Dienstleistungsgesellschaften - Referat zum Buch von Hartmut Häußermann und Walter Siebel


Recension Littéraire, 1997

14 Pages


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung zu dieser Arbeit

2.Zusammenfassungen der einzelnen Kapitel des Buches
a)Kapitel 1: Was heißt "DLG"?
b)Kapitel 2: Theorien zur DLG
c)Kapitel 3: Internationaler Vergleich:Der schwedische, der amerikanische und der westdeutsche Weg
d)Kapitel 4: Die Gesellschaft des öffentlichen Dienstes: Das Volksheim Schweden
e)Kapitel 5: Die Dienstbotengesellschaft:Das amerikanische Beschäftigungswunder
f)Kapitel 6: Die Zukunft des Stadtsystems-Die räumliche Struktur der DLG
g)Kapitel 7: Quo Vadis, Bundesrepublik?
h)Kapitel 8: Der "Der Hunger nach Tertiärem": Quellen von Dienstleistungen
i)Kapitel 9: Arbeit, Haushaltsarbeit, Lohnarbeit-Die Integration der Frauen in die DLG
j)Kapitel 10: Die Kultur der DLG

3.)Fazit des Referenten

I.Einleitung zu dieser Arbeit

In dieser Arbeit wird "Dienstleistungsgesellschaften" von Hartmut Häußermann und Walter Siebel zusammengefaßt1. Die Kapitel des Buches werden jeweils für sich knapp zusammengefaßt. Eine Ausnahme bildet das Kapitel 8, in welchem die Autoren nach Quellen von Dienstleistungen suchen. Dieses Kapitel war das Thema, das für das Referat vorbereitet wurde und entsprechend intensiver bearbeitet wurde.

Die Autoren wurden durch die Diskussion um eine Verbesserung der Beschäftigungssituation mit Hilfe des Dienstleistungssektors dazu angeregt, die Ausrufung der Dienstleistungen zum Mittel gegen die Massenarbeitslosigkeit kritisch zu analysieren und zu beleuchten. In dieser Analyse wird vor allem deutlich, daß die Dienstleistungen als Mittel gegen Massenarbeitslosigkeit nicht erst heute, sondern schon vor 50 Jahren diskutiert wurden und daß zu diesem Komplex schon zahlreiche Überlegungen angestellt wurden: das Thema dieses Buch- es ist also kein neues.

Zur Vereinfachung findet in der weiteren Arbeit die Abkürzung DLG für Dienstleistungsgesellschaft Verwendung.

* * *

2.)Zusammenfassungen der einzelnen Kapitel des Buches

a)Kapitel 1:Was heißt "Dienstleistungsgesellschaft" ?

Im ersten Kapitel,das die Überschrift "Was heißt Dienstleistungsgesellschaft?" trägt,werden von den Autoren die für die späteren Erörterungen notwendigen Begriffe geklärt und definiert.

So wird als DLG eine Gesellschaft definiert, in der die Mehrzahl der arbeitenden Bevölker- ung Erwerbsarbeit in Form von Dienstleistungen erbringt. Dienstleistungen werden zunächst als das definiert, was sie nicht sind: sie gehören nicht zum primären oder sekundären Sektor und stellen weder Produkte her, noch sind sie für die Gewinnung von Rohstoffen bedeutend. Für die Zuordnung von einzelnen Beschäftigungen zu bestimmten Bereichen gibt es verschiedene Zuordnungsprinzipien: Das sektoralen Prinzip, das nach primärem, sekundären und tertiärem Sektor unterteilt; die Zuordnung erfolgt danach, welches Endprodukt herge- stellt wird. Die Zuordnung nach der funktionalen Gliederung gliedert die Tätigkeit unabhäng- ig vom Endprodukt in die Beschäftigungsstatistik ein, es wird zwischen herstellender und dienstleistender Tätigkeit unterschieden. Der herstellende Bereich wird definiert als "manu- elle Tätigkeit,die sich auf die unmittelbare Gewinnung,Verarbeitung oder Bearbeitung von Sachgütern richtet"2, bei den Dienstleistungen herrscht, wie erwähnt, Unklarheit. Anhand dieser Unterscheidungen wird eine Tendenz zur DLG diagnostiziert, da die Beschäftig- tenzahlen von der Produktion zur Dienstleistung verschoben werde.

Im ersten Kapitel erläutern die Autoren abschließend die "Drei-Sektoren-Theorie" von Jean Fourastié in der eine schrittweise Umschichtung vom primären Sektor hin zum tertiären Sek- tor erfolge. Fourastié erklärt diese Umschichtung mit Unterschieden im Produktivitätsfort- schritt in den drei Sektoren. Es wird hier von der These ausgegangen, daß Dienstleistungen nicht bzw. nur wenig in ihrer Produktivität steigerbar sind. Fourastié schreibt den Dienstleist- ungen das Uno-Actu-Prinzip zu, das besagt, daß Produktion und Konsum örtlich und zeit- lich zusammenfallen.

b)Kapitel 2 :Theorien zur Dienstleistungsgesellschaft

Hier werden die wichtigsten Theorien zur Entstehung der DLG thematisiert. Die bereits er- wähnte Theorie von Fourastié basiert auf der sektoralen Einteilung der Beschäftigung, die Ende der dreißiger Jahre entwickelt wurde3. Diese Einteilung stellt eine Hierarchie der Pro- dukte auf, wobei das entscheidende Kriterium der Grad der Lebensnotwendigkeit eines Pro- duktes ist.

Diese sektorale Einteilung der Beschäftigung wurde später wieder aufgenommen, um die These aufzustellen, daß die Anteile sich vom primären (Landwirtschaft) über den sekundä- ren (Industrie) zum tertiären (Dienstleistungen) Sektor verschieben. Fourastié unterschied die Produkte in den fünfziger Jahren nach dem Grad der Poduktivitätssteigerbarkeit. Die Pro- duktivität sei wiederum vom Grad des technischen Fortschritts abhängig. Im Zuge der industriellen Revolution wurde zuerst die Landwirtschaft rationalisiert. Als Fol- ge davon standen der Industrie eine größere Menge von Arbeitskräften zur Verfügung. Auch in diesem Bereich setzte der technische Fortschritt und die Rationalisierung ein; es wurden zu viele Personen beschäftigt, so daß nach Fourastié ein Trend zum tertiären Sektor einsetz- te. Ferner sieht er das Problem der Sättigung der Märkte mit Produkten und die Gefahr von Betriebsschließungen. Das stellt aber letztendlich eine, wenn auch unkontrollierte Form der Rationalisierung dar.

Eine weitere These beinhaltet den Zusammenhang von Produktivitätssteigerung und Kon- sumsteigerung. Erklärt wird das damit, daß die Bedürfnisse und Wünsche der Menschen sich bei steigendem Einkommen erweitern. Fourastié geht davon aus, die Beschäftigungs- struktur entwickele sich nicht mehr weiter, sondern bleibe im dritten Sektor stehen.Grund sei das UnoActu-Prinzip und die Unproduktivität der Dienstleistungen.

Wichtig für die Zunahme des Bedarfs an Dienstleistungen sind mehrere Faktoren. Sie sparen dem Konsumenten Zeit und individualisieren den Konsum 4. Das bedeutet, daß die Dienst- leistungen nun zur sozialen Profilierung gegenüber anderen dienen. Fourastié nennt das einen "Strukturwandel der Konsumnachfrage". Daneben hält er die Tatsache für wichtig, daß immer mehr Menschen mit Entwicklung, Forschung, Planung etc. beschäftigt sein werden.Er sieht nicht nur die Gefahr einer zukünftigen Nahrungsmittelkrise, sondern auch die, daß es zu wenig Dienstleistungen gibt.

Gartner/Riessmann ("die Optimisten")5 haben sich ebenfalls mit der DLG befaßt. Bell sieht eine von Dienstleistungen dominierte Gesellschaft und Wirtschaft. Dienstleistungen verändern sich qualitativ und quantitativ. Von tragender Bedeutung in der DLG sei das theoreti- sche Wissen, im Gegensatz zum Privateigentum in der Industriegesellschaft. Wissen trage wesentlich zur Weiterentwicklung der Gesellschaft, Technik und Politik bei; der technische Fortschritt sei steuerbar. Die gesellschaftliche Entwicklung werde "selbst zum Gegenstand einer neuen intellektuellen Technologie"6. In der Güterproduktion werden verstärkt wissen- schaftliche Tätigkeiten an Bedeutung gewinnen.

Sie legen den Schwerpunkt auf die Expansion der Konsumdienste; sie verbinden damit große Hoffnungen wie "mehr Selbstbestimmung und Demokratie". Sie behaupten, daß die moderne Gesellschaft bereits eine DLG sei: sie beweisen das mit Hilfe statistischer Zahlen. So nehme der Anteil der Beschäftigten im Dienstleistungssektor zu, ebenso die Zahl der Dienstleistungen selbst, die jetzt als Statussymbol verwendet werden; die Erreichung be- stimmter Privilegien sei abhängig von der Möglichkeit des Konsums von personenbezogenen Dienstleistungen.

Gartner/Riessmann gehen ferner davon aus, daß die kapitalistische Gesellschaft stabil sei: stabil ist hier im Sinne von "Vermeidung systemsprengender Krisen" verstanden, nicht im Sinne von Krisenfreiheit.

Ein wesentliches Kennzeichen der DLG sei das Absinken gesellschaftlich notwendiger Ar- beit als Folge der enormen Steigerung der Produktivität in der Produktion. Um die damit verbundenen Folgen auszugleichen, wird vorgeschlagen, die personenbezogenen Dienstleist- ungen zu fördern.Begründet wird das mit der Arbeitsintensität dieser Dienste, der Immateri- alität/demUno-Actu-Prinzip. Die Wertorientierung und das politische Bewußtsein werden durch diese Entwicklung verändert, da die Menschen mehr Zeit außerhalb der Erwerbsarbeit verbringen. Es wird in Zukunft auch weniger um die Verteilung gesellschaftlichen Reichtums gehen, so daß es einen Gegensatz zwischen beiden Gesellschaftsformen geben wird. Die "Pessimisten" Baumol und Gershuny unterscheiden die Tätigkeitsbereiche danach, ob Produktivitätszuwächse mit Hilfe der Technik möglich sind oder nicht. Die Dienstleistungen unterliegen nach Baumol der "Kostenkrankheit".

Gershuny geht davon aus, daß gegenwärtig die DLG noch nicht da ist und wir uns in einer Selbstbedienungsgesellschaft befinden, in der Dienstleistungen durch eine Mischung von eigener Arbeit und einem technischen Produkt ersetzt werden.

c)Kapitel 3: Internationaler Vergleich: Der schwedische, der amerikanische, der westdeutsche Weg

Um die unterschiedlichen Modelle von DLGs zu vergleichen, werden in diesem Kapitel von den Autoren die Länder USA, Schweden und die Bundesrepublik Deutschland miteinander verglichen. Sie kommen zu dem Ergebnis, daß in Deutschland die Beschäftigtenanteile in den konsumorientierten Dienstleistungen im Vergleich geringer sind, gleichzeitig aber nicht festgestellt werden kann, daß die BRD überindustrialisiert ist. Die Arbeitszeiten hier sind länger, dafür sind weniger Menschen beschäftigt, was insbesondere auf die Frauen zutrifft. Der Zustand in der Bundesrepublik wird mit dem Etikett "Selbstbedienungsgesellschaft"7 versehen. Zu Beginn des Vergleiches wird für die Bundesrepublik festgestellt, daß hier die geringste Arbeitslosenquote herrscht, was vordergründig die Bestätigung von Fourastiés These bedeuten könnte.

Die Situation in den USA sieht so aus, daß durch eine Öffnung der Schere zwischen den Löhnen in Produktion und Dienstleistungssektor das Problem "Kostenkrankheit" für die Dienstleistungen somit gelöst zu sein scheint: es erfolgte die Regelung des Problems durch den Markt. Diese Form wird wegen der starken Einkommenspolarisierung mit dem Begriff "Dienstbotengesellschaft" charakterisiert.

Am Beispiel Schweden läßt sich betrachten, wie die Organisation des Dienstleistungssektors durch den Staat betrieben wird bzw. wurde. Hier erhebt der Staat hohe Steuern und Abga-ben, die dazu dienen, die Gewinne aus der Produktion in die Konsumdienste umzuverteilen. Unterschiede sehen die Autoren in der Art der Organisationsform der Dienstleistungen, der Finanzierungsart, in unterschiedlichen Konflikten und Nebenwirkungen, die jeweils für ein Konzept typisch sind. Es folgen die Erörterungen der einzelnen Modelle, die hier aus Platzgründen nur kurz ausgeführt werden.

d)Kapitel 4: Die Gesellschaft des öffentlichen Dienstes: Das Volksheim Schweden

Typisch für Schweden ist die Ausgliederung von Dienstleistungen aus dem Privathaushalt in öffentliche Einrichtungen. Ziel war hier die Frauen in den Arbeitsmarkt zu integrieren und gleichzeitig die Lebensbedingungen für die gesamte Bevölkerung anzugleichen. Das Eingreifen des Fiskus mit dem Instrument der Steuern und der Einmischung in die Lohnpolitik bewirkten eine erhebliche Nivellierung der sozialen, finanziellen und regionalen Unterschiede, aber auch eine Standardisierung der Lebensweisen. Durch staatliches Eingrei- fen in den Arbeitsmarkt wurden für alle Schichten und beide Geschlechter gleichförmige Be- dingungen geschaffen. Diese Verfahrensweise wirkte gleichmachend, die Frauen sind weit- gehend immer noch mit den traditionellen Tätigkeiten beschäftigt, mit dem Unterschied, daß sie das nun nicht mehr zu Hause tun, sondern als bezahlte Arbeit; obwohl sie gut ausgebildet sind, bilden sie eine Art "Service-Proletariat". Sie sind trotzdem gleich bezahlt. Als wichtig wird von Autoren erachtet, daß Schweden für ein solches Modell die richtigen Voraussetzungen mitbringt (hohe ethnische und kulturelle Homogenität, Weltanschauung).

e)Kapitel 5 : Die Dienstbotengesellschaft: Das amerikanische Beschäftigungswunder

In den USA erfolgte die Schaffung neuer Arbeitsplätze im dritten Sektor über die Ausdehn- ung der Konsumdienstleistungen. Arbeitsplätze in diesem Sektor sind in den USA die "McJobs" bzw. "Bad Jobs". Kennzeichen dieser Arbeitsplätze sind außergewöhnlich niedrige Bezahlung, ungewöhnliche Arbeitszeiten, niedrige Kündigungsfristen und niedrige Qualifika- tionsanforderungen. Ins Gegenteil verkehren sich die Zustände in den produktionsorientier- ten Dienstleistungen, was die bereits erwähnte, auseinanderklaffende Einkommensschere zur Folge hat.

f)Kapitel 6 :Die Zukunft des Stadtsystems:Die räumliche Struktur der DLG

In diesem Kapitel werden die Folgen der Tertiärisierung auf den Komplex "Stadt" angewen- det. Es werden die Folgen der Tertiärisierung, die bereits eingetreten sind und die noch ein- treten könnten, mit ihren Auswirkungen auf das "Stadtsystem", behandelt. Zuerst wird die Rolle des sozialen Wandels, der mit dem Wandel zur DLG einhergeht, auf die Entwicklung der räumlichen Struktur Stadt überprüft. Hier werden Folgewirkungen er- kennbar: im Unterschied zur Industriegesellschaft können die räumlichen Entwicklungen nicht mehr mit klassischen Faktoren begründet werden: so spielt es keine Rolle mehr, ob Rohstoffe in der Nähe verfügbar sind.

Die Produktionsdienste tragen in der postindustriellen Produktion den wesentlichen Anteil am ökonomischen Erfolg. Die stärker werdende Konzentration der Unternehmen in multi- nationalen Konzerneinheiten bewirkt, daß weniger Unternehmensführungen benötigt werden und es in Folge dessen zu einer räumlichen Dekonzentration kommt. Die Konsumdienste helfen bei der Überwindung des mit der Deindustrialisierung verbundenen Strukturwandels, indem sie das Absinken der Beschäftigungszahlen dämpfen. Durch den Verbund mit dem "Uno-Actu-Prinzip" tragen sie zu einer räumlichen Dekonzentration der Beschäftigung bei, weil die Konsumdienste die Nähe zu den Konsumenten erfordern, die nicht mehr zentral an einem Ort leben, sondern sich in einem Suburbanisierungsprozeß befinden. Als letzter Punkt für die räumliche Verteilung der Beschäftigung wirkt sich die Organisationsform aus, d.h. die Frage, ob die Dienste in staatlicher oder privater Hand sind. Die Produktions- und Konsumdienste sind heute von entscheidendem Gewicht, während in der Industriegesellschaft deren Unproduktivität betont wurde. Der soziale Wandel hat das Stadt-Land-Gefälle in seiner alten Form aufgehoben.

Die Raumentwicklung in der alten Bundesrepublik wurde durch die Tertiärisierung in folgende Richtungen beeinflußt: die Schlagworte Disurbanisierung, Hierarchisierung, Suburbanisierung und Polarisierung sollen diese Richtungen charakterisieren8. Der erste Begriff beschreibt den Abbau des Stadt-Land-Gefälles durch Verstädterung der ländlichen Region und eine Entdichtung der städtischen Region, so daß insgesamt die beiden Bereiche ange- glichen werden. Unter Hierarchisierung wird verstanden, daß bestimmte Stadtregionen an- deren Regionen vorgezogen werden. In Deutschland und England werden für die Ansied- lung von Unternehmensführungen die südlichen Stadtregionen eindeutig bevorzugt. Das liegt darin begründet, daß die Produktiondienste als innovationsrelevant eingestuft werden:in den genannten Gebieten herrscht deshalb die höhere Konzentration der Dienstleistungsstandorte: hier werden die größeren Fortschritte gemacht. Der Begriff Suburbanisierung umfaßt den Dekonzentrationsprozeß innerhalb von Ballungsräumen und Stadtregionen: der Anteil des Umlandes an der Gesamtbevölkerung, an der Zahl der Arbeitsplätze usw. steigt im Vergleich mit den Innenstädten. Die Polarisierung umfaßt Schwerpunktbildung und Entwicklung neuer Ballungsräumen, in denen bestimmte Einkommensstrukturen oder Funktionen domi- nieren:Gebiete mit sehr reicher Bevölkerung und sehr armer Bevölkerung, oder Verdräng- ung der Wohnbevölkerung.

Die vier Begriffe hängen zusammen mit den Produktionsdiensten, die durch ihre Struktur auf diese Entwicklungen verstärkend und beschleunigend wirken. Den Konsumdiensten wer- den ausgleichende Wirkungen zugeschrieben, weil sie auf die regionalen Unterschiede nicht einwirken.

g)Kapitel 7:Quo vadis Bundesrepublik?

Die Weg anderer Länder in die DLG wurden bereits mit den wichtigsten Charakteristika für Schweden und die USA beschrieben. Hier geht es darum, ob diese Modelle auf deutschland zu übertragen sind. Das schwedische Modell wird als nahezu idealtypisch gesehen, weil in der Bevölkerung und der Gesellschaft eine starke Homogenität vorherrscht, die kaum vor-handen ist. Das Modell der USA wird wegen seiner positiven Auswirkungen auf Staats- schulden und BSP zwar geschätzt, diese Wirkungen aber nur als kurzfristig bewertet. Zusätzlich dazu dürften auch hier USA-spezifische Bedingungen hinzukommen, die eine direkte Übertragung auf Deutschland schwierig erscheinen lassen.

h)Kapitel 8:Der "Hunger nach Tertiärem": Quellen von Dienstleistungen

In der ö konomischen Diskussion wird das Thema Dienstleistungen vor allem unter dem Aspekt der Wachstumsbedingungen behandelt. Es wird die Frage thematisiert, wann sich dieser Sektor ausweitet und unter welchen Bedingungen das geschieht.

Die Autoren gehen von dem Zusammenhang zwischen Wachstum der Dienstleistungstätig- keiten, Sinken der Industrietätigkeit und einer Sättigung der Konsumenten mit materiellen Gütern aus. Die Konsumtheorie geht davon aus, daß der Bedarf nach Dienstleistungen latent vorhanden ist und erst dann als Nachfrage einsetzt, wenn ein Sättigungsgrad an materiellen Gütern eingesetzt hat. Für diesen Fall wird ein Anstieg von Wohlstand und Beschäftigung erwartet, wobei zu beachten ist, ob sich die Nachfrage auf Produktions- oder Konsumdienste richtet. Letztere gelten aufgrund ihres Charakters als unproduktiv und wachstumshemmend. Die Autoren stellen die ökonomische These in Frage, Dienstleistungen haben einen be- stimmten Charakter, der sie unproduktiv werden lasse. Es wird festgestellt, daß nahezu alle Produkte die den Dienstleistungen zugeschriebenen Eigenschaften (Uno-actu, Immaterialität, Genuß- und Nutzen stiftend) ebenfalls besitzen. Die Gültigkeit dieser Eigenschaften für die Abgrenzung von Dienstleistungen wird mit Hilfe einiger Beispiele in Frage gestellt: so erweist sich das Uno-Actu-Prinizip als zu undeutlich, um Dienstleistungen eindeutig be- stimmen zu können. Weder das Uno-Actu-Prinzip noch die Behauptung Dienstleistungen seien unproduktiv, können begründen, warum Bedürfnisbefriedigung nur durch Dienstleist- ungen und nicht durch Güter zu leisten sein soll. Gleiches gilt für die These, Dienstleistungs- tätigkeiten haben ein immaterielles Produkt zur Folge (das ist beim Zahnarzt nicht der Fall). Als Ergebnis wird die These aufgestellt, Dienstleistungen durchlaufen einen Lebenszyklus. Eine systematische Abgrenzung mit Hilfe der Merkmale gegenüber Industriegütern erweist sich als nicht haltbar, weil Dienstleistungen unter Umständen zu Industriegütern werden können: Dienstleistungen haben nicht eine bestimmte Natur, sie sind ein soziales Arrange- ment9, das durch Kultur und Technik verändert und rationalisiert werden kann. Sie werden dann von einer Tätigkeit mit dem Uno-Actu-Prinzip zu einem Industrieprodukt verwandelt. Dienstleistungen werden zunächst organisatorisch rationalisiert, dann mit technischer Unter- stützung standardisiert und am Ende vollständig technisch substituiert; das kann für alle Dienstleistungen gelten, es gibt lediglich kulturelle und moralische Grenzen. Ausgangspunkt der soziologischen Diskussion ist die Tatsache, daß Dienstleistungsbeschäftigung in absoluten und relativen Zahlen zugenommen hat. Es wird nach den gesellschaftlichen Konsequenzen der Entwicklung gefragt. Der Begriff DLG steht dem der Industriegesellschaft gegenüber: in beiden Fällen muß nicht die Mehrheit der Beschäftigten im jeweiligen Sektor beschäftigt sein, aber der dominierende Sektor ist in allen Bereichen der Gesellschaft dominierend.

Es stellte sich heraus, das eine Definition von Dienstleistungen notwendig ist, die sich nicht auf die statistische Restkategorie Dienstleistung stützt. Nur durch eine eigenständige Definition könnten Dienstleistungen und sozialer Wandel ausgehend von einem quantitativen Wandel auch wirklich analysiert werden. Die von der amtlichen Statistik abgeleitete produktbzw. tätigkeitsorientierte Abgrenzung und die hieraus resultierenden Merkmale ermöglichen keine systematische Abgrenzung gegenüber der Güterproduktion, so daß die Frage zu stellen ist, welche soziologischen Gemeinsamkeiten Dienstleistungen haben. Um den Trend zur DLG zu untersuchen, müssen Verschiebungen und Verzerrungen der amtlichen Statistik beachtet werden10. So besteht die Möglichkeit, daß dort die Zahl der Fälle von Dienstleistungstätigkeiten gleichgeblieben ist, obwohl die Zahl real angestiegen sein müs- ste: die Zahl der Dienstleistungsbeschäftigten hängt davon ab, in welchen Betrieben sie beschäftigt sind, wenn sie in einem Industriebetrieb arbeiten, werden sie auch weiterhin als Pro- duzenten erfaßt, trotzdem sie real nicht in der Produktion, sondern als Dienstleister tätig sind.

Die Statistik produziert einen Zuwachs an Dienstleistungstätigkeit, wo bisher gar keiner war: Tätigkeiten, die bisher von im Haushalt miterledigt wurden, werden jetzt von Angestellten erledigt. Es ist keine zusätzliche Arbeit entstanden, sie hat sich nur vom informellen auf den formellen Bereich verlagert. Quantitative Messungen sind also für die Untersuchung von sozialem Wandel nicht ausreichend. Die Schwierigkeiten bei der Diskussion über dieses Thema sind die Wanderungen zwischen den einzelnen Sektoren, die Wanderungen zwischen formellem und informellem Bereich sowie die Differenzierungen innerhalb der Kategorie, so daß die klassische Abgrenzung für eine Theorie des sozialen Wandels sinnlos ist. Die Autoren bezeichnen eine Theorie von Berger/Offe als eine schlüssige Theorie für die Beschreibung von sozialem Wandel: Dienstleistungen sind die Tätigkeiten, die eine "formbeschützende"11Funktion haben. Dienstleistungen werden nach ihrer Funktion im Prozeß der gesellschaftlichen Reproduktion definiert. Es gibt produzierende Arbeiten für das physische Überleben und Tätigkeiten, die darauf ausgerichtet sind, die kulturellen, politischen und sozialen Rahmenbedingungen für die materielle Reproduktion zu sichern. Mit Hilfe dieser Theorie kann sozialer Wandel auch historisch gedeutet werden, der Wegfall und die Entstehung von formbeschützenden Tätigkeiten geben darauf Hinweise. So vollzieht sich ein gesellschaftlicher Wandel, wenn Art und Weise wie Funktionen aufrechterhalten werden, sich ändern. Die Triebkraft dafür ist die Arbeitsteilung und Rationalisierung von Produktion und Reproduktion, welche neue Funktionen entstehen lassen. Diese neuen Funktionen sind die Quellen von Dienstleistungen: Durch die Rationalisierung der Produktion wird eine Funktion verselbständigt, die vorher Teil der alten Funktion war, das Ergebnis davon ist eine Produktionssteigerung durch Spezialisierung. Dieser Prozeß kann als Prozeß der Entmisch ung bzw. der Arbeitsintensivierung beschrieben werden, in dessen Verlauf neue Berufe entstehen und Aufgaben an die Familie abgegeben wurden. Das Volumen der Dienstleistungsarbeit hängt ab vom Rationalisierungsgrad. Die Trennung von Produktion und Reproduktion12ist eine weitere Quelle von Dienstleistungen: Auch hier zerlegen sich vermischte Funktionen in einzelne Funktionen, die entweder an die Privathaushalte oder an die Berufsarbeit in Form von Dienstleistungen abgegeben werden.

Durch die Rationalisierung der Reproduktion13, die durch die Kollektivierung von Dienst- leistungen erfolgte (öffentliche Bäder, Verkehrssysteme, Wäschereien) entstanden neue Dienstleistungsarbeitsplätze, was allerdings nur eine Vorstufe auf dem Weg in die SB- Gesellschaft im Rahmen der Lebenszyklus-Theorie wäre. Das Entstehen einer immer rationelleren Ökonomie erfordert neue Funktionen, die Qualifikationen, Motivationen, Verhaltensregeln als Bestandsvoraussetzungen hervorbringen und entwickeln. Die Quellen systemfunktionaler Nachfrage nach Dienstleistungen sind: zum einen die formbeschützenden Dienstleistungen und die Probleme der modernen Gesellschaft. Es gibt ferner innovative Dienstleistungen, die den Zweck haben, den gesellschaftlichen Produktionsprozeß effektiver zu gestalten14.

Es gibt drei Formen der Nachfrage nach Dienstleistungen, die sich nicht systemfunktional erklären lassen15: Dienstleistungen sind als eine Art Reichtumsfunktion zu verstehen, so gibt es die Fun-Dienst zum Ausfüllen freier Zeit, einer Ursache der Produktivitätssteigerung. Kompensatorischer Konsum dient als Ersatzbefriedigung oder als Frustkompensation, positionaler Konsum als Statussymbol, was in einer ungleichen Gesellschaft eine unerschöpfliche Quelle von Dienstleistungen darstellt. Eine weitere Quelle ist der demographische Wandel, der die Nachfrage nach Pflegedienstleistungen ansteigen läßt. Durch ein längeres Leben entsteht ein neuer Bedarf, durch den Verlust sozialer Netze und eine neue Alterstruktur ändert sich nur die Zahl der Pflegefälle, die durch formelle Arbeit betreut werden müssen.

Durch Formalisierung und Vergesellschaftung von Dienstleistungstätigkeiten entstehen neue berufliche Arbeitsplätze: aber Technisierung scheint auch hier möglich. Durch den Wandel der gesellschaftlichen Organisationsform von Arbeit entstehen neue formelle Arbeitsplätze, durch sozialen Wandel neue Funktionen. Der Prozeß der Vergesellschaftung von Arbeit entsteht durch den immer weiter fortschreitenden Prozeß der warenförmigen Organisation, durch den Konsum und Produktion getrennt werden. Der Prozeß der Vergesellschaftung von Arbeit wird als "Landnahme"16bezeichnet, immer mehr informelle Tätigkeiten werden marktförmig organisiert, wobei der Prozeß der technischen Substitution von Dienstleistungen wirksam bleibt. Ein Beispiel für den fortschreitenden Prozeß der "Landnahme" ist die Arbeit der Hausfrau, die immer stärker in das formelle System eingebunden wird. Durch die Rationalisierung werden aus einer Tätigkeit, die früher von einer Person im eigenen Haushalt erledigt wurde, mehrere einzelne, die formell bearbeitet werden.

i)Kapitel 9:Arbeit,Haushaltsarbeit, Lohnarbeit-Die Integration der Frauen in die DLG

Der Prozeß der Vergesellschaftung von Dienstleistungen erfaßt die Bereiche, in denen überwiegend Frauen beschäftigt sind. Das sind die Bereiche, in denen Frauen informell tätig waren, also im Haushalt und in der Kindererziehung. Belegt wird das von den Autoren mit dem Hinweis auf die Entwicklung seit der industriellen Revolution. Erst seit dieser Zeit gibt es eine Trennung zwischen Haushaltsund Erwerbsarbeit. Gleichzeitig wurden die Rollen zwischen Mann und Frau zwischen Erwerbsund Haushaltsarbeit festgelegt. Die Zahlen dazu belegen das17: bis 1960 waren 90% der Männer, 70% der ledigen Frauen aber nur 10% der verheirateten Frauen erwerbstätig. Die Erwerbstätigkeit der Frauen hing vom Mann ab. So waren 90% der verheirateten Frauen informell in der Familie beschäftigt. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist die Zahl der erwerbstätigen Frauen gestiegen: Von 20,6% (1960) auf über 50% im Jahr 1990.

Es kann somit festgestellt werden, daß die Vergesellschaftung der Erwerbstätigkeit von Frauen in engem Zusammenhang mit der Vergesellschaftung von Tätigkeiten im Zuge der Tertiärisierung steht.

j)Kapitel 10: Die Kultur der DLG

Die Fragestellung in diesem Kapitel ist, ob die Übertragung der Verhältnisse anderer Länder auf Deutschland wünschenswert bzw. überhaupt durchführbar ist. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, daß das schwer möglich ist, weil die gesellschaftliche Emanzipation sich auf kultureller Ebene abspiele und nicht auf ökonomischer.

Als weiteres geht es darum, ob die DLG für Deutschland, soweit Teile davon noch nicht eingetreten sind, wünschenswert sei18. Hier sind mehrere Sichtweisen möglich. Aus arbeitsmarktpolitischer Sicht wäre es auf jeden Fall wünschenswert. Die Folgen müssen aber dabei auch beachtet werden.

Diese wären: Vergesellschaftung der Tätigkeiten, besonders die Frauen und auch besonders in den Städten. So werden Hausarbeit und Kindererziehung stärker von Markt und Staat or- ganisiert: hier wären die Folgen ambivalent, d.h. es kann eine Emanzipation bewirken, aber auch gleichmacherisch auswirken. Folgen sind sozialräumliche und sozio-kulturelle Veränderungen in der Gesellschaft.

3.) Fazit des Referenten

Die Autoren haben in diesem Buch den Versuch gemacht, das Phänomen Dienstleistungen, das in den letzten Jahren immer wieder als Ausweg aus der Beschäftigungskrise gepriesen wurde und wird, unter mehreren Aspekten zu behandeln. Es werden aus soziologischer und ökonomischer Sicht Fragen behandelt, die die Politik in den nächsten Jahren beschäftigen werden, wenn der Weg in die DLG in Deutschland beschritten werden soll. In der täglichen Politik werden diese Fragen, wenn es um Dienstleistungen geht, in der Regel nicht behandelt oder ignoriert.Wenn die DLG als der Ausweg aus der Krise propagiert wird, wird nur über die zweifellos wichtige Beschäftigungswirksamkeit gesprochen, nicht aber über längerfristige Auswirkungen für unsere Politik, Gesellschaft und Kultur. Risiken wie die Standardisierung der Lebensstile wie in Schweden, oder die massenhaften "McJobs" in den USA kommen in der täglichen Diskussion nicht zur Sprache, im Gegensatz zu Häußermann und Siebel. Insbesondere die Folgen der Vergesellschaftung von Arbeit kommen hier zur Sprache.

[...]


1 Häußermann,Hartmut/Siebel, Walter: Dienstleistungsgesellschaften, Frankfurt/Main 1995

2 DLG, S.23

3 Fisher,s.DLG,S.28

4 DLG,S.32

5 DLG, S.37 ff.

6 DLG,S.39

7 DLG, S.67

8 DLG, S.98 ff.

9 DLG, S.141

10 DLG, S.149 ff.

11 DLG, S.155

12 DLG, S.158

13 DLG, S.159

14 DLG,S.165

15 DLG, S.164

16 DLG, S.167 ff.

17 DLG, S.177

18 DLG,S. 199 ff.

Fin de l'extrait de 14 pages

Résumé des informations

Titre
Dienstleistungsgesellschaften - Referat zum Buch von Hartmut Häußermann und Walter Siebel
Université
Carl von Ossietzky University of Oldenburg
Cours
Seminar: Zeitdiagnose. Neue Analysen zur Gesellschaftstheorie und zur politischen Theorie der Gegenwart
Auteur
Année
1997
Pages
14
N° de catalogue
V94990
ISBN (ebook)
9783638076708
Taille d'un fichier
441 KB
Langue
allemand
Mots clés
Dienstleistungsgesellschaften, Referat, Buch, Hartmut, Häußermann, Walter, Siebel, Seminar, Zeitdiagnose, Neue, Analysen, Gesellschaftstheorie, Theorie, Gegenwart
Citation du texte
Dirk Schumacher (Auteur), 1997, Dienstleistungsgesellschaften - Referat zum Buch von Hartmut Häußermann und Walter Siebel, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94990

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