Schule und Erziehung in Hitlers "Mein Kampf"


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 1998

18 Pages


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1. Biografische Bezüge zu Kindheit und Erziehung
1.1. Familie - Vater - Ambitionen
1.2. Schulische Erfahrungen

2. Die Konzeption von Schule und Erziehung in "Mein Kampf"
2.1. Eugenischer Ausgangspunkt nationalsozialistischer Erziehung: die Zeugung
2.2. Die Pädagogik als Instrument der Weltanschauung
2.3. Felder nationalsozialistischer Erziehung
2.3.1. Körperausbildung
2.3.2. Charaktererziehung
2.3.3. Wissenschaftliche Schulbildung

3. Die Umsetzung von Hitlers Konzeption im dritten Reich
3.1. Das nationalsozialistische Erziehungssystem
3.2. NS-Richtlinien für die einzelnen Unterrichtsfächer Schlusswort

Literaturverzeichnis

"Es ist wie bei einem Schlangenei: Durch die dünne Membran erkennt man bereits das fertig ausgebildete Reptil."

Ingmar Bergmann: Das Schlangenei

Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema

"Schule und Erziehung in Hitlers 'Mein Kampf' ".

Besonders bei diesem Thema muss man sich fragen, wie Hitler zu seinen Ansichten kam, wie sie beschaffen waren und ob und in welcher Art und Weise sie verwirklicht werden konnten. Das war der Grund dafür, die Zielsetzung dieser Arbeit auf folgende Aspekte zu erweitern

- Biografische Bezüge zu Kindheit und Erziehung
- Die Umsetzung von Hitlers Konzeption im dritten Reich

Es ist unabdingbar, die Kindheit Hitlers, insbesondere die Beziehung zum Vater und Hitlers Erfahrungen mit der Schule, in dieser Arbeit darzustellen. Viele der erlebten Situtaionen und Ereignisse mögen zu Hitlers pädagogischen Ansätzen beigetragen haben. Zum Unterstreichen dieser Annahme werden Zitate aus Hitlers frühem Werk "Mein Kampf" verwendet. Der tatsächlichen Umsetzung, der zunächst theoretischen Ansätze, im NS-Staat ist ein eigenes Kapitel gewidmet.

Es scheint jedem totalitären Regime immanent, Schule und ihre Erziehungsfunktion für die jeweiligen staatlichen Interressen zu missbrauchen. So sah auch Hitler im Schulsystem eine der ersten Möglichkeiten, sich die Menschen durch Erziehung zunutze zu machen.

Hitlers Erziehungsbegriff war ein sehr weiter. Erziehung sollte am besten vom Kinde bis zum Greißreichen. Nur so konnte gewährleistet werden, dass jeder sein bestes für den Staat entwickeln und leisten konnte. Der Staat war alles, das Individuum war nichts.

1. Biografische Bezüge zu Kindheit und Erziehung

1.1. Familienverhältnisse - Figur des Vaters - Hitlers frühe Ambitionen

Hitlers Familienverhältnisse waren äußerst kompliziert. Er entstammte der dritten Ehe seines Vaters mit Klara Pölzl, die 23 Jahre jünger war als er. In der Familie lebten noch 3 Halbgeschwister, mit denen Hitler immer wieder Schwierigkeiten hatte, insbesondere Eifersüchteleien standen auf der Tagesordnung.

Der Vater war Staatsbeamter im Zollamt Steyr; diese Tatsache sollte Hitler nachhaltig prägen. Er war ein gewalttätiger Tyrann, zu dem das Kind Hitler keine positive Beziehung aufbauen konnte. Die Mutter dagegen ließihrem Sohn übermäßige Liebe zukommen.

1895 ging der Vater in Pension und kaufte das Gut Hafeld bei Lambach. Er wurde Landwirt und Bienenzüchter. In dieser Zeit wurde Hitlers Halbbruder Alois verjagt und enterbt. 1895 war auch das Jahr, in dem Hitler in die einklassige Volksschule Fischlham eintrat.

Hafeld wurde 1897 verkauft und die Familie zog in eine Wohnung in Lambach. Der damals achtjährige Hitler besuchte nun die Volksschule Lambach und die Sängerknabenschule im Benediktinerstift Lambach. Hier hatte Hitler kurz den Wunsch Priester zu werden:

"... im Chorherrenstift zu Lambach ... hatte ich beste Gelegenheit mich oft und oft am feierlichen Prunke deräu ßerst glanzvollen kirchlichen Feste zu berauschen." 1

Hitler zeigte solche Ambitionen, obwohl die Familie auch in dieser Hinsicht sehr differierte. Der Vater sah sich antiklerikal und zeigte sich nur an hohen Feiertagen in Uniform beim Gottesdienst. Die Mutter dagegen war eine sehr fromme und religiöse Frau.

Im Jahre 1898 übersiedelte die Familie nach Leonding. Hitlers Eltern kauften ein Haus, das später als "Ehrenstätte des Deutschen Volkes" bezeichnet wurde. In der Zeit, als Hitler die Volksschule Leonding besuchte, erlebte er eine sonnige Lausbubenzeit.

Aber schon hier konnte nicht mehr von "normalen" Streichen die Rede sein. Zeitzeugen, wie der Abt von Wilhering, erinnerten sich im Zusammenhang mit Hitler an Kriegsspiele und bewaffnete Rattenjagd auf dem Friedhof. Auch Hitler selbst betrachtete seine Vergangenheit nüchtern:

"Ich war eben schon als Junge kein `Pazifist', und alle erzieherischen Versuche in dieser Richtung wurden zu Nieten." 2

1900 kam es zum Burenkrieg zwischen den Holländern und den Briten. Dieser Krieg wurde von der Allgemeinheit mit großem Interesse verfolgt. Die Deutschnationalen ergriffen Partei für die Buren. Hitler war von diesem Krieg in der Ferne maßlos fasziniert. Er griff, als damals Elfjähriger, alles auf was er über das Thema erfahren konnte:

"Wie ein Wetterleuchten kam mir da der Burenkrieg vor. Ich lauerte jeden Tag auf die Zeitungen und verschlang Depeschen und Berichte und war schon glücklich, Zeuge dieses Heldenkampfes wenigstens aus der Ferne sein zu dürfen." 3

Am folgenden Zitat kann man erkennen, wie sehr Hitler seine Situation als Kind zu verherrlichen versuchte und eigentlich verleugnete. Der Vater galt als sehr streng und knauserig, sein einziges Buch war eines über den "Deutsch-Französischen Krieg 1870/71". Dennoch berichtete Hitler später in "Mein Kampf":

"Beim Durchstöbern der väterlichen Bibliothek war ichüber verschiedene Bücher militärischen Inhalts gekommen, darunter eine Volksausgabe des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 Nicht lange dauerte es, und der gro ße Heldenkampf war mir zum gr ößten inneren Erlebnis geworden. Von nun an schwärmte ich mehr und mehr für alles, was irgendwie mit Krieg oder doch mit Soldatentum zusammenhing." 4

Wie bereits erwähnt, war die Beziehung zum Vater von großen Problemen geprägt. Aussagen Hitlers nach zu folgern, hasste er seinen Vater ganz offensichtlich. Er betonte immer wieder, nicht wie sein Vater werden zu wollen. Aber auch hier wird die Diskrepanz zwischen Wirklichkeit und Verklärung in seinem Buch deutlich:

"Ich hatte den Vater verehrt, die Mutter jedoch geliebt." 5

Hitlers Abneigung dem Vater gegenüber wurde durch die Tatsache verschärft, dass der Vater aus Hitler um jeden Preis einen Beamten machen wollte. Hitler wurde von seinem Vater "...in das Linzer Hauptzollamt geschleppt, in dem die alten Herren aufeinander- gehockt gesessen seien, so dicht wie die Affen. [So sei ihm letztendlich] ... Beamtenlaufbahn verekelt worden." 6

1.2. Schulische Erfahrungen

Diese Auseinandersetzung führte schließlich auch dazu, dass Hitler in der Linzer Realschule nicht lernte, um nicht die Beamtenlaufbahn einschlagen zu müssen. Im ersten Jahr hatte er bereits je ein "Nicht genügend" in Naturgeschichte und Mathematik. Auch im Verhalten entsprach Hitler nicht. Jedes Jahr bekam er Tadel in Betragen und Fleiß. Sein damaliger Französisch-Lehrer äußerte sich folgendermaßen:

"Er war entschieden begabt, wenn auch einseitig, hat sich aber wenig in der Gewalt, ... widerborstig, eigenmächtig, rechthaberisch und jähzornig ... von ... Mitschülern unbedingten Unterordnung verlangt ... Führerrolle ... von Karl-May- Geschichten angekränkelt." 7

Aufgrund der schlechten schulischen Leistungen eskalierte die Beziehung zum Vater schließlich. Der Vater sah sein Vorhaben gefährdet, aus Hitler einen Staatsdiener machen zu können und Hitler zeigte keinerlei Ansätze an der momentanen Situation etwas ändern zu wollen.

In dieser Zeit war das Tschechenproblem in der Öffentlichkeit ein zentrales Thema. Bei diesem Konflikt ging es um die Abwehr der Tschechisierung und um die Förderung der Deutschen in Sprachinseln. Auch in der Linzer Realschule herrschte eine große Konkurrenz zwischen den freisinnig Liberalen Deutschnationalen und den Klerikal-habsburgtreuen. Diese Konkurrenz wurde als Konfrontation "Germanen gegen Slawen" ausgetragen. Hitler erinnerte sich:

"Für Südmark und Schulverein wurde da gesammelt, durch Kornblumen und schwarzrotgoldene Farben die Gesinnung betont, mit `Heil' gegr üßt, und statt des Kaiserliedes lieber 'Deutschlandüber alles' gesungen, trotz Verwarnung und Strafen." 8

Diese Problematik scheint in der Schule künstlich geschürt worden zu sein: 95 Prozent aller Schüler waren deutschsprachig.

Hitler trug jedoch nicht unerheblich zum Verfestigen dieser Auseinandersetzung bei. Nach Berichten soll er am Schultor nach Germane und Nicht-Germane, nach Arier und Nichtarier, eingeteilt, und demnach den Weg in die Schule zugeteilt, haben.

Man kann annehmen, dass die damaligen Schüler deutschnationaler als die Lehrer waren.

Diese konnten sich als Beamte nicht offen zur Ablehnung der Monarchie bekennen, was nicht heißen soll, dass sie sich prinzipiell nicht dafür interessierten.

Hitlers Geschichtslehrer Dr. Leopold Pötsch nahm in seiner Schullaufbahn den wichtigsten Platz ein. Pötsch war Hitlers absoluter Lieblingslehrer, über den er folgendes schrieb:

"Unser kleiner nationaler Fanatismus ward ihm ein Mittel zu unserer Erziehung, indem eröfter als einmal an das nationale Ehrgefühl appellierend, uns ... in Ordnung brachte ..." 9

Der Geschichtslehrer vereinte auf eigenwillige Weise Deutschnationalismus und Kaisertreue. Er gehörte der DVP (Deutschen Volkspartei) an und hielt gleichzeitig Lichtbildvorträge zum Thema "Bilder zur Deutschen Geschichte". Eine Überbetonung des Germanentums war kaum zu übersehen.

Pötsch wurde in "Mein Kampf" hochgelobt. Welche Bedeutung dieser Lehrer für Hitler hatte, ist zum Beispiel am folgenden Zitat deutlich zu erkennen:

"Wer konnte auch unter einem solchen Lehrer deutsche Geschichte studieren, ohne zum Feinde des Staates zu werden, der durch sein Herrscherhaus in so unheilvoller Weise die Schicksale der Nation beeinflu ßte? Wer endlich konnte noch Kaisertreue bewahren einer Dynastie gegenüber, die ... die Belange des deutschen Volkes immer und immer wieder um schmählicher eigener Vorteile wegen verriet?" 10

Pötsch war verärgert über das ihn betreffende "Lob" Hitlers. Er wollte mit Hitler an sich nichts mehr zu tun haben, und erst gar nicht in der Rolle des "Lieblingslehrers des Führers". Als Reaktion auf diese Ungehörigkeiten schenkte Pötsch sein Exemplar von "Mein Kampf" dem Stift Wilhering. Weiters boykottierte Pötsch eine Fotoaktion im Jahre 1936, bei der alle Lehrer des Führers fotografiert werden sollten um ihm ein Geschenk machen zu können. Hitlers Verehrung gipfelte schließlich in einem Staatsbegräbnis für den verstorbenen Pötsch.

Alles in allem herrschte an Hitlers Schule eine revolutionäre Stimmung. Durch die Unzufriedenheit mit dem Vielvölkerstaat wird Deutschnationalismus immer mehr gefördert. Aber auch hier muss man den Eindruck haben, als würden diese Probleme in der Realität nicht bestehen. Nur 17 von 350 Schülern waren jüdische Schüler, die zu dieser Zeit keinerlei Probleme hatten:

"In der Realschule lernte ich wohl einen jüdischen Knaben kennen, ... irgendein Gedanke kam mir dabei so wenig wie den anderen." 11

1904 verließHitler die Realschule in Linz aufgrund seiner andauernden Misserfolge. Er wechselte in die Realschule Steyr, wo man sich eine Besserung der Situation erhoffte.

In diese Zeit fiel der russisch-japanische Krieg: Auch hier teilten sich die Schüler wieder in zwei Lager. Die "Slawen" hielten zu den Russen, die "Germanen" fühlten sich den Japanern verpflichtet. Nach der Nachricht vom Sieg der Japaner sollen die tschechischen Knaben geweint haben, während die deutschen jubelten.

Es kam zum Verkauf des Hauses in Leonding und Hitlers Familie zog in eine Wohnung in Linz. Da Hitler jedoch in Steyr die Schule besuchte, wurde er dort bei Kosteltern untergebracht. Dies bedeutete eine zeitweilige Trennung von seiner geliebten Mutter, worüber Hitler sehr unglücklich war.

Aber auch in Steyr änderte sich nichts an Hitlers schulischen Leistungen. Er bekam "Nicht genügend" in Deutsch, Mathematik und Stenografie. Hier lässt sich wieder deutlich erkennen, dass Hitler die Schuld am Versagen zumeist bei anderen suchte:

"Dieser Idiot von Professor hat mir die deutsche Sprache verekelt, dieser Stümper, dieser kleine Knirps: ich würde nie richtig einen Brief schreiben können. Stellen sie sich das vor! Mit einem Fünfer, ausgestellt von diesem Trottel hätte ich nie Techniker werden können." 12

Als Hitler dreizehn Jahre alt war, starb sein Vater an einem Schlaganfall. Die Mutter fühlte sich im Gedenken an ihren Gatten verpflichtet, den Sohn zum Beamten zu machen. Hitler schrieb über diese Zeit:

"Ich selber war mehr als je zuvor entschlossen, unter keinen Umständen Beamter zu werden. ... Da kam mir plötzlich eine Krankheit zu Hilfe und entschied in wenigen Wochenüber meine Zukunft und die dauernde Streitfrage des väterlichen Hauses. Mein schweres Lungenleiden lie ßeinen Arzt der Mutter auf das dringendste anraten, mich später einmal unter keinen Umständen in ein Büro zu geben." 13

Laut Hitlers Berichten musste der Schulbesuch nach ärztlichem Anraten auf mindestens zwei Jahre eingestellt werden. Hitlers damaliger Arzt Bloch sagte später jedoch, es hätte keine schwere Krankheit gegeben. Seiner Meinung nach sei die Mutter - Sohn - Liebe fast krankhaft gewesen. Die Mutter verwöhnte Hitler in dieser Zeit enorm. Er frönte seiner Leidenschaft, der Malerei, und machte ausgiebige Spaziergänge. Schließlich bezeichnete Hitler diese 2 Jahre als die glücklichsten seines Lebens.

Generell war die Hitlersche Schulerfahrung eine des Scheiterns, die er mit dem Vorsatz kompensierte, nicht Beamter werden zu wollen. Diese Erfahrung des Scheiterns setzte sich in der Nichtaufnahme an der Kunstakademie am Schillerplatz in Wien fort. Auch hierfür fand er eine Erklärung:

" ... versicherte mir der Herr, da ßaus meinen mitgebrachten Zeichnungen einwandfrei meine Nichteignung zum Maler hervorgehe, da meine Fähigkeit doch ersichtlich auf dem Gebiete der Architektur liege; ... Da ßich bisher weder eine Bauschule besucht noch sonst einen Unterricht in Architektur erhalten hatte, konnte man zunächst gar nicht verstehen." 14

Diese angebliche Aussage des Rektors erscheint nach heutigem Wissen eher unwahrscheinlich. Spätestens hier wurde Hitler jedoch von seinen schulischen Misserfolgen eingeholt. Ohne den Abschluss der Realschule war es nicht möglich, ein Architekturstudium zu absolvieren.

Als generelle Dimensionen der Schulerfahrung Hitlers können folgende Punkte angeführt werden:

- Scheitern - Lehrerhass - Intellektuellenhass
- Deutsch-Nationalismus
- Elternhaus: Ödipus (Mutter) - Beamtenhass (Vater)

2. Die Konzeption von Schule und Erziehung in "Mein Kampf"

1923 wurde Hitler nach einem Putschversuch in Festungshaft genommen. Hier entstand 1925 der erste Band von "Mein Kampf". Der geplante Titel war "Viereinhalb Jahre Kampf gegen Lüge, Dummheit und Feigheit".

Dann einigte man sich auf den Titel "Eine Abrechnung". Es handelte sich um eine Autobiografie und eine Absage an die Weimarer Republik. Der zweite Band "Die nationalsozialistische Bewegung" entstand 1926 nach Hitlers Entlassung. Hier fand sich eine Kurzfassung der NS-Pädagogik.

Im zweiten Kapitel "Der Staat" beschäftigte sich Hitler bereits mit den Aufgaben und Funktionen des Staates und es ging auch um eugenisch-rassische Geburtenregelung in der Familie und Schule. Pädagogik stand an zentraler Stelle im Staatsverständnis Hitlers. Seine Pädagogik richtete sich an Biologismus und Rassismus aus:

"Der Staat ist ein Mittel zum Zweck. Sein Zweck liegt in der Erhaltung und Förderung einer Gemeinschaft physisch und seelisch gleichartiger Lebewesen." 15

"Staaten, die nicht diesem Zwecke dienen, sind Fehlerscheinungen, ja Mi ßgeburten." 16

Hitlers Staatsverständnis war ein missionarisch-pädagogisches. Es genügte ihm nicht mehr, dass der Staat nur verwaltete. Er machte den traditionellen Staatsbegriff lächerlich:

"... lächerlichen Parole einer Sicherung von Ruhe und Ordnung zur friedlichen Ermöglichung gegenseitiger Begaunerei ..." 17

Es kam zu Floskeln wie "Bildung einer höheren menschlichen Kultur", "Förderung einer

geistigen Weiterentwicklung", "Schönheit und Würde eines höheren Menschentums", fast wie pathetische wilhelminische Reden.

Bevor der Staat Erziehungseinrichtungen schaffe, sollte er selber eine sein, aus dem Verwaltungsstaat sollte ein Erziehungsstaat werden.

Zwei Bedingungen waren dafür ausschlaggebend:

1. Aufhebung der Trennung Unmündiger-Erwachsener
2. Erziehung darf nicht zur Mündigkeit führen.

2.1. Eugenischer Ausgangspunkt nationalsozialistischer Erziehung: die Zeugung

Die Anmaßung der Pädagogik des Staates wurde somit zu deren Aufhebung. Bei Hitlers Pädagogik handelte es sich nur mehr um Indoktrination mit pädagogischem Anstrich.

Wo aber Grenzen der Erziehung nicht mehr existierten, konnte alles mit Erziehung begründet werden. Der Staat wollte unter dem Deckmantel der eugenischen Qualität somit bereits bei der Zeugung eingreifen. Hitler rechnete mit Protesten. Seine Methode war das Lächerlichmachen:

"Die Generation unserer heutigen notorischen Schwächlinge wird selbstver- ständlich sofort dagegen aufschreien undüber Eingriffe in die heiligsten Menschenrechte jammern und klagen." 18

Schlimmstenfalls müsste es laut Hitler zu einer Disqualifizierung der "zersetzenden Intelligenz" kommen. Damit meinte Hitler eventuell auftretende Argumente von Wissenschaftern und Intellektuellen.

Hitlers Konzeption verdeutlichte sich folgendermaßen:

"Wer körperlich und geistig nicht gesund und würdig ist, darf sein Leid nicht im Körper

seines Kindes verewigen. Der völkische Staat hat hier die unge- heuerste Erziehungsarbeit zu leisten." 19

"Er [der Staat] mu ßohne Rücksicht auf Verständnis oder Unverständnis, Billigung oder Mi ßbilligung in diesem Sinne handeln." 20

Sein Endziel und zugleich sein Größenwahn äußert sich in diesem Zitat:

"Eine nur sechshundertjährige Verhinderung der Zeugungsfähigkeit und Zeugungsmöglichkeit seitens körperlich Degenerierter und geistig Erkrankter würde die Menschheit nicht nur von einem unermesslichen Unglück befreien, sondern zu einer Gesundung beitragen, die heute kaum fa ßbar erscheint." 21

Unmittelbar im Anschlußan dieses Kapitel konzipierte Hitler die NS-Schule. Als Rahmenbedingung dafür galt die rassistische Eugenik. Die Schule wurde also zur Fortsetzung des Rassismus auf anderen Altersstufen.

2.2. Die Pädagogik als Instrument der Weltanschauung - Totalisierung des Erziehungsbegriffs

Hitler dozierte zwar weite Strecken über seine NS-Schulkonzeption, doch nicht im Sinne einer pädagogischen Theorie. Hitler hatte von Pädagogik eigentlich keine Ahnung, außer seine persönliche Erfahrung, welche eine Erfahrung des Versagens war. Steinhaus schreibt:

"Liest man den Kontext der verwendeten Begriffe, ergibt sich nirgendwo der Eindruck, Hitler sei aufgrund von Erfahrungen, pädagogischer Literatur oder anderen Informationen imstande gewesen, irgendeinen Aspekt von Erziehung und Schule gründlich zu erkennen und zutreffend zu beurteilen." 22

Ein wesentliches Erziehungsmittel im NS-Sinne war die Presse:

"Der weitaus gewaltigste Anteil an der politischen `Erziehung' ... fällt auf das Konto der Presse Nun liegt dieser Unterricht nicht in der Hand des Staates, sondern in den Klauen von ... höchst minderwertigen Kräften." 23

Selbst von der SA sagte Hitler, sie sei:

"...ein Schutz- und Erziehungsmittel der nationalsozialistischen Bewegung ..." 24 An vielen Stellen wurde das Militär als Erziehungsinstitution bezeichnet:

"... die letzte und höchste Schule vaterländischer Erziehung ..." 25

Selbst das Wehrgesetz vom 21. Mai 1935, das nicht sehr umfangreich war, enthielt Gedanken zum Thema Erziehung:

"...Die Wehrmacht ist der Waffenträger und die soldatische Erziehungsschule des deutschen Volkes."26

Hitler sah das Leben des Menschen als Kette nicht abreißender Erziehungsphasen: So meinte Hitler am Nürnberger Parteitag 1935:

"Was früher vorübergehend zwei Jahre lang eine Schulung der Nation war, um dann im Leben und durch die politische Tätigkeit der Parteien wieder verloren- zugehen, das wird jetzt treuen Händenübergeben und aufbewahrt werden..." 27

Während das Ziel der Erziehung nach heutiger Ansicht im allgemeinen die eigene Überflüssigmachung ist, wollte Hitler den Menschen in eine lebenslange Erziehungsschleuse lenken. Von einer lebenslangen Erziehung erhoffte er sich lebenslange Unmündigkeit.

In den "Grundlagen zur Neuordnung des höheren Schulwesens" von 1938 liest man:

"Der Staat ist ein Erziehungsstaat geworden, wie der Führer durch die Schöpfung seines Reiches die Kraft eines Volkes in einem einzigen politischen Wollen, in einer einzigen, alle durchdringenden Weltanschauung zusammen- gefa ßt und damit wieder gro ße und sinnvolle Erziehung möglich machte." 28

2.3. Felder nationalsozialistischer Erziehung

Im Anschlußan die Beschreibung der Funktion des Staates folgt in "Mein Kampf" ein komplexes Erziehungsprogramm. Leitlinie ist und bleibt Hitlers Biologismus und Rassismus. Hier lässt sich eine verräterische Sprache erkennen. Zuerst schreibt Hitler noch, das Kind sei das "wertvollste Gut", später jedoch nennt er es "rassisches Element", "Glied für eine spätere Weitervermehrung", "rassische Qualität" und "Menschenmaterial".

"Er [der völkische Staat] hat seine Erziehungsarbeit so einzuteilen, da ßdie jungen Körper schon in ihrer frühesten Kindheit zweckentsprechend behandelt werden ..." 29

Hitlers Begriffe wurden beliebig und unreflektiert eingesetzt, so bezeichnete er Behinderte zum Beispiel als "kranke Wesen", "körperliche Degeneranten" oder "heruntergekommenes Pack".

Hitlers Bildungsprogramm beinhaltete drei große Bereiche, denen er unterschiedliche Wichtigkeit beigemessen hat. An oberster Stelle in Hitlers Erziehungskonzept stand die Körperbildung. Der nächstwichtige Bereich betraf die Charakterbildung, die verschiedene Inhalte, wie Verschwiegenheit, Ertragen von Unbill, Entschlusskraft und Mut zu Verantwortung und Bekenntnis, verfolgte. Erst an letzter Stelle stand die Wissenschaft und somit die geistige Bildung.

"Der völkische Staat hat in dieser Erkenntnis seine gesamte Erziehungsarbeit in erster Linie nicht auf das Einpumpen blo ßen Wissens einzustellen, sondern auf das Heranzüchten kerngesunder Körper. Erst in zweiter Linie kommt dann die Ausbildung der geistigen Fähigkeiten. Hier aber wieder an der Spitze die Entwicklung des Charakters, besonders die Förderung der Willens- und Ent- schlu ßkraft, verbunden mit der Erziehung der Verantwortungsfreudigkeit, und erst als letztes die wissenschaftliche Schulung." 30

2.3.1. Körperausbildung

Ganz im Sinne der Rassenphilosophie Hitlers war die Körperausbildung somit auch Aufgabe, nicht der Schule oder Eltern, sondern des Staates:

"Die körperliche Ertüchtigung ist daher im völkischen Staat nicht eine Sache des einzelnen, auch nicht eine Angelegenheit, die in erster Linie die Eltern angeht, und die erst in zweiter oder dritter die Allgemeinheit interessiert, sondern eine Forderung der Selbsterhaltung des durch den Staat vertretenen und geschützten Volkstums." 31

Hitler verehrte die Antike und nahm im Bereich der Körperbildung Anleihe bei den alten Griechen:

"... die wundervolle Verbindung herrlichster körperlicher Schönheit mit strahlendem Geist und edelster Seele." 32

Natürlich übte er Kritik an der bisherigen Schule, die seiner Ansicht nach nicht richtig für die Ausbildung der Kinder und Jugendlichen sorgte:

"Wenn heute, selbst im Lehrplan der Mittelschulen, Turnen in einer Woche mit knappen zwei Stunden bedacht ... wird, so ist dies ... ein krasses Missverhält- nis. Es dürfte kein Tag vergehen, an dem der junge Mensch nicht mindestens vormittags und abends je eine Stunde lang körperlich geschult wird, und zwar in jeder Art von Sport und Turnen." 33

Hitler war ein Verfechter der "Königsdisziplin Boxen":

"Es gibt keinen Sport, der wie dieser den Angriffsgeist in gleichem Ma ße fördert, blitzschnelle Entschlu ßkraft verlangt, den Körper zu stählerner Geschmeidigkeit erzieht nicht roher ... als mit einem geschliffenen Stück Eisen." 34

Der Zweck des Boxens sei auch, sich an Schläge zu gewöhnen und sie ertragen zu können.

Hitler war auf jeden Fall der Ansicht das der Mangel an Sport nur Nachteile haben konnte. Er meinte, dass die bestehende Schule

"... grundsätzlich nicht Männer heranzog, sondern vielmehr Beamte, Ingeneure, Techniker, Chemiker, Juristen, Literaten und, damit diese Geistigkeit nicht ausstirbt, Professoren." 35

Hier wird ebenfalls die große Abneigung und Verunglimpfung Intellektueller deutlich. Diese Kritik war aus Hitlers Sicht durchaus nicht unlogisch, haben doch Wissenschafter, die für Ideologen aller Schattierungen unangenehme Eigenschaft, mit Vorbehalt zu argumentieren, und somit generell absoluten Wahrheitsanspruch zu "zersetzen".

Mit der Schule war jedoch die Körpererziehung nicht zu Ende, denn der völkische Staat hatte weitere Verplichtungen.

"... Der völkische Staat wird genau so wie die geistige Erziehung auch die körperliche

Ausbildung der Nachschulzeit als staatliche Aufgabe betrachten müssen und durch staatliche Einrichtungen durchzuführen haben." 36

Der Hauptträger dieser Aufgabe sollte das Heer sein, das gleichzeitig der größte Nutznießer dieser Konzeption war, denn es musste den "... vielmehr den körperlich bereits tadellos vorgebildeten jungen Menschen nur mehr in den Soldaten verwandeln." 37

Als Vorgriff auf die Charaktererziehung hatte das Heer aber auch die Aufgabe nicht nur das militärische Handwerk zu vermitteln, sondern der junge Mann sollte auch "... lernen zu schweigen, nicht nur, wenn er mit Recht getadelt wird, sondern soll auch lernen, wenn nötig, Unrecht schweigend zu ertragen." 38

Nach Beendigung des Wehrdienstes sollten dem Mann zwei Dokumente ausgestellt werden:

- Staatsbürgerdiplom (Recht auf öffentliche Betätigung), - Gesundheitsattest für die Ehe.

Die Konzeption für Mädchen war analog zu der Erziehungsvorstellung für Knaben. Bei den Mädchen lag das Schwergewicht ebenfalls bei der körperlichen Ertüchtigung. Das Ziel dieser Erziehung war die Erziehung zur zukünftigen Mutter.

2.3.2. Charaktererziehung

Hitler begann in diesem Bereich mit einer Theorie des charakterlichen Determinismus:

"Sicherlich sind die wesentlichen Charaktereigenschaften im einzelnen Menschen grundsätzlich vorgebildet: der egoistisch Veranlagte ist und bleibt dies einmal für immer ... Der geborene Verbrecher wird Verbrecher sein und bleiben; aber zahlreiche Menschen, bei denen blo ßeine gewisse Hinneigung zum Verbrecherischen vorhanden ist, können durch richtige Erziehung noch zu wertvollen Gliedern der Volksgemeinschaft werden ..." 39

Die großartig angekündigte Aufgabe der Charakterbildung:

"schrumpft zur Stabilisierung einer angeblich restlos angeborenen Verhaltens- struktur. Diese Erziehungsma ßnahme erfolgt aber nur bei denen, die einige angeborene positive Merkmale aufweisen, insgesamt jedoch schwankende Charaktere darstellen." 40

Wesentliche charakterliche Züge, die es zu erreichen galt, waren Selbstbeherrschung und Verschwiegenheit. Hitler machte die geistige Bildung, und somit zu geringe Bedeutung der Selbstbeherrschung, für Verrat durch Schüler im 1. Weltkrieg verantwortlich:

"Wenn unserer Jugend in den Volksschulen etwas weniger Wissen eingetrichtert worden wäre und dafür mehr Selbstbeherrschung, so hätte sich dies in den Jahren 1915/18 reich gelohnt." 41

Ein wesentlicher Teil in der Charakterbildung lag für Hitler im schweigenden Ertragen von Unbill. Er drückte das in äußerst roher Weise aus:

"Wenn eine Erziehung [v. a. in der Schule] vergi ßt, schon beim Kinde darauf hinzuwirken, das auch Leiden und Unbill einmal schweigend ertragen werden müssen, darf sie sich nicht wundern ... wenn einst der Mann an der Front steht, der ganze Postverkehr einzig der Beförderung von gege

nseitigen Jammer- und Winselbriefen dient." 42

Die Ausbildung der Willens- und Entschlusskraft war im Sinne einer militärischen Funktion zu verstehen und nicht im ethisch-sittlichen Sinne, der auch im Deutschen Reich der 30-er- Jahre geläufig gewesen sein musste.

2.3.3. Wissenschaftliche Schulbildung

Der wissenschaftlichen Schulbildung widmete Hitler ein längeres Kapitel, jedoch weniger im konstruktiven Sinn, als in Form von Kritik an der gesamten Schule. Ganz allgemein wiederholte er in diesem Kapitel die massive Kritik am Intellektualismus. Völlig irreführend ist jedoch der Hinweis, die Schultätigkeit werde mit geringen Veränderungen vom völkischen Staat übernommen. Eine Erklärung dafür könnten die mangelnden pädagogischen Kenntnisse Hitlers sein.

Im wesentlichen kritisierte Hitler das bestehende System in bezug auf Stofffülle und Art der Stundenverteilung. Dem Sport und dem Geschichtsunterricht sollte mehr Bedeutung zuteil werden. Grundsätzlich meinte Hitler:

"Erstens soll das jugendliche Gehirn im allgemeinen nicht mit Dingen belastet werden, die es zu fünfundneunzig Prozent nicht braucht und daher auch wieder vergi ßt." 43

Hitler schien der Stoff zu angeschwollen und für die Praxis unnötig. An dieser Stelle nahm er das Beispiel eines fünfunddreißigjährigen Staatsbeamten zu Hilfe, der ohnehin nichts mehr von der Schule wisse. Dies war ein Bereich, wo sich Hitler auch bei Lehrern und Professoren sicher sein konnte, dass sie seiner Meinung waren.

Er bezeichnete das Kind als unfähig zu ordnen und zu sichten. Die Gedächtnis-schulung wurde bei Hitler obsolet. Ein Beispiel ist die Abneigung gegen den Sprachunterricht:

"Es ist ... nicht einzusehen, warum Millionen von Menschen im Laufe der Jahre zwei oder drei fremde Sprachen lernen müssen, die sie dann nur zu einem Bruchteil verwerten können ... [Schüler werden] ... umsonst gequält." 44

Als Beispiel nannte Hitler Französisch, da es nicht einmal der Schulung des logischen Denkens, wie etwa Latein, diente. Hitler hatte übrigens Latein nie gelernt.

Besondere Bedeutung hatte der Geschichtsunterricht für Hitler. Es kam aber nicht darauf an, viele Daten zu lernen, sondern eine klare Linie des Verlaufs der Geschichte zu erkennen. Genauer ausgedrückt sollte die missionarische Aufgabe des deutschen Volkes vermittelt werden.

Die Geschichte musste hierzu bedeutend simplifiziert werden. Nur die allerbedeutendsten

Führer des deutschen Volkes durften Erwähnung finden und nicht jeder kleine Aristokrat.

Durch die Geschichte sollte eine Nationalbegeisterung geschaffen werden. Wesentlich war die Geschichte als "Lehrmeisterin für die Zukunft ... den Fortbestand des eigenen Volkstums ... erhalten. Das ist der Zweck, und der geschichtliche Unterricht ist nur ein Mittel zu ihm." 45

Sogar in diesem Bereich drückte Hitler aus, wie ernst es ihm mit dem Rassismus war:

"Es ist imübrigen die Aufgabe eines völkischen Staates, dafür zu sorgen, da ßendlich eine Weltgeschichte geschrieben wird, in der die Rassenfrage zur dominierenden Stellung erhoben wird." 46

Das Ausmaßder Kürzung des Geschichtsunterrichts ließsich erahnen, wenn man bedenkt, dass nur mehr die deutsche Geschichte wichtig war. Über "die Herren Parlamentarier" schrieb Hitler: "Wenn sie gar nicht Geschichte studiert hätten, sondern nur gesunden Instinkt bes äßen, würde es wesentlich besser und für die Nation von gr ößerem Nutzen sein." 47

Dominant blieb Hitlers Auffassung vom Lehren als ein Aufdrängen vorgefasster Meinungen: "Gehirn belasten ... eingepauktes Schulwissen ... auswendig gelernter Stoff ... aufgedrängter Stoff ... eingetrichtertes Spezialwissen".

Seine Auffassung von Schulbildung ähnelte der heutigen Kritik am wissenschaftlichen Positivismus, als "zweckfreies" Erkenntnisstreben, das sich angeblich der gesellschaftspolitischen Betrachtung des Menschen entziehe. Hitler forderte daher wiederholt die stärkere Betonung humanistischer Fächer (sic!).

Wissenschaftliches Wissen sollte hier möglichst nur in groben Zügen vermittelt werden. Man kann annehmen, dass auf diese Art und Weise Kritikfähigkeit unterdrückt werden sollte.

"Es genügt, wenn der einzelne Mensch ein allgemeines, in gro ßen Zügen ge- haltenes Wissen als Grundlage erhält, und nur auf dem Gebiet, welches das- jenige seines späteren Lebens wird, gründlichste Fach- und Einzelausbildung genie ßt." 48

Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, wurde die wissenschaftliche Ausbildung für vieles verantwortlich gemacht:

"Dieüberm äßige Betonung des rein geistigen Unterrichtes und die Vernach- lässigung der körperlichen Ausbildung fördern aber auch in viel zu früher Jugend die Entstehung sexueller Vorstellungen. Der Junge, der in Sport und Turnen zu einer eisernen Abhärtung gebracht wird, unterliegt dem Bedürfnis sinnlicher Befriedigungen weniger als der ausschlie ßlich mit geistiger Kost gefütterte Stubenhocker." 49

Alleiniger Endzweck der Schulbildung bedeutete einerseits die totale Unterwerfung der Jugend unter den völkischen Staat, und andererseits die Ausrichtung dieses völkischen Staates an den Prinzipien des deutschen Rassismus.

"Planm äßig ist der Lehrstoff nach diesen Gesichtspunkten aufzubauen, plan- m äßig die Erziehung so zu gestalten, da ßder junge Mensch beim Verlassen seiner Schule nicht ein halber Pazifist, Demokrat oder sonst was ist, sondern ein ganzer Deutscher. Damit dieses Nationalgefühl von Anfang an echt sei ... mu ßschon in der Jugend ein eiserner Grundsatz in die noch bildungsfähigen Köpfe hineingehämmert werden: Wer sein Volk liebt, beweist es einzig durch die Opfer, die er für dieses zu bringen bereit ist." 50

"Die gesamte Bildungs- und Erziehungsarbeit des völkischen Staates mu ßihre Krönung darin finden, da ßsie den Rassesinn und das Rassegefühl instinkt- und verstandesm äßig in Herz und Gehirn der ihr anvertrauten Jugend hineinbrennt." 51

3. Die Umsetzung von Hitlers Konzeption im dritten Reich

Am 2. Dezember 1938 beschrieb Adolf Hitler in einer Rede sehr konsequent, wenn auch ein wenig überraschend, was er in seiner theoretischen Konzeption bereits 1926 als nationalsozialistisches Erziehungssystem angekündigt hatte:

"... Diese Jugend, die lernt ja nichts anderes als deutsch denken, deutsch handeln, und wenn nun diese Knaben, diese Mädchen mit ihren 10 Jahren in unsere Organisationen hineinkommen und dort nun so oft zum erstenmalüber- haupt eine frische Luft bekommen und fühlen, dann kommen sie vier Jahre später vom Jungvolk in die Hitlerjugend, und dort behalten wir sie wieder vier Jahre, und dann geben wir sie erst recht nicht zurück in die Hände unserer alten Klassen- und Standeserzeuger, sondern dann nehmen wir sie sofort in die Partei oder in die Arbeitsfornt, in die SA oder in die SS, in das NSKK und ... dann kommen sie in den Arbeitsdienst und werden dort wieder sechs oder sieben Monate geschliffen ...übernimmt dann die Wehrmacht zur weiteren

Behandlung auf zwei Jahre ... damit sie auf keinen Fall rückfällig werden, sofort wieder in SA, SS und so weiter ..." 52

Was hier demonstriert wurde, ist die totale geistige Indoktrination in einem Erziehungssystem, welches vom Elternhaus bis zur totalen Verfügbarmachung in den militärischen Strukturen der Wehrmacht reichte.

3.1. Das nationalsozialistische Erziehungssystem

Bereits 1926 wurde auf dem Reichsparteitag der NSDAP die Hitlerjugend gegründet. Zunächst handelte es sich um eine Jugendabteilung der SA. Im Frühjahr 1933 wurde diese jedoch umgegliedert. Die Hitler-Jugend bestand aus:

- Deutsches Jungvolk in der HJ (Buben von 10 bis 14 Jahren)
- Hitler-Jugend (Buben von 14 bis 18 Jahren)
- Jungmädel in der HJ (Mädchen von 10 bis 14 Jahren)
- Bund Deutscher Mädel (Mädchen von 14 bis 18 Jahren)

In der Hitler-Jugend stand die Mobilisierung von Aktivitätsdrang, Idealismus, Aben-teuerlust, Führertum und die Faszination an Fahnen, Helden und Symbolen im Mittelpunkt.

1936 wurde ein Gesetz zur Regelung der Hitler-Jugend verabschiedet. Die Mitgliedschaft wurde für alle Kinder und Jugendlichen verpflichtend. Dadurch hatte die Hitler-Jugend im Jahre 1938 bereits neun Millionen Mitglieder.

Die Jugendkontrolle wurde in vielerlei Bereichen fortgeführt: BDM-Werk "Glaube und Schönheit" (Sport, Haushalt,...), Reiter-HJ, Marine-HJ, Flieger-HJ u. v. m. Daneben bestand zumindest ansatzweise ein nationalsozialistisches Schulsystem der Heranziehung von Eliten in Form der Führerschulen und Ordensburgen.

3.2. NS-Richtlinien in den einzelnen Unterrichtsfächern

Die Leibeserziehung war für den späteren Kampfeinsatz und als Funktion für den völkischen Staat ein wesentlicher Bestandteil. In den Richtlinien für die Leibes-erziehung in Jungschulen (1937) fand sich dieser Anspruch folgendermaßen:

"... Volk, Wehr, Rasse und Führertum sind die Richtungspunkte auch für die Gestaltung der Leibeserziehung ... Gehorsam, Einordnung, ritterliches Verhal- ten ... planm äßige Entwicklung des angeborenen ... Kampftriebes ... zum kämpferischen Einsatz ... Im Mittelpunkt der Leibeserziehung steht die kämpferische Leistung ... " 53

Die sozialdarwinistische Theorie der überindividuellen Existenz des Volkes erhob das Volk zur Grundlage aller Wertsetzungen. Das biologisches Denken im Sinne von rassistischem Denken wurde somit zur leitenden Staatsidee:

"Ihm [dem Schüler] mu ßvermittelt werden, da ßdie Menschen durch die Zivilisation sich häufig eine künstliche Umwelt geschaffen haben, um den Auslesekräften der Natur zu entgehen, und da ßerst der nationalsozialistische Staat durch Rassengesetzgebung und Erbgesundheitspflege das Gesetz der Auslese wieder zur Geltung gebracht hat." 54

Somit wurde die inhumane Rassengesetzgebung letztlich als Durchsetzung eines natürlichen Prinzips postuliert.

Die Richtlinien für den Geschichtsunterricht wurden fast wörtlich aus "Mein Kampf" übernommen (Richtlinien zum Geschichtsunterricht, 1938):

"Der Geschichtsunterricht wird sein Ziel nur erreichen, wenn er unter Verzicht auf eine lückenlose Darstellung des geschichtlichen Ablaufs die grossen Ent- wicklungslinien aufzeigt, d. h. diejenigen Ereignisse, Persönlichkeiten und Zeitabschnitte darstellt, an denen die gro ßen Gesetze der geschichtlichen Bewegung sichtbar werden." 55

Der Geschichtsunterricht müsse aus dem Glauben an die Zukunft des deutschen Volkes hervorgehen und aus der Erkenntnis von den immer wirksamen und unzerstörbar fortdauernden rassischen Grundkräften des deutschen Volkes.

Schlußwort

Aus den vorliegenden Betrachtungen lassen sich folgende Thesen ableiten:

1. Hitlers "Mein Kampf" enthält die erste ausführliche Stellungnahme des Nationalsozialismus zu Erziehungsfragen. Obwohl das Programm der NSDAP von 1920 bereits Forderungen auf dem Bildungssektor erhebt, lässt sich doch noch nicht von einem erziehungspolitischen Programm sprechen. Erst Hitler äußert sich in "Mein Kampf" detailliert zu diesem Thema.
2. Das Erziehungsprogramm Hitlers ist eine konsequent wirkende Folgerung aus seinen politischen Leitvorstellungen und den ihnen zugrundeliegenden anthropologischen und geschichtsphilosophischen Prämissen. Nationalismus, Rassismus, Militarismus und Sozialdarwinismus werden zu einem einheitlichen Kampfprogramm zusammengefasst und die Schule zu einer funktionalistischen Erziehungsanstalt umfunktioniert.
3. Ziel der Hitlerschen Erziehungskonzeption ist der physisch leistungsfähige politische Kämpfer. Seine Tugenden sind Kraft, Siegeswille, Rassebewusstsein, Unterordnung und Gehorsam.
4. Das nationalsozialistische Erziehungsprogramm ist totalitär im Sinne einer vollständigen Unterordnung aller Lebensbereiche unter die erzieherischen Grundsätze der NSDAP, sowie im Sinne einer völligen Verneinung jeglicher Individualität des zu erziehenden Kindes. Erziehung bezieht sich dabei auf alle Lebensphasen.
5. Die pädagogischen Vorstellungen in "Mein Kampf" blieben bis zum Ende die erzieherischen Leitlinien des völkischen Staates.
6. Die Pädagogik Adolf Hitlers ist auch Ausdruck seiner Biografie, die durch schulisches Versagen, väterliche Unterdrückung und nationalistisches Umfeld charakterisiert ist.

Literaturverzeichnis

HITLER, Adolf: Mein Kampf. Zentralverlag der NSDAP, München 1940.

STEINHAUS, Hubert: Hitlers Pädagogische Maximen. Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main/Bern 1981.

KOHRS, Peter: Kindheit und Jugend unter dem Hakenkreuz. J. B. Metzler-Verlag, Stuttgart 1983.

HAMANN, Brigitte: Hitlers Wien - Lehrjahre eines Diktators. Piper Verlag, München 1996.

GIESECKE, Hermann: Hitlers Pädagogen. Juventa Verlag, Weinheim/München 1993.

TESAR, Eva und ACHS, Oskar (Hrsg.): Jugend unterm Hakenkreuz. Jugend und Volk, Wien 1988.

STAHLMANN, Martin und SCHIEDECK, Jürgen: Erziehung zur Gemeinschaft -Auslese durch Gemeinschaft. KT-Verlag, Bielefeld 1991.

[...]


1 Hitler, S. 4

2 Hitler, S. 173

3 Hitler, S. 173

4 Hitler, S. 4

5 Hitler, S. 17

6 Hamann, S. 22

7 Hamann, S. 21

8 Hitler, S. 10

9 Hitler, S. 13

10 Hitler, S. 13

11 Hitler, S. 55

12 Hamann, S. 33

13 Hitler, S. 16

14 Hitler, S. 19

15 Hitler, S. 433

16 Hitler, S. 434

17 Hitler, S. 439

18 Hitler, S. 444

19 Hitler, S. 447

20 Hitler, S. 448

21 Hitler, S. 448

22 Steinhaus, S. 44

23 Hitler, S. 193

24 Hitler, S. 609

25 Hitler, S. 459

26 Steinhaus, S. 48

27 Steinhaus, S. 48

28 Steinhaus, S. 50

29 Hitler, S. 453

30 Hitler, S.452

31 Hitler, S. 453

32 Hitler, S. 453

33 Hitler, S. 454

34 Hitler, S. 454 f

35 Hitler, S. 455

36 Hitler, S. 459

37 Hitler, S. 459

38 Hitler, S. 459

39 Hitler, S. 460

40 Steinhaus, S. 72

41 Hitler, S. 462

42 Hitler, S. 462

43 Hitler, S. 464

44 Hitler, S. 465

45 Hitler, S. 468

46 Hitler, S. 468

47 Hitler, S. 467

48 Hitler, S. 469

49 Hitler, S. 277

50 Hitler, S. 474

51 Hitler, S. 475

52 Kohrs, S. 126 f

53 Kohrs, S. 59 f

54 Kohrs, S. 64

55 Kohrs, S. 67

Fin de l'extrait de 18 pages

Résumé des informations

Titre
Schule und Erziehung in Hitlers "Mein Kampf"
Cours
PS aus österreichischer Regimelehre/Politik
Auteur
Année
1998
Pages
18
N° de catalogue
V94969
ISBN (ebook)
9783638076494
Taille d'un fichier
491 KB
Langue
allemand
Annotations
Biografische Bezüge zu Kindheit und Erziehung, Die Konzeption von Schule und Erziehung in "Mein Kampf", Die Umsetzung von Hitlers Konzeption im dritten Reich
Mots clés
Schule, Erziehung, Hitlers, Mein, Kampf, Regimelehre/Politik
Citation du texte
Rainer Frank (Auteur), 1998, Schule und Erziehung in Hitlers "Mein Kampf", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94969

Commentaires

  • invité le 28/8/2000

    anne franks tagebuch.

    zeigt das leben als hinterjüdin. in einem haus mit ihrer familie, verbringt sie die kriegszeit in einem haus. momente in ihrem leben werden in einem tagebuch festgehalten.

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