Polizeiliche Praxis und `öffentlicher Raum`. Die Übernahme von Disziplinierungsfunktionen durch die Berliner Schutzmannschaften in den Jahrzehnten nach 1848


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 1998

55 Pages, Note: 1,3


Extrait


Gliederung

1. Einleitung

2. Von der gewaltsamen Unterdrückung zur permanenten Kontrolle: Der Bruch in der polizeilichen Praxis des 19. Jahrhunderts

3. Die Berliner Schutzmannschaften
3.1 Gründung der Königlichen Schutzmannschaften
3.2 Ausbau der Schutzmannschaften zum Kontrollapparat

4. Diskursiver und sozialer Kontext der polizeilichen Praxis
4.1 `Verbrecherdiskurs' und `polizeilicher Blick'
4.2 Sozialer Wandel und polizeiliche Überwachungsstrategien

5. Soziale Selektivität der polizeilichen Praxis
5.1. Die Disziplinierung der Unterschichten
5.2. Disziplinierungspraxis: Die Produktion von `Ordnung'

6. Schluss

Bibliographie

1. Einleitung: Der ,,öffentliche Raum"

Im Rahmen dieser Arbeit soll durch Darstellung der polizeilichen Praxis1 in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Versuch unternommen werden, den Begriff des ,,öffentlichen Raumes" in historischer Perspektive zu problematisieren. Ohne davon auszugehen, daß der ,,öffentliche Raum", bevor sich ein Netz polizeilicher Überwachung und Reglementierung über ihn gezogen hat, Ort herrschaftsfreier Kommunikation, unbeschränkter Nutzungs- und Zugangsmöglichkeiten war, soll hier die These vertreten werden, daß der moderne polizeiliche Zugriff eine deutliche und dauerhafte Verschiebung der auf der ,,Straße" herrschenden Machtverhältnisse bedeutete. Die Polizei hatte nicht nur die Macht zu definieren, was die ,,Aufrechterhaltung der Ruhe, Sicherheit und Ordnung" konkret bedeuten sollte, welche Handlungen und Situationen also als ,,gefährlich", ,,unordentlich" oder ,,unsittlich" einzustufen waren, sondern sie gewann im Verlauf des 19. Jahrhunderts darüber hinaus die notwendigen Mittel, um normabweichendes Verhalten permanent und flächendeckend überwachen und sanktionieren zu können.

Den Anstoß zu einer Thematisierung des Begriffes des ,,öffentlichen Raumes" aus historischer Perspektive - auch wenn dies hier nur im Rahmen der Frage nach der polizeilichen Praxis geschieht - entspringt dabei nicht einer historiographischen Auseinandersetzung zu diesem Thema, sondern vielmehr gegenwärtigen Diskussionen um das ,,Verschwinden" oder die ,,Abschaffung" des ,,öffentlichen Raumes" im Zuge moderner Stadtentwicklung.2 In der Geschichtswissenschaft selbst finden sich nur selten Begriffe wie ,,Straße" oder ,,öffentlicher Raum". Kaum vereinbar scheinen sie zu sein mit den hier, im Anschuß an Habermas' ,,Strukturwandel der Öffentlichkeit" verhandelten Konzepten der ,,Öffentlichkeit". 3 Dies mag zum einen daran liegen, daß die ,,alltägliche Kommunikation von Fremden", welche die Kommunikation im öffentlichen Raum auszeichnet, selten und nur in Ausnahmefällen (etwa bei Demonstrationen) den Status eines politischen ,,Akteurs" gewinnt,4 zum anderen aber auch daran, daß konstitutiv für die Entstehung eines Modells ,,bürgerlicher Öffentlichkeit" Ausschlußmechanismen, insbesondere gegenüber Frauen, Unterschichten und Volkskultur waren - worauf Nancy Fracer, Mary P. Ryan und Geoff Eley hingewiesen haben -5 ; Ausschlußmechanismen, die sich nicht zuletzt auf Kommunikations- und Interaktionsformen bezogen, welche nicht den Anforderungen des einzig legitimen Medium der ,,bürgerlichen Öffentlichkeit", dem ,,öffentlichen Räsonnement",6 genügten.

Während aus dieser Perspektive die Polizei nur als Zensurinstrument bzw. als Instrument zur Repression von oppositionellen Gruppen Relevanz gewinnt,7 geht es im Zusammenhang mit dem Begriff des ,,öffentlichen Raums" eher um die alltägliche Verhaltenskontrolle und Disziplinierung im Rahmen polizeilicher Praxis. Um dieser näher zu kommen soll zunächst idealtypisch dargestellt werden, wie sich in Preußen die staatliche Herstellung von ,,Ruhe und Ordnung" im Verlauf des 19. Jahrhunderts von einer militärischen Unterdrückung von Aufständen und Tumulten in Richtung auf eine permanente und flächendeckende Überwachung des Alltags verschoben hat.

Anhand der Entstehung und des Ausbaus der Berliner Schutzmannschaften wird deutlich gemacht werden, welche organisatorischen und einsatzstrategischen Maßnahmen notwendig waren, um einen solchen veränderten Zugriffs auf den öffentlichen Raum möglich zu machen. Daran anschließend soll es um die konkrete Praxis der Berliner Schutzmannschaften gehen. Es wird versucht zu zeigen, wie die mit der Entstehung einer `modernen' Exekutivpolizei verbundenen Kontroll- und Eingriffsmöglichkeiten insbesondere in den 70er und 80er Jahren des 19. Jahrhunderts schwerpunktmäßig im Rahmen einer Disziplinierung der städtischen Unterschichten Anwendung fanden. Um diesen Wandel der polizeilichen Praxis in Richtung auf eine sozial selektive Kontrolle normabweichenden Verhaltens zu verstehen, wird der konkreten Beschreibung vorangehend versucht, die polizeiliche Tätigkeit in den sozialen und diskursiven Kontext der Zeit einzuordnen.

2. Von der gewaltsamen Unterdrückung zur permanenten Kontrolle:

Der Bruch in der polizeilichen Praxis des 19. Jahrhunderts Ein Vergleich zwischen der preußischen Polizei der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit derjenigen zu Beginn dieses Jahrhunderts zeigt, daß diesen kaum mehr als der Name gemein ist. Nicht nur als `Modernisierung' interpretierbare Prozesse wie eine zunehmende Zentralisierung, Bürokratisierung, Verrechtlichung, Professionalisierung, Spezialisierung und quantitative Expansion der Polizei, sondern vor allem eine differierende alltägliche Praxis legen es nahe, hier von zwei grundlegend verschiedenen Formen der Ordnungsherstellung und -sicherung zu sprechen. Zumindest bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts gehörte die Produktion von ,,Sicherheit und Ordnung" im öffentlichen Raum hauptsächlich in das Betätigungsfeld des Militärs und wurde nicht von einer eigenständigen Polizeiexekutive ausgefüllt.8 Diese Dominanz des Militärs bei der Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols nach innen bedeutete, daß die als genuin polizeiliche Aufgabe definierte Sicherung der ,,öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung"9 in der Praxis vor allem in Form einer reaktiven, fallweisen und gewaltsamen Unterdrückung von Tumulten, Unruhen und Aufständen wahrgenommen wurde.10 Die disziplinierende Funktion des Militärs bestand in einer tatsächlichen und symbolischen Präsenz herrschaftlicher physischer Gewalt, der es nicht um die Überwachung des Alltags, sondern darum ging, ,,dem Pöbel militärisch zu imponieren".11 Dieses ,,Prinzip der figurativen Repräsentation" mit seiner ,,glänzende[n] äußere[n] soldatische[n] Form und Disziplin" hielt schon der zeitgenössische `Polizeiwissenschafler' Avé-Lallement für hemmend, wenn es um eine ,,bewegliche Polizeipraxis" gehen sollte: ,,Der militärische Organismus und Zwang steht der polizeilichen Beweglichkeit mehr im Wege, als das er die polizeiliche Macht verstärkte und förderte"; und forderte daher die Zurückstellung des militärischen zugunsten des polizeilichen Elementes.12

Die Polizei blieb in dieser Periode als Ordnungsmacht in relativ unbedeutend. Nicht zuletzt aufgrund ihrer zahlenmäßigen Schwäche und ihres insgesamt desolaten Zustandes13 mußte das Ausmaß ihres Zugriffs auf den Alltag gering bleiben; sie war kaum als wirksamer Überwachungs-, Repressions-, oder Disziplinierungsapparat geeignet.14 Die Zahl der Polizeibeamte und ihr Verhältnis zur Bevölkerungsgröße stagnierte in der gesamten ersten Jahrhunderthälfte auf niedrigem Niveau.15 Selbst die über 200.000 Einwohner zählende Hauptstadt Berlin besaß nicht mehr als 104 Exekutivbeamte, von denen lediglich 54 im Vollzugsdienst tätig waren.16 Ganz anders dagegen das Bild der Polizei zu Anfang des 20. Jahrhunderts: hier haben wir es mit einer kopfstarken, professionalisierten, hierarchisch organisierten und nach speziellen Funktionen differenzierten Behörde zu tun, die für sich in Anspruch nimmt, zu jeder Zeit und an jedem Ort der Stadt präsent zu sein und ordnend und regulierend einzugreifen.17

Im Gegensatz zu dem rechts- oder institutionsgeschichtlichen Bild einer kontinuierlichen Modernisierung der Polizei,18 scheint aus der Perspektive der polizeilichen Praxis das 19. Jahrhundert Zeuge eines einschneidenden Bruchs gewesen zu sein. Diese Praxis, unter der hier die Organisation und Strategie des täglichen Polizeidienstes sowie vor allem das sich erst im direkten Kontakt zwischen dem mit Ordnungsfunktionen betrauten Beamten und dem ,,Polizierten" konstituierende polizeiliche Handeln (Kontrollieren und Beobachten von ,,Verdächtigen", Auffordern, Verwarnen, Zugreifen, gewaltsame physische Auseinandersetzung) verstanden wird, erfährt ausgehend von den städtischen Zentren im Verlauf der zweiten Hälfte des 19.

Jahrhunderts einen tiefen Einschnitt, der gekennzeichnet ist durch das Auftauchen einer neuen Form des Beobachtens und Eingreifens. Zugespitzt handelt es sich hier um die Ersetzung eines militärischen, aufsehenerregenden, reaktiven und daher diskontinuierlichen Einsatzes von Gewaltmitteln zur Unterdrückung von Unruhen durch die subtilere und effizientere, auf eine minutiöse Kontrolle des Alltags zielende Technik des permanenten, flächendeckenden, tendenziell präventiven Überwachens.19 Die neuen polizeilichen Mechanismen setzen an die Stelle der Ausnahme die kontinuierliche Kontrolle, an die Stelle der punktuellen Abschreckung die permanente Reglementierung. Sie reagieren damit auf eine durch Industrialisierung und Urbanisierung hervorgerufene neue Situation in den Städten: Dem Auftauchen einer großen Anzahl von Individuen, welche nicht mehr in traditionelle Strukturen der Kontrolle und Disziplinierung eingebunden waren.20

Der unterhalb der rechtlichen, institutionellen und auch personellen Kontinuitätslinien sich vollziehende Wechsel des Schwerpunkts polizeilicher Praxis von der Unterdrückung von als herrschaftsgefährdend eingestuftem kollektivem Handeln zu einer auf permanente Sichtbarkeit und Kontrolle zielenden Strategie fortwährend- vorbeugenden Überwachens des Alltags ging einher mit einer Verschiebung des Objekts und Ziels polizeilicher Strategie. Wenn auch die Verhinderung und Auflösung spontan sich bildender Gruppen weiterhin Gegenstand der polizeilicher Tätigkeit war, so tritt dieses doch in den Hintergrund gegenüber einer Überwachung des öffentlichen Raumes, der es darum ging, das alltägliche Verhalten der Individuen, ihre Identität, ihre Tätigkeit, ihre scheinbar bedeutungslosen Gesten zu kontrollieren;21

,,Die Polizei ist das Gewissen außerhalb des Menschen. Jeder muß der Polizei über sein Ich Rechenschaft ablegen; sie bringt jedem die absolute Gewißheit seiner Existenz als Individuum zu Papier, wohl verbrieft und versiegelt."22

3. Die Berliner Schutzmannschaften

3.1. Gründung der Königlichen Schutzmannschaften

Die Gründung der zunächst 1800 Mann starken Berliner Schutzmannschaften im Juni 1848 war ein erster Schritt in Richtung auf eine neue polizeiliche Praxis. Zunächst als Reaktion auf die `Unordnung' der Märzrevolution konzipiert, entwickelten sie sich in den darauf folgenden Jahrzehnten zu einem Disziplinarinstitut, das auf die permanente Überwachung des öffentlichen Raumes zielte und diente in dieser Form als Modell für die Entwicklung ähnlicher Polizeieinheiten in anderen Städten Preußens und später im gesamten Deutschen Reich.

Anlaß für den Aufbaus einer staatlichen Exekutivpolizei war der Abzug des Militärs aus Berlin im März 1848, zu dem man sich aufgrund von Gewaltexzesse bei den Barrikadenkämpfen genötigt sah. Das hierdurch in den Straßen der Hauptstadt entstandene Machtvakuum sollte zunächst durch die von der Obrigkeit kontrollierten Bürgerwehren ausgefüllt werden. Doch nicht nur ihre Nähe zur demokratischen Bewegung, sondern auch ihre Schwierigkeiten damit, die ,,Ordnung" im öffentlichen Raum wiederherzustellen, ließ Obrigkeit und Teile des Bürgertums an der Effizienz und Zuverlässigkeit dieser Ordnungsgruppe zweifeln und führte schließlich zur Bildung der ersten modernen, staatlich organisierten und finanzierten Polizeiexekutive in einer preußischen Stadt: den Königlichen Schutzmannschaften.23 Schon am 11. Juni, also noch vor dem Zeughaussturm, stellte dementsprechend der Staatsminister in einem Schreiben an den Berliner Magistrat fest, daß, da sich die Bürgerwehr als nicht ausreichend erwiesen hätte, das Bedürfnis bestehe, neben dieser eine ,,executive Sicherheitsmannschaft" einzurichten, deren zentrale Aufgabe es sein solle, ,,sich bei Tag und Nacht fortwährend auf der Straße zu bewegen und Uebertretungen der Gesetze zu verhüten oder dagegen mit den Mittel des Gesetzes einzuschreiten".24 Daß auch die zuständigen Stellen diese Form der Ordnungsherstellung als Bruch in der polizeilichen Praxis wahrnahmen, zeigt die Einschätzung des Berliner Polizeipräsidenten Bardeleben, wonach die Schutzpolizei ,,ihrer äußeren Gestaltung wie ihrem inneren Gehalt nach eine durchaus neue Schöpfung" gewesen wäre.25

Zur Zeit ihrer Entstehung nahmen die Schutzmannschaften allerdings nur sehr begrenzt die Aufgabe einer permanenten Straßenkontrolle war. Vielmehr sollten sie - im Rahmen des allgemeinen politischen Ziels, die bürgerlich-demokratische Bewegung zurückzudrängen - in erster Linie die vormärzlichen Gesetzlichkeiten - inklusive der Polizeiverordnungen - wiederherstellen, was in der konkreten Praxis im wesentlichen die rigorose und zum Teil mittels physischer Gewalt vorangetriebene Zurückdrängung der permanenten Straßenbesetzungen durch die Volksmassen bedeutete.26 Es ging bei diesem ,,neuen Zugriff" zunächst um die Zerstreuung von Menschenansammlungen jeder Art mit dem Ziel, den vorherigen Zustand der Kontrolle des öffentlichen Raumes wieder herzustellen.27 Diese Strategie war insofern erfolgreich, als durch den Einsatz der Schutzmannschaften noch vor dem Einmarsch des Militärs und der Ausrufung des Belagerungszustandes im November 1848 die Straßenbesetzungen in allen Erscheinungsformen zurückgedrängt und damit die vorrevolutionäre Ordnung auf den Straßen Berlins wieder hergestellt werden konnte.28 Beschränkt man aber die Beschreibung der Wirkung der neuen Polizeiexekutive auf die Wiederherstellung des status quo antes, dann läuft man Gefahr, die mit der permanenten Präsenz von einer relativ hohen Zahl von Polizeibeamten verbundene Verschiebung der Machtverhältnisse im öffentlichen Raum aus dem Blickfeld zu verlieren.

Die neue Form der Ordnungsherstellung stieß z. T. auf Irritation und Ablehnung, wie das Beispiel Varnhagen von Ense, einem Kritiker der preußischen Reaktion, deutlich macht.. Berlin habe durch die Schutzmannschaften eine ganz neue Physiognomie bekommen, so schrieb er schon kurz nach der Gründung des neuen Ordnungsorgans in sein Tagebuch. Früher eine Stadt, in der das Militär die Haupterscheinung bildete, nach der Revolution eine Stadt des Bürgertums, der Bürgerwehr, der Gewerbsleute und Arbeiter, sei Berlin nun ,,eine Stadt der Konstabler geworden, denn Konstabler sind jetzt die Haupterscheinung, die ganze Stadt ist eine Konstabler-Stadt: wohin man blickt, sieht man Konstabler, sie schlendern in allen Straßen mit übereinandergeschlagenen Armen, sie stehen an allen Ecken, zu zweien, zu dreien und mehreren, es wimmelt von ihnen unter den Linden, überall stößt man auf Konstabler."29

Nach Varnhagens Darstellung zielte die neue polizeiliche Praxis nicht auf das Niederschlagen von Tumulten oder Unruhen, sondern in erster Linie auf die Herstellung einer allseitigen Straßenkontrolle. Da würde eingeschritten, wo keine Ursache sei; da würden die Vorübergehenden mit unverschämten Blicken gemustert; da würden Leute, die stillstehen, um etwas zu betrachten, zum Weitergehen aufgefordert.30 Die Folge sei eine ,,große Empörung gegen die Konstabler, deren Benehmen sehr roh und gewaltsam ist; der große Müßiggang reizt sie zu solchem Heißhunger nach Tätigkeit, und so machen sie die kleinsten Dinge zu großen Sachen, die unschuldigsten zu strafbaren." Diese ,,zahlreichen Bummler" seien, so Varnhagen, ,,eine wahre Knechtung des Straßenverkehrs".31

Diese Äußerungen machen zweierlei deutlich: Nicht nur, daß die von aktuellen Eingriffsanlässen unabhängige permanente Präsenz der Polizei in Form einer dauerhaften Überwachung des öffentlichen Raums und einer kleinlichen Bestrafung jedes normabweichenden Verhaltens - so beschränkt dieser Zugriff zu diesem Zeitpunkt auch noch sein mochte - eine neue Strategie der Machtentfaltung im öffentlichen Raum bedeutete, sondern auch, daß diese kontrollierende Dauerpräsenz der Polizei, die nur wenige Jahrzehnte später der Ordnung der Normalität angehören sollte, zum Zeitpunkt ihres Entstehens zumindest bei einigen Bürgern auf Ablehnung stieß.32

3.2. Ausbau der Schutzmannschaften zum Kontrollapparat

Die neue Polizeiexekutive war zwar von Anfang an durch eine militärische Befehlsstruktur geprägt, dennoch hatte man ihr durch eine zivile Kleidung und durch die Rekrutierung von Bürgern ein betont bürgerliches Äußeres verliehen. Mit der einsetzenden Reaktion wichen diese überwiegend symbolischen Konzessionen an das Bürgertum einer zunehmenden Militarisierung von Bewaffnung, Uniformierung und Organisation.33 Insbesondere die Tatsache, daß seit 1852 die polizeiliche Exekutive ausschließlich aus ehemaligen Militärs rekrutiert wurde,34 mußte Konsequenzen für das alltägliche Handeln der Beamten haben. Der in der Regel ausgeprägt militärische Habitus der Polizisten hatte jenseits aller Einzelvorschriften zur Folge, daß das militärische Gehorsamsprinzip über dem situationsbezogenen Ermessen stand; nicht der faktische Erfolg einer Maßnahme, sondern ihre Übereinstimmung mit Dienstvorschriften und Befehlen galt es anzustreben.35 Das tägliche `Polizieren' sollte durch ein militärisches Freund-Feind-Schema bestimmt werden; so zumindest die Vorstellung eines leitenden Beamten im Polizeipräsidium: ,,Die Polizei lebt nun einmal ihrer Natur nach in stetem Kriege mit jedem einzelnen im Staat zum Wohle des Ganzen." Als ,,Schwert der inneren Ordnung" solle sie ,,Ruhe und Sicherheit im Innern herstellen."36

Neben der Militarisierung, die sich in den ersten Jahren nach Gründung der Schutzmannschaften vollzog, war längerfristig die Vergrößerung der Polizeimannschaften die nach außen deutlichste Veränderung der Berliner Vollzugspolizei; in nur vier Jahrzehnten vergrößerte sich die Zahl der Beamten um etwa 600%. Hatten die Schutzmannschaften 1862 eine Stärke von 1.025, so waren es 1891/92 bereits 3929 und 1900 sogar 6.464 Beamte.37 Die Zunahme der Anzahl der Polizeibeamten lag dabei in der Regel über dem Bevölkerungswachstum, so daß sich die Polizeidichte in Berlin von 305 Beamten auf 100.000 Einwohner im Jahr der Gründung der Schutzmannschaften auf 326 vor dem Ersten Weltkrieg erhöhte.38 Diese insbesondere während der 70er Jahre vollzogene Aufstockung der Exekutivpolizei verlief parallel zu einer allgemeinen Expansion des Berliner Polizeiapparates.39 Die Zahlen über Stärke und Dichte der Schutzmannschaften geben allerdings noch keine eindeutige Auskunft darüber, wie der alltägliche Dienst der Polizeibeamten aussah. Setzt man als allgemeinen Entwicklungstrend der Polizeipraxis die Herausbildung eines präventiven, flächendeckenden Kontrollapparates, dann war eine große Zahl von Polizeibeamten nur eine Vorbedingung hierfür. Eine andere war, diese Beamten so zu verteilen, daß der öffentliche Raum mit einem möglichst engmaschigen Überwachungsnetz überzogen wurde. Ein erster Schritt in diese Richtung stellte die Neuorganisation des exekutivpolizeilichen Dienstes im Jahr 1851 dar. Im Rahmen dieser Neugestaltung der polizeilichen Einsatzstruktur wurden u. a. die zuvor zentral kasernierten Schutzmannschaften auf einzelne Reviere aufgeteilt und ein täglicher Patrouillendienst eingeführt. Auch wenn letzterer die Präsenz der Polizei im öffentlichen Raum nach außen deutlich veränderte, blieben die Patrouillen, indem sie mit festen Standorten und genau festgelegten Plänen operierten, weitgehend militärisch bestimmt und waren daher kaum für eine minutiöse Überwachung des Alltags geeignet. Insgesamt blieben die organisatorischen Veränderungen der Politik der Reaktionsperiode verhaftet. Ihr primäres Ziel war nicht der Ausbau der Überwachungsmöglichkeiten, sondern es ging im wesentlichen darum, präventiv gegen mögliche `revolutionäre Umtriebe' vorgehen, Anordnungen der Obrigkeit durchsetzen und Widersetzlichkeiten gegen diese im Ansatz verhindern zu können. Erst in den 70er Jahren erfolgte mit der Orientierung des Einsatzes der Schutzmannschaften in Richtung auf einen ,,regelmäßigen Straßensicherheits- und Ordnungsdienst" eine deutliche Schwerpunktverlagerung der polizeilichen Praxis.40 Die mit der Einführung von Revieren eingeleitete aber in ihrer Wirkung noch relativ beschränkte Strategie einer polizeilichen Parzellierung des öffentlichen Raumes wurde verstärkt vorangetrieben. Mit der Erhöhung der Zahl der Reviere - allein zwischen 1872 und Anfang der 80er Jahre stieg diese von 50 auf 70 -41 und vor allem mit ihrer Unterteilung in einzelne Sektionen wurde die Maschen des polizeiliche Überwachungsnetzes lokal verengt und damit deutlich verfeinert. Den einzelnen Sektionen wurde jeweils ein Schutzmann auf Dauer zugeteilt, der in seinem Bereich selbständig alle polizeilich wichtigen Ereignisse und Tatbestände erfassen und diverse Verzeichnisse, etwa über Hauseigentümer, Ärzte oder Hebammen anfertigen sollte. Darüber hinaus waren Individuen, die unter Polizeiaufsicht standen, von ihm zu observieren und ,,verdächtige Weibspersonen" durch ihn der sittenpolizeilichen Kontrolle zuzuführen.42 Laut Dienstvorschrift hatte dieser ,,Sektions-Schutzmann" ,,besonderes Augenmerk [...] darauf zu richten, daß in seiner Sektion diejenigen gesetzlichen und polizeilichen Bestimmungen beachtet werden, die zur Sicherheit des Publikums, Bequemlichkeit des Verkehrs, Reinlichkeit, Ruhe und Ordnung auf der Straße und in den Häusern dienen [...] Über die Bewohner seiner Sektion muß er genau unterrichtet sein. Zu diesem Zweck hat er mit dem Hauseigentümer, Verwalter oder mit anderen vertrauenswürdigen Personen in geeigneter Weise Fühlung aufzunehmen."43

Im Gegensatz zu dem zuvor betriebenen militärischen Patrouillendienst, der eher der Präsenz und Repräsentation staatlicher Macht im öffentlichen Raum diente, als daß er für eine wirksame Kontrolle dieses Raumes geeignet war, sollte nun ,,jeder Teil eines Reviers täglich mindestens einmal zu verschiedenen Tageszeiten von einem patrouillierenden Schutzmann betreten" werden.44 Das strategische Ziel dieser Praxis wird in einem Polizeihandbuch folgendermaßen beschrieben: Die Pflicht, das zugewiesene Terrain auch außerhalb der festgesetzten Stunden zu durchstreifen, bestünde, ,,damit die Eingesessenen das Empfinden erhalten, der Reviersergeant ist immer auf den Beinen."45

Durch die vollständige Parzellierung der Stadt in einzelne Reviere und Sektionen und die Einführung eines unsteten Patrouillendienstes wurde der öffentliche Raum mit einem Netz umfassender und minutiöser polizeilicher Überwachung überzogen, welche erst eine permanente, flächendeckende, aufsuchende und tendenziell präventive Disziplinierungsstrategie möglich machte.46 Die aufsehenerregende Kundmachung wich einem lückenlosem System kalkulierter Blicke.47 Diese Beobachtungsmaschine scheint Benthams Panopticon, von dem bei Foucault die Rede ist, auf den öffentlichen Raum zu übertragen. Hier wie dort liegt die Hauptwirkung in der Schaffung eines bewußten und permanenten Sichtbarkeitszustandes bei nur sporadischer Durchführung der Überwachung. Es geht dabei um die Veränderung des der Disziplin unterworfenen Individuums: ,,Derjenige, welcher der Sichtbarkeit unterworfen ist und dies weiß, übernimmt die Zwangsmittel der Macht und spielt sie gegen sich selber aus; er internalisiert die Machtverhältnisse, in welchem er gleichzeitig beide Rollen spielt; er wird zum Prinzip seiner eigenen Unterwerfung."48 Mit der Strategie einer permanenten Überwachung des öffentlichen Raumes übernimmt die Polizei Disziplinierungsfunktionen und fungiert nicht mehr nur als `starker Arm des Rechts' bei der Verfolgung von Verbrechern oder als Instrument bei der Kontrolle von Aufständen und Unruhen. Sie, so Michel Foucault, ,,spannt zwischen den geschlossenen Disziplinarinstitutionen (Werkstätten, Armee, Schule) ein Verbindungsnetz [...], das die von jenen offengelassenen Lücken füllt und die nicht disziplinierten Räume diszipliniert, abdeckt, miteinander verbindet und mit ihrer bewaffneten Gewalt schützt".49

Die Entstehung der modernen Polizei markiere den Punkt einer ,,Verstaatlichung der Disziplinarmechanismen". Dabei sei die Polizei zwar an das Zentrum der politischen Macht angeschlossen, ihr Machttyp, ihre Einsatzmechanismen und -bereiche wiesen aber ihre Eigenart auf:

,,Es handelt sich um einen Apparat, der mit dem gesamten Gesellschaftskörper koextensiv ist [...] Die Polizeigewalt muß `alles' erfassen: [...] den Staub der Ereignisse, der Handlungen, der Verhaltensweisen, der Meinungen".50

Oder mit den Worten des Lübecker Polizeirats Friedrich Avé-Lallemant: ,,Die Polizei ist vor allem die Wissenschaft der Praxis, die das Leben bis in seine feinsten Adern durchdringt, und aus zahllosen Erfahrungen eine frische und freie Theorie des Lebens zum Schutz des Lebens konstruiert [...]".51 Zur Durchsetzung der `infinitesimalen' polizeilichen Kontrolle mußte sich diese Macht nach Foucault

,,mit einer ununterbrochenen, erschöpfenden, allgegenwärtigen Überwachung ausstatten, die imstande ist alles sichtbar zu machen, sich selber aber unsichtbar. Ein Gesichtsloser Blick, der den Gesellschaftskörper zu einem Wahrnehmungsfeld macht: Tausende von Augen, die überall postiert sind; bewegliche und ständig wachsame Aufmerksamkeiten [...] Und diese unaufhörliche Beobachtung muß in einer Reihe von Berichten und Registern angehäuft werden."

In diesem ,,unermeßlichem Polizeitext" würden ,,Verhaltensweisen, Einstellungen, Anlagen, Verdächtigkeiten von Individuen ununterbrochen registriert.52

4. Diskursiver und sozialer Kontext polizeilicher Praxis

4.1. `Polizeilicher Blick' und `Kriminalitätsdiskurs'

Die dominierende Tätigkeit des praktischen Polizeidienstes liegt, folgt man dem Autor eines österreichischen Polizeihandbuches, in der zielgerichteten Beobachtung des Publikums:

,,Der normale Dienst eines Sicherheitsorgans besteht bei richtiger Auffassung in nichts anderem als in einer gewöhnlichen Beobachtung [...] Die Beobachtung hat sich ganz besonders auf Menschen zu erstrecken, die sicherheitsgefährlich waren, noch sind oder zu werden drohen. Diese Menschen muß jedes Sicherheitsorgan kennen."53

Um aber im Dienste der hier angedeuteten präventiven Überwachung einsetzbar zu sein, muß eine solche polizeiliche Beobachtung zu Selektionsleistungen in der Lage sein, wie sie etwa die hierarchische Klassifizierung des Publikums anhand der Unterscheidungen von `gefährlich' und `ungefährlich', `ordentlich' und `ordnungsge- fährdend', `sittlich' und `unsittlich' darstellt. Welche konkrete Situation oder Person so als `gefährlich' definiert und aufgrund dieser Einstufung Gegenstand polizeilicher Überwachung oder polizeilichen Eingreifens wurde, hing weniger vom Gesetzestext, als vielmehr von der Einschätzung des Polizeibeamten auf der Straße ab.54 Wesentlichen Einfluß auf die Richtung der Definitionsmacht, auf die Orientierung des klassifizierenden und kontrollierenden Blicks des einzelnen Polizisten dürfte neben dessen mehr oder weniger großen sozialen, geschlechtsspezifischen und lebenszyklischen Distanz zu seiner `Klientel'55 die zeitgenössischen Vorstellungen von ,,dem Verbrecher" und ,,der Kriminalität" gehabt haben.56 Die Wirkung eines solchen `Verbrechensdiskurses' beschränkte sich aber nicht unbedingt auf die Richtung der polizeilichen Wahrnehmung von Sicherheits- und Ordnungsproblemen, sondern konnte auch Einfluß auf die materielle Ausstattung des Polizeiapparates und den Schwerpunkt des alltäglichen Polizeidienstes haben. Der Ausbau der Berliner Polizei etwa wurde begleitet durch einen, sich in Petitionen, Presseartikeln, Literatur und wissenschaftlichen Handbüchern äußernden, bürgerlichen Diskurs über `das Verbrechen', indem als immer wiederkehrende Topoi die rapide Zunahme und Modernisierung des Verbrechens und ein Zusammenhang dieser Entwicklung mit der Existenz einer sich vergrößernden Arbeiterschaft und Unterschicht und deren `unsittlichen' Lebensweise auftauchte. Aus solchen Bildern, in denen die Folgen von Industrialisierung und Urbanisierung als Bedrohung der `Sittlichkeit' und des Bestandes der bürgerlichen Gesellschaft gedeutet wurden, kamen immer wieder Forderungen nach Aufstockung und Modernisierung der Polizei, die zum Teil in Ausmaß und organisatorischer Ausgestaltung der täglichen Polizeipraxis ihren Widerhall fanden.

In diesem Diskurs wiederholt auftauchende Figuren finden sich schon in der Arbeit ,,Das deutsche Gaunertum" des Lübecker Polizeirats Friedrich Avé-Lallemant, der, so der Herausgeber der Neuausgabe von 1914, hiermit die ,,Verbrecherkunde zur Wissenschaft erhoben" habe.57 Avé-Lallemant ließ keinen Zweifel daran, daß das ,,Gaunerleben [...] sich nur im tiefsten Elend des niedrigen Volkslebens" bewegt, ,,aus dessen Sphäre es mit seiner Kunst in alle oberen Schichten zu dringen sucht" und zu diesem Zweck nach ,,Vereinigung" strebt.58 Für ihn waren es insbesondere das ,,Bettlertum" und die ,,gefährlichen beweglichen Massen der [...] Landstreicher", welche ,,die öffentliche Sicherheit in bedenklicher Weise gefährdet[en] und [...] das Verbrechen als förmliches Gewerbe zu betreiben anfing[en]".59 In dieser `ersten wissenschaftlichen Abhandlung' wird deutlich, wie sehr gerade die Mobilität der durch die Industrialisierung freigesetzten Bevölkerungsgruppen, der damit einhergehende Verlust traditioneller Formen der Sozialkontrolle und die von bürgerlichen Normen abweichende Lebensweise als zentrale Bedrohung wahrgenommen wurden; ,,Das unstete Leben und Umherschweifen des Gauners gibt ihm volle Freiheit, seiner ungeheuer wuchernden Sinnlichkeit [...] ungebändigt nachzugehen und somit die am heimatlichen Wohnort einigermaßen mögliche Polizeiaufsicht zu umgehen."60

Neben den mobilen Besitzlosen sah der ehemalige Polizeirat vor allem in der Jugenddelinquenz eine zentrale ,,Gefahr" für Staat und Gesellschaft. In Form der ,,jugendlichen Verbrecher", so glaubte er, war ,,inmitten des Friedens ein Gaunertum nachgewachsen, das fertiger und gefährlicher als jemals dasteht, und bei einer Erschütterung der bestehenden Ordnung sich furchtbar erheben" würde.61 Besitzlose, Vaganten, Proletarier und jugendliche Delinquenten werden hier zu Feinden der bestehenden Ordnung. Aus diesen Gruppen sei ein ,,rationales verbrecherisches Gewerbe" entstanden, das, sobald sich ihm die Chance böte, ,,zum tückischen Angriff und zum Niederwerfen" des ,,deutschen Familienhauses und des deutschen Bürgertums mit seiner christlich-deutschen Zucht und Sitte" und der ,,geheiligten Institutionen der Kirche und des Staates" ansetzen würde.62 Aufgrund dieses Bedrohungsszenarios kann es für den ,,Verbrechenswissenschaftler" für Rechtsprechung und Polizei nur eine Aufgabe geben: ,,dieses ungeheure Polypengewächs auszurotten, das sich an das ganze bürgerliche Leben gesetzt hat".63 Dafür reiche aber die bisherige Praxis der deutschen Polizei mit ihrer ,,scharfen Fremden- und Paßpolizei und mit strengen Gendarmeriedienst auf Landstraßen, Bahnhöfen und in Wirtshäusern" nicht aus, sondern es bedürfe darüber hinaus einer ,,vollständigen Kenntnis des Gaunertums" zur Verbesserung des ,,prüfenden Scharfblick[s] der Polizei".64

Auch wenn man über die Ursachen des Verbrechens geteilter Ansicht sein mochte, schienen die Autoren solcher Texte weitgehend die Meinung zu teilen, daß die sozialen Folgen der Industrialisierung und Urbanisierung, wie sie etwa in Form von Besitzlosigkeit, Bettelei; Vagantentum oder der Entstehung einer proletarischen Armut zunehmend sichtbar wurden, eine verbrecherische Bedrohung nicht nur des individuellen Eigentums, sondern der gesamten bürgerlichen Gesellschaft darstellten. So deutete etwa der Polizeipräsident Berlins Wilhelm Stieber die sozialen Veränderungen als zivilisationszerstörende Naturkatastrophe:

,,Wir fühlen es, daß die Wellen des Proletariats, der Armuth und namentlich der Unmoralität über uns zusammenschlagen, und daß solche die Früchte unserer so hoch getriebenen Civilisation zu verschlingen drohen."65

Der Glaube an ein professionelles ,,Berufsverbrechertum", an eine ,,kriminelle Klasse", eine organisierte Unterwelt, die sich gegen die obere bürgerliche Welt richtete und die gesamte soziale Ordnung bedrohte, beschränkte sich weder auf diese literarische Auseinandersetzung mit dem ,,Verbrechen" noch auf Preußen, sondern war allgemein und in verschiedenen Ländern verbreitet. Der ,,Verbrecher", unter den sich, wie gesehen, auch Vaganten, Bettler, straffällig gewordene Jugendliche und Prostituierte subsumieren ließen, wird hier als Feind aller objektiviert, den zu verfolgen daher alle ein Interesse haben. Solche Vorstellungen waren auch in den `polizeilichen Blick' eingelagert, und führten zur Stigmatisierung bestimmter Personengruppen, welche für eine präventive Überwachung des öffentlichen Raumes unerläßlich scheint. Gegenstand dieses Blickes wurde jedes Verhalten, welches von den hegemonialen bürgerlichen Normen der Sittlichkeit und Nützlichkeit abwich. Der Polizei ging es darum, diese als ,,gefährlichen" eingestuften Individuen sichtbar zu machen; sie nach habituellen, psychologischen und physiognomischen Merkmalen zu klassifizieren und zu typisieren, um sie als potentielle Verbrechergruppen identifizieren zu können. Zu solchen, ins selektive Aufmerksamkeitsraster polizeilicher Beobachtung fallenden `Problemgruppen' müssen etwa jene 10.000 Prostituierten und 10.000 ,,Bettler, Arbeitsscheue, Vagabonden, Herumtreiber, Obdachlose, Verarmte" gezählt haben, die nach Christian Zimmermanns ,,zur Belehrung für Polizeibeamte und zur Warnung des Publikums" verfaßten Darstellung über die ,,Diebe in Berlin" ,,gemeinhin [...] bereit sind, [...] das fremde Eigenthum verbrecherisch anzugreifen". Die ,,schädlichen Subjekte" die bei Zimmermann als ,,Ersatzmannschaften der Verbrecherwelt" fungieren,66 werden bei Huppé zu ,,gefährlichen Classen", zu denen er solche Individuen zählt, ,,welche nicht arbeiten wollen, aber noch arbeiten können und welche daher ihre vorhandene Arbeitskraft gewohnheitsmäßig in unwirtschaftlicher Weise zu anderen Tätigkeiten, als zu dem, was Arbeit genannt wird, anwenden."67

Wenn im Rahmen solcher Texte jegliches Verhalten, welches einer kapitalistischen Arbeitsethik nicht entsprach oder von den bürgerlichen Sittlichkeitsvorstellungen abwich, wenn Armut und insbesondere mobile Besitzlosigkeit als ,,Gefahr" für die bestehende Ordnung und die Träger dieses Verhaltens bzw. dieser Eigenschaften als Feinde aller identifiziert wurden, dann findet dies seine Entsprechung in einer polizeilichen Ausgrenzungspraxis, in der alle jene Individuen grundsätzlich als ,,Verdächtige" galten, ,,deren Äußeres darüber keinen Zweifel läßt, daß sie zu den Vagabonden und Bettlern gehören und keine Legitimation besitzen."68 Insgesamt war es weniger das ,,Verbrechen"; als das von bürgerlicher `Sitte und Ordnung' abweichende Verhalten der Unterschichten und der Arbeiterschaft, welche als Bedrohung wahrgenommen, kriminalisiert und so zur Zielscheibe polizeilicher Überwachung wurde. Die Ungebundenheit der Arbeiter und Besitzlosen, der Verfall der Familie und der Autorität der Kirche, der Arbeitgeber und der Obrigkeit, exzessiver Alkoholkonsum, moralischer Niedergang und sexuelle Ausschweifungen gefährde die Gesellschaft und manifestiere sich in einer steigenden Gewaltkriminalität - so faßt etwa Ralph Jessen den Tenor der zeitgenössischen Klagen zusammen.69 Schon vor der durch den Börsenkrach von 1873 ausgelösten ,,Großen Depression" wurden die verschärften sozialen Probleme öffentlich sichtbar - wuchsen Wohnungsnot, Obdachlosigkeit, Armut, Prostitution, Alkoholkonsum - und verunsicherten das städtische Bürgertum. Die hieraus entstehenden sozialen Ängste spiegelten sich beispielsweise in den Petitionen an das Berliner Polizeipräsidium wider,70 in denen aus der Vorstellung eines allgemeinen Sittenverfalls und einer wachsender Kriminalität die Forderung nach verstärktem Polizeieinsatz laut wurden. Dieser sollte sich vor allem gegen Betrunkene, Zuhälter, Diebe, Vagabunden und Prostituierte richten, durch die man die ,,Sicherheit und Ordnung" auf den Straßen gefährdet sah. Die Herstellung von ,,Sicherheit" wurde dabei oftmals als `Zivilisierung' solcher Individuen übersetzt, die herrschende Normen von ,,Sittlichkeit" und ,,Nützlichkeit" nicht einhalten wollten oder konnten. Auch wenn statistisch kein kontinuierlicher Anstieg des Verbrechens feststellbar ist, verschärfte sich mit der wirtschaftlichen Depression noch der Glaube an die Gefahr einer ,,wachsenden Kriminalität".71 Die zunehmenden Forderungen des städtischen Bürgertums nach mehr Sicherheit auf den Straßen durch stärkeres Durchgreifen gegenüber Bettlern, Vagabunden und sonstigen `sittenlosen Subjekten' fanden ihren Niederschlag in den Etatberatungen des preußischen Abgeordnetenhauses von 1873, in denen die Einrichtung zusätzlicher 71 Wachtmeister und 606 Schutzmannstellen bewilligt wurde. Nicht zuletzt auf Klagen von Bürgern und Presse ist es zurückzuführen, daß zwischen 1870 und 1880 die Zahl der Exekutivbeamten von 1000 auf 3352 anwuchs.

Das hiermit verbundene ,,härtere Durchgreifen", so zeigt sich etwa anhand der Personen, die vor Gericht standen, zielte nicht auf ,,gewerbs- und gewohnheitsmäßige" Täter, sondern vor allem auf Gelegenheitsdiebe, Arbeiter und Arbeitslose, Nichtseßhafte und Jugendliche mit mangelnder Schulbildung. Insgesamt stellt sich der Eindruck ein, daß das Motiv der an verschiedenen Stellen formulierten Sicherheitsängste nicht die Zunahme von Gewaltverbrechen war, sondern eher die Furcht vor sozialen Konflikten und der Andersartigkeit der Lebens- und Existenzbedingungen der industriellen Arbeiter und der städtischen Unterschichten.

Folgt man etwa der Einschätzung Albrecht Funks, dann bestimmten diese Moral- und Ordnungsvorstellungen der städtischen Mittel- und Oberschicht in starkem Maße die Art und Weise, in der die ,,öffentliche Sicherheit, Ruhe und Ordnung" von der Polizei täglich hergestellt wurde.72 Mit dieser Vermutung korrespondiert die Tatsache, daß seit den 70er Jahren das Zentrum der polizeiliche Praxis nicht eine verstärkte Verbrechensbekämpfung, sondern die Durchsetzung bürgerlicher Verhaltensnormen gegenüber den unterbürgerlichen Bevölkerungsschichten war.73

4.2. Sozialer Wandel und polizeiliche Überwachungsstrategien

Auf einer allgemeineren Ebene könnte man sicherlich sagen, daß die Polizei die Formierung einer kapitalistischen Industriegesellschaft disziplinierend flankierte. Hatte der preußische Staat zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf der einen Seite eine marktliberale Politik der Aufhebung staatlicher und ständischer Beschränkungen der Wirtschaft vorangetrieben (Agrarreform, Gewerbereform, Städtereform), so wurde auf der anderen Seite der staatliche Sicherheitsapparat zum Schutze der bürgerlichen Rechte, insbesondere dem des Eigentums, nicht nur verstärkt, sondern - wie gesehen - neu strukturiert. Man mag allgemein davon ausgehen, daß die Polizei dem Schutz der bestehenden politischen Ordnung und der herrschenden Eigentumsverhältnisse diente; doch was bedeutet dies für die polizeiliche Praxis?

Die einsetzende Industrialisierung wurde begleitet von der Freisetzung der Landbevölkerung und ihrer Wanderung in die Städte. Diesem Prozeß trug der preußische Staat insoweit Rechnung, als er mit der Freizügigkeitsgesetzgebung die rechtlichen Hindernisse beseitigte, die der für die Formierung einer kapitalistischen Industriegesellschaft notwendigen Mobilität im Wege standen. Die zuvor in der Regel betriebene Abschottung der Städte gegenüber einem unkontrollierten Bevölkerungszuzug war ökonomisch unzweckmäßig und nun auch juristisch erschwert worden. Die mit der Ausschließungsstrategie der Städte verbundenen Kontrolle nach außen wurde daher allmählich durch eine auf möglichst minutiöse Erfassung der Bevölkerung gerichtete Kontrolle nach innen ersetzt.74 Verschiedene Elemente summierten sich dabei zu einem relativ engmaschigen Netz bürokratischer und polizeilicher Überwachung und Registrierung.75 Zu diesen zählte neben der Numerierung von Häusern,76 der Meldung und Zählung der Einwohner, der Entstehung eines funktionierenden Paßwesens, vor allem die mit dem Aufbau einer permanenten und flächendeckenden polizeilichen Straßenkontrolle gewonnene Sichtbarkeit aller Bewegungen im öffentlichen Raum. Die so gewonnen Erfassungs- und Überwachungsmöglichkeiten konzentrierten sich vor allem auf das Verhalten der ärmeren Bevölkerungsteile, insbesondere wenn es dabei um Individuen ging, die nicht ortsansässig, also ,,fremd" waren.77

Mit dem Problem der neu entstandenen Vielheiten von Menschen in der Stadt und dem Interesse, diese zu kontrollieren und sie in eine nützliche `Ordnung' einzufügen, gewann der Zugriff der Macht auf den Raum eine neue Bedeutung. Das militärische, aufsehenerregende, fallweise und gewaltsame Eingreifen, wie es noch in der ersten Jahrhunderthälfte die Regel war, war angesichts der durch Industrialisierung und Urbanisierung bedingten Veränderungen der Städte und ihrer Bevölkerung kaum eine angemessene Strategie zur ,,Lösung" der neuen ,,Ordnungsproblemen". Statt dessen ging man über zu einer möglichst umfassenden Kontrolle, wobei ein Prinzip, daß man hierbei verfolgte, die Parzellierung des Raumes war. Ein Beispiel hierfür ist die Aufteilung der polizeilichen Exekutivbeamten auf relativ kleine Raumeinheiten durch Einführung der Reviere und Sektionen, wie sie am Beispiel des Ausbau der Berliner Schutzmannschaften beschrieben wurde. Das strategische Ziel dieses neuen Zugriffs einer möglichst umfassenden Überwachung könnte man mit Foucault als Etablierung eines ,,Disziplinarraumes" bezeichnen; Jedem Individuum sollte sein Platz zugewiesen, ,,Gruppenverteilungen [...] vermieden, kollektive Einnistungen zerstreut, massive und unübersichtliche Vielheiten zersetzt" werden;

,,Es geht gegen ungewissen Verteilungen, gegen das unkontrollierte Verschwinden von Individuen, gegen diffuses Herumschweifen, gegen unnütze und gefährliche Anhäufungen: eine Antidesertions-, Antivagabondage-, Antiagglomerationstaktik [...] Es geht darum, die Anwesenheit und Abwesenheit festzusetzen und festzustellen; zu wissen, wo und wie man die Individuen finden kann; die nützlichen Kommunikationskanäle zu installieren und die anderen zu unterbrechen; jeden Augenblick das Verhalten eines jeden überwachen, abschätzen und sanktionieren zu können; [...] Die Disziplin organisiert einen analytischen Raum."78

5. Soziale Selektivität der polizeilichen Praxis

5.1. Die Disziplinierung der Unterschichten

Unter Disziplinierung soll hier im weitesten Sinne die Anwendung von Techniken verstanden werden, die dazu geeignet sind, normabweichendes Verhalten im Ansatz zu verhindern.79 Die Disziplinierung erschöpft sich dabei nicht in der Sanktion, sondern zielt mit verschiedenen Mitteln auf die Veränderung des ihr unterworfenen Individuums. Betrachtet man aus dieser Perspektive die Praxis der Berliner Schutzmannschaften, so fällt vor allem eine deutliche Asymmetrie in Form sozialer Selektivität auf. Sie richtete sich seit ihrer Gründung zunehmend auf die Disziplinierung der Arbeiterschaft und der städtischen Unterschichten und korrespondierte dabei zumindest teilweise mit einer Nutzbarmachung dieser Bevölkerungsteile im Dienste einer kapitalistischen Industriegesellschaft.80 In diese Richtung wirkte etwa das 1843 verhängte Bettelverbot und vor allem die daran anschließende verstärkte Verfolgungstätigkeit der Polizei, die das Betteln, welches, trotz aller Beschränkungen, Stigmatisierungen und Ausgrenzungen, denen es sich seit dem Mittelalter ausgesetzt sah, zuvor eine mögliche Form des Lebensunterhaltes darstellte, zunehmend erschwerte und so die Erwerbsarbeit auf dem Markt tendenziell zur einzigen Form der Existenzsicherung machte. Nicht die Tatsache, daß Besitzlose, Bettler und Vagabunden Zielscheibe von Stigmatisierungs- und Ausgrenzungsstrategien waren und sind, sondern der Zugriff auf sie durch eine permanente polizeiliche Überwachung und Reglementierung bedeutete eine einschneidende Veränderung im Umgang mit solchen marginalen Bevölkerungsgruppen.81

Wird die Tätigkeit der Berliner Schutzmannschaften allgemein als eine,,neopaternalistischen Strategie kombinierter Repression und Wohlfahrtssicherung" charakterisiert,82 so war ihre Praxis gegenüber den Unterschichten weitgehend durch einen repressiven und zum Teil gewaltsamen Charakter geprägt. Auch wenn die Polizei gegenüber den Unterschichten zum Teil unterstützend Eingriff und etwa in Einzelfällen gegen die Maßlosigkeit von Hausherren einschritt,83 galten die Besitzlosen und Besitzarmen in der polizeilichen Wahrnehmung grundsätzlich als ,,gefährlich" und wurden entsprechend dieser Einstufung behandelt. Dies verdeutlichen beispielsweise die Schilderungen Ernst Dronkes zur polizeilich Praxis der Jahrhundertmitte:

,,Die Gesetze über die Bettler, Vagabunden und Arbeitsscheue [...] geben durch ihre weiteren Bestimmungen die ganze Klasse der besitzlosen, geplünderten, verhungernden Armen offen der Barbarei der Polizeiwillkür anheim. Das Verbrechen, welches in diesen Bestimmungen bestraft wird, ist die Not [...]. Die Polizei hat demnach gar nicht einmal nötig, den Grund des Verbrechens, des `Umhertreibens', der `Arbeitslosigkeit' und des `Bettelns' zu konstatieren, sie braucht nur nach ihrer Willkür die ersten besten Leute zu verhaften, welche mit zerrissenen Kleidern, entkräftet von den Entbehrungen ihres Lebens, bleich und mit verkümmerten Gesichtern, aus denen der Hunger spricht, einhergehen. Alle diese Leute sind ihrem Arm verfallen, und die Polizei hat die schrankenloseste Gewalt über ihr ganzes Leben."84

Die ,,Korrektionsstrafe", mit der ,,Bettelei" und ,,Arbeitsscheu" sanktioniert wurden, trug ihren Namen überwiegend zu unrecht. Zielte die Einschließung in Arbeits- und Zuchthäuser zur Zeit des Absolutismus auf eine Besserung der Inhaftierten, insbesondere auf das Erlernen von `Arbeit', so hatten die Arbeitshäuser im 19. Jahrhundert ihre ursprünglich pädagogische Intention zunehmend verloren und waren zu Repressions- und Abschreckungsanstalten geworden.85

Eine fürsorgliche, auf die `Versittlichung' und die Nutzbarmachung ihrer Arbeitskraft zielende Disziplinierung der Unterschichten wurde weniger von der Polizei, als vielmehr von einer beruflichen Sozialarbeit betrieben. Obwohl die polizeilich- repressive und die pädagogisch-wohlfahrtliche Intervention zunächst als prinzipiell gegensätzliche Formen der Disziplinierung erscheinen, zeigen sich hinsichtlich der Organisation und Strategie mit der man gegenüber den Unterschichten tätig wurde Übereinstimmungen zwischen dem in der Fürsorge betriebenen Besuchsprinzip und der Praxis der Exekutivpolizei.86 Die Institutionen auf dem Feld der Fürsorge waren mit ihrem Quartiersystem ähnlich vernetzt wie die flächendeckende, dezentrale Revierorganisation der Polizei. Hier wie dort bestimmte eine aggressive und aufsuchende Strategie das Verhältnis der Institution zu ihrer Klientel. Dort der ,,Armenbesuch", der die Bedürftigen seines Viertels in ihren Wohnungen besuchte, ihren Lebenswandel kontrollierte und sie zur Arbeit anhielt, hier der Reviersergeant, der seinen Distrikt durchstreift, nach Mißständen und Gesetzesverstößen Ausschau hielt, normabweichendes Verhalten registrierte und anzeigte. Beide ,,handelten als Agenten eines als allgemeinverbindlich definierten, dabei jedoch klassenspezifisch geprägten Verhaltenskodex, beide waren mit nicht zu unterschätzenden Sanktionsmitteln ausgestattet und beide agierten typischerweise in sozial asymmetrischer Konstellation als Vertreter eines bürgerlichen Wertekanons gegenüber einer Unterschichtenklientel."87

Zwischen dem Bruch in der polizeilichen Praxis in Richtung auf eine permanente flächendeckende Beobachtung und Reglementierung und dem durch Industrialisierung und Urbanisierung bewirkten dramatischen Wandel der Städte läßt sich durchaus ein direkter Zusammenhang konstruieren. Der Zerfall ständischer Bindungen, die Aufhebung der Mobilitätsschranken und die Anonymisierung des Lebens in der Großstadt wurde als ein neues Ordnungsproblem wahrgenommen, auf das die Polizei mit einer hieran angepaßten Form der Kontrolle und Reglementierung des öffentlichen Raumes reagierte. Die Zunahme der freien Lohnarbeiter vor der Mitte des 19. Jahrhunderts bedeutete aus ordnungspolitischer Sicht gleichzeitig die Zunahme einer Bevölkerungsgruppe, die nicht durch ländlich-patriarchalische, gemeindliche, zünftige oder gesinderechtliche Strukturen eingebunden war. Während aber die Arbeiter zumindest während der Arbeitszeit der strengen Fabrikdisziplin unterworfen waren, galt dies nicht für die marginalisierten Gruppen an der gesellschaftlichen Peripherie. Diese heterogene Gruppe des ,,Pöbels", die Vagabunden und Landstreicher, die Armen und Arbeitslosen waren weder ständischen Regelkreisen, noch der modernen Arbeitsdisziplin unterworfen und wurden daher zum Schwerpunkt polizeilicher Kontrolle und Disziplinierung.88

Daß Lohnarbeiter und Besitzlose ins Zentrum polizeilicher Aufmerksamkeit rückten, bedeutete aber mit der zunehmende sozialräumlicher Segregation der Stadtbevölkerung und funktionaler Differenzierung einzelner Stadträume auch die Konzentration der polizeilichen Präsenz und Aufmerksamkeit auf bestimmte ,,gefährliche" Gebiete. Hierzu zählten im Allgemeinen die Viertel in den denen sich eine Konzentration von armer und proletarischer Bevölkerung finden ließ und im Besonderen die zeitweisen und ständigen Treffpunkte dieser ,,niederen Volksklasse" wie sie etwa Volksfeste und Schankwirtschaften darstellten.89 Auch Gebiete, in denen sich Prostituierte räumlich konzentrierten und Bahnhöfe gehörten zu diesen ,,gefährlichen Orten", welche eine verstärkte polizeiliche Aufmerksamkeit auf sich zogen. Letztere wurden nicht nur aufgrund der zunehmenden Bedeutung des Verkehrs als potentieller Unsicherheitsraum wahrgenommen, sondern vor allem weil sich hier täglich Individuen unterschiedlichster Provenienz mischten und weil hier Fremde in der Stadt ankamen bzw. diese verließen. In den Bahnhöfen wurden daher eigene Revierwachen installiert, zu deren zentralen Aufgaben die Ermittlung von ,,verdächtigen" An- und Abreisenden gehörte.90

5.2. Disziplinierungspraxis: Die Produktion von `Ordnung'

Seit den 1870er Jahren richtete sich die Praxis der Berliner Exekutivpolizei zunehmend auf die Kontrolle und Sanktionierung alltäglicher Verhaltensverstöße. Zielscheibe dieser disziplinierenden Tätigkeit, die im Zusammenhang mit der Durchsetzung bürgerlicher Sittlichkeits- und Ordnungsvorstellungen gegenüber den Unterschichten und der Arbeiterschaft stand,91 waren u. a. Frauen. Tagsüber und allein durften sie sich legitimerweise nur im Rahmen frauenspezifischer ,,anständiger" Arbeiten oder auf dem Weg zur Arbeit im öffentlichen Raum aufhalten. Zu ,,Unzeiten" und an ,,falschen" Orten riskierten sie, von der Polizei der ,,gewerbsmäßigen Unzucht"92 verdächtigt und unter polizeiliche Aufsicht gestellt zu werden. Eine Verordnung des Polizeipräsidenten aus den 1870er Jahren, die allerdings aufgrund von Protesten zurückgezogen werden mußte, sah sogar vor, daß ,,jedes weibliche Wesen, das sich nach 10 Uhr abends ohne Herrenbegleitung auf der Straßen blicken läßt, [...] arretiert wird".93 In dieser Zeit wurden jede Nacht 10 - 30 Frauen in Polizeigewahrsam genommen und einer regelmäßigen Gesundheitskontrolle durch den Polizeiarzt unterstellt. Diese Maßnahmen dienten nicht der Abschaffung der Prostitution, sondern ihrer polizeilichen Reglementierung.

Mit dem Ausbau und der organisatorischen Umorientierung der Schutzmannschaften auf den täglichen Ordnungsdienst hatte man einen Apparat zur permanenten und präventiven Überwachung des öffentlichen Raumes geschaffen, der - entgegen der Auffassung, daß sich die moderne Polizei hauptsächlich mit der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit durch Kriminalitätskontrolle, Gefahrenabwehr und Mithilfe bei der Strafverfolgung befaßt -94 zumindest in dieser Periode hauptsächlich schwerpunktmäßig bei der Überwachung und Sanktionierung von Verhaltensverstößen und Normverletzungen der Unterschichten Anwendung fand. Diese alltäglichen Ordnungsmaßnahmen waren zwar unspektakulär, sie dienten aber einer massenwirksamen, sozial-, alters-, und geschlechtsspezifisch abgestuften Disziplinierungsstrategie. In der Ordnungspraxis der Berliner Polizei wird deutlich, daß diese nicht mehr nur als Instrument der Justiz bei der Verfolgung von Verbrechen oder als Instrument der politischen Kontrolle von Aufstandsbewegungen oder Revolten fungierte, sondern eigenständige Disziplinarfunktionen übernahm.95 Im

Zusammenhang mit dieser Schwerpunktverlagerung der polizeilichen Praxis auf die alltägliche Verhaltenskontrolle stand die unkoordinierte Zunahme von strafbewehrten Normen in Form von Polizeiverordnungen, die auf eine möglichst umfangreiche Reglementierung des Alltags gerichtet waren.96 Mit solchen Polizeiverordnung und mit der verstärkten Verfolgung und Sanktionierung kleinerer Ornungsverstöße wurde unterhalb der juristischen Verbrechensverfolgung eine Art ,,Sub-Delinquenz" produziert.

Allgemein spielten als Anlaß für die alltäglichen Disziplinierungsaktivität weniger rechtlich als Vergehen oder Verbrechen definierte Handlungen eine Rolle, als vielmehr die geringfügigeren aber häufiger bestraften Übertretungen, die zunächst ohne Einschalten der Gerichte durch die Polizei geahndet werden konnten.97 Delikte wie ,,Trunkenheit", ,,Ruhestörung", ,,Bettelei", ,,Obdachlosigkeit", ,,Unsittlichkeit", ,,Straßenauflauf" und aus deren Ahnung zum Teil folgende Delikte wie ,,Beamtenbeleidigung" und ,,Widerstand gegen die Staatsgewalt" wurden dabei überwiegend bei Angehörigen der Unterschichten geahndet und wahrscheinlich auch von diesen begangen.98 Einen besonderen Status im Rahmen solcher sozial selektiven Verfolgung normabweichenden Verhaltens hatte der Paragraph des ,,groben Unfugs".99 Er sah die Bestrafung solcher Handlungen vor, die geeignet waren, die öffentliche Ordnung zu stören. Eine solche Formulierung überließ es weitgehend dem Schutzbeamten, zu entscheiden, wann einzugreifen und wo die Grenze zwischen sittlichem und unsittlichem, harmlosen und gefährlichen, noch zu duldendem und schon zu unterbindendem Verhalten zu ziehen war.100 Thomas Lindenberger zufolge wurden durch den ,,Unfug-Paragraphen" in der Regel solche Handlungen erfaßt, ,,die zumeist Teil einer Lebensweise [waren], in der der öffentliche Raum nicht `lediglich' dem Verkehr [...] diente, sondern zugleich Ort sozialer Kommunikation und Partizipation war, der um seiner selbst willen aufgesucht wurde"; Handlungen also, die aus bürgerlicher Sicht ,,sinnlos" erschienen.101 Seit Mitte der 70er Jahre waren diese Handlungen einer deutlich verstärkten polizeilichen Sanktionierung ausgesetzt. Von etwa 500 jährlichen Verhaftungen zu Beginn der 70er Jahre stieg die Zahl der wegen ,,groben Unfugs" in Polizeigewahrsam eingelieferten Personen Ende der 70er Jahre auf über 1000 Ende an, um sich in den 80er Jahren bei etwa 2000 Personen einzupendeln.102

Strafbare Übertretungen begingen daneben Personen, die bettelten, die entgegen einer behördlichen Aufforderung sich kein Unterkommen verschafft hatten, also obdachlos waren, Landstreicher, Betrunkene, Arbeitsscheue sowie nicht unter sittenpolizeilicher Kontrolle stehende Prostituierte.103 Wurden sie aufgegriffen, kamen sie zunächst für drei bis vierzehn Tage in Polizeigewahrsam; im Wiederholungsfall drohte ihnen eine bis zu zweijährige Einweisung ins Arbeitshaus. In den 70er und 80er Jahren häuften sich die aufgrund dieser Delikte vorgenommenen Verhaftungen. Diese Zunahme ist aber weniger ein Indiz für einen tatsächlichen Anstieg solcher Delikte, sondern beruhte im wesentlichen auf einer zielgerichteten polizeilichen Verfolgungspraxis.104 So wurden beispielsweise die meisten Obdachlosen und Bettler bei nächtlichen Razzien aufgegriffen,105 d. h. die Zahl der Festgenommenen konnte durch die Häufigkeit solcher Großeinsätze, bei denen bestimmte Gebiete systematisch durchsucht wurden, gesteuert werden. Für die Zunahme sorgte zudem der gezielte Einsatz von Bettlerpatrouillen Ende der 70er Jahre.106

Ein Indiz dafür, daß die mittels der quantitativen Expansion und der organisatorischen Schwerpunktverlagerung auf den Ordnungsdienst gewonnenen Zugriffsmöglichkeiten der Exekutivpolizei weniger in der Aufrechterhaltung der ,,öffentlichen Sicherheit" durch Verbrechensverfolgung, als vielmehr im Dienste einer Kontrolle und Sanktionierung normabweichenden Verhaltens ihre Anwendung fand, stellen die Festnahmestatistiken dar. Hier zeigt sich, daß der weitaus größte Teil der polizeilichen Verhaftungstätigkeit sich auf sogenannte ,,Übertretungen", wie sie etwa ,,Bettelei", ,,Obdachlosigkeit", ,,Unsittlichkeit", ,,gewerbsmäßige Unzucht" , ,,Unfug" oder ,,Trunkenheit" darstellten, bezog. Während etwa die Zahl der Verhaftungen wegen Verbrechen und Vergehen zwischen 1874 und 1877 um 18,5% auf 5885 (davon 60% Diebstahl oder Verdacht hierauf) anstieg, hatten sich die Verhaftungen wegen Ordnungsverstößen im selben Zeitraum von 21.441 auf 39.435 fast verdoppelt. Auf eine Verhaftung kamen damit fast 7 Festnahmen wegen Bettelei (50,6 %), Obdachlosigkeit (16,4%), Unsittlichkeit (31,5%) und Unfugs (4%).107 1896 war das Jahr mit der höchsten Zahl solcher Festnahmen wegen geringfügigeren Vergehen: 47.000 Personen, also etwa 130 pro Tag. Einen Großteil der wegen Bettelei und Obdachlosigkeit inhaftierten Personen machten allgemein Kinder und Jugendliche unter 21 Jahren aus.108 Anhand dieser Zahlen wird der anhaltende Ordnungs- und Disziplinierungswille der Polizei gegenüber den Unterschichten deutlich. Bestätigt wird die Bedeutung, die in der polizeilichen Praxis die Durchsetzung von gegen die Lebensweise der Unterschichten gerichteten Ordnungsnormen spielte durch die in den Dienstinstruktionen gegebenen Anweisungen bezüglich des Verhaltens gegenüber ,,Verdächtigen": Während dem Umgang mit ,,Verbrechern" hier verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird, äußern sich die Bestimmungen detailliert zum Verhalten gegenüber verdächtigen Frauenpersonen, Betrunkenen, Landstreichern, Bettlern und Fremden.109 Ein ähnliches Bild bieten die Vordrucke für den Tagesrapport der Reviere. Nur drei der hier spezifizierten Festnahmegründe beziehen sich auf Straftaten (Diebstahl, Körperverletzung, Widerstand gegen die Staatsgewalt); die anderen explizit genannten Arretierungsanlässe waren: Bettelei, Vagabundieren, Störung der Ruhe und Sicherheit auf der Straße, Umhertreiben, Prostitution.110

Der neue Zugriff der Polizei auf den öffentlichen Raum in Form einer flächendeckenden, präventiven Überwachung, und die Anwendung dieses Apparates zur Disziplinierung der Arbeiterschaft und der städtischen Unterschichten war dabei keineswegs eine reibungslose Entwicklung; er provozierte vielmehr eine ganze Reihe von Widerständen unterschiedlichster Art und Intensität. Diese reichten von alltäglichen kleinen Widersetzlichkeiten bis zu tagelang andauernden Straßenschlachten mit der Polizei.111 Die Verschiebung der Machtverhältnisse im öffentlichen Raum war nicht ein einmaliger Akt der Enteignung und einer damit einhergehenden Monopolisierung der physischen Gewaltsamkeit nach innen durch die Polizei, sondern der polizeiliche Anspruch auf Definition der ,,öffentlichen Sicherheit und Ordnung' und die damit verbundene polizeiliche Kontroll- und Disziplinierungspraxis war historischen Veränderungen unterzogen und mußte täglich aktualisiert werden.

6. Schluss

Im Rahmen dieser Arbeit sollte gezeigt werden, wie sich das Zentrum der staatlichen Herstellung von ,,Ruhe, Sicherheit und Ordnung" im Verlauf des 19. Jahrhunderts schrittweise von der fallweisen, punktuellen und gewaltsamen Unterdrückung von Tumulten und Aufständen durch das Militär zur permanenten, flächendeckenden, tendenziell präventiven Überwachung des öffentlichen Raumes durch die Polizei verschob. Am Beispiel des Ausbaus der Berliner Schutzmannschaften wird deutlich, wie die moderne Polizei durch Zunahme der Beamten, durch die netzartige Verteilung dieser Polizisten im städtischen Raum und durch die Verlagerung ihres Tätigkeitsschwerpunktes auf den ,,Straßensicherheits- und Ordnungsdienst" zum Instrument alltäglicher Verhaltenskontrolle der Bevölkerung mit einer relativ hohen Durchgriffstiefe werden konnte. In seiner Praxis funktionierte dieser allgegenwärtige Überwachungsapparat nicht mehr nur als ,,Starker Arm des Rechts" oder als Instrument zur Verhinderung bzw. Niederschlagung von Aufständen, sondern nahm in Form von selektiven Kontroll- und Ausgrenzungsstrategien eigenständige Disziplinierungsfunktionen die sich insbesondere gegen normabweichendes Verhalten der Unterschichten richteten; gegen Bettler, Vaganten, Prostituierte, Straßenjungen, Gelegenheitsdiebe, Betrunkene. Diese Praxis war zumindest zum Teil orientiert an zeitgenössischen Bildern von ,,dem Verbrechen", ,,der Kriminalität" oder den ,,gefährlichen Classen", in denen von den herrschenden sittlichkeits- und Ordnungsnormen abweichendes Verhalten als Gefahr für die gesamte bestehende Ordnung wahrgenommen wurden.

Allgemein wird hier davon ausgegangen, daß die Veränderung der polizeilichen Praxis in Richtung auf eine umfassende Kontrolle des öffentlichen Raumes in Zusammenhang mit der Entstehung des modernen industriellen Kapitalismus steht. Mit Industrialisierung und Urbanisierung begannen ,,unübersichtliche Vielheiten" von Menschen den städtischen Raum zu bevölkern, die nicht mehr herkömmlichen Formen von Kontrolle und Disziplinierung unterworfen waren. Hinzu kam eine zunehmende soziale Polarisierung der Stadtbevölkerung und eine sichtliche Zunahme von Armut in den verschiedensten Ausprägungen. Auf diese neuen ,,Ordnungsprobleme" reagierte die Polizei mit sozial, geschlechtsspezifisch und lebenszyklisch abgestuften Disziplinierungsstrategien, welche in der Praxis vor allem in Form einer massenweisen Ahndung von kleineren Ordnungsverstößen verfolgt wurden. Das Produkt der Verschränkung von ,,Verbrechensdiskurs" mit solchen solchen Ausgrenzungs- und Disziplinierungspraxis war eine ,,soziale Delinquenz".

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[...]


1 Indem hier auf die polizeiliche Praxis abgehoben wird, wird von einem Verständnis der

Polizei ausgegangen, welches diese nicht nur als Instrument - des Rechts, des Staates, der herrschenden Klasse etc. -, sondern als Institution mit eigenen Machtwirkungen begreift. Es geht dabei um die Frage, wie weit diese Macht legal oder ,,willkürlich" gehandelt hat, sondern jenseits von einer solchen juridischen Perspektive um die Frage, wo die konkreten Wirkungen polizeilichen Handelns gelegen haben mögen.

2 Zu Entwicklungen die heute Einfluß auf die ,,Öffentlichkeit" von Räumen nehmen, kann man beispielweise zählen: eine verstärkte sozialräumliche Segregation städtischer Bevölkerung (hyperghetto), eine anhaltende funktionale Differenzierung des Stadtraumes, die Privatisierung städtischer Areale, die Umwandlung von Innenstädten zu homogenen Konsum- und Erlebnisräumen (malls) verbunden mit Ausgrenzungsstrategien gegen nicht-kaufkräftige Nachfrage und normabweichendem Verhalten, die Abschottung aufgewerteter Innenstädte und bestimmter wohlhabender Wohngebiete mittels privater Sicherheitdienste, technischen, raumplanerischen und architektonischen Sicherheitssysteme, die Senkung der Eingriffsschwelle für ein ,,hartes Durchgreifen" der Polizei gegenüber Ordnungsverstößen und kleineren Straftaten (zero toleranze). In seinen Untersuchungen zu Los Angeles sieht Mike Davis die gegenwärtige Stadtentwicklung dominiert von einer Strategie der ,,Verteidigung eines luxuriösen Lebensstils", die sich in ,,immer neue Repressionen in Raum und Bewegung übersetzt". Die hiermit zusammenhängende Verschmelzung von ,,Stadtplanung, Architektur und Polizeiapparat [...] zu einer einzigen umfassenden Sicherheitsmobilisierung" führe ,,überall und zwangsläufig zur Abschaffung des zugänglichen öffentlichen Raumes." M. Davis, City of Quartz. Ausgrabungen der Zukunft in Los Angeles, Berlin, Göttingen 1994, S. 259 f., 261.

Für Walter Siebel verliert die Stadt mit der ,,Tendenz zur Privatisierung" und den damit verbundenen sozialen Ausgrenzungen ,,ein wesentliches Element ihrer Urbanität, nämlich ihre Öffentlichkeit"; W. Siebel, Was macht eine Stadt urban? Zur Stadtkultur und Stadtentwicklung, Oldenburg 1994, S. 18.

3 Ausnahmen stellen Richard Sennett und Herfried Münkler dar. Sennett verweist in seiner Arbeit zum ,,öffentlichen Leben" etwa darauf, daß der Raum zunehmend zum Funktionselement von Bewegung gemacht wurde, er behandelt die durch Hausmann vorangetriebene sozialräumliche Segregation in Paris und spricht im Zusammenhang mit der Eröffnung von Warenhäusern im 19. Jh. von dem Entstehen einer ,,Warenöffentlichkeit" zuungunsten anderer Formen urbaner Erfahrung; R. Sennett, Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität, Frankfurt a. M. 1983. Herfried Münkler stellt für die Renaissance eine deutliche Verschiebung der Bedeutung des öffentlichen Raumes fest: ,,Das politische Geschehen verlagert sich aus dem öffentlichen Raum in die neuen Zentren der Macht, von der piazza in den palazzo [...] Gleichzeitig wird die piazza nach den Prinzipien der Zentralperspektive so umgestaltet, daß sie als Bühne des Fürsten dienen kann, dem das Volk in der Rolle des Zuschauers gegenübertritt. Überhaupt beginnt nun die große Umgestaltung der Städte, in deren Verlauf an die Stelle mittelalterlicher Vielfalt und Lebendigkeit die monokulare Perspektive tritt, die ausgerichtet ist auf den Blick des Fürsten. H. Münkler, Die Visibilität der Macht und die Strategien der Machtvisualisierung, in: Göhler (Hg.), Macht der Öffentlichkeit - Öffentlichkeit der Macht, Baden-Baden 1995, S. 213 - 231; hier: S. 220 f.

4 Gerhards und Neidhardt betonen zwar in ihrem systemtheoretisch Ansatz den Mediumcharakter der Öffentlichkeit, messen aber in ihrer Unterscheidung von verschiedenen Öffentlichkeitsebenen aufgrund der Bestimmung von ,,Öffentlichkeit" als `intermediärem System' zwischen politischem System und Bürger den ,,Encounters", unter denen sie einfache Interaktionssysteme verstehen, die sich durch zufälliges Aufeinandertreffen von Menschen unterschiedlicher Herkünfte bilden, nur Bedeutung in ,,totalitären Herrschaftssystemen - seien es nun feudale oder sozialistische, die keine ausdifferenzierten, autonomen Öffentlichkeiten zulassen" zu; Gerhards, Neidhardt, Strukturen und Funktionen moderner Öffentlichkeit: Fragestellungen und Ansätze, in: Müller-Doom, Neumann- Braun (Hg.), Öffentlichkeit, Kultur, Massenkonsum, Oldenburg 1991, S. 31- 89; hier: S. 51.

5 Siehe ihre Beiträge in: C. Calhoun (Hg.), Habermas and the Public Sphere, Cambridge 1992:N. Fraser, Rethinking the Public Sphere: A Contribution to the Critique of Aktually Existing Democracy, S. 109-142 ; M. P. Ryan, Gender and Public Access: Women's Politics in Nineteenth-Century America, S. 259-288; G. Eley, Nations, Publics, and Political Cultures: Placing Habermas in the Nineteenth Century, S. 289-339.

6 J. Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1990, S. 86 f. Ein Beispiel dafür, daß der Anspruch, die Masse der Bevölkerung zu mündigen Bürgern zu erziehen, damit sie diesem Anspruch des ,,rationalen Räsonements" genügen, mit erheblichen Disziplinierungsaufwand gegenüber nichtbürgerlichen Bevölkerungsgruppen verbunden war, gibt Günther Lottes Untersuchung zum, ,,plebejischen Publikum" Englands im späten 18. Jh. Lottes schildert hier die Schwierigkeiten, die die englischen Jakobiner damit hatten, die Kommunikations- und Protestformen der ,,plebejischen Kultur" zu disziplinieren, um ,,die bürgerlichen Erkenntnismittel des Räsonements und der Diskussion" hier zu verankern und damit das Ideal der bürgerlichen Öffentlichkeit durchzusetzen; G. Lottes, Politische Aufklärung und plebejisches Publikum. Zur Theorie und Praxis des englischen Radikalismus im späten 18. Jh., München, Wien 1979; hier: S. 208.

7 Hierzu siehe: W. Siemann, Deutschlands Ruhe, Sicherheit und Ordnung, Die Anfänge der politischen Polizei 1806-1866, Tübingen 1985, S. 3 ff., 24.

8 Alf Lüdtke sieht in dieser Militarisierung polizeilicher Alltagsfunktionen die Grundlage für eine tiefgreifende, langfristig wirkende ,,Übernahme militärischer Handlungsmuster durch die Polizeiverwaltung", die er mit dem Begriff der ,,Festungspraxis" zu beschreiben sucht; A. Lüdtke, ,,Gemeinwohl", Polizei und ,,Festungspraxis". Staatliche Gewaltsamkeit und innere Verwaltung in Preußen 1815-1850, Göttingen 1982, S. 335 ff.; Vgl. ders., ,,Willkürgewalt des Staates"? Polizeipraxis und administrative Definitionsmacht im vormärzlichen Preußen, in: H. Reinke, ,, ... nur für die Sicherheit da ..."?, Frankfurt a. M., New York, 1993, S. 33 - 55; hier: S. 49.

9 Im ,,Allgemeinen Landrecht für die Königlich Preußischen Staaten" von 1794 war die Tätigkeit der ,,Policey" auf die ,,nötigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung" verpflichtet worden; Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten, Neuausgabe, Frankfurt a. M. u. Berlin, 1970, S. 602 (Tl. 11, tit. 17, §10).

10 Bis zur Revolution 1848 und weit darüber hinaus, so etwa die Einschätzung Ralph Jessens, sei ,,die Aufbietung geschlossener militärischer Verbände zur bewaffneten Niederschlagung größerer und kleinerer Unruhen weniger als letzter, nach Möglichkeit zu vermeidender Ausweg angesehen" worden, sondern er habe ,,eher den bewußt einkalkulierten Normalfall" dargestellt - ,,zur Routine geworden nicht zuletzt aufgrund der notorischen Schwäche der Polizeiexekutive"; R. Jessen, Polizei im Industrierevier. Modernisierung und Herrschaftspraxis im westfälischen Ruhrgebiet, 1848-1914, Göttingen 1991 S. 42. In Berlin gab es seit Gründung der Königlichen Schutzmannschaften kein solches militärisches Eingreifen mehr. Da sich das Berliner Modell der Umstrukturierung nur allmählich in den anderen Städten durchsetzte, blieb in diesen noch längere Zeit die Kommunalpolizei bestimmend und es kam hier bis in die 90er Jahre zum Einsatz des Militärs nach innen. Grundsätzlich wurde dabei die Schwelle, jenseits der eingegriffen wurde, vom Militär selbst definiert. Vgl. A. Lüdtke., Einleitung. `Sicherheit und Wohlfahrt', in: Ders. (Hg.), `Sicherheit und Wohlfahrt'. Polizei, Gesellschaft und Herrschaft im 19. u. 20. Jh., Frankfurt a. M. 1992; S. 9 - 25"; hier: S. 13; Lüdtke, ,,Gemeinwohl", S. 338; A. Funk, Polizei und Rechtsstaat. Die Entwicklung des staatlichen Gewaltmonopols in Preußen 1848 - 1914, Frankfurt a. M., New York 1986., S. 47 f.

Die gewaltsame Unterdrückung von Unruhen wird hier zwar als dominante Form des Eingreifens des Militärs verstanden, daneben erfüllte dieses zum Teil aber auch Ordnungsfunktionen; Vgl. Lüdtke, Willkürgewalt, S. 47 ff.

11 Zitiert nach Lüdtke, ,,Gemeinwohl", S. 327 (ohne Quellenangabe).

12 Friedrich C. B. Avé-Lallemant, Das deutsche Gaunertum in seiner sozialpolitischen, literarischen und linguistischen Ausbildung zu seinem heutigen Bestande [zuerst in drei Bänden, Leipzig 1858-1862], Neuauflage in einem Band nach der überarbeiteten Ausgabe München - Berlin 1914 in zwei Bänden, Wiesbaden 1998, S. 275 f.

13 Die Polizeisergeanten setzten sich zunächst vor allem aus Militärinvaliden zusammen, die in der Regel kaum über Schreib- und Lesekenntnisse verfügten (daher nur ein geringer Grad an Schriftlichkeit des Dienstes) und durch ihre niedrige Besoldung zudem zur Aufnahme von Nebentätigkeiten gezwungen waren. Zahlreich waren darüber hinaus die Klagen über gebrechliche, schlecht ausgerüstete, betrunkene und furchtsame Polizeibeamte. Vgl. hierzu: Funk, Polizei u. Rechtsstaat, S. 43 ff.; Lüdtke, `Gemeinwohl', S. 149 ff.; Jessen, Polizei im Industrierevier, S. 30 f.

14 Auch verschiedene Verwaltungsreformen änderten kaum etwas am Zustand der Polizei. Zu den liberalen Reformanstrengungen siehe: Funk, Polizei und Rechtsstaat, S. 39 ff.

15 Die Zahl der Beamten pro 100.000 Einwohner schwankte zwischen 25 und 50, ein Wert von dem auch Berlin bis zur Mitte des Jahres 1848 nicht abwich; Vgl. Jessen, Polizei im Industrierevier, S. 30; Zur Polizeidichte in einzelnen Städten siehe: Lüdtke, `Gemeinwohl', S. 358 f.

16 Vgl. Funk, Polizei und Rechtsstaat, S. 43.

17 Vgl. Jessen, Polizei im Industrierevier, S. 110, 30. Dies gilt insbesondere für Großstädte wie Berlin. Im Vergleich mit kleineren Städten und vor allem mit dem ländlichen Raum wird man von einem deutlichen Gefälle hinsichtlich der Zugriffstiefe der Polizei auf den Alltag ausgehen müssen.

18 Hier ist die Polizeientwicklung im 19. Jahrhundert von einer mehr oder weniger kontinuierlichen Professionalisierung, Bürokratisierung, und Verrechtlichung der Polizei, einer zunehmenden Verengung der polizeilichen Tätigkeit auf Sicherheitsfunktionen und Gefahrenabwehr, und der Zentralisierung des staatlichen Gewaltmonopols nach innen auf diese Institution geprägt.

19 Vgl. Funk, Polizei und Rechtsstaat, S. 65.

20 Siehe dazu Abschnitt 5. dieser Arbeit.

21 Vgl. M. Foucault, Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses, Frankfurt a. M. 1976, S. 99.

22 J. Lasker, Das Auge der Polizei. Aus dem Leben Berlins, Berlin 1844, S. 53.

23 Damit war Berlin nach London (1829) und New York (1845) die dritte Metropole mit einer solchen flexiblen Polizeiexekutive.

24 A. Wolff, Berliner Revolutions-Chronik. Darstellung der Berliner Bewegung im Jahre 1848 nach politischen, socialen und literarischen Beziehungen, Bd. 3 von 3, Berlin 1854, S. 185.

25 Zit. nach Funk, Polizei und Rechtsstaat, S. 62.

26 In seinen Untersuchungen zu kollektiven Protestaktionen der unteren Volksschichten versucht Manfred Gailus deutlich zu machen, daß der öffentliche Raum für die Straßenpolitik dieser Bevölkerungsgruppen von zentraler Bedeutung war. Ihre Aktionen hätten neben der Verbesserung ihrer materiellen Lebensbedingungen auf die Herstellung lokaler Gegenmacht durch kollektive Besetzung der öffentlichen Räume gezielt. Diese Infragestellung des staatlichen Gewaltanspruchs auf Kontrolle der öffentlichen Räume, so Gailus, habe eine prinzipielle Kollision mit einem Axiom der entstehenden bürgerlichen Gesellschaft bedeutet. Neben dem ,,Brot" sei daher die ,,Straße" der zentrale Topos des Protesthandelns der unteren Volksschichten gewesen. Um die Frage, wem die Straße gehören und welche Ordnung auf ihr herrschen solle, habe es eine ,,dauerhafte Schlachtordnung im Innern der entstehenden bürgerlichen Gesellschaft" zwischen Machteliten und Volksmassen gegeben. Aus dieser Perspektive interpretiert Gailus 1848 als kollektive Wiederaneignung der Straße, nachdem die vielfältige gewohnheitsrechtliche Nutzung in den Jahrzehnten zuvor durch eine ,,herrschaftliche Straßenenteignung qua Polizeiverordnung" verloren gegangen war. Die mit der Revolution einsetzende Inbesitznahme der Straße `von unten' sei schließlich dem Zugriff der Schutzmannschaften gewichen; M. Gailus, Straße und Brot. Sozialer Protest in den deutschen Staaten unter besonderer Berücksichtigung Preußens, 1847 - 1849, Göttingen 1990, S. 59, 504 f.

27 Der `neue polizeiliche Zugriff' war nicht das erste und einzige Instrument der Obrigkeit, um die seit den Märztagen radikal veränderten Machtverhältnisse auf den Berliner Straßen wieder zu ihren Gunsten zu verschieben. Nicht zuletzt um die Verbannung der Masse der Arbeitslosen von den Straßen der Innenstadt ging es, als im März 1848 ein umfangreiches Programm öffentlicher Arbeitsbeschaffung einsetzte, in dem zeitweise 6000 Männer beschäftigte waren. Vgl. Gailus, Straße und Brot, S. 15 f., 376 ff.

28 Abgesehen von einigen unmöglich gewordenen Polizeiverordnungen wie dem Rauchverbot, kamen fast alle Polizeiverordnungen, die neben der Tumultgesetzgebung das eigentliche, vormärzliche Straßenregiment begründeten, wieder zur Anwendung.

29 K. A. Varnhagen von Ense, Tagebücher, Zürich 1865, Bd. 6, S. 138 (Eintrag vom 28. Juni 1848).

30 Ebd., S. 139.

31 Ebd., S. 137.

32 Dies darf aber nicht darüber hinweg täuschen, daß ein Großteil des Bürgertums im Einklang mit der kommunalen und staatlichen Obrigkeit die Schutzmannschaften als geeignetes Mittel gegen das `Chaos' auf der Straße und das Ausbreiten der revolutionären Bewegung begrüßte; Vgl. Funk, Polizei und Rechtsstaat, S. 63. Eine ähnliche Reaktion wie diejenige Varnhagen gegenüber der neuen Institution einer permanent anwesenden und eingreifenden Exekutivpolizei findet sich bei Franz Hessel angesichts einer Transformation des Straßenraumes, die diesen von einem Ort des Aufenthalts zu einer Funktion der Fortbewegung werden ließ: ,,Langsam durch belebte Straßen zu gehen, ist ein besonderes Vergnügen. Man wird überspielt von der Eile der anderen, es ist ein Bad in der Brandung. Aber meine lieben Berliner Mitbürger machen einem das nicht leicht, wenn man ihnen auch noch so geschickt ausbiegt. Ich bekomme immer mißtrauische Blicke ab, wenn ich versuche zwischen den Geschäftigen zu flanieren. Ich glaube man hält mich für einen Taschendieb"; F. Hessel, Ein Flaneur in Berlin, Berlin 1984, S. 7.

33 Entgegen den Überlegungen des Militärs und des Königs wurden die Schutzmannschaften nicht wieder in das Militär eingegliedert, sondern sie blieben als starke Exekutivgewalt dem Polizeipräsidium unterstellt, welches sich in der Reaktionsperiode zur eigentlichen umfassenden Verwaltungsbehörde entwickelte; Vgl. Funk, Polizei und Rechtsstaat, S. 64 f.

34 Als Voraussetzung zum Eintritt in das Korps galt eine neunjährige Militärdienstzeit. Zur Geschichte der Rekrutierung der Polizei in Preußen siehe: Jessen, Polizei im Industrierevier, S. 157-212: Während in den kommunalen Polizeiverwaltungen des Rheinlandes in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts durch einen Mangel an Bewerben eine zunehmende ,,Demilitarisierung" des Personals sich vollzog, hielt die staatliche Polizeiverwaltung, insbesondere in Berlin an der Rekrutierung von ehemaligen Soldaten fest.

35 Vgl. Funk, Polizei und Rechtsstaat, S. 287 ff., T. Lindenberger, Straßenpolitik. Zur Sozialgeschichte der öffentlichen Ordnung in Berlin 1900-1914, Berlin 1995, S. 75. H. Reinke, ,,Das Amt der Polizei". Eine Einführung, in: Ders. (Hg.), ,,... nur für die Sicherheit da ..."?, Frankfurt a. M., New York 1993, S. 9 - 32. Indem der `Kasernenhofton' der Polizeibeamten zum Teil bei allen Bevölkerungskreisen auf Ablehnung stieß, konnte er durchaus dysfunktional sein, insbesondere wenn es darum ging, selektive Disziplinierungsstrategien zu verfolgen Die Tatsache, daß der militärische Habitus der Beamten unnötige Reibungen verursachte, kommt ex negativo in den Dienstvorschriften für die Schutzmannschaften. In §7, "Verhalten gegen das Publikum", werden die Beamten zu Hilfsbereitschaft und Höflichkeit angehalten, da ein solches Verhalten ,,den guten Ruf des Korps auch weit über die Grenzen der Stadt hinaus zu befestigen und zu fördern" helfe. Dieses `zivilisierte' Verhalten soll dabei aber sozial selektiv angewendet werden: ,,Hierdurch [...] wird sich die Schutzmannschaft das Entgegenkommen der Bevölkerung in ihren besseren und verständigen Elementen für solche Lagen sichern, in denen eine solche Unterstützung nur willkommen sein kann." Polizei-Präsidium von Berlin (Hg.), Sammlung dienstlicher Verfügungen für die königlichen Schutzmannschaften in Berlin, Berlin 1902, S. 149-151, 153 f.; zitiert nach Lindenberger, Straßenpolitik, S. 76.

36 A. Ballhorn, Das Polizei-Präsidium zu Berlin, Berlin 1852, S. III; Zit. nach Lüdtke, Willkür, S. 53.

37 Siehe Tabelle in: Funk, Polizei und Rechtsstaat, S. 213.

38 Jessen, Polizei im Industrierevier, S, 104 f.; Vgl. Funk, Polizei und Rechtsstaat, S. 212. Hier dient jeweils lediglich die Sollstärke als Berechnungsgrundlage.

39 Vgl. Funk, Polizei und Rechtsstaat, S, 211 ff. Die Kriminal- und Sittenpolizei wurden erheblich ausgeweitet, die Zahl der Verwaltungsbeamten nahm stetig zu und mit den Sozialistengesetzen wurde der Polizeiapparat noch um die Exekutivpolizisten der politischen Polizei verstärkt. Die Polizei war damit 1880 zur größten Behörde Berlins und damit des Reiches geworden. Seinen symbolischen Ausdruck fand diese Ausdehnung im 1889 bezogenen Neubau des Polizeipräsidiums, das, obwohl es mit seinen 10.600 m² nach Schloß und Reichstag das drittgrößte Gebäude der Stadt war, sich bald als zu klein herausstellte; wie das Polizeipräsidium 1917 stolz berichtet; Siehe: Die innere Front. Das Königliche Polizeipräsidium in Berlin, Berlin 1917, S. 16.

40 Gleichzeitig mit dem Ausbau der Schutzmannschaften und der Umorientierung ihrer Praxis begann man Anfang der 70er Jahre mit dem Aufbau einer eigenständigen Kriminalpolizei. Diese war insofern mit der Tätigkeit der Schutzbeamten verknüpft, als diese alle Anzeigen und sonstigen relevanten Vorgänge an die kriminalpolizeiliche Abteilung im Präsidium weitergeben mußten. Zentraler Gegenstand der kriminalpolizeilichen Tätigkeit war die Ahndung von Eigentumsdelikten, insbesondere Diebstahl. Deutlich wird dies anhand der Verbrecheralben, von deren 53 Bänden in Berlin sich über 40 auf die verschiedensten Formen des Diebstahls bezogen (z.B. je ein Band für Fahrrad- und Beischlaf-Diebe); Funk, Polizei und Rechtsstaat, S. 241 ff; Ders., Die Entstehung der modernen Polizei in Preußen 1870 - 1890. Bezugspunkte einer historischen Polizeianalyse, in: H. Reinke (Hg.), ,, ... nur für die Sicherheit da ..."?, Frankfurt a. M. und New York, 1993, S. 56 - 70; Hier: S. 61 f.

41 1900 zählte Berlin bereits 102 Polizeireviere; Siehe: Königliches Polizei-Präsidium in Berlin (Hg.), Geschäfts- und Polizeieintheilung der königlichen Polizei-Verwaltung von Berlin, Charlottenburg, Schöneberg und Rixdorf, Berlin 1900.

42 Funk, Polizei und Rechtsstaat, S. 274. Nachdem die Sektionen aufgebaut waren, schwollen die Pflichten der Revierbeamten für den praktischen Dienst noch weiter an und reichten von der Überwachung der Meldepflicht bis zur Kontrolle des Sicherheitszustandes der Gebäude; Vgl. Jessen, Polizei im Industrierevier, S. 112.

43 Polizei-Präsidium von Berlin (Hg.), Sammlung dienstlicher Verfügungen für die königlichen Schutzmannschaften in Berlin, Berlin 1902, S. 179 f.; Zit. nach Lindenberger, Straßenpolitik, S. 77.

44 Verfügung vom 13. September 1861; Zitiert nach Funk, Polizei und Rechtsstaat, S. 274.

45 A. Geyger, Der Polizeidienst. Ein Hilfs- und Nachschlagebuch für preußische Polizeibeamte, Berlin 1909, S. 298 f; Zit. nach Jessen, Polizei im Industrierevier, S. 113.

46 Vgl.ebd., S. 110: Die der Polizei mehr und mehr zuwachsende Funktion einer allzuständigen und permanent verfügbaren Ordnungs- und Disziplinierungsinstanz habe nicht nur eine große Zahl von Polizeibeamten, sondern auch eine Vernetzung des Stadtraumes durch deren Verteilung bedurft.

47 Vgl. Foucault, Überwachen und Strafen, S. 229.

48 Ebd., S. 260. Indem er auf die Wechselwirkung zwischen individuellem Verhalten und der Ausbildung des Monopols physischer Gewaltsamkeit hinweist, betont auch Norbert Elias den Einfluß moderner Herrschaftsformen auf das Individuum: ,,Die eigentümliche Stabilität der physischen Selbstzwang-Agenturen, die als ein entscheidender im Habitus jedes `zivilisierten' Menschen hervortritt, steht mit der Ausbildung der Monopolinstituten der körperlichen Gewalt und mit der wachsenden Stabilität der gesellschaftlichen Zentralorgane im engsten Zusammenhang. Erst mit der Ausbildung solcher stabiler Monopolinstitute stellt sich jene gesellschaftliche Prägeapparatur her, die den Einzelnen von klein auf an ein beständiges und genau geregeltes An-Sich-Halten gewöhnt; erst im Zusammenhang mit ihr bildet sich in dem Individuum eine stabilere, zum guten Teil automatisch arbeitende Selbstkontrollapparatur"; N. Elias, Über den Prozeß der Zivilisation, Bd. 2, Frankfurt a. M. 1976, S. 320.

49 Foucault, Überwachen und Strafen, S. 276.

50 Ebd.; S., 274.

51 Avé-Lallement, Das deutsche Gaunertum, 1998, S. 272.

52 Foucault, Überwachen und Strafen, S. 275. Die Praxis dieses polizeilichen Überwachungsapparates ähnelt dem `Traum von einer disziplinierten Gesellschaft` von der Foucault bezüglich der Pestordnungen des 17. Jahrhunderts spricht: Die `Peststadt`, so Foucault, dieser ,,geschlossene, parzellierte, lückenlos überwachte Raum, innerhalb dessen die Individuen in feste Plätze eingespannt sind, die geringsten Bewegungen kontrolliert und sämtliche Ereignisse registriert werden, eine ununterbrochene Schreibarbeit das Zentrum mit der Peripherie verbindet, die Gewalt ohne Teilung in einer bruchlosen Hierarchie ausgeübt wird, jedes Individuum ständig erfaßt, und unter die Lebenden und Toten aufgeteilt wird", sei ,,das kompakte Modell einer Disziplinierungsanlage." Ebd., S. 253. Die Pest ist der historische Ausnahmezustand, in dem quasi idealtypisch moderne Disziplinierungstechniken erprobt werden. Die Lepra wurde mit dem Ausschluß der Aussätzigen beantwortet, die Pest hingegen mit einer neuen Technik der Disziplin. Das eine Modell arbeitet mit dem harten Dualismus von normal/anormal, Einschluß/Ausschluß, das andere mit einem komplexen Raster von Erfassungstechniken. Beide Modelle nähern sich erstmals im 19. Jahrhundert einander an. Mit den bürokratischen Techniken der Verwaltung und der polizeilichen Kontrolle werden Landstreicher, Bettler, Irre, Gewalttätige, Arme und Kriminelle identifiziert.

53 A. Lichem, Die Kriminalpolizei. Handbuch für den kriminellen Polizeidienst, 2. Aufl., Graz 1935, S. 62; Zit. nach Becker, Vom ,,Haltlosen" zur ,,Bestie". Das polizeiliche Bild des Verbrechers im 19. Jh., in: A. Lüdtke (Hg.), `Sicherheit' und `Wohlfahrt', S. 97 - 132; hier: S.115.

54 In diesem Sinne stellt etwa Alf Lüdtke fest, daß die ,,Bewertung einer Situation [...] den jeweils eingreifenden oder lokal zuständigen Behörden vorbehalten" blieb; ,,dasselbe gilt für die Wahl der Mittel, um die `Störung' oder die `Gefahr' zu beseitigen. Die Rechtsfiguren des pflichtgemäßen `Ermessens' und der `Verhältnismäßigkeit (der Mittel) konnten die Durchschlagkraft der polizeilich-administrativen `Definitionsmacht' kaum oder gar nicht steuern. Faktisch ausschlaggebend blieben im polizeilichen `kurzen Prozeß' die alltagspraktischen Handlungsregeln der Beamten `vor Ort'." A. Lüdtke, Von der ,,tätigen Verfassung" zur Abwehr von ,,Störern". Zur Theoriegeschichte von `Polizei' und staatlicher Zwangsgewalt im 19. u. frühen 20. Jh., in: Der Staat 20 (1981) S. 201-228; hier: S. 228.

55 Die Beamten der Berliner Schutzmannschaften waren ausnahmslos Männer mit einer mindestens neunjährigen Militärdienstzeit. Lüdtke etwa geht aus diesem Grund von einem ,,ständischen" Wahrnehmungsmustern dieser Beamten aus; Lüdtke, Gemeinwohl, S. 159 ff.

56 Vgl. P. Becker, Verbrecherbild, S. 115. Zum zeitgenössischen ,,Verbrecherbild" siehe auch: J. Schönert, Bilder vom ,,Verbrechermenschen" in den rechtskulturellen Diskursen um 1900. Zum Erzählen über Kriminalität und zum Status kriminologischen Wissens, in: Ders. (Hg.), Erzählte Kriminalität. Zur Typologie und Funktion von narrativen Darstellungen in Strafrechtspflege, Publizistik und Literatur zwischen 1770 und 1920, Tübingen 1991, S. 497 - 531.

57 F. C. B. Avé-Lallemant, Das deutsche Gaunertum in seiner sozialpolitischen, literarischen und linguistischen Ausbildung zu seinem heutigen Bestande, 2 Bde., neu hrsg. von M. Bauer, München und Berlin 1914 [zuerst 4 Bde., 1858-1862]; S. IX.

58 Ebd., Bd. 2, S. 2.

59 Ebd., Bd. 1, S. 13.

60 Ebd., Bd. 2, S. 8.

61 Ebd., Bd. 2, S. 2.: Das ,,Gaunertum" erhielt nach Avé-Lallemants Vorstellung vor allem durch solche Kinder ,,großen Zuwachs", die ,,daheim weder Familie noch Hort, noch Familienzucht haben." Ähnlich glaubte Christian Zimmermann, daß die ,,Verbrecherwelt" ihren ,,Nachwuchs" der ,,vernachlässigten Erziehung durch verarmte oder verbrecherische Eltern" schuldete; C. W. Zimmermann, Die Diebe in Berlin oder Darstellung ihres Entstehens, ihrer Organisation, ihrer Verbindungen, ihrer Taktik, ihrer Gewohnheiten und ihrer Sprache. Zur Belehrung für Polizeibeamte und zur Warnung für das Publikum. Nach praktischen Erfahrungen, 2 Bde., Berlin 1847, S. 24.

62 Avé-Lallemant, Das deutsche Gaunertum, 1914, Bd. 1, S. 8.

63 Ebd., S. 14.

64 Ebd., S. 14, 2.

65 W. Stieber, Die Prostitution in Berlin und ihre Opfer. In historischer, sittlicher, medicinischer und polizeilicher Beziehung beleuchtet, 2. Aufl., Berlin 1846, S. 2. Die Prostitution ist Stiebers Meinung nach ein ,,Krebsschaden, der sich bei uns schon so tief eingeschliffen hat und der allmälig unsere gesamten gesellschaftlichen und Familienbande zu zersetzen droht"; Ebd. In ähnlicher Weise ging C. W. Zimmermann davon aus, daß ,,Entsittlichung, Verbrechen und Prostitution", sollte kein Heilmittel für den durch sie ,,erkranken Gesellschaftskörper" gefunden werden, ,,dereinst den bestehenden gesellschaftlichen Verband zu zernagen und auszuhöhlen drohen"; Zimmermann, Die Diebe in Berlin, S. 1 u. 3. Obwohl Zimmermann und Stieber dieses apokalyptische Bewußtsein gegenüber den möglichen Folgen des Verbrechens gemein war, vertraten sie konträre Auffassungen über dessen Ursachen und die notwendigen Reaktionen. Der liberal gesonnene Zimmermann wollte durch Hebung des Lebensstandards und durch Erziehung dem Verbrechen entgegenwirken. Nach Zimmermanns Darstellung ging Wilhelm Stieber im Gegensatz hierzu davon aus, daß die Verbrecher ,,nicht aus Not, sondern nur aus bösem Willen oder Arbeitsscheu den Diebstahl exerzierten"; Zimmermann, Die Diebe in Berlin, Bd. 2, S. IX.

66 Zimmermann, Die Diebe in Berlin, S. 7 f.; Insgesamt zählt er allein in Berlin 34.000 Individuen, d. h. etwa 1/10 der Bevölkerung, die seiner Meinung nach ,,mehr oder weniger gravirt, und daher geeignet sind, im Betreff der öffentlichen Sicherheit größere oder geringere Besorgnis einzuflößen."

67 A. Huppé, Das sociale Defizit von Berlin in seinen Hauptbestandteilen, Berlin 1870, S. 34. Der Begriff der ,,gefährlichen Classen" stammt von H.-A. Frégier, Sektionschef im Polizeipräsidium von Paris, der 1840 sein ,,Des classes dangereuses de la population dans le grandes villes, et des moyens de les rendre meilleures" veröffentlichte. Die Unterscheidung zwischen arbeitsunfähigen und arbeitsscheuen Armen hat ihre Wurzeln schon im Spätmittelalter; Siehe hierzu: O. G. Oexle, Armut, Armutsbegriff und Armenfürsorge im Mittelalter, in: F. Sachße, C. Tennstedt (Hg.), Soziale Sicherheit und soziale Disziplinierung, Frankfurt a. M. 1986, S. 73 - 100. Neu ist hier zum einen die Gleichsetzung von `Arbeitsscheu' und Gefährlichkeit bzw. Kriminalität, zum anderen die Disziplinierung solcher Personen durch die moderne Polizei.

68 O. Held, Die bestehende Organisation und die erforderliche Reorganisation der preußischen Polizei-Verwaltung mit Rücksicht auf die wünschenswerte Erweiterung derselben, Berlin 1886,S. 176.

69 Jessen, Polizei im Industrierevier, S. 46.

70 Hier forderten Berliner Bürger etwa die Einrichtung zusätzlicher Polizeistellen für Neubaugebiete und ein schärferes Vorgehen gegen die Prostitution; Vgl. Funk, Entstehung, S. 65.

71 Ebd.

72 Funk, Polizei und Rechtsstaat, S. 282.

73 Siehe Abschnitt 6.2. dieser Arbeit.

74 Dieser Wechsel erfolgte sicherlich auch als Reaktion auf eine Verlagerung des Ortes von `Unsicherheiten'; Galt vor und während der Französischen Revolution vor allem der ländliche Raum mit seinen Räuberbanden und vagierende Unterschichten als Ort von `Unsicherheiten', so verlagerte sich dieser im Zuge der Industrialisierung und Urbanisierung in die Stadt; Vgl. Reinke, Das Amt der Polizei, S. 24 f. Dabei veränderte sich nicht nur der Ort, sondern auch die Art der `Unsicherheit'.

75 Für eine solche Kontrolle fehlten vor der Jahrhundertmitte die Ressourcen. Die sogenannte ,,Polizeiaufsicht" war zwar beispielsweise vor 1848 ein extensiv angewendetes Mittel, wonach alle ,,verdächtigen Subjekte", ,,das liederliche Gesindel", alle aus Zucht- und Arbeitshäusern Entlassenen nach Ermessen der Behörden unter polizeiliche Aufsicht gestellt werden konnten, doch war die verfügbare Exekutivpolizei kaum in der Lage, die ungeheuer hohe Zahl der hiervon betroffenen (1847 waren es 13.000, also jeder 10. Berliner Einwohner) tatsächlich zu überwachen. Die ,,Polizeiaufsicht" war kein Überwachungsinstrument, sondern diente in der Praxis vor allem dazu, Besitz- und Arbeitslose, herumziehende Handwerksgesellen, Tagelöhner, Schmuggler, Gelegenheitsdiebe, Bettler oder Obdachlose unter Umgehung der normalen rechtlichen Bestimmungen zu reglementieren; Vgl., Lüdtke, Gemeinwohl, S. 158 ff.

76 Siehe Sammlung der Polizei-Verordnungen und polizeilichen Vorschriften für Berlin, 2. vollst. umgearb. u. verm. Aufl., im amtl. Auftrage hrsg., Berlin 1887, S. 313.Zumindest für Paris hielt Walter Benjamin die Einführung von Hausnummern für ein wichtiges Kontrollinstrument: seit der Französischen Revolution habe ,,ein ausgedehntes Kontrollnetz [...] das bürgerliche Leben immer fester in seine Maschen eingeschnürt [...] Für das Fortschreiten der Normierung gibt in der Großstadt die Häuserzählung einen brauchbaren Anhalt ab." Wenn es auch in den proletarischen Vierteln gegen diese durch Napoleon eingeführte Polizeimaßnahme Widerstände gegeben habe, so hätten diese auf Dauer nichts gegen das Bestreben vermocht, ,,durch ein vielfältiges Gewebe von Registrierungen den Ausfall von Spuren zu kompensieren, den das Verschwinden der Menschen in den Massen der großen Städte mit sich bringt"; W. Benjamin, Charles Baudelaire. Ein Lyriker im Zeitalter des Hochkapitalismus, 5. Aufl., Frankfurt a. M. 1990, S. 45 f.

77 Nach einem innenministerlichem Erlaß aus den 1850er Jahren sollten ,,verdächtige[r] oder zur Unzufriedenheit Veranlassung gebende[r] fremde[r] Gewerkshülfen", arbeitslose[r] oder arbeitsunlustige[r] Personen" überall, ,,wo die Gefahr für die öffentliche Ruhe vermehren", unnachsichtig ausgewiesen werden, wenn sie nicht durch Geburt oder dreijährigen Wohnsitz ,,ortsansässig" waren; Zit. nach Lüdtke, Gemeinwohl, S. 194. Auf die Kontrolle von Fremden zielten verschiedene Polizeiverordnungen. Hier wurde u. a. verfügt, daß sich Fremde nicht nur innerhalb von 8 Tagen bei ihrem Polizeirevier melden, sondern darüber hinaus auch über ,,ihre und ihrer Angehörigen persönliche und Militär-Verhältnisse Auskunft" geben müssen. Allgemein war die Ankunft und Abreise von Reisenden zu melden; Gaststätten und Hotels hatten dies unter Vorlage des Passes des Gastes zweimal täglich zu tun und darüber hinaus ein Fremdenbuch zu führen. Auch Hausbesitzer mußten den Paß von Neueinziehenden vorzeigen. Gesinde konnte nur dann Anstellung finden, wenn ihr von der örtlichen Polizeibehörde ausgestelltes Dienstbuch nachwies, daß dem ,,keinerlei Bedenken entgegensteht"; Sammlung der Polizeiverordnungen für Berlin. Auf Grund amtlicher Quellen hrsg., Berlin 1878, S. 232 f.; 244 f.; 247.

Wenn diese Verordnungen sich juristisch auch auf jeden erstreckten, so waren es in der polizeilichen Praxis nur die Unterkünfte der ärmeren Bevölkerungsteile, welche Gegenstand einer scharfen fremdenpolizeilichen Kontrolle und Registrierung ihrer Gäste wurden. Anspruchsvollere Hotels in Berlin blieben von solchen Kontrollen ausgenommen; Vgl. Funk, Polizei und Rechtsstaat, S. 279; Lüdtke, Gemeinwohl, S. 206.

78 Foucault, Überwachen und Strafen, S. 183 f.

79 Vgl. S. Breuer, Sozialdisziplinierung. Probleme und Problemverlagerungen eines Konzepts bei Max Weber, Gerhard Oestreich und Michel Foucault, in: F. Sachße, C. Tennstedt, (Hg.), Soziale Sicherheit und soziale Disziplinierung, Frankfurt a. M. 1986, S. 45 - 69; hier: S. 62 f.

80 Nach Lüdtke gab es seit den 1830er Jahren eine Umorientierung der ,,Disziplinaraufgaben" von einer unspezifischen Kontrolle der `Untertanen', die sich zunehmend an den Rand des Aufmerksamkeitsspektrums verlagerte, hin zu den ,,gefährlichen Klassen" der Besitzlosen; Lüdtke, Gemeinwohl, S. 162. Ralph Jessen spricht im Zusammenhang mit Disziplinierungsprozessen von einer ,,anhaltenden Notwendigkeit der Verhaltensregulierung", wobei er von einer schrittweisen Verlagerung des Disziplinierungsschwerpunktes an die gesellschaftliche Peripherie ausgeht: ,,Weniger der Kern der jungen Arbeiterklasse, wie in der Frühzeit der Industrialisierung, als vielmehr ihre Ränder, die Armen und Deklassierten, die Alkoholiker, der Flugsand, der auch in der Hochindustrialisierungsperiode nicht zur Ruhe kommt, werden zum bevorzugten Gegenstand." Jessen, Polizei im Industrierevier, S. 22.

81 Vor 1820 etwa gab es lediglich 12 sogenannte `Bettelvögte', die für die Ergreifung eines Bettlers 2½ Silbergroschen Belohnung erhielten; Vgl. J. F. Geist, K. Kürvers, Das Berliner Mietshaus, Bd. 1, 1740-1862, München 1980, S. 324. Im Verlauf der europäischen Geschichte waren Bettler und Vaganten sich wandelnden Formen Herrschaftlicher Restriktionen unterworfen. Auf die im Spätmittelalter steigende Zahl von besitzlosen und aus der ständischen Ordnung herausfallen Individuen reagierten die Städte mit Bettel- und Armenordnungen, die darauf zielten, das Verhalten der Besitzlosen bestimmten Ordnungsmustern zu unterwerfen und fremde Besitzlose aus der Stadt auszuschließen. Anfang des 16. Jhs. ging man dazu über, das Betteln gänzlich zu verbieten und eine kommunale Unterstützung einzurichten, die aber nur dann gewährt wurde, wenn man in der jeweiligen Stadt beheimatet, arbeitsunfähig bzw. unverschuldet arbeitslos war. Die Kriterien kommunaler Unterstützung zielten auf die Bereitschaft zur Reproduktion durch Erwerbsarbeit. Mit dem Bevölkerungswachstum seit der Mitte des 18. Jhs. stieg auch die Zahl der Vaganten. Auf sie wurde von den Städten mit einer verstärkten Abschottung reagiert. Gegen die nicht-seßhafte Armut auf dem Land, insbesondere wenn sie in Räuberbanden organisiert war setzte man auf eine verstärkte militärische Verfolgung, die aber aufgrund der Organisation des absolutistischen Verfolgungsapparates kaum wirksam sein konnte und daher eher der Demonstration souveräner Macht diente. Gleichzeitig dienten die Zucht- und Arbeitshäuser des 17. u. 18. Jhs. als Disziplinaranstalten zur Herstellung nützlicher Arbeitsindividuen; Siehe hierzu C. Sachße, F. Tennstedt, Sicherheit und Disziplin. Eine Skizze zur Einführung, in: Dies. (Hg.), Soziale Sicherheit und soziale Disziplinierung. Frankfurt a. M. 1986, S. 11 - 44.

82 Jessen, Polizei im Industrierevier, S. 15; Vgl. Lindenberger, Straßenpolitik, S. 77.

83 Lüdtke, Sicherheit, S. 14; D. Wierling, Mädchen für alles. Arbeitsalltag und Lebensgeschichte städtischer Dienstmädchen um die Jahrhundertwende, Berlin und Bonn 1987, S. 79 ff.

84,,Die Polizei verurteilt sie der Rechtlosigkeit der Armut wegen, sie entzieht sie der besitzenden Gesellschaft, deren `Ordnung' sie ja bewachen muß." Die Sanktionspraxis sah nach Dronke so aus, daß die Aufgegriffenen in der Regel die Höchststrafe von 3 Jahren Zwangsarbeit erwartete. Seiner Meinung nach war der einmal Inhaftierte in einem Einschließungszirkel gefangen. Wenn die Delinquenten nach verbüßter Strafe das Gefängnis verlassen hätten, dann ,,braucht[e] die Polizei dieselben nur eben auf die Gasse treten zu lassen, um sie von neuem zu verhaften und von neuem auf drei Jahre einzusperren"; E. Dronke, Berlin, Berlin 1987, S. 276, vgl. S. 222 ff.

85 Vgl. Sachße, Tennstedt, Sicherheit und Disziplin, S. 31 f.

86 Vgl. zum `Besuchsprinzip' Sachße, Tennstedt, Sicherheit und Disziplin, S. 32 ff.: Die Armenpflege war durch ein Quartiersystem lokal begrenzt. Die Familien wurden dabei in ihren Wohnungen aufgesucht. Diese Fürsorge wirkte, indem sie bei jedem einzelnen genau zwischen arbeitswillig und arbeitsscheu, dankbar und frech, Greis oder verwahrlostem Kind etc. unterschied und ihn je nach Einschätzung unterschiedlich behandelte, individualisierend. Ihre pädagogische Strategie lag in der Verknüpfung der Unterstützungsleistung mit der Kontrolle von Arbeitsamkeit, Sparsamkeit und Sittlichkeit des Alimentierten.

87 Jessen, Polizei im Industrierevier, S. 118.

88 Vgl. Jessen, Polizei im Industrierevier, S. 36. Jessen kommt in seiner Untersuchung zu dem Ergebnis, daß die Ursache des Wandels des staatlichen Gewaltapparates im Übergang von der Stände- zur Klassengesellschaft zu suchen ist, da die Polizei Kontroll- und Disziplinierungsfunktionen übernommen hätte, die vormals im Kontext ständischer Herrschaft eingebettet waren. Sozialdisziplinierung sei daneben immer mehr zur öffentlichen Aufgabe geworden, um Klassenkonflikte aufzufangen: ,,Indem sich die Stoßrichtung ihres Disziplinierungsprogramms primär gegen klassenspezifische Verhaltensmuster in der Arbeiterschaft richtete, avancierte sie [die Polizei] zur universelle zuständigen Ordnungsinstanz, die für das Funktionieren der Markt- und Klassengesellschaft unentbehrlich war." Ebd. S. 286.

89 Vgl. Lüdtke, Gemeinwohl, S. 169 ff. Lüdtke weist darauf hin, daß die vorbeugenden Vorschriften gegen ,,Aufruhr und Tumult" auf nicht genehmigte `spontane' Zusammenkünfte auf öffentlichen Plätzen, Geselligkeiten, Feste und ähnliche Handlungen der Unterschichten gerichtet waren, die sich nicht in ihre privaten Häusern zurückziehen konnten. Darüber hinaus habe es zahlreiche Vorschriften für das Benehmen in Schankwirtschaften gegeben. Nach Polizeiverordnung waren ,,öffentliche Lustbarkeiten" nur mit ,,ausdrücklicher Erlaubnis des königlichen Polizei-Präsidiums" gestattet. Diese Veranstaltungen unterstanden polizeilicher Kontrolle. Zu diesem Zweck sollten den Aufsichtsbeamten ,,angemessene Plätze unentgeltlich eingeräumt" werden; Polizeiverordnungen 1878, S. 91 f; Vgl. Polizei-Verordnungen 1887, S. 255 f. Zur Polizeipraxis gegenüber kollektiven Festen vgl. auch die Beschreibung der Berliner ,,Silvestertrubel" bei Lindenberger: Waren diese im 19. Jahrhundert überwiegend ein Fest der unteren Bevölkerungsschichten, das sich zum Teil gegen die Reichen wendete und eine Reihe von Sistierungen, Strafmandate und Gerichtsurteile nach sich zog, so begannen sich zu Beginn des 20 Jhs. mit zunehmender Kommerzialisierung dieser Feierlichkeiten die verschiedenen Bevölkerungsgruppen hier zu vermischen, worauf die Polizei mit einer wesentlich zurückhaltenderen Taktik geantwortet habe; Lindenberger, Straßenpolitik, S. 88 ff.

90 Neben dieser auf die Unterschichten gerichteten lokalen Aufmerksamkeit wurde mit wachsender funktionaler Differenzierung des Stadtraumes zum Ende des 19. Jahrhunderts auch der zunehmende Verkehr zu einem Schwerpunkt polizeilicher Aufmerksamkeit.

91 Im Zusammenhang mit dem verstärkt verfolgten Ziel, die Unterschichten und die Arbeiterschaft orientiert an bürgerlichen Verhaltensnormen zu disziplinieren, stand beispielsweise die Gründung einer eigenständigen Geschäftsstelle für die Sittenpolizei (1877) oder die Ende der 70er Jahre erlassenen Verordnungen, mit denen das ,,Schlafburschenwesen" kontrolliert und eingedämmt werden sollte; es war demnach das Nächtigen von Personen unterschiedlichen Geschlechts in einem Raum, sofern diese nicht verheiratet waren, verboten. Zusammen mit schärferen Kontrollen und im Verbund mit einschlägigen Strafnormen - Ehebruch, Kuppelei, Unzucht mit minderjährigen Mädchen - sollten so bürgerliche Ehe- und Familiennormen durchgesetzt werden. Daneben wurden die Gesetze gegen Bettler und Nichtseßhafte verschärft angewendet, was sich in steigenden Verurteilungszahlen niederschlug; Siehe Funk, Polizei und Rechtsstaat, Anm. 553

92 §361, 1 RStGB.

93 Zit. nach Lindenberger, Straßenpolitik, S. 69.

94 Zur Kritik an der in der Historiographie häufig vertretenen, überwiegend juristischen Auffassung, daß die sich als umfangreiche Verwaltung verstehende `Policey' des Absolutismus mit der Aufgabenbestimmung im preußischen Landrecht durch eine `moderne' Polizei abgelöst wurde, welche sich zunehmend auf die öffentliche Sicherheit konzentrierte, siehe: Reinke, Das Amt, S. 18 ff.

95 Vgl. Foucault, Überwachen und Strafen, S. 276. Seit dem 18. Jahrhundert, so Foucault, seien wir in einen neuen Typ von Gesellschaft eingetreten, in der nicht mehr das Juridische die Macht codiere, sondern in der völlige neue Machtverfahren herrschten, ,,die nicht mit dem Recht, sondern mit der Technik arbeiten, nicht mit dem Gesetz sondern mit der Normalisierung, nicht mit der Strafe sondern mit der Kontrolle, und die sich auf Ebenen und in Formen vollziehen, die über den Staat und seine Apparate hinausgehen"; M. Foucault, Der Wille zum Wissen, S. 110 f. Aus dieser Perspektive erscheint die Polizei nicht mehr nur als Instrument in der Hand einer übergeordneten Instanz - des Rechts, des Staates, der herrschenden Klasse - sondern als Disziplinierungsinstitut, das seine eigenen Machtwirkungen entfaltet. Es geht also darum, die ,,Macht an ihren äußersten Punkten, an ihren letzten Verästelungen, dort, wo ihre Kanäle haarfein sind, zu erfassen; die Macht also in ihren regionalsten, lokalsten Formen und Institutionen anzugehen, besonders dort, wo sie die Rechtsregeln, die sie organisieren und begrenzen, überspringt und sich so über sie hinaus verlängert, sich in Institutionen eingräbt, sich in Techniken verkörpert und sich Instrumente materiellen, möglicherweise auch gewaltsamen Eingreifens gibt". Das heißt allerdings nicht, daß diese Mechanismen nicht von Formen globaler Herrschaft kolonisiert und besetzt werden könnten; M. Foucault, Dispositive der Macht, Berlin 1978, S. 80.

96 Das Recht der Ortspolizeiverwaltung, einen Erlaß mit allgemeingültigen Bestimmungen zu verabschieden beruhte auf § 6 des preußischen Polizeigesetzes von 1850. Zuwiderhandlungen waren den ,,Übertretungen" des Strafgesetzbuches gleichgestellt, deren vorläufige, durch ein Gericht überprüfbare Bestrafung ebenfalls der Polizeibehörde oblag. Direkte Folge dieses Rechts auf eigenständige legislative Tätigkeit der Polizeibehörden war die Produktion einer Unmenge von Polizeiverordnungen; Vgl. Jessen, Polizei im Industrierevier , S. 215-220. Selbst die konservative Berliner Kreuzzeitung beklagte sich über den durch die undurchschaubare Fülle von Polizeiverordnungen ermöglichten ungehinderten Zugriff der Polizei auf den Alltag: ,,In der Tat erfaßt die Polizei [...] so ziemlich alle Gebiete des öffentlichen und selbst des privaten Lebens. Die Zahl der Gesetze, Verordnungen und Anordnungen polizeilicher Art ist riesengroß geworden. Die Kenntnis all dieser Vorschriften, ihre stete Beobachtung durch das Publikum und die genannte Kontrolle dieser Beobachtungen durch die Polizei ist vielfach unmöglich"; Zit. nach A. Funk, Polizei und Rechtsstaat, S. 377, Anm. 643.

Die ,,Straßenverordnungen", ein Teil der Polizeiverordnungen, bildeten eine wesentliche

Grundlage für die polizeilichne Maßnahmen im Straßendienst. Sie statteten den Schutzmann mit einer Generalvollmacht aus: ,,Den zur Erhaltung der Sicherheit, Bequemlichkeit, Reinlichkeit und Ruhe auf der öffentlichen Straße ergehenden Anordnungen der Aufsichtsbeamten ist unbedingt Folge zu leisten." Polizeiverordnungen 1878, S. 75.

Deutlich wird in diesen ,,Straßenverordnungen" ein polizeilicher Anspruch auf auf Codierung noch der kleinsten Bewegung im öffentlichen Raum. So wurde hier beispielsweise das Zerkleinern von Brennholz, das Werfen von Schneebällen, das Aufhängen von Wäsche und das Steigenlassen von Drachen verboten und Musikaufführungen von einer polizeilichen Genehmihgung abhängig gemacht. Darüber hinaus sollte nicht nur das Betreten des Bürgersteiges für Personen mit schmutziger Kleidung untersagt, sondern auch das ,,Antreten und Marschieren geschlossener Abteilungen, Züge usw. auf den Bürgersteigen, sowie das Stehen von Personen auf den Granitbahnen" unter Strafe gestellt sein; Polizei-Verordnungen 1887, S. 301 ff.

97 Schon 1826 hieß es in einem Gutachten des preußischen Innenministeriums, daß die ,,kleinen Sünden" schnell und ohne große Rücksicht auf Schutz vor `Willkür und Härte' sanktioniert werden sollten: ,,Die kleinen Sünden sind die meisten, sie kommen häufig vor, sie müssen schnell abgemacht sein; die Strafe, wenn sie werden soll, muß der Tat auf den Fuß folgen [...] In erheblichen Sachen verhält es sich schon anders: sie sind seltener, sie müssen förmlich behandelt werden, um die Rücksicht auf Sicherstellung des Angeklagten vor Willkür und Härte kann hier die überwiegende werden"; Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin, I. HA, Rep. 84a, Nr. 37118, fol 240; Zit. nach Lüdtke, Gemeinwohl, S. 205 f. Diese Maßgabe konnte zu diesem Zeitpunkt wohl kaum erfüllt werden, da man nicht - wie später mit den Schutzmannschaften - über ein Instrument verfügte, daß kleinere Normabweichungen permanent und flächendeckend kontrollieren und sanktionieren konnte.

98 Die Verfolgung bestimmter Gesetzesübertretungen bei Angehörigen der Unterschichten belegt Jessen für Recklinghausen; Jessen, Polizei im Industrierevier, S. 232 ff. Denselben Zusammenhang zwischen Schichtzugehörigkeit und Strafverfolgung bei Ordnungswidrigkeiten nimmt Lindenberger für Berlin an; Straßenpolitik, S. 83 ff.

99 § 366, 11 RStGB.

100 Jessen, Polizei im Industrierevier, S. 223.

101 Lindenberger, Straßenpolitik, S. 84 f.

102 Siehe Tabelle bei Lindenberger, Straßenpolitik, S. 86; Allein zwischen 1875 und 1877 nahm die Zahl von 532 auf 1232 zu.

103 § 361, 3-8 RStGB.

104 Siehe hierzu Jessen, Polizei im Industrierevier, S. 227 ff; Lindenberger, Straßenpolitik S. 83 f.

105 Eine Schilderung solcher Razzien findet sich beispielsweise in den Darstellungen des Polizeidienstes durch den Berliner Kriminalbeamten Oskar Klaußmann. Er schreibt in seinem `Tagebuch', daß man regelmäßig Razzien mit einem großen Kontingent an Kriminalbeamten und uniformierten Schutzleuten durchführte. Die dabei aufgegriffenen Individuen wurden im Polizeirevier nach ,,Verbrechern" und ,,Landstreichern" sortiert. Letztere bildeten den Großteil der Verhafteten, insgesamt etwa 180 Personen, die in einem einzigen Raum festgehalten wurden, um hier auf den Polizeirichter zu warten. Essen hätten diese Inhaftierten erst nach Erhalt ihrer Strafe bekommen, d. h. sie blieben, wenn sie am Samstag eingeliefert wurden, z. T. zwei Tage dicht zusammengedrängt und ohne Nahrung eingesperrt. Dabei gab es, davon war Klaußmann überzeugt, in dieser ,,Menge von Lumpenhaftigkeit, Verkommenheit und Elend", keinen einzigen Verbrecher. Der diese Szene schildernde Polizeibeamte läßt keinen Zweifel daran, daß die Inhaftierten dieses Vorgehen als ,,sehr angenehm" empfanden, weil sie so zu einer warmen Unterkunft und zu kostenloser Verpflegung kamen. Darüber hinaus schildert er ausführlich das freundschaftliche Verhältnis zwischen den Delinquenten und dem Polizeirichter, einem ,,sehr humanem Mann", das auf jahrelangem Sichkennen beruht habe. Auch hier findet sich die Vorstellung einer besonderen ,,Gefährlichkeit" von Jugendlichen. Während Klaußmann die ,,alten Pennbrüder" für ,,harmlose Individuen" hielt, gaben seiner Meinung nach die ,,jugendlichen Pennbrüder" bzw. die ,,jungen Vagabunden" das ,,Material zu Verbrechern" ab; A. O. Klaußmann, Berliner Gauner. Aus dem Tagebuch eines Berliner Kriminalbeamten, 2. Aufl., Leipzig 1910, S. 105 ff, S. 113 u. 115 f.

106 Vgl. A. Roth, Jugenddelinquenz, Polizei und Strafjustiz in Berlin während des Kaiserreiches, in: H. Reinke (Hg.), ,,... nur für die Sicherheit da ..."?, Frankfurt a. M., New York, 1993, S. 222 - 241; hier: S. 229.

107 Arbeitsstatistik des Berliner Polizeipräsidiums 1874 bis 1913: Verhaftungen, Polizeigewahrsam, Sistierungen wegen Trunkenheit; Abgedruckt bei Funk, Polizei und Rechtsstaat, S. 281. 1880 wurden beispielsweise 4087 Isolierhaftstrafen wegen Verbrechen oder Vergehen verhängt, denen 35 423 Ingewahrsamnahmen wegen Bettelei, Obdachlosigkeit, Unsittlichkeit, Unfug oder Trunkenheit gegenüberstanden. D.h. es gab fast neunmal mehr Verhaftungen wegen Ordnungsverstößen als wegen Straftaten. 1886 lag das Verhältnis bei 4.402 zu 33.396 (darunter alleine 10.000 Sistierungen wegen Trunkenheit).

108 Ihr Anteil lag in Berlin bei etwa 6-9 % aller wegen Bettelns und bei etwa 10 % aller wegen Obdachlosigkeit Verurteilten; Roth, Jugenddelinquenz, S. 229 f. Zur polizeilichen Praxis gegenüber Kindern und Jugendlichen siehe auch: M. Leuenberger, Zur Kriminalisierung der Normalität: Die Definitionsgewalt von Polizisten gegenüber Jugendlichen Ende des 19. Jh., in: Lüdtke (Hg.), `Sicherheit' und `Wohlfahrt', S. 133 - 158. Zur im letzten Viertel des 19. Jhs. zunehmenden Tendenz, die ,,Straßenjungen" als pädagogisches Problem wahrzunehmen siehe: R. Lindner, Straße - Straßenjunge - Straßenbande, in: Zeitschrift für Volkskunde 79 (1983), S. 192 - 208.

109 Die zentrale Bedeutung des Straßendienstes in der polizeilichen Praxis wird dadurch unterstrichen, daß die Schutzmannschaften durch die Instruktionen angewiesen wurden, die Lesbarkeit der Hausnummern, die korrekten Firmenbezeichnungen, den polizeilichen Stempel bei Aushängen in Läden oder die Sittlichkeit von Bildern und Schriften in den Auslagen von Geschäften zu kontrollieren. Darüber hinaus sollten das Aufhängen von Wäsche auf den Straßen oder das Urinieren in der Öffentlichkeit geahndet und Hausierer, Straßenhändler und Kolporteure auf ihren Wandergewerbeschein hin überprüft werden; Zentrales Staatsarchiv Merseburg, Preußisches Innenministerium = Rep. 77, Tit 1190, Nr. 2, Bd. 1; nach Funk, Polizei und Rechtsstaat, S. 279 f.

110 Funk, Entstehung, S. 60.

111 Zu den Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Publikum in Berlin haben vor allem Manfred Gailus und Thomas Lindenberger gearbeitet. Siehe: Gailus schildert etwa in ,,Rauchen in den Straßen und anderer Unfug", wie seit dem Vormärz der öffentliche Raum durch polizeiliche Verordnungen einer obrigkeitlichen Reglementierung und Kontrolle unterworfen wurde, die zum Teil, wie beispielsweise bei dem vormärzlichen Rauchverbot, zu größeren Konflikten führten. Insgesamt vertritt Gailus die These von einer seit dem 19. Jahrhundert sich vollziehenden herrschaftlichen und industriellen Enteignung des Straßenraumes und einem damit einhergehenden Bedeutungsverlustes als ,,sozialem Ort". Er geht davon babei von einem längerfristigen Prozeß der ,,Umwandlung der öffentlichen Straßenräume von traditionellen gewohnheitsrechtlich genutzten Macht- und Spielräumen ihrer Anwohner durch Machtzentralisierung und Industrialisierung" aus. Diese ,,Herstellung der modernen Straße", die von Gailus als ,,innere Landnahme" charakterisiert wird, stieß seiner Meinung nach ,,auf Widerstände ihrer gewohnheitsrechtlichen Inhaber und konnte erst nach langem, permanenten Kleinkrieg, von oben geführt unter den [...] Parolen der Ruhe und der Sicherheit, realisiert werden." ,,Straßengeschichte" sei daher ,,zugleich Polizeigeschichte"; M. Gailus, Rauchen in den Straßen und anderer Unfug. Kleine Straßenkonflikte (Polizeivergehen) in Berlin 1830-1850, in: W. Ribbe (Hg.), Berlin Forschungen 3, Berlin 1988, S. 11 - 42, S. 18. Vgl.: M. Gailus, Straße und Brot; Ders., Berliner Straßengeschichten, in: Heer, Ullrich (Hg.), Geschichte entdecken. Erfahrungen und Projekte der neuen Geschichtsbewegung, Reinbek 1985, S. 100 - 110; Ders., Pöbelexzesse und Volkstumulte im Berliner Vormärz, in: Ders (Hg.), Pöbelexzesse und Volkstumulte in Berlin. Zur Sozialgeschichte der Straße (1830-1980), Berlin 1984.

Zu den spektakulären und gewaltsamen Auseinandersetzungen des ,,Pöbels" mit der Polizei zwischen 1848 und 1900 siehe: T. Lindenberger, Berliner Unordnung zwischen den Revolutionen, in: M. Gailus (Hg.), Pöbelexzesse und Volkstumulte in Berlin, S. 43- 78; Für die Zeit nach 1900, jedoch mit relativ umfangreicher Darstellungen der Jahrzehnte zuvor siehe: Ders., Straßenpolitik.

Einzelne Fälle privaten und kollektiven Widerstandes gegen die Polizei im Vormärz in der Hamburger Vorstadt finden sich bei: Geist, Kürvers, Das Berliner Mietshaus, S. 324 ff. In seinem kulturgeschichtlichen Text zur `Straße' unterteilt Martin Scharfe die Entwicklung der Straße in drei Phasen: zunächst habe es in vorindustrieller Zeit eine ,,ursprüngliche Okkupation und Aneignung" gegeben; gekennzeichnet durch eine ,,Abwesenheit der Ordnung" (S. 174). Seit dem 18. Jh. sei diese durch industrielle Ausdifferenzierung und durch zunehmende herrschaftliche Reglementierung verdrängt worden. Zur dritten Phase zählt Scharfe alle Versuche, die durch ,,Wiederaneignung der Straße" die ,,durchgesetzte politische und kulturelle Macht der herrschenden Klassen" zu brechen streben (S. 187); M. Scharfe, Straße. Ein Grund-Riß, in: Zeitschrift für Volkskunde 79 (1983), S. 171 - 191.

Fin de l'extrait de 55 pages

Résumé des informations

Titre
Polizeiliche Praxis und `öffentlicher Raum`. Die Übernahme von Disziplinierungsfunktionen durch die Berliner Schutzmannschaften in den Jahrzehnten nach 1848
Université
Humboldt-University of Berlin
Cours
Hauptseminar: Geschichte der Öffentlichkeit im 20. Jahrhundert im europäischen Vergleichen, Leitung: Prof. Hartmut Kaelble
Note
1,3
Auteur
Année
1998
Pages
55
N° de catalogue
V95133
ISBN (ebook)
9783638078122
Taille d'un fichier
606 KB
Langue
allemand
Mots clés
Polizeiliche, Praxis, Raum`, Disziplinierungsfunktionen, Berliner, Schutzmannschaften, Jahrzehnten, Hauptseminar, Geschichte, Jahrhundert, Vergleichen, Leitung, Prof, Hartmut, Kaelble
Citation du texte
Marco Clausen (Auteur), 1998, Polizeiliche Praxis und `öffentlicher Raum`. Die Übernahme von Disziplinierungsfunktionen durch die Berliner Schutzmannschaften in den Jahrzehnten nach 1848, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95133

Commentaires

  • invité le 19/8/2007

    Dr. jur. Wilhelm Stieber.

    Sehr geehrter Herr Marco Claussen,

    Herr Stieber kam mit seinen Eltern 1820 nach Berlin. 1843 versah Stieber bei dem Berliner Kriminalgericht seinen Dienst als Auskultator. Am 1. Februar 1844 trat in die Kriminalabteilung (Abt. IV, Polizeipräsident von Puttkammer) des Berliner Polizeipräsidiums ein und verließ die Abteilung wieder zum Ende des Jahres, um wieder in den Gerichtsdienst einzutreten. In den 40.ziger Jahren wurde Stieber mehrfach vom Innenministerium quasi als Agent mit heiklen Aufgaben betraut. Er war in dieser Zeit Kammergerichtsreferendar und Verteidiger, aber auch Polizei-Redakteur und Autor (1846, Die Prostitution in Berlin und ihre Opfer). 1849/50 wurde Stieber auf Befehl
    seiner Majestät Friedrich Wilhelm IV zum ersten Kriminalpolizeidirektor von Berlin.
    Ab 1861 betätigte sich Stieber nach seiner Zwangsbeurlaubung unter anderem für den Zaren für mehrere Jahre als Privatpolizist (erster Privatdetektiv Deutschlands). Zwischenzeitlich gründete Stieber ca. 1864 auf Befehl Bismarcks den ersten regulären Geheimdienst. Im 1866 Krieg gegen Österreich wurde Stieber zum Feldpolizei-Direktor berufen, so auch 1870 im Krieg gegen Frankreich. Danach wurde er zum Geheimen Regierungsrat befördert. Aber Polizeipräsident war er zu keinem Zeitpunkt seines Lebens.
    Quelle:
    Denkwürdigkeiten des Geh. Regierungsrathes
    und Polizeidirectors Dr. Stieber, von Dr. Leopold Auerbach, 1884.

  • invité le 21/6/2001

    Priv.- Doz. Dr..

    Ich stieß zufällig auf diese Arbeit bei einer Internet-Recherche über Wilhelm Stieber. Dabei hat sie mir gut weitergeholfen. Obwohl ich kein Spezialist für das behandlete Thema bin, macht sie einen sehr guten Eindruck.

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Titre: Polizeiliche Praxis und `öffentlicher Raum`. Die Übernahme von Disziplinierungsfunktionen durch die Berliner Schutzmannschaften in den Jahrzehnten nach 1848



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