Leseprobe
Einleitung
1. Diekritische Weißseinsforschung
l.l Begriffsbestimmung
1.2 Einordnung der kritischen Weißseinsforschung in die (kritische) Rassismusforschung
1.3 Entstehungsgeschichte
1.4 Besonderheiten im deutschsprachigen Raum
1.5 Zentrale Aspekte
2. Soziale ArbeitimBereich derGeflüchtetenhilfe
2.1 Begriffsbestimmung
2.2 Adressat*innen
2.3 Aufgaben
3. Möglichkeiten und Grenzen des Ansatzes der kritischen Weißseinsforschung für die Soziale Arbeit mit Geflüchteten
4. Fazit
Literaturverzeichnis
Einleitung
Diese Hausarbeit besteht zu ca. 97% aus weißen Seiten. Dennoch nimmt der/die Lesende nur die schwarzen Buchstaben auf ihnen wahr. Der weiße Hintergrund bleibt unerkannt. Wenn nun dieser die Ordnung der Buchstaben dominieren würde und wir diese Metapher auf gesellschaftliche Verhältnisse übertragen, sind wir im Konzept des kritischen Weißseins.
Obwohl dieser Vergleich einer näheren Untersuchung nicht stand hält, da es sich im Beispiel um einen realen farblichen Unterschied handelt und nicht um einen konstruierten, verdeutlicht er doch mit welchem Perspektivwechsel der Ansatz des kritischen Weißseins diejenigen herausfordert, die sich mit ihm befassen.
Führte der Ansatz des kritische Weißsein in antirassistischen und feministischen Bewegungen bereits zu angeregten Diskussionen, Selbstreflexionen von einzelnen Akteur*innen in ihren sozialen Gruppen, ist er in der Sozialen Arbeit bisher eher marginal, zumeist in ihren Bezugsdisziplinen, präsent. Um diesem Defizit zu begegnen, setzt sich die vorliegende Arbeit thematischen mit der theoretischen Anwendbarkeit der kritischen Weißseinsforschung für die Soziale Arbeit auseinander.
Hierzu soll zunächst die kritische Weißseinsforschung erläutert, ihre Keminhalte dargelegt, sowie ihre Entwicklungsgeschichte beschrieben werden. Konsequenterweise muss sie hierbei von ihren angloamerikanischen Wurzeln abgegrenzt und im deutschsprachigen Raum verortet werden. Dem folgt das zweite Kapitel, in welchem die Soziale Arbeit selektiv, am Beispiel der Geflüchtetenhilfe auf ihre Anknüpfungspunkte für das kritische Weißsein als Analyseinstrument überprüft wird. Obgleich einer eigenständigen Analyse der Raum fehlt, kann somit doch die Legitimität der Frage ihrer Anwendbarkeit gestellt und im anschließenden Kapitel auf ihre Möglichkeiten und Grenzen kritisch überprüft und abschließend diskutiert werden.
Anmerkung: Die in der Hausarbeit verwendeten (groß geschriebenen) Begrifflichkeiten Schwarz und Weiß sind nicht als Adjektive oder Substantive gemeint, welche ein Farbspektrum umschreiben. Sie beziehen sich auf gesellschaftliche Konstrukte und beschreiben rassifizierte und rassifizierende Kategorien.
1. Die kritische Weißseinsforschung
1.1 Begriffsbestimmung
Um die kritische Weißseinsforschung zu bestimmen, muss zunächst der Begriff „Weißsein“ bestimmt werden. Dies ist nicht ganz einfach, da er mehrere Bedeutungen und Perspektiven beinhaltet. So stellen Tißberger, Dietze, Hrzän und Husmann-Kastein in ihrem gemeinsam herausgegebenen Sammelband „Weiß - Weißsein - Whiteness“ in Anlehnung an bisherige Veröffentlichungen fünf Funktionsweisen von Whitenesse heraus, welche hier synonym für Weißsein verwendet werden:
— „als „the unmarked marker“ (Spivak),
— als ,,Unsichtbarkeit einer herrschenden Formalität" (Wachendorfer)
— als ,,Ort von Privilegien“ (Frankenberg,McIntosh),
— als ,,subjekttheoretischer Entwurf“ (Seshadri-Crooks),
— als realitätsmächtige kulturelle Imagination von Normativität“ (Morrison, Dyer)
[Anm. d. A.: Zitat i.O. als Aufzählung im Fließtext; hier zur Verdeutlichung in Spiegelstrichen] (Tißberger/Dietze/Hrzän/Husmann-Kastein, 2009, S.8)
Diese Aufzählung spricht wesentliche Aspekte des Weißseins an, gibt aber keine Auskunft über die rassifizierende Funktionsweise weißer Hegemonie. Dies wird in einem Zitat von Wollrad deutlich. Sie postuliert Weißsein als:
„ein System rassistischer Hegemonie, eine Position strukturell verankerter Privilegien, einen Modus von Erfahrung, eine spezifische und 'wandelbare Identität, die zugesprochen, erkämpft und 'verloren werden kann. Schließlich ist Weiß-sein nicht nur Bestandteil von Rassifizierungsprozessen, sonderngleichzeitig Initiator undMotor dieserProzesse.“ (Wollrad 2005, S.21)
In dieser Betrachtungsweise wird die dynamische Dimension von Weißsein deutlich, indem es nicht nur als Teil des strukturellen Rassismus ausgemacht, sondern gleichzeitig auch als (Mit-/)Ursache benannt wird. Ebenfalls artikuliert sie somit die Position, dass es sich bei Weißsein um nichts endgültig Festgeschriebenes, sondern etwas willkürlich Zugeschriebenes handelt, sodass die Ein- und Ausgruppierung von Personen(gruppen) theoretisch möglich ist. Bei der Einteilung von Menschen in Weiße und Schwarze handelt es sich demnach nicht um biologische Dispositionen, sondern um Konstruktionen, die sich nur vordergründig auf äußere körperliche Merkmale beziehen, um so die strategische Differenzierung in der Gesellschaft vollziehen zu können. Folglich wird in diesem Zusammenhang die Vorstellung und Wirkung des Weißseins reflektiert, weil dadurch „biologistische und essentialisierende Kriterien fortgeschrieben werden [können].“ (Arndt/Hornscheidt, 2009, S.13)
So handelt es sich bei der kritischen Weißseinsforschung um eine hegemoniale (Selbst-/)Kritik, welche die oben genannten Funktionsweisen von Weißsein als Analysekategorien nutzt. Sie macht die unsichtbaren normativen Positionen einer Weißen Dominanzkultur und ihre Privilegien sichtbar, sie de-maskiert Weißsein als Herrschaftsinstrument und versucht zu de- konstruieren, was sich seit dem Kolonialismus stetig gewandelt, angepasst und fortgesetzt hat, aber nie überwunden wurde: Rassismus.
1.2 Einordnung der kritischen Weißseinsforschung in die (kritische) Rassismusforschung
Wissenschaftlich betrachtet kommen Ansätze der kritische Weißseinsforschung aus dem „politischen Feld der Rassismuskritik' [...], einem spezifischem Forschungsfeld der neueren Rassismusforschung“ (Tißberger/Dietze/Hrzän/Husmann-Kastein, 2009, S.8). Im Mittelpunkt stehen hierbei im Gegensatz zur gängigen Rassismusforschung nicht die Probleme bzw. die Ausgrenzung von, als fremd wahrgenommene, Personen (Migrant*innen, People of Color und Schwarze) oder einzelne fremdenfeindliche Gewaltphänomene und ihre Aggressor*innen im Zentrum der Betrachtung, sondern die ungleichen Machtverhältnisse zwischen gesellschaftlich konstruierten Gruppen und ihren Privilegien bzw. ihre Benachteiligung, den Strukturen, die diese ermöglichen und das System, welches sie (re-/)produziert. Dieses Konzept „beinhaltet macht- und selbstreflexive Betrachtungsperspektiven auf Handlungen, Institutionen, Diskurse und Strukturen.“ (Mecheril/Melter, 2011, S.14)
Der Untersuchungsgegenstand wird hierbei je nach Profession von den verschiedenen Wissenschaftlerinnen unterschiedlich analysiert. Hinzu kommen die Überschneidungen mit anderen Differenzkategorien und Herrschaftssystemen, als auch die Stellung der Forscherinnen innerhalb dieser und ihre Schwerpunktsetzung (vgl. ebd. S.15). Da die gesellschaftlichen Machtverhältnisse komplexer und vielschichtiger sind, als das sie sich ausschließlich durch Rassismus erklären lassen, werden in diesem Wissenschaftsfeld ebenfalls andere „gesellschaftliche^..] Zuschreibungs-, Grenzziehungs- und Exklusions-praxen“ (Leiprecht/Lutz, 2011, S.179), wie etwa Klassismus, Nationalismus und Sexismus auf ihre Intersektionalität untersucht (vgl. ebd.).
Um die Aussagekraft der vielfältigen Positionen der rassismuskritischen Forschung weder zu schwächen, noch sie einer Beliebigkeit preizugeben, herrscht laut Mecheril und Melter ein Konsens über die Vorstellung von Rassismus „als machtvolles, mit Rassekonstruktionen operierendes oder an diese Konstruktion anschließendes System von Diskursen und Praxen(...), mit welchen Ungleichbehandlungen und hegemoniale Machtverhältnisse erstens wirksam undzweitensplausibihsiertwerden.“ (Mecheril/Melter, 2011, S.15f.)
Da sich rassismuskritischen Perspektiven „immer auch auf konkrete Erfahrungen, Selbst- und Fremdwahrnehmungsmuster und subjektive Zugehörigkeitskonzepte [beziehen]“ (Linnemann/Mecheril/Nikolenko, 2013, S.ll) verweist Melter auf die Notwendigkeit der kritischen Weißseinsforschung „für den Bereich der Forschung, aber auch der Praxen Sozialer Arbeit“ (Melter, 2011, S.288). Er sieht gerade im Kontext von sekundärem Rassismus 'Weißsein' als einen „dominanten Referenzpunkt bei der Rassialisierung von Personengruppen in Deutschland“ (ebd.), welcher bislang unzureichend berücksichtigt wurde und plädiert daher Weißsein „als wichtigen Aspekt anzusehen, um bestehende Machtverhältnisse beschreiben und verändern zu können“ (ebd., 5.289). In diesem Sinn gliedert sich die kritische Weißseinsforschung in den dekonstruktivistischen Ansatz jener Rassismuskritik ein, welche die hegemoniale Position und ihre Kriterien hinterfragt, nach der sie diskriminiert und rassifiziert (vgl. Dietze, 2009, S.219f). Sie bedient sich dem oben genannten Analyseinstrument(en) des Weißseins um die dominanten Verursacherinnen von Rassismus und Vertreterinnen einer unsichtbar herrschenden Norm und „ihre historisch gewordene Strukturen], die aus konkreten politischen, ökonomischen und sozialen Machtkonstellationen heraus entstanden [sind] und sämtliche Bereiche des Lebens durchzieh[en]“ (Tißberger, 2013, S.23) zu erforschen.
1.3 Entstehungsgeschichte
Ab den 1980er Jahren kritisierten Schwarze Feministinnen, wie Hooks, Davis und Morrison, vermehrt die durch Rassismus gefestigte Machtpositionen von Weißen Feministinnen und deren mangelnde Auseinandersetzung damit (vgl. Dietze, 2009, S.220). Dadurch stießen sie Whiteness und die damit einhergehenden Privilegien, als zu berücksichtigende Machtposition und Herrschaftsinstrument in den wissenschaftlichen Diskurs Weißer Feministinnen (vgl. Tißberger/Dietze/Hrzän/Husmann-Kastein, 2009, S.7f). Hieraus entwickelten sich im engen Zusammenhang mit post-kolonialen Theorien und Black Studies des anglo-amerikanischen Kontextes Ansätze, welche sich der Erforschung und Dekonstruktion „der Macht und Dauerhaftigkeit eines strukturellen Rassismus“ (ebd.) widmen und sich seit den 1990ern unter ^Critical Whiteness Theory* zusammenfassen lässt (vgl. Dietze, 2009, S.223).
Diese neuerliche Betrachtungsweise von Rassismus wurde seit Ende des selbigen Jahrzehnts auch im deutschsprachigen Raum, meist in den Geistes- und Sozialwissenschaften, rezipiert (vgl. Tißberger/Dietze/Hrzän/Husmann-Kastein, 2009, S.7). Dies mehrheitlich von Weißen Feministinnen, die gerade zu Beginn oftmals einen Bezug zur Gender-Thematik herstellten und deren Schwerpunkt auf der hegemonialen Selbstkritik lag (vgl. Wollrad, 2005, S.50f.).
Bemerkenswerte Ausnahmen bildeten die beiden Sammelbände Mythen, Masken und Subjekte und Weiß-Weißsein-Whiteness, welche sowohl den Weißen, als auch den Schwarzen Perspektiven Raum bieten. Im ersten Fall erfolgt dies bewusst in einer drei- schrittigen Konzeption der De-Maskierung von Weißsein aus der Betroffenenperspektive, der Annäherung der Betroffenen und Verursacher und letztlich der Konsequenz für die weiße Mehrheitsbevölkerung aus der Bewusstwerdung der eigenen Verantwortung und Rolle im Rassismus (vgl. Eggers/Kilomba/Piesche/Amdt, 2005, S.llff.).
1.4 Besonderheiten im deutschsprachigen Raum
Dass die critical whiteness-studies im anglo-amerikanischen Raum fachlich bereits breiter diskutiert wurden, soll hier nur untergeordnet berücksichtigt werden. Zu groß erscheinen die historischen und demografischen Differenzen der Herrschaftssysteme beider Gesellschaften und zu gering die Möglichkeit sich an dieser Stelle intensiv mit einem Vergleich der Strukturen innerhalb der USA und Deutschland, Österreich und der Schweiz auseinanderzusetzen. Dennoch sei an dieser Stelle auf gravierende Unterschiede verwiesen. Die kritische Weißseinsforschung begreift sich nicht ausschließlich, wie die critical whitenesse studies, aus einem postkolonialen, sondern auch aus einem postnationalsozialistischen Kontext heraus (vgl. Messerschmidt, 2016, S.25), weshalb Weißsein in Deutschland eng mir Deutsch-Sein verbunden ist (vgl. Walgenbach, 2005, S.383ff., Melter, 2006, S.14) und so einer eigenständigen Analyse bedarf. Dementsprechend unterschiedlich sind die Vorstellungen über Volk und Nation in den beiden Kontexten geprägt. Ebenso mangelt es der deutschen Fachwelt an den, in den USA etablierten, Wissenschaftsgebieten der black studies (vgl. Wollrad, 2005, S.49). Hinzu kommen die Besonderheiten bei der Entstehungsgeschichte der Vorstellungen über menschliche Rassen durch die Philosophen der Aufklärung, wie Kant, Hegel, Hume oder Voltaire (vgl. Piesche, 2005a, S.30ff., Scheffer, 2016, S.284). Ferner bezieht sich die Leidensgeschichte der Schwarzen in Deutschland eher auf Erinnerungsarchive von Kolonialkriegen und Rassengesetzen im Nationalsozialismus (vgl. Walgenbach, 2005, S.382384), weniger auf dem Erbe der Sklaverei bzw. der Sklavenbefreiung (vgl. Dietrich, 2007, S.45). Dies bedingt auch verschiedene Formen der Widerstandsbewegungen und Selbstbemächtigungen von Schwarzen in den jeweils beiden Historiezitäten, weswegen eine eigene Betrachtung aus deutscher Perspektive nicht nur notwendig erscheint, sondern auch davor behütet den Fehler zu machen sich lediglich als außenstehende/r und unbeteiligte/r Beobachter*in des Rassismus, sondern auch als Teil dessen zu betrachten (vgl. Piesche, 2005, S.14).
Die kritische Weißseinsforschung ist im Folgenden nicht als deutsche Begriffsübersetzung zu betrachten, sondern als der dynamische Transfer der critical-whitness-studies in den deutsch(sprachig)en Kontext. Daher wird sich in dieser Hausarbeit überwiegend auf deutschöder englischsprachige Veröffentlichungen bezogen, die im deutschen Kontext stehen.
1.5 Zentrale Aspekte
Die Unmöglichkeit eines Verzichts auf den Rasse-Begriff „Race does not exist. But it does killpeople.“ (Guillaumin, 1995, S.107)
Die plakative, aber doch zutreffende Aussage Guillaumins verdeutlicht den Grundtenor der kritischen Weißseinsforschung. Da das Rasse-Konzept, welches im Tierreich Anwendung findet, aufgrund einer zu großen genetischen Vielfalt bei gleichzeitigem Fehlen erbgleicher Teilpopulationen, nicht auf die Menschheit übertragbar ist, ist auch Weißsein als biologische Rasse-Kategorie unhaltbar (vgl. Arndt, 2005, S.342). Ohne diesen Begriff kommt das kritische Weißsein aber nicht aus, da sich „diese biologistischen >Rassenkonstruktionen< nachhaltig in Denk- und Verhaltensmuster eingeschrieben [haben], die gesellschaftliche, kulturelle und politische Prozesse und Hegemonien konstituierten und irreversibel rassiahsierte Identitäten und Positionen hergestellt haben. “ (Arndt, 2005, S.342) Diese Sichtweise gilt nicht ausschließlich für die kritische Weißseinsforschung, sie wird auch allgemein in rassismuskritischen Ansätzen vertreten. So konstatiert Mecheril, dass „Diese Realität des Denkens in „Rasse“-Kategorien [...] in Deutschland praktiziert, aber nicht benannt [wird]. “ (Mecheril, zitiertnach: Melter2009, S.19)
Daher müssen einschlägige Begriffe benannt werden um Weißsein bewusst als „ideologisch motivierte[s] historische[s] Herstellungsverfahren“ (Arndt, 2005, S.342) eines RasseKonzeptes markieren und de-konstruieren zu können, um so der praktischen Anwendung die unausgesprochene Grundlage nehmen zu können (vgl. ebd.). Allerdings ist die Verwendung des Rasse-Begriffs und seiner Teilkategorien Schwarz und Weiß ambivalent. Neben der befürchteten Reproduktion, geht der Rasse-Begriff mit einer Tabuisierung aufgrund der Assoziation mit dem Nationalsozialismus einher, weshalb er manchmal nicht, oder aber eben deswegen verwendet wird (vgl. Wollrad, 2005, S.17). Um einen reflektierten Gebrauch zu ermöglichen, ohne sich der Komplizenschaft des Rassismus schuldig zu machen oder dem Diskurs zu entziehen, variieren die Schreibweisen innerhalb der verschiedenen Rezeptionen. Die Begriffe werden wahlweise groß, klein oder kursiv geschrieben, in Anführungszeichen gesetzt oder durch englischen Begriffe ersetzt (vgl. ebd., Röggla, 2012, S.17ff).
Der unmarkierte Markierer - Weißsein und Normalitätskonstruktionen „Dass es so etwas geben könnte wie »Weißsein« und dass dieser Begriff etwas mit hegemonialen Bildern und realer Gewalt zu tun hat, ist im Bewusstsein solcherMenschen, die als Weiß konstruiert sind, in der Regel nicht vorhanden. Die Privilegien, die die Normativität von Weißsein Weissen Nenschen zuspricht, werden von diesen meist gar nicht als solche wahrgenommen, sondernalsNormalität(...)W (Wollrad, 2005, S.15)
Ein weiterer Fokus der kritischen Weißseinsforschung liegt in der Sichtbarmachung von Weißsein, den damit verbundenen gesellschaftlichen Privilegien und der daraus resultierenden Normalitätssetzung. Weißsein gehört in der deutschen Mehrheitsgesellschaft in der Regel nicht zur Selbstbeschreibung und deren Kennzeichnung wird meist sogar als rassistisch zurückgewiesen (vgl. Dietrich, 2007, S.47) oder aber in einer wohlmeinenden color-blindness mit Verweis auf die Gleichheit aller Menschen, verschwiegen (vgl. Rohrdantz, 2009, S.90f.). Im Gegenzug verweisen Medien oft auf die Herkunft, die vermeidlich fremdartige Kultur, den Flucht- oder Migrationshintergrund. Durch die historisch gewachsenen Vorstellungen dichotomer Konzepte von Schwarz und Weiß, kann hierbei eine Markierung des eigenen Weißseins umgangen werden, weil es im Subtext der Darstellung vom Schwarzsein impliziert und somit mitgedacht und hergestellt wird (vgl. Wachendorfer, 2001, S.90).
Weißsein entledigt sich so „seiner historischen Bedeutungs- und Wirkgeschichle. bei der die Ungerechtigkeit in der Beziehung zwischen Weißen und Schwarzen zum Schweigen gebracht wird, und verwandellsich (...) zu einem unbestimmten, neutralen Referenzort.“ (Wachendorfer, 2001, S.89) Diese, als Normalität gesetzte, subjektive Perspektive einer weißen Person, wird zur objektiven Perspektive der ganzen Menschheit verklärt (vgl. ebd.). Aus dieser zur Allgemeinheit gemachten Position heraus ergeben sich Privilegien, die eine Norm setzen über Zugänge und Verweigerung zu gesellschaftlichen Ressourcen bestimmen. Als Beispiel nennt Schwarzbach-Apithy die Vermittlung akademischer Bildungsinhalte an Berliner Universitäten, welche durch die Nicht-Benennung von Weißsein ihre eurozentristische Ausgangsbasis und Orientierung verschleiern, die nicht-hegemonialen Lebensrealitäten ausblenden und somit die gesellschaftspolitische Anordnung, deren Vormachtstellung Weißen obliegt, festigt (vgl. Schwarzbach-Apithy, 2005, S.258f). Als weitere Beispiele können die deutsche Theater-Kultur (vgl. Cherrat, 2005, S. 206-220), die Pflegesituation in Deutschland (vgl. Stein, 2005, S.189202) und das deutsche Kultur- und Wissensverständnis (vgl. Al-Samarai, 2005, S.119-130) genannt werden. In allen Beiträgen wird Weißsein „als unsichtbar herrschende Normalität, welche mit eigenen, der weißen Position inhärenten, Privilegien innerhalb eines rassistischen Systems verbunden ist“ (vgl. Amdt/Piesche, 2011, S.192), de-maskiert.
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