gar die Gestalt des Mahdi, den vom Volk herbei gesehnten starken Führer, der gekommen war um die islamischen Gemeinde wieder zu einen.

4.3 Die Proklamation der 12er Shia zur Staatsreligion

Verschiedene Versuche der Sunniten, den Glauben der islamischen Gemeinde zu ihren Gunsten zu erneuern waren von vorne herein zum Scheitern verurteilt, denn der Mahdi war bereits erschienen. In dem zerfallenden Reich der Ak Koyunlu macht sich im Jahre 1499 n. Ch. ein 13 Jahre alter Jüngling an der Spitze "seiner kizilbash" auf den Weg, seinen Vater und Großvater zu rächen. Nach einem Zug durch Armenien und Erzindschan, wuchs seine Armee beträchtlich. Seines Sieges bewusst, zog Ismail gegen den Shirwanshah zu Felde und rächte durch seinen Sieg über dessen Truppen den Tod seines Vaters und Großvaters. Außerdem gewann er durch seinen Sieg die Herrschaft über das Küstengebiet zwischen Baku und Darband (Daghestan), das 1535 eine Provinz Irans wurde.

Seine großen militärischen Erfolge wurden von mehreren Faktoren begünstigt. Der einst mächtige Stamm der Ak Koyunlu war durch die internen Thronstreitigkeiten gelähmt, die Timuriden hatten nach der Niederlage Abu Sayyids auch nicht mehr viel entgegenzubringen, Ägypten war nach dem Tode Kait Bays in einer schweren Krise und das osmanische Reich war unter der Herrschaft Bayezid den persischen Sufis freundlich gesonnen. Ein "Machtpolitisches Vakuum" also, dass sich günstig auf Ismails Streben nach Tabriz auswirkte. Eine letzte militärische Konfrontation mit dem Ak Koyunlu Herrscher Alwand, war trotz allem nicht zu vermeiden. Ismails kizilbash zersprengten Alwands Heer des Weissen Hammels in der Schlacht von Scharur im Aras-Tale, der Weg nach Tabriz war frei![77]

Shah Ismail lies sich im Jahre 907/1501 in Tabriz zum Herrscher ausrufen und erklärte die shiitische Glaubensrichtung (12er Shia) als verbindliche Religion für die safawidischen Gebiete.

Er nahm den alten iranischen Titel des "Königs der Könige" (sahan-sah) an.

5 Zusammenfassung

Es ist unmöglich zu sagen, welches Ereignis oder bedeutender Herrscher (vor Ismail) die Entwicklung der Shia zur Staatsreligion bestimmte. Es ist vielmehr eine für die Shia günstige Verkettung geschichtlicher Ereignisse und dem Zusammentreffen verschiedener Protagonisten der islamischen Geschichte, die eben jenen Weg ebneten. Dem einmaligen, revolutionsartigen Aufblühen des Islam durch den Propheten Muhammad und seiner überwältigenden Verbreitung, folgt durch den unvorbereiteten Tod Muhammads das Schockerlebnis für die Umma Muhammadiyya. Die Zersplitterung in viele verschiedene Ausrichtungen, von denen nur wenige Bestand hatten, spaltet die Umma. Es folgen die ersten religiös motivierten Schlachten zwischen Muslimen und eine lange Zeit, in der es keinen klar definierten Führer der islamischen Gemeinde gab. Brutale Invasionen fremder Mächte, Seuchen, Ausbeutung und religiöse Extreme bestimmen Jahrhunderte lang das Geschehen. In einer Zeit, in der die Sehnsucht der Gläubigen nach einem starken Führer der religiösen Halt bietet und die Gemeinde wieder vereint, den Zenit erreicht hat, erscheint Ismail. Er entspricht den Mahdi Vorstellungen des Volkes, ist königlicher Abstammung (durch Ak Koyunlu), Erbe des Angesehenen Ordensscheich Safi al-Din und überzeugt, ein direkter Nachfahre des Propheten Muhammad und Alis zu sein.

Nach einer langen, evolutionsartigen Entwicklung der Shia, folgte eine plötzliche, revolutionäre Erhebung zur verbindlichen Staatsreligion in Iran. Die Entwicklung der Shia steht in dem von Ismail gegründeten Staat jedoch erst am Anfang ihrer Entwicklung zur Hochreligion.

6 Literaturverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[...]


7 Anmerkungen

[1] Im folgenden werden die Begriffe Shia/Shiiten und Sunna/Sunniten in der Bedeutung, die sie heute, nach Jahrhunderte dauernder Entwicklung haben, verwendet. Zur damaligen Zeit waren sie jedoch noch nicht klar und in diesem Sinne definiert.

[2] "Sich dem Willen Gottes völlig hingeben." The Encyclopaedia of Islam. New Edition: in 9 Bd., Leiden Netherlands, Brill E.J., Band IV 171ff

[3] Vgl. ebenda, Band VII 360ff

[4] s. Ullmann Ludwig: Der Koran. Das heilige Buch des Islam. München: Wilhelm Goldmann Verlag, 1959, Sure 33, Vers 40/41, 342

[5] Abu Bakr war der Vater von Aisha, die Muhammad wenige Monate nach der Higra heiratete. Aisha, zu dieser Zeit ca. 10 Jahre alt, war und blieb auch später Muhammads "Lieblingsfrau". Dies spiegelt auch die Stellung Abu Bakr in der Gemeinde wieder. s. The Encyclopaedia of Is- lam, a.a.O., Band I 307

[6] Der Stellvertreter oder Nachfolger des Gesandten Gottes. s. ebenda, Band IX, 937

[7] Vgl. ebenda, Band IX, 420

[8] Vgl. ebenda, Band I, 381, 382

[9] Vgl. Halm, Heinz: Die Schia. Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1988. 10

[10] Vgl. The Encyclopaedia of Islam, a.a.O., Band I, 382

[11] Vgl. ebenda, Band I, 381

[12] Der erste Wert gibt die Jahreszahl nach islamischer, der Zweite nach christlicher Zeitrechnung an.

[13] Aliden sind die Familienmitglieder und direkten Nachfahren Alis.

[14] Vgl. Halm a.a.O., 10

[15] Gründer der Umayyaden Kalifendynastie (zweite Kalif nach Uthman). Vgl. The Encyclopaedia of Islam, a.a.O., Band VII, 263ff

[16] "Der in liebendem Gehorsam zu Gott handelt", Arkoun Muhammed: Der Islam. Heidelberg: Palmyra, 1999, 35ff

[17] Vgl. The Encyclopaedia of Islam, a.a.O., Band IX, 878 ff

[18] Die Kommission sollte klären, ob Uthman in seinem Handeln als Kalif gegen den Koran und die Sunna des Propheten verstoßen hat. In diesem Fall wäre der Mord an Uthman gerecht und die Forderung Muawiyas, die von Ali geschützten Mörder Uthmans auszuliefern, unbegrün- det. Er hätte somit das Kalifat Alis anerkennen müssen. Vgl. ebenda, Band I, 382ff

[19] Vgl. Khoury Adel Theodor, Hagemann Ludwig, Heine Peter: Islam Lexikon A - Z. Freiburg: Herder Verlag, 1991, Band 2, 378ff

[20] s. The Encyclopaedia of Islam, a.a.O., Band IX, 420 ff

[21]: Neben dem Begriff "Die Partei Alis", wird in verschiedener Literatur in diesem Zusammenhang auch von "Den Anhängern Alis" gesprochen.

[22] Machtherrscher, widerrechtliche Aneignung der Macht.

[23] s. Bellinger, Gerhard J.: Knaurs großer Religionsführer. München: Droemer Knaur, 1986. Ab- bildung "Stammbaum der Schulen und Richtungen", 239

[24] Vgl. ebenda, 240

[25] s. The Encyclopaedia of Islam, a.a.O., Band IV, 277

[26] Fatimiden Dynastie (297/909 -567/1161) herrschte in Nord Afrika und später in Ägypten und Syrien. Buyiden Dynastie (932 bis 1055 n. Chr.) herrschte in Teilen Irans und Iraks. Vgl. Falaturi Abdoldjavad: Die Vorbereitung des iranischen Volkes für die Annahme der Schia zu Beginn der Safawiden Zeit. In: Haarmann Ulrich, Bachmann Peter: Die islamische Welt zwischen Mittelalter und Neuzeit. Beirut: Franz Steiner Verlag, Wiesbaden, 1979, 142/143

[27] Staatlich privilegiertes oder einzig zugelassenes Glaubensbekenntnis. Typische Fälle von Staatsreligion, wie sie auch die christlich-abendländische Kultur bis weit in die Neuzeit prägten, finden sich heute noch im jüdischen und islamischen Kulturkreis. Vgl. Microsoft® Encarta® Enzyklopädie 2000

[28] Schwarze Fahnen sollten die Ankunft des Mahdi symbolisieren. Das Volk wurde durch einen "angepassten" Hadith auf die Eroberung durch die Abbasiden vorbereitet. s. The Encyclopaedia of Islam, a.a.O., Band V, 1233

[29] Die Abbasiden begründeten den Anspruch auf die Nachfolge der Kalifen ähnlich wie die Shia, nämlich auf die Verwandtschaft mit Muhammad. Hier war jedoch eine direkte Nachkommenschaft Alis, oder Fatimas nicht gefordert.

[30] Vgl. Khoury/Hagemann/Heine, a.a.O., Band 1, 17

[31] Z.B. wurden in Gebeten die Namen des abbasidischen Kalifen genannt. Die Auswanderung/Flucht der Aliden und Shiiten nach Iran fand in den Anfängen des Abbasidenkalifats, besonders unter Mamun (813 - 833), statt. Die soziale und theologische Konsolidierung der 12er Schia wird von den Buyiden gefördert. Vgl. Falaturi, a.a.O., 142 Vgl. Halm, a.a.O. 79

[32] Die Eroberung Bagdads wird gewöhnlich als große Katastrophe in der Geschichte des Islam bezeichnet. Tatsächlich war das Abbasidenkalifat schon lange nicht mehr handlungsfähig, die Mongolen beendeten somit nur etwas, das schon lange zu Ende war. Wichtig ist jedoch, dass die "formelle Herrschaft der Abbasiden" nach außen und innen eine Einheit in der islamischen Gemeinde darstellte und den Zusammenhalt symbolisierte.

[33] Der imamitische Gelehrte Nasiraddin Tusi, der im Dienste der Ismailiten (7er Shia) stand, wurde, kurz vor der bevorstehenden Eroberung Irans durch Hülagu, in das mongolische Feldlager als Unterhändler der Ismailiten gesandt. Anstatt die Interessen der Ismailiten zu vertreten,

[34] spielte er die Assassinenburgen in die Hände der Mongolen. Die Einnahme und Zerstörung von Alamut (654/1256) brach dem Ismailitentum in Iran das Rückgrat. Vgl. Halm, a.a.O., 79f

[35] s. The Encyclopaedia of Islam, a.a.O., Band III, 1120ff

[36] s. ebenda, Band III, 1121

[37] Vgl. Morgan David: Medieval Persia 1040 - 1797. 1988 Kapitel 11, 101 Vgl. Halm, a.a.O., 90f

[38] Vgl. The Encyclopaedia of Islam, a.a.O., Band VII, 230ff

[39] Ein Beispiel für die freiwillige Unterwerfung ist die Stadt al-Hilla am Euphrat. Als Dank für den freundlichen Empfang ließen die Mongolen sogar 100 Krieger zum Schutz von Alis Grab in Nagaf zurück. Vgl. Halm, a.a.O., 81

[40] Vgl. Schimmel Annemarie: The Ornaments of the Saints: The Religious Situation in Iran in PreSafawids Times. In: Holod Renata. Studies of Isfahahn, Winter Springs 7/1974, Part I, 104 sowie Glassen Erika: Die Frühen Safawiden. Zugleich: Freiburg i.B., Philosophische Fakultät der Albert-Ludwig Universität, Inaugural Dissertation, 1968, 26f

[41] Die positive Haltung gegenüber der Shia geht auf den Kontakt von Nasi al Din Tusi mit Hülegu und Abaka zurück, dem er als Vertrauter und Wesir zur Seite stand. Vgl. The Encyclopaedia of Islam, a.a.O., Band IV, 48

[42] Auf eine Drohung zum Tode verurteilter Derwische, dass ihre Meister sie beschützen würden, antwortete Ghazan, dass seine Meister Allah, Muhammad und Ali seien und man sehen würde welche Meister stärker sein werden. Die drei rechtgeleiteten Khalifen hat er nicht erwähnt.

[43] Falaturi, a.a.O., 140

[44] Vgl. The Encyclopaedia of Islam, a.a.O., Band VIII, 168f

[45] Die unkritische, nicht begründete Behauptung von philosophischen oder religiösen Sätzen mit dem Anspruch unbedingter Anerkennung. Microsoft Lexirom 4.0

[46] Vgl. Glassen, a.a.O., 27ff

[47] "Der islamische Sufismus stellt eine Form der theistischen Mystik dar, die Ähnlichkeit mit der Mystik der Vedanta besitzt. Diese relativ frühe Bewegung in der Geschichte des Islam strebt mittels einer asketischen und kontemplativen Disziplin nach der persönlichen Vereinigung mit Allah. Die mystischen Erfahrungen der Sufis sowie ihre pantheistischen Lehren trugen dazu bei, dass der Sufismus von den offiziellen Repräsentanten des Islam als Irrlehre betrachtet

[48] wurde. 922 wurde der Sufi Al-Hallaj in Bagdad hingerichtet, da er behauptet hatte, mit Gott eins gewesen zu sein. Erst im 11. Jahrhundert versöhnte der Denker Al-Ghasali den Sufismus mit dem orthodoxen Islam." Microsoft® Encarta® Enzyklopädie 2000

[49] Erforschung u. Beschreibung von Heiligenleben.

[50] Vgl. The Encyclopaedia of Islam, a.a.O., Band VIII, 801

[51] Kleine Pilgergruppen auf dem Weg nach Ardabil wünschten sich unterwegs eine ganz bestimmte Speise oder Frucht, die Safi ihnen bei der Ankunft servieren soll. Safi erfüllt diese Wünsche und beweist damit ständig seine vollkommene Gottnähe. Vgl. Glassen, a.a.O., 47

[52] "Ein Barthaar des Scheichs wurde zur Reliquie, die alle Kranken heilte. Das Barthaar wurde in Wasser gelegt, und dieses Wasser wurde dem Kranken eingeflößt. Die Leute gingen nicht mehr zum Arzt." s. ebenda, 35

[53] Vgl. ebenda, 20,35,47

[54] s. ebenda, 42

[55] Vgl. ebenda, 52

[56] Adept, Novize eines Sufi Ordens

[57] Vgl, Glassen, a.a.O, 43

[58] Vgl, ebenda, 45

[59] Vgl., ebenda, 46

[60] Es wurde viel diskutiert, ob Safi einer bestimmten Richtung zuzuordnen war. Oft wurde behauptet, Safi wäre ein verdeckter Shiit, der taqiya praktiziert, also seinen wahren Glauben verschweigt. Dies war jedoch aufgrund der zur Shia positiv eingestellten Ilkhane nicht notwendig.

[61] Die Gelehrten schleusten einen fremden Gelehrten bei Safi ein und gaben ihm den Auftrag, Beweise für Gotteslästerungen Safis zu beschaffen. Dieser kehrte jedoch unverrichteter Dinge zurück und stellte fest, das Safi keinerlei häretische Aussagen treffen predigen würde und mit dem Gesetz (Sharia) im Einklang stünde. Vgl. ebenda, 35f

[62] Vgl. Sohrweide Hanna: Der Sieg der Safawiden in Persien und seine Rückwirkungen auf dieSchiiten Anatoliens im 16. Jahrhundert. In: Der Islam. Zeitschrift für Geschichte und Kultur des islamischen Orients, 41.., Band, Berlin: de Gruyter& Co, 1965, 102

[63] Vgl. Glassen, a.a.O., 88

[64] "Scheich Safi sagte: In unserem Stammbaum gibt es eine Beziehung zum Propheten" Glassen, a.a.O., 22

[65] s. The Encyclopaedia of Islam, a.a.O. Band IX, 115 u. 329

[66] Dieser Nachweis wurde erbracht, indem verschiedene Abschriften der s afwat as-safa jüngeren und älteren Datums kritisch verglichen und später eingefügte Kopien als Fälschung entlarvt wurden.

[67] Vgl. Morgan David, a.a.O., 107f und Glassen, a.a.O., Seite 20ff, und Schimmel, a.a.O., 110

[68] Ardabil stand zu dieser Zeit noch immer unter dem Einfluss der Kara Koyunlu

[69] s. The Encyclopaedia of Islam, a.a.O., Band II, 598ff

[70] Vgl. Glassen, a.a.O., Frühe Safawiden, 88ff

[71] Vgl. ebenda, 90f

[72] Vgl. The Encyclopaedia of Islam, a.a.O., Band III, 315f

[73] Vgl. Glassen Erika: Krisenbewusstsein und Heilserwartung in der islamischen Welt zu Beginnder Neuzeit. In: Haarmann Ulrich, Bachmann Peter: Die Islamische Welt zwischen Mittelalter und Neuzeit. Beirut: Franz Steiner Verlag, Wiesbaden, 1979, 169

[74] Vgl. Morgan a.a.O., 110 und Halm, a.a.O. 103

[75] s. Halm, a.a.O., 104f

[76] Vgl. Halm, a.a.O., 92

[77] s. Braun Hellmut: Geschichte Irans seit 1500. In: Handbuch der Orientalistik VI, 100f

Excerpt out of 22 pages

Details

Title
Die Entwicklung der Schia auf persischem Boden bis zu ihrer Etablierung als Staatsreligion unter Schah Ismail
Course
Seminar: Einführung in den Islam
Author
Year
1999
Pages
22
Catalog Number
V94858
ISBN (eBook)
9783638075381
File size
393 KB
Language
German
Keywords
Entwicklung, Schia, Boden, Etablierung, Staatsreligion, Schah, Ismail, Seminar, Einführung, Islam
Quote paper
Thomas Emig (Author), 1999, Die Entwicklung der Schia auf persischem Boden bis zu ihrer Etablierung als Staatsreligion unter Schah Ismail, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94858

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