"Standort Bundesrepublik": ökonomische und politische Aspekte


Trabajo, 1998

23 Páginas, Calificación: 2


Extracto


Gliederung

1. Einleitung

2. Worum geht es?

3. Standortdebatte und Globalisierung

4. Die ökonomischen Faktoren
4.1. Die Standardargumente
4.1.1. Arbeitskosten
4.1.2. Steuern
4.1.3. Direktinvestitionen
4.2. Beiträge zu einer anderen Standortdebatte
4.2.1. Vorteile
4.2.2. Gefahren

5. Die politischen Faktoren

6. Schlußbemerkung

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der Standort Deutschland ist mal wieder ins Gerede gekommen. Zu hohe Löhne, zu hohe Steuern, zu viel Bürokratie - oder auch kurz zuviel Staat - haben die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands ruiniert.Sie führen zu Massenarbeitslosigkeit und zwingen die Unternehmen, ihr Geld woanders zu investieren. Die Diagnose scheint klar, und die Forderungen nach einem "schlanken Staat" oder einem "Umbau" des Sozialstaates werden auch gar nicht mehr ernsthaft in Frage gestellt.

Aber die Diskussion um den Standort Deutschland ist nicht neu. Sie unterliegt einer gewissen "Diskussionskonjunktur", und immer in Krisenzeiten wird sie besonders heftig geführt. Es lassen sich sogar einzelne Argumente der heutigen Debatte bis in die 80er Jahre zurückverfolgen. (vgl. Mayer 1996, S.3)

Ziel dieser Arbeit ist es, ein etwas realistischeres Bild vom Standort Deutschland zu konstruieren, und die Bedeutung der Standortdebatte für die Gesellschaft zu analysieren.

Im ersten Teil geht es um die theoretischen Grundlagen der Standortdebatte. Kurz formuliert: Worum geht es? Der zweite Teil befaßt sich mit den Zusammenhängen der Standortdiskussion zur Globalisierung. Der dritte Teil behandelt die ökonomische Dimension. Was ist dran an den einschlägigen Argumenten? Gibt es auch noch andere Faktoren? Wo liegen die empirischen Belege für die Debatte? Der vierte Teil befaßt sich abschließend mit den politischen Aspekten. Welche Bedeutung hat die Standortdebatte in unserer Gesellschaft? Welche Interessen stehen dahinter, und welchen Zweck soll sie erfüllen?

2. Worum geht es?

Bei der Diskussion um den Wirtschaftsstandort Deutschland geht es um die Frage, ob die Bundesrepublik den Unternehmen noch die Voraussetzungen bietet, wettbewerbsfähige Produkte zu produzieren und so Vorteile im internationalen Wettbewerb zu erlangen. (vgl. Simons/Westermann 1995, S.9)

Der Begriff "internationale Wettbewerbsfähigkeit" wird oft auch auf ganze Volkswirtschaften bezogen. Diese Sichtweise ist aber irreführend, denn sie impliziert einen Konkurrenzkampf zwischen ganzen Nationalökonomieen, und es werden Schlüsse gezogen wie "der Standort Deutschland ist nicht mehr international wettbewerbsfähig". Dieser Ansatz ist viel zu undifferenziert. Vielmehr müßten Ausgangspunkt der Betrachtung die Unternehmen sein. Denn es konkurrieren auf den Weltmärkten nicht Nationen sondern Unternehmen miteinander. (vgl. Heise 1997, S.78f) Ihre Wettbewerbsfähigkeit könnte man über die

Fähigkeit zu verkaufen ("ability to sell") und die Fähigkeit zu verdienen ("ability to earn") definieren. (vgl. Fricke/Meyer 1996, S.88; Heise 1995, S.696)

Auf dieser Grundlage müßte der oben gewählte Ansatz noch erweitert werden. Zum einen müßte man darüber diskutieren, welche Voraussetzungen nötig sind, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen zu gewährleisten. Diese können nämlich ambivalent sein. Wenn beispielsweise hohe Umweltauflagen ein Nachteil für energieintensive Unternehmen sind, sind sie ein Vorteil für die Umweltindustrie. Hier zeigt sich schon ein weiteres Problem in der undifferenzierten Analyse der ge-samten Wirtschaft. Um zu genaueren Aussagen zu kommen, ist hier ein branchenorientierter Ansatz zu wählen.

Desweiteren sollte die Angebotsseite nicht der einzige Blickwinkel bleiben. Der Staat setzt zwar Rahmenbedingungen, die die Unternehmen mehr oder weniger beeinflussen. Wichtig ist aber auch, was die Unternehmen daraus machen. Ein eindeutiger Schluß von guten Bedingungen zu hoher internationaler Wettbewerbsfähigkeit ist nicht möglich. Die Bedingungen können noch so gut sein, wenn die Unternehmen durch Mängel in der Organisation und im Personalmanagement oder der Innovation sowie durch fehlende Kundenorientierung ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren, liegen die Ursachen bei den Unternehmen selbst. Eine einseitige Schuldzuweisung an die "schlechten" Bedingungen ist nicht möglich, vielmehr müßte überprüft werden, welche Fehler selber gemacht wurden.

3. Standortdebatte und Globalisierung

Die Standortdebatte ist nur zu verstehen im größeren Zusammenhang mit der Globalisierung. Globalisierung meint hier den gleichzeitig zu beobachtenden Trend in der Ökonomie zur Internationalisierung des Kapitals, der Produktion und der Kommunikation sowie der weltweiten Anpassung der Konsumnormen. (vgl. Fricke 1994, S.32f) Träger dieser Entwicklung sind die multinationalen Unternehmen, die 80-90% des Welthandels abwickeln. (vgl. Jungnickel 1995, S.52) Unabhängig von nationalen Grenzen suchen sie die optimalen Verwertungsbedingungen für ihr Anlagevermögen. Dabei konkurrieren Nationen und Regionen mit ihren lokalen Standortvorteilen um Direktinvestitionen und damit um Arbeitsplätze. Der international wesentliche Teil dieses Konkurrenzkampfes findet dabei zwischen den drei großen Wirtschaftsregionen der Triade statt. Über 70% des Welthandels und 83% aller Direktinvestitionen (1986-1990) verblieben hier. (vgl. Bode 1997, S.70)

Gleichzeitig setzt um die Zentren der Triade ein Prozeß der Regionalisierung, der Bildung regionaler Integrationsräume (Bsp.: NAFTA, EU), ein. Dies resultiert vor allem aus der sich verschärfenden Konkurrenz zwischen den Triadenmächten und zielt auf eine Stärkung der Wettbewerbsposition des jeweiligen Zentrums. Die außenwirtschaftliche Verzahnung hat auch Rückwirkungen auf die innergesellschaftlichen Kräfteverhältnisse in den Zentren selbst. Diese wirken sich als Konkurrenz zwischen Branchen mit hoher gegen solche mit niedriger Produktivität, mit Binnenmarkt und Exportorientierung aus und beeinflussen die Außenwirtschaftspolitik.(vgl. Bode 1997, S.70)

Für die Unternehmen gab es auch weiter Änderungen in der inter-nationalen Wettbewerbssituation. Diese sind gekennzeichnet durch steigende Aufwendungen für F&E, immer kürzer werdende Produktzyklen und sektorübergreifende Technologien. Diese Entwicklungen sind aber eher dem technologischen Fortschritt zuzurechnen. (vgl. Jungnickel 1995, S.47f)

Die Internationalisierung der Weltwirtschaft ist nicht wie oft behauptet in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen, sondern sie beruht auf längerfristigen Entwicklungstendenzen. Die Expansion der Direktinvestitionen wird vor allem durch die kontinuierliche Entwicklung der Auslandsproduktion, der Auslandsbeschäftigung, der strategischen Allianzen und der Weltexporte relativiert. Ein Großteil des Außenhandels findet auch immer noch innerhalb der Triaden statt.(vgl. Jungnickel 1995, S.49ff)

Auch bei einem Blick auf die deutsche Wirtschaft ist die Annahme von einer schubweisen Globalisierung zurückzuweisen. Insgesamt ist die Entwicklung der außenwirtschaftlichen Verflechtung Deutschlands durch Handel und Produktion durch eine relativ große Kontinuität gekennzeichnet. Es ist kein abrupter Wandel erkennbar. 1/3 des BIP wird exportiert, dies entspricht dem OECD- Durchschnitt. Ausländische Unternehmen beschäftigen 1,9 Mio. Menschen, das sind 10% der gesamten Inlandsbeschäftigung, sogar 17% des verarbeitenden Gewerbes. Deutsche Unternehmen beschäftigen 2,5 Mio. Menschen im Ausland. Die Direktinvestitionen (DI) sind in den letzten Jahren zwar stark gestiegen, das Verhältnis von DI/BIP ist aber im internationalen Vergleich als normal anzusehen.(vgl. Jungnickel 1995, S.54ff)

Die Internationalisierung trifft die einzelnen Wirtschaftsbereiche recht unterschiedlich. So ist der Dienstleistungssektor weniger verflochten als die Industrie. Eine Reihe von Branchen sind von der Internationalisierung von Importkonkurrenz wenig betroffen (Druckerei, Leichtmetallbau, Gießerei u.a.) Die Chemie nimmt mit 60% Auslandsproduktion und Produktionsschwerpunkten in allen Wirtschaftszentren der Welt eine Sonderrolle ein. Für alle andere Branchen stellt sich die Internationalisierung als Europäisierung dar, mit Ausnahme des Fahrzeugbaus und der Elektroindustrie. Die Globalisierung wird von technologieorientierten Brachen getragen, in denen Großunternehmen dominieren.

International mobile Branchen mit über 50% Auslandsproduktion sind: Chemie, Tabakverarbeitung., Büromaschinen/EDV, Mineralölverarbeitung, Gummiverarbeitung, Elektro/Elektronik, Automobilbau.(vgl. Jungnickel 1995, S.58ff)

Insgesamt stellt die Internationalisierung des vergangen Jahrzehnts keine grundlegend neue Entwicklung dar. Sie hat aber zentrale Bereiche der deutschen Wirtschaft erfaßt, und setzt diese massivem internationalen Wettbewerb aus. Gerade im europäische Raum kann man in Zukunft von einer massiven Standortkonkurrenz ausgehen.(vgl. Jungnickel 1995, S.62f)

4. Die ökonomischen Faktoren

4.1. Die Standardargumente

4.1.1. Arbeitskosten

Das häufigste Argument in der Standortdebatte sind die unentwegt beklagten zu hohen Löhne in Deutschland. Gleichzeitig werden noch zu hohe Lohnnebenkosten, zu kurze Arbeitszeiten und zu kurze Maschinenlaufzeiten kritisiert. Die absolute Lohnhöhe wird als zentraler Faktor der Wettbewerbsfähigkeit angesehen. Als Beweis hierfür werden internationale Vergleiche angeführt, in denen Deutschland mit Abstand die schlechteste Position besitzt, sowohl bei den Arbeitskosten als auch bei den Arbeitszeiten.(vgl. Maly 1995, S.85,92) Auch werden hohe und vor allem nach unten inflexible Löhne als Ursache für die hohe Arbeitslosigkeit angesehen. Grundlage hierfür bietet die neoklassische Gleichgewichtstheorie, welche die Arbeitslosigkeit mit Einschränkungen bei der "freien Lohnbildung" erklärt.(vgl. Walwei 1994, S.57)

Zu den kurzen Maschinenlaufzeiten läßt sich zeigen, daß hier die Flexibilität wichtiger ist als die absolute Länge. Hier hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan, so daß man von keinem schwerwiegenden Standortnachteil reden kann. (vgl. Stille 1995 S.821ff)

Die scheinbar schlechte Situation im internationalen Vergleich bei den Löhnen und Arbeitszeiten sagt aber wenig aus. Neben den Arbeitskosten müssen auch andere Kostenfaktoren berücksichtigt werden, wie die Material- und Kapitalkosten, die in einigen Branchen weit mehr Bedeutung haben. Der wichtigste Punkt allerdings ist, daß die hohen Löhne gerechtfertigt sind durch eine hohe Wertschöpfung. (vgl. Simons/Westermann 1995, S.10f) Die absolute Lohnhöhe besagt gar nichts, wenn sie nicht im Zusammenhang mit der Produktivität gesehen wird.

Der Indikator für das Verhältnis von Arbeitskosten und Wertschöpfung sind die Lohnstückkosten (LSK)(durchschnittlicher Bruttostundenlohn/Produktivität). Sie berücksichtigen Löhne und Gehälter, Lohnnebenkosten, Arbeitszeiten und die Produktivität. Bei der internationalen Vergleichbarkeit der LSK gibt es aber Probleme, da Wechselkursschwankungen die Statistiken verfälschen können. Auch ist ein auf einen Zeitpunkt beschränkter Niveauvergleich problematisch. Vielmehr müßten Entwicklungstendenzen verglichen werden. Hier gibt es nun zwei Möglichkeiten: der Vergleich der LSK in nationaler wie in einheitlicher internationaler Währung.

Der internationale Vergleich der LSK in nationaler Währung zeigt, daß Westdeutschland von den internen Produktionsbedingungen immer günstiger abgeschnitten hat als der Durchschnitt der anderen Länder. Diese Vorteile wurden aber durch die Aufwertung der DM wieder zunichte gemacht, wie der Vergleich in internationaler Währung zeigt.(vgl. Simons/Westermann 1995, S.16) Die hohen LSK wurden also nicht von zu hohen Lohnabschlüssen im Inland, sondern durch Wechselkursschwankungen verursacht. Man könnte sogar sagen, daß die Löhne in Deutschland zu niedrig sind, denn die Wettbewerbsvorteile durch die bescheidenen Lohnerhöhungen mußten zwangsläufig durch eine Aufwertung der DM ausgeglichen werden. (vgl. Flassbeck 1995, S.702)

Der stärkere Anstieg der LSK in der ersten Hälfte der 90er ist auf die deutsche Vereinigung zurückzuführen. Dieser Schock wurde aber mittlerweile schon fast wieder ausgeglichen, jedenfalls ist keine Abweichung vom langfristigen Trend zu erkennen.(vgl. Pohl 1997 S.521) Hier wird auch deutlich, daß man immer getrennt zwischen Ost- und Westdeutschland unterscheiden muß. Die hohen LSK im Osten, verursacht durch Lohnanpassung und niedrige Produktivität, verfälschen gesamtdeutsche Statistiken und so die durchaus gute Position im Westen.

Zieht man ein Fazit, dann hat sich die Lohnpolitik in Westdeutschland mit wenigen Ausnahmen langfristig viel stärker am gesamtwirtschaftlichen Produktionsfortschritt ausgerichtet als die Lohnpolitik in der Mehrzahl der Konkurrenzländer. Auch nach einer Wechselkursbereinigung zeigt sich, daß die LSK im Trend deutlich weniger gestiegen sind und meist auch absolut niedriger waren als im Ausland. Wenn es trotzdem außenwirtschaftliche Probleme gab, so lag dies an der Volatilität1 der Wechselkurse. (vgl. Pohl 1997, S.523) Ganz im Gegenteil sind produktivitätsbedingt hohe Löhne eher als ein Zeichen für den Wirtschaftserfolg eines Volkes zu betrachten denn als genereller Standortnachteil. Denn die Produktion komplexer und innovativer Systeme mit großer Wertschöpfung und Produktivität erfordert ein hohes Qualifikationsniveau und hohe Motivation. (vgl. Simons/Westermann 1995, S.17)

4.1.2. Steuern

Als weiterer Standortnachteil werden die hohen Steuern angesehen. Insbesondere wird hier der im internationalen Vergleich hohe Spitzensteuersatz genannt.(vgl. Bünger 1997, S.72) Den hohen Steuersätzen steht aber eine viel niedrigere Bemessungsgrundlage, aufgrund hoher Abschreibungs- und Rückstellungsmöglichkeiten, gegenüber. So daß nach einer DIW-Studie deutsche Unternehmen im internationalen Vergleich keineswegs besonders ungünstig dastehen (vgl. Simons/Westermann 1995, S.20; Hoffmann 1994, S.55). Häufig wird auch vergessen, daß hohe Spitzensteuersätze eine politische Steuerungsfunktion erfüllen, indem sie Anreiz zu steuersparenden Investitionen geben. So wurde vor allem beim Aufbau Ost diese Möglichkeit genutzt.

Ganz im Gegenteil hat sich die Gewinnposition der Unternehmen in den letzten Jahren verbessert. So ist der Anteil der Gewinnsteuern am Bruttoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen von 37% zu Beginn der 80er Jahre auf nur noch 25% 1995 zurückgefallen. An der Struktur der Steueraufkommen läßt sich eine gigantische Umverteilung erkennen. Während das Aufkommen der Lohnsteuer seit 1990 um 56,1% und das der Umsatzsteuer um 51,8% stieg, sank das Aufkommen der veranlagten Einkommenssteuern um 61,6% und das der Körperschaftssteuer um 37,7%.(vgl. Ar- beitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik 1996, S.29f) Die Ge-winne der Unternehmen waren noch nie so hoch. So stieg der Anteil der Gewinne am Volkseinkommen (Bruttoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen) von 13% 1982/83 auf 28% 1995. (vgl. Eißel 1996, S.463)

Die rasant gestiegenen Unternehmensgewinne hatten aber leider keine positiven Auswirkungen auf die Arbeitslosigkeit oder die Konjunktur. Vielmehr wurde das Geld auf den internationalen Kapitalmärkten angelegt.(vgl. Eißel 1996, S.464) Hier konnte mit vergleichsweise geringem Aufwand und viel schneller eine höhere Rendite erzielt werden.

Ein weiterer Punkt ist die in Deutschland gängige Steuerpraxis, die wohl eher als ein Standortvorteil gelten kann. Durch eine zunehmende Schonung der Millionäre und Unternehmen, eine unzu-reichende Erfassung und Besteuerung der Geldvermögen sowie ab-nehmende Einsätze von Betriebsprüfern und Korruption verschenkt der Staat viele Milliarden DM an die Unternehmen. (vgl. Eißel, 1996, S.465ff)

Insgesamt muß man betonen, daß ein Vergleich der Steuerbelastungen allein, wie er immer wieder angestellt wird, im Grunde unangemessen ist. Denn generell niedrige Steuersätze nützen einem Land im internationalen Wettbewerb nicht sehr viel, wenn die Ausbildung seiner Arbeitskräfte schlecht (Bsp. USA) und die Infrastruktur insgesamt unzureichend ist (vgl. Ostdeutschland). (vgl. Hoffmann 1994, S.54)

4.1.3. Direktinvestitionen

Als ein weiteres Indiz für die schlechten Standortbedingungen wird der negative Saldo der Auslandsdirektinvestitionen angesehen. Aussagen, daß inzwischen jede dritte Mark, die im Ausland investiert wird, das Inland verläßt, weil der Standort Deutschland ungünstige Produktionsbedingungen aufweist (vgl. Fels 1992, S.8), erwecken den Eindruck, daß die deutsche Industrie auswandert(vgl. Mayer 1996, S.10). Diese Aussage wird unterstützt durch die neoklassische Theorie, nach der das Kapital immer zur höchsten Rendite wandert.

Tatsächlich war Deutschland schon immer ein Exporteur von Direktinvestitionen gewesen. Aber schon der Umfang der deutschen Auslandsinvestitionen gibt keinen Anlaß zur Beschwörung von Schreckensszenarien, er betrug 1993 nur 8% der Gesamtinvestitionen. (vgl. Heise 1995, S.695) Betrachtet man die deutsche Zahlungsbilanzstatistik, so ergibt sich für das Jahr 1994 ein Zufluß von 1,1 Mrd. DM und ein Abfluß von 27,0 Mrd. DM. Diese Statistiken sind aber stark in Zweifel zu ziehen. Vergleicht man sie mit den ausländischen Zahlungsbilanzstatistiken so ergeben sich große Diskrepanzen. Sie weisen für den selben Zeitraum einen Zufluß von 18,9 Mrd. DM und einen Abfluß 23,4 Mrd. DM aus, und ähnliche Unterschiede sind für den ganzen Zeitraum von 1984-94 festzustellen.(vgl. Jost 1997, S.5ff) Es scheint hier wohl große Probleme mit den Erfassungsmethoden zu geben, so daß die Zahlen mit Vorsicht zu genießen sind. Das Engagement ausländischer Investoren ist aber auf keinen Fall so gering wie häufig dargestellt.

Hohe Direktinvestitionen im Ausland werden häufig mit der hohen Kostenbelastung begründet. Während dies vor allem für arbeitsintensive Branchen (Textilindustrie) zutrifft, die die komparativen Lohnkostenvorteile in den Niedriglohnländern ausnutzen, geht der Großteil der Investitionen immer noch in die Industrieländer und hier vor allem in die technologieintensiven Sektoren. Hier entscheiden oft andere Motive als niedrige Kosten. Die Produktion sucht nicht die niedrigen Faktorkosten, sondern folgt den Märkten. (vgl. Simons/Westermann 1995, S.23) Es geht hier vor allem um Marktnähe, den Ausbau oder die Erschließung von Märkten, Minimierung von Wechselkursrisiken und die Umgehung von Handelsschranken.

Die Direktinvestitionen stehen im direkten Zusammenhang mit den hohen deutschen Exporten. (vgl. Jungnickel 1995, S. 48) Sie sind das Spiegelbild der großen Handelsbilanzüberschüsse. "Dieses Kapital ist im Zuge des Außenhandels einer höchst wettbewerbsfähigen Volkswirtschaft entstanden und muß auch im Ausland wieder angelegt werden."(Flassbeck 1995, S.703) Auslandsinvestitionen stärken die Position inländischer Unternehmen im härter werdenden Wettbewerb auf globalen Märkten und sichern damit im Inland Forschung und Entwicklung, Produktion und Arbeitsplätze. Sie sind also nicht Ausdruck der Schwäche des Standorts Deutschland, sondern der Stärke der deutschen Ökonomie. (vgl. Simons/Westermann 1995, S.25)

Gründe für die schwachen inländischen Investitionen des Auslands liegen kaum auf der Kostenseite. Vielmehr lassen sich Tendenzen wie starke Zuwachsraten bei Spareinlagen, boomender Aktienmarkt, Steuerflucht in dreistelliger Milliardenhöhe, steigende Überschüsse in der Handelsbilanz, stagnierender Konsum und eine fast deflatorische Geldpolitik als Beleg für eine viel zu geringe inländische Nachfrage interpretieren. (vgl. Fricke/Meyer 1996, S. 94) Hinzu kommt, daß im Zuge der deutschen Vereinigung starke Überkapazitäten aufgebaut wurden und die deutsche Wirtschaft nun insgesamt an einer Schwäche bei den Unternehmensinvestitionen leidet.(vgl. Görzig 1995, S.871ff) Hindernisse für ausländische Investitionen entstehen auch durch Zugangsbarrieren zu den Märkten. Dabei spielt die Verknüpfung von Banken- und Unternehmenssektor eine besondere Rolle. (vgl. Hoffmann 1994/95, S.58)

4.2. Beiträge zu einer anderen Standortdebatte

Insgesamt gesehen ist die These von dem "niedergehenden" Wirtschaftsstandort Deutschland nicht haltbar. Gerade die ständigen Exporterfolge widersprechen dem. Wenn es Probleme für einige Branchen gibt, ist dies nicht auf alle Unternehmen und vor al-lem nicht auf die gesamte Volkswirtschaft übertragbar. Im Kern geht die derzeitig geführte Standortdebatte an den Herausforde-rungen vorbei. (vgl. Fricke/Meyer 1996, S.88)

Die internationale Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens wird nicht nur bestimmt durch Löhne und Steuern. Durch die einseiti-ge Konzentration auf diese beiden Aspekte können ernsthafte Ge-fahren entstehen. Wie die bisherige Argumentation zeigt, darf stark angezweifelt werden, ob die Höhe der Löhne und Steuern verantwortlich ist für die Probleme. Es ist vielmehr zu hinterfragen, ob es nicht auch andere Faktoren gibt, die bisher völ-lig vernachlässigt wurden. Durch eine Verteufelung des Stand-orts Deutschland wird der Blick auf vorhandene Vorteile ver-stellt und wirkliche Gefahren werden nicht erkannt.

4.2.1. Vorteile

Unternehmen in Deutschland können auf eine Vielzahl positiver Faktoren aufbauen. Deutschland hat schon aufgrund seiner geographischen Lage im Herzen Europas einen Standortvorteil. Nach dem Ende des Kalten Krieges liegen nun auch die Märkte Osteuropas direkt vor der Haustür. Aufgrund der Größe besitzt Deutschland eine große Binnennachfrage, die nicht nur quantitativ sondern auch qualitativ von Bedeutung ist.

Hinzu kommt eine gut ausgebaute Infrastruktur und ein dichtes Kommunikationsnetz. Desweiteren galt jedenfalls bisher die Bildung als wichtiger Standortfaktor. Das duale System und die umfangreiche Hochschullandschaft bilden die Grundlage für eine qualifizierte Ausbildung der Menschen, die somit hochproduktiv und innovativ arbeiten können. Daß gerade in diesem Bereich in den letzten Jahren ständig gespart wurde, läßt erkennen wie stark die Bedeutsamkeit der Bildung für den globalen Wettbewerb unterschätzt wird.

Die sozialen Sicherungssysteme haben in Deutschland für einen verhältnismäßig breiten Wohlstand, politische Stabilität und sozialen Frieden gesorgt. Die bislang auf Konsens bestehende Tarifpartnerschaft hatte eine geringe Streikdichte zur Folge. Sicherheit und gute Bezahlung schafften eine hohe Motivation.

Die Regulierungen des Arbeitsmarktes wie der Kündigungsschutz haben sich durchaus positiv ausgewirkt. Die Beschäftigungssicherheit fördert die Identifikation der Belegschaft mit den Betriebszielen, erhöht die Leistungsbereitschaft, erleichtert die betriebsinterne Mobilität, verbessert die Akzeptanz des technischen Fortschritts und erhöht auf beiden Seiten die Bereitschaft, in Ausbildung zu investieren. (vgl. Walwei 1994, S.58f)

Die deutsche Wirtschaft ist historisch gewachsen, und aus der Not heraus entstand eine stark vernetzte Wirtschaft, die in Branchen wie dem Maschinenbau, der Autoindustrie oder der chemischen Industrie durch Produktivitätsvorsprünge die Leistungsführerschaft besitzt. Dies kann eine gute Grundlage für ein Bestehen im globalen Wettbewerb sein.

4.2.2. Gefahren

Wie schon erwähnt, besitzt die deutsche Wirtschaft in einigen Branchen die Leistungsführerschaft. Diese ist aber im Zuge der Globalisierung und des verstärkten Wettbewerbs bedroht. Die bislang verfolgte Strategie der radikalen Kostensenkung durch Entlassungen und Lohnstopp kann sich aber als kontraproduktiv erweisen. Denn die Produktivitätsvorteile durch Kostensenkung sind nur kurzfristig, da in den tieferen Bereichen der Wettbewerb viel stärker ist und die Vorsprünge schnell verloren gehen. Gleichzeitig aber besteht die Gefahr, daß die Leistungs-führerschaft verloren geht, und damit wird genau die Strategie preisgegeben, die die deutsche Wirtschaft stark gemacht hat. (vgl. Simons/Westermann 1995, S. 101)

Hinzu kommt, daß die durch Lohnstopps oder -senkungen gewonnenen Kostenvorteile im internationalen Handel durch die Wechselkurse wieder ausgeglichen werden. Zwangsläufig würde es, wie schon in der Vergangenheit, zu einer Aufwertung der DM kommen mit dem Resultat gleichbleibender Wettbewerbsposition aber niedrigerer Standards.(vgl. Helfert 1995, S.674) Ein weiteres Sinken der Binnennachfrage ist zudem für die Wirtschaft selbst schädlich, da sie ihre Produkte nicht mehr absetzen kann (Bsp. Einzelhandel) und demzufolge weniger investiert. Das wirtschaftliche Wachstum wird so behindert.

Doch die deutsche Wirtschaft steht vor noch viel schwerwiegenderen Problemen. Sie hat den Zug der dritten Industriellen Revolution verpaßt. In den Hochtechnologiebranchen ist Deutschland nicht präsent oder unterpräsentiert: Mikroelektronik, neue Werkstoffe, Mikromechanik, Biotechnologie und Kommunikations-technologie. (vgl. Simons/Westermann 1995, S. 97)

Dieses Problem wird auch deutlich bei der Unterteilung der Exporte in Technologiegruppen. Bei einem Anteil am OECD-Export von insgesamt 17,5% bewegt sich der Export in Hochtechnologiebranchen mit 14,5% deutlich unter diesem Niveau. (vgl. Simons/ Westermann 1995, S.29)

Kopfschmerzen bereiten auch geringe FuE-Mittel und stagnierende Patentanmeldungen. (vgl. Löbbe 1994, S.42ff; Häußer 1994, S.47ff) Keine der entscheidenden Neuerungen der letzten Jahre wurde in Deutschland gemacht. (vgl. Simons/Westermann 1995, S.98) Betrachtet man die Zahlen für Westdeutschland isoliert, so wird die schlechte Position etwas relativiert durch die Anteile der Industriebranchen mit hoher und mittlerer Technologieintensität an der Wertschöpfung. (vgl. Lindlar 1995 S.659) Die Situation ist zwar nicht so schlecht wie häufig behauptet, für die Zukunft aber kann man sich nicht auf dem bisher Erreichten ausruhen.

Auch die geographische Verteilung der Exporte bietet Anlaß zur Sorge, denn der "Exportweltmeister" Deutschland ist eigentlich nur Europameister. 1989 gingen 73% der Exporte nach Westeuropa, 7,3% in die USA und 6,3% nach Südostasien. Der Handelsbilanzüberschuß von 135 Mrd. setzte sich zusammen: aus +138 Mrd. Westeuropa, +8 Mrd. USA, -21 Mrd. Südostasien. (vgl. Simons/ Westermann 1995, S.27) Die Situation heute hat sich zwar verbessert. So verstärkte sich das Engagement deutscher Unternehmen in Asien, und die Handelsbilanzen sind nun zu den meisten Staaten dieser Region ausgeglichen. Trotzdem ist Deutschland immer noch auf Europa konzentriert und in anderen Regionen unterrepräsentiert. Die fehlende Präsenz auf den zwei Triademärkten kann sich als Nachteil für die deutschen Unternehmen auswirken, da die "global player" mit ihrer breiteren Basis sich als stärker erweisen könnten.

Doch die deutsche Wirtschaft steckt nicht nur in einer Innova-tionskrise, sondern auch in einer Organisationskrise. Eine umständliche, "fette" Organisation der Arbeit beeinträchtigt die Fähigkeit, sich schnell an die immer rascher wandelnden Anforderungen des globalisierten Wettbewerbs anzupassen. Unter Bezug auf Frieder Naschold sind rund 60 Prozent der Produktivitätsdifferenzen auf organisatorische und personalwirtschaftliche Faktoren zurückzuführen gegenüber Kostenfaktoren im engeren Sinne, wie den Lohnkosten, den Steuern und Abgaben sowie dem Wechselkurs.( vgl. Hilbert/Schmid 1994, S.17) Auch eine McKinsey-Studie führt z.B. die Kostenvorteile japanischer Wettbewerber nur zu einem Drittel auf die Lohnkosten zurück. Zwei Drittel sind Resultat von europäischen Effizienznachteilen in den Produktionsstrukturen und von Managementschwächen. (vgl. Simons/Westermann 1994, S.16) Das Festhalten an traditionellen Organisationsstrukturen und Verhaltensweisen verursacht Kreativitäts- und Flexibilitätsbarrieren, und durch eine Re-Taylorisierung der Arbeit gehen enorme Potentiale verloren. (vgl. Roth 1996, S.407f)

Dies alles sind Faktoren, die in der derzeitigen Diskussion leider fast völlig fehlen. Eine kritische Auseinandersetzung mit diesen Punkten ist dringend geboten. In Deutschland werden durch das Aufholen anderer Länder weniger produktive Arbeitsplätze wegfallen, die anderswo billiger sind. Dies ist ein normaler Vorgang, Abhilfe bringt nur die Schaffung neuer hochproduktiver und innovativer Arbeitsplätze. Nur so werden Märkte gesichert und erobert, Gewinne erzielt sowie Arbeitsplätze und Wohlstand gesichert.

Ziel der Unternehmenspolitik kann es nicht sein, mit anderen Ländern über die Löhne zu konkurrieren. Ziel ist es, auf Auslandsmärkten hohe Preise durchzusetzen und dadurch hohe Löhne zu ermöglichen. Entscheidend ist deshalb die Produktivität. Internationale Wettbewerbsfähigkeit bestimmt sich über Produktivitätsvorteile. (vgl. Simons/Westermann 1995 ,S.9)

5. Die politischen Faktoren

Wie sich gezeigt hat, verstrickt sich die derzeit einseitig geführte Standortdebatte in starke Widersprüche. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands ist zwar im Zuge der Wiedervereinigung zurückgefallen, sie erreicht aber nach den Studien des World Competitiveness Report immer noch Spitzenplätze. (vgl. Hoffmann 1994, S.47ff) Wenn die ökonomischen Faktoren also fragwürdig sind, drängt sich der Verdacht einer Instrumentalisierung auf.

Die Standortdebatte wird von Seiten der Wirtschaft benutzt, um eine bessere Stellung im Verteilungskampf zu erreichen. Die inszenierte allgemeine "Kostenkrise" soll Lohnerhöhungen möglichst verhindern und richtet sich auch gegen die Flächentarifverträge. Daß diese Strategie durchaus Erfolg hatte, zeigen die ständig steigenden Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen sowie sinkende Realeinkommen der abhängig Beschäftigten. Es ist so seit den 80er Jahren zu einer wachsenden Umverteilung von unten nach oben gekommen.

Doch es geht um mehr, denn die Standortdebatte ist Schauplatz der Auseinandersetzung um die Zukunft des Sozialstaates. Die Unternehmen nutzen die Gunst der Stunde und ihre momentane relative Stärke, um von sich aus Sozialstaatsabbau zu fordern. Das taten sie auch schon zu anderen Zeiten, nur waren sie da weniger durchsetzungsfähig. (vgl. Fricke/Meyer 1996, S.97)

Es stellt sich nun die Frage, woher diese Stärke kommt, und hier sind wir wieder mitten in der Globalisierungsdebatte. Welche Auswirkungen hat der Globalisierungsprozeß? Es gibt hier verschiedene Positionen.

Ulrich Beck vertritt die Auffassung, daß im Zuge der Globalisierung die multinationalen Unternehmen maßgeblich an Macht gewonnen haben und ihnen nun eine Schlüsselrolle in der Gesellschaft zukommt. Mit der Möglichkeit, einzelnen Staaten die materiellen Lebensadern - Arbeitsplätze, Steuern, Investitionen - ein- oder abzuschnüren, sind Konzerne in der Lage gesamtgesellschaftlichen Druck zu erzeugen und damit Politik zu machen. Die Machtbalance, der Machtvertrag der ersten industriegesellschaftlichen Moderne wird von ihnen aufgekündigt und vorbei an Regierung und Parlament, Öffentlichkeit und Gerichten - in der Eigenregie wirtschaftlichen Handelns umgeschrieben. Beck umschreibt die Globalisierung als ein anderes Wort für Klassenkampf von oben. Die Politiker fungieren als ,,Totengräber" ihrer selbst, und der Sozialstaat wird aufgegeben. Gegen diese Entwicklungen sollen Bündnisse zwischen der staatlichen Politik und Gewerkschaften gegen das neue "kapitalistische Raubrittertum" geschmiedet werden. (vgl. Beck 1996, S. 673ff)

Anschließend daran sieht Butterwegge Deutschland auf einem Weg in eine andere Republik. Der nach innen gewandte Wohlfahrtsstaat wird von einem nach außen gerichteten ,,Wettbewerbsstaat" abgelöst. Allein schon die Beteiligung an einem Verdrängungswettbewerb auf dem Weltmarkt führt zur Absenkung sozialer Sicherungsstandards und zur Zerstörung des Wohlfahrtsstaates. Aber nicht nur der Sozialstaat ist gefährdet, letztendlich auch die Demokratie. Das erbitterte Ringen um Vorteile gegenüber anderen Wirtschaftsstandorten ist bestenfalls ein Nullsummenspiel, bei dem neben sozialen Errungenschaften die Natur, der Frieden und die Demokratie auf der Strecke bleiben können. Durch eine soziale Gegenreform droht ein Verlust an demokratischen Grundrechten. (vgl. Butterwegge 1996, S.38ff)

Ziebura sieht vor allem aufgrund der massiven Standortkonkurrenz, daß die Nationalstaaten zu einer Radikalisierung der Angebotspolitik gezwungen sind. Der Staat steht dabei vor dem Dilemma, zwei schwer vereinbare Ziele auf einen Nenner bringen zu müssen: Einerseits die eigene Wirtschaft auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu machen, andererseits die eigene Gesellschaft vor den Folgen dieses Anpassungsprozesses zu schützen.(Ziebura, in: Fricke/Meyer 1996, S.96) Die durch Rationalisierungs- und Konzentrationsprozesse entstandene hohe Arbeitslosigkeit bringt die Nationalstaaten, oder besser die sie tragenden Kräftekonstellationen, unter einen starken Legitimitätsdruck. Das Heil wird in einer Radikalisierung der Angebotspolitik gesucht und dies führt zur Infragestellung und schließlich zu Abbautendenzen des Sozialstaates, was wiederum die sozialen Disparitäten verschärft und den Legitimitätsdruck erneut erhöht. Die durch den weltwirtschaftlichen Transformationsprozeß und die deutsche Vereinigung verursachten Strukturbrüche stellen eine potentielle Gefahr für den Zusammenhalt der Gesellschaft und ihre Regierbarkeit dar. (vgl. Fricke/Meyer 1996, S.97f)

Wie kann man zu diesen Positionen nun Stellung beziehen? Die Wirtschaft hat es geschickt verstanden, gefördert durch ein Vorherrschen der neoliberalen Denkmuster, eine "Kostenkrise" zu inszenieren. Durch eine Omnipräsenz in den Medien schuf sie eine Stimmung, in der sie ihre Interessen, begründet mit der "Sachzwang-Politik" der Globalisierung, besser durchsetzen konnte. Mit der Androhung der Abwanderung besitzen die Arbeitgeber eine neue Handlungsoption und gewinnen auch so an Stärke gegenüber dem Tarifpartner.(vgl. Hübner 1997, S.33) Diese Stärke basiert hauptsächlich auf einer Inszenierung der Drohung. Denn von einer Abwanderung der deutschen Wirtschaft kann keine Rede sein und sie wird auch in Zukunft nicht eintreten, da die Sachkapitalmobilität weitaus geringer ist als häufig dargestellt.

Ganz im Gegenteil sind auch gegenläufige Tendenzen zu erkennen, wie Ansätze der Regionalisierung.(Roy 1995) Hier wird versucht, die Unternehmen in die Regionen fest einzubinden, um so netzwerkartige Strukturen zu bilden, die Synergieeffekte hervorbringen. Die so geschaffene Kombination von Standortfaktoren ist schwer kopierbar. Die Unternehmen profitieren von diesen Vorteilen und sind an einer Abwanderung nicht interessiert.

Auch die Vorstellung vom "Klassenkampf von oben" ist widersprüchlich. Sie impliziert eine homogene Masse der Unternehmen. Konkurrenz und gegensätzliche Interessen werden hier völlig übersehen. Und auch wenn der Staat in einigen Bereichen an Steuerungsfähigkeit verloren hat, verbleibt er doch als letzte Steuerungsinstanz. Ein "öffentlicher Selbstmord" (Beck 1996, S.676) ist wohl leicht übertrieben. Wenn es um die Zukunft des Systems der industriellen Systeme geht, scheint es hier durchaus starke Veränderungen zu geben. (vgl. Schneider 1995, S.338f) Auch wenn die Ergebnisse dieses Wandels heute noch nicht klar sind, werden sie auf jeden Fall in einem Aushandlungsprozeß zwischen den gesellschaftlichen Kräften entstehen und nicht vorbei an allen anderen Gruppen allein von der Wirtschaft bestimmt.

Aus den derzeitigen Entwicklungen eine Gefahr für Frieden und Demokratie abzuleiten, ist vielleicht auch sehr weit hergeholt. Wie es mit dem Sozialstaat nun aussieht, scheint aber ungewiß. In der Standortdebatte taucht der Sozialstaat nur als lästiger Kostenfaktor auf. Er soll verantwortlich sein für die Probleme.

Man muß aber ganz deutlich sagen, daß das deutsche Wirtschaftsmodell nicht trotz, sondern gerade wegen seiner Sozialstaatlichkeit erfolgreich war. Dies liegt nicht nur im sozialen Frieden begründet, sondern vor allem in der relativ gleichmäßigen Einkommens- und Vermögensverteilung. Welche negativen Folgen eine weitere Umverteilung nach oben hat, läßt sich sehr gut am Beispiel der USA verdeutlichen. (vgl. Schäfer 1998, S.69ff)

Soziale Akzeptanz und innerer wie äußerer ökonomischer Erfolg lassen sich auf Dauer nur durch ein "magisches Vieleck" der Politik herstellen, in dem eine "gleichmäßige Verteilung" eine zentrale Rolle spielt. Sie besteht im wesentlichen in hohen (Massen)Einkommen und einer entsprechenden Besteuerungsfähigkeit, einer großen Finanzierungsfähigkeit des Staates insbesondere für Infrastruktur-, Bildungs-, Wissenschaftsleistungen sowie einer ausgeprägten Bildungs- und Leistungsbereitschaft der Bevölkerung, die sich gegenseitig bedingen. Dieses Vieleck ist nach wie vor eine der besten nationalen Waffen gegen die Gefahren von Globalisierung bzw. zugunsten nationaler Handlungsspielräume. (vgl. Schäfer 1996, S.71)

Am Ende steht aber allerdings immer die Frage, ob heute in einer nationalen Gesellschaft noch Handlungsspielräume für ein sozial und ökologisch orientiertes Gegensteuern bestehen. Die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse scheinen hier nicht auszureichen. Zudem fehlt derzeit jeglicher politisch relevante Akteur. (vgl. Fricke/Meyer 1996, S.100) Ob es bei einem Regierungswechsel in Bonn 1998 zu einem Wandel kommt, bleibt abzuwarten. Ansätze sind vielleicht durchaus erkennbar.

6. Schlußbemerkung

Das Bild von einem niedergehenden Wirtschaftsstandort Deutschland ist bei genauerer Betrachtung durch nichts zu belegen. Sowohl bei den Arbeitskosten, den Steuern und den Direktinvestitionen sind keine Nachteile für den Großteil der deutschen Wirtschaft zu erkennen. Wenn einige Branchen unter Druck geraten und abwandern, ist dies ein normaler Prozeß der internationalen Arbeitsteilung. Es ist auch nicht sinnvoll, diese Entwicklung aufzuhalten. Vielmehr müssen neue Branchen die Lücken ausfüllen.

Die derzeit geführte Standortdebatte geht am Kern der eigentlichen Herausforderungen vorbei. Der Standort Deutschland bietet den Unternehmen eine Menge Vorteile. Das Modell des ,,rheini-schen Kapitalismus" hat sich bis jetzt als durchaus erfolgreich erwiesen und bietet auch für die Zukunft Perspektiven. Die Probleme lassen sich vielmehr auf eine Innovationsund Organisationskrise zurückführen. Die bisher verfolgte defensive Strategie der Kostensenkung verschafft zwar eine Verschnaufpause, an den strukturellen Problemen der Wirtschaft aber ändert sich dadurch nichts.

Diese Einsicht hat sich aber bisher noch nicht durchgesetzt. Immer noch wird der Sozialstaat als hauptsächliches Problem angesehen. Im Rahmen der Standortdebatte wird versucht, eine weitere Umverteilung von unten nach oben und einen Sozialstaatsabbau durchzusetzen, und die Durchsetzungsfähigkeit dieser Politik ist durchaus gestiegen. Ob diese Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung von Erfolg gekrönt sein wird, ist aber sehr ungewiß. Diese Politik ist nicht nur von der gesellschaftlichen Seite, wegen der Verschärfung der sozialen Disparitäten, zurückzuweisen. Auch die wirtschaftlichen Auswirkungen könnten sich als kontraproduktiv erweisen. Ob es eine Chance für alternative Konzepte gibt und wie diese dann aussehen, ist allerdings ungewiß. Die Sozialstaatlichkeit als wichtigstes Steuerungsinstrumentarium des Nationalstaates müßte hier im Mittelpunkt stehen.

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1 Wechselkurse entsprechen im langfristigen Durchschnitt den Kaufkraftparitäten - und damit auch den Kostenparitäten -, aber immer wieder kommt es zu mehrjährigem Überschießen oder Unter-schießen der Wechselkurse. Diese Fluktuationen signalisieren in sehr vielen Fällen keine entsprechende Änderung der Knapp-heitsverhältnisse zwischen der inländischen Volkswirtschaft und der Weltwirtschaft. Diese Fluktuationen haben in der Vergangen-heit maßgeblich die starken Schwankungen der Marktanteile bzw. der Handels- oder Leistungsbilanz der BRD verursacht.

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Detalles

Título
"Standort Bundesrepublik": ökonomische und politische Aspekte
Universidad
Otto-von-Guericke-University Magdeburg  (Institut für Politikwissenschaft)
Curso
Hauptseminar: Spannungsverhältnis von Ökonomie und Ökologie
Calificación
2
Autor
Año
1998
Páginas
23
No. de catálogo
V95175
ISBN (Ebook)
9783638078542
Tamaño de fichero
450 KB
Idioma
Alemán
Notas
Kritik und Anregungen gerne an mich
Palabras clave
Standort, Bundesrepublik, Aspekte, Hauptseminar, Spannungsverhältnis, Klaus-Bernhard, Otto-von-Guericke-Univ, Magdeburg, Institut
Citar trabajo
Andreas Fiedler (Autor), 1998, "Standort Bundesrepublik": ökonomische und politische Aspekte, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95175

Comentarios

  • visitante el 11/12/2001

    Standort Bundesrepublik.

    Das beste was ich diesbezüglich gelesen habe. Fundiert. Großartig. Danke

  • visitante el 16/10/2001

    Standort Bundesrepublik.

    Die o.a. Arbeit wurde mir als eigenes Referat im Politik-Leistungskurs von Schülern untergeschoben. Ich finde sie ausgezeichnet und deswegen traute ich sie diesen Schülern auch nicht zu. 5 Minuten Suche reichten. Über die Konsequenzen eines solchen täuschungsversuchs sind wir uns auf Lehrerseite noch nicht ganz klar. Schön, bei dieser Gelegenheit auf gutes Unterrichtsmaterial gestoßen zu sein. Ich werden hausarbeiten.de meinen Kollegen weiterempfehlen.

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