1. Entstehung
Bereits 1954 gab es den ersten Vorschlag für einer Konferenz zur Überwindung von Spannungen seitens der SU. Erst 1966 fand ein erneuter Vorstoß des Warschauer Paktes ein positives Echo im Westen. Die Brechnew-Invasion in die Tschechoslowakei verhinderte eine weitere Annährung.
Anfang der 70er Jahre entwickelte sich allmählich im Zuge der neuen Ostpolitik unter Willi Brandt ein Dialog zwischen Ost und West.
Dabei gab es verschiedene Motivationen:
Osten: Festschreibung des Status Quo in Europa (Oder-Neiße-Grenze);
Westen: Öffnung starrer Strukturen, Prozeß hin zu pluralistischer Demokratie; Ost u. West: Vertrauensbildung, Gefahrenmomente sollten durch Entspannungsmaßnahmen ausgewichen werden.
1973 begannen die Verhandlungen, die 1975 in die Schlußakte von Helsinki mündeten, die 35 Staaten unterzeichneten.
Das Dokument beinhaltet die sog. drei Körbe:
1. Fragen der Sicherheit in Europa
Dokument über vertrauensbildende Maßnahmen, sowie:
Zehn Prinzipien, die die Beziehungen der Teilnehmerstaaten leiten, z.B.:
- Unverletzlichkeit der Grenzen;
- Nichteinmischung in innere Angelegenheiten;
- Gewährleistung der souveränen Gleichheit;
- territoriale Integrität;
- Achtung dr Menschenrechte und Grundfreiheiten.
2. Militärische Fragen
Größere Transparenz der militärischen Aktivitäten;
Richtlinien für die Zusammenarbeit bei Wirtschaft, Technik und Umwelt.
3. "Menschliche Dimension"
Menschliche Kontakte, Kultur- u. Informationsaustausch (konkrete Verbesserungen bei Familienbesuchen; Arbeitsbedingungen für Journalisten).
·Verpflichtungen aller Beteiligten zu kooperativen Umgang!
2. Weiterentwicklung und Themen der KSZE
- Madrid Â90: Menschenrechte erhalten eine deutlich stärkere Rolle. Mitglieder verpflichten sich, die MR in ihren Staat zu sichern (Religionsfreiheit, Rechte der Gewerkschaften, u.a.)
- Wien Â86/87: Beschluß, auch Verhandlungen über konventionelle Streitkräfte zu führen. Zusammenarbeit in Wirtschaft, Technik und Umwelt wird erweitert u. vertieft.
- Paris Â89: Erste Konferenz zum Mechanismus der menschlichen Dimension.
- Paris Â90: "Charta für ein neues Europa": Verkündung der Grundsätze der Politik europäischer Sicherheit u. Zusammenarbeit. "Wahrung und Unterstützung der MR ist vornehmste Pflicht jeder Regierung."
Beginn der Institutionalisierung der Organisation. (Zuvor: Prozeß aufeinanderfolgender Konferenzen):
neue Organe: Rat der Außenminister, Kommitee der Bevollmächtigten u.a.; Einrichtung dreier Institutionen: 1.Sekretariat; 2.Konfliktverhütungszentrum;
3.Büro für demokratische Institutionen u. Menschenrechte
- Kopenhagen Â90: Ausführliche Beschäftigung mit der Minderheitenfrage ("Minderheiten können ihre Rechte einzeln oder in der Gemeinschaft mit anderen Mitgliedern ihrer Gruppe ausüben u. genießen.")
- La Valetta Â91: Zum ersten Mal konnten sich die KSZE-Staaten über ein Dokument zur friedlichen Streitbeilegung einigen. Bzgl. des Anrufs von Schlichtern: Wegbewegung vom Konsensprinzip.(Siehe 4.)
- Berlin Â91: Mechanismen für Konsultation u. Zusammenarbeit in dringlichen Situationen (Siehe 4.)
- Genf 91: Rechte von Angehörigen nationaler Minderheiten ist ein berechtigtes internationales Anliegen und daher keine ausschließlich innere Angelegenheit eines Staates.
- Moskau Â91: Formulierung von Grundsätzen: -Unabhängigkeit von Gerichten; Kontrolle von Streitkräften. Präzisierung technischer und organisatorischer Bedingungen des Mechanismus der menschlichen Dimension. Teilnehmerstaaten erklären unwiderruflich, daß die im Bereich der menschlichen Dimension der KSZE eingegangenen Verpflichtungen keineswegs ausschließlich interne Angelegenheit eines Staates sind.
Prag Â92: Bei eindeutigen nicht behobenen Verletzungen einschlägiger KSZE- Verpflichtungen kann der Rat od. der AHB nach dem "Konsens-minus-eins-Verfahren" angemessene Maßnahmen treffen. Beschlüsse nach diesem Verfahren können jedoch nur Schritte umfassen, die außerhalb des entsprechenden Territoriums anwendbar sind. (pol. Erklärungen)
1992: Einrichtung des Hohen Kommissars der KSZE für nationale Minderheiten. Er soll AHB auf Spannungen aufmerksam machen, so daraus internationale Verwicklungen zu befürchten sind. Das KVZ erhält auf den Gebieten Frühwarnung, vorbeugende Diplomatie, Krisenbewältigung, friedl. Beilegung und Friedenserhaltung neue Kompetenzen: 1994: Umbennennung in OSZE von 1995 an; dabei allgemeines Bekenntnis zur Stärkung der Organisation.
Paris Â95: Stabilitätspakt: Deklaration über die Grundsätze gutnachbarlicher Prinzipien. 1995: Konstituierung eines Vergleichs- und Schiedsgerichtshofes.
3. Einige Organe und ihre Aufgaben
Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs: Alle zwei Jahre; Festlegung der Leitlinien; Bestandsaufnahme;
Rat der Außenminister: Mind. einmal im Jahr; zentrales Beschlußgremium zur institutionellen Weiterentwicklung der Organisation; zentrales Forum für politische Konsultationen; Höchster Rat (AHB): Durchführung von Beschlüssen des Ministerrates; Konfliktverhütungszentrum: Unterstützung, Durchführung u. Einhaltung vertrauens-u- sicherheitsbildender Maßnahmen.
Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte: Kontakte u.
Informationsaustausch zwischen Ländern herstellen; Beiträge zum Aufbau demokratischer Länder; Überwachung der Einhaltung von Verpflichtungen der menschl. Dimension; Sekretariat: Unterstützt Treffen des Rates und des AHB administrativ.
4. Die Mechanismen der Organisation
a) Der politische Krisenmechanismus
Mechanismus für Konsultation u. Zusammenarbeit in dringlichen Situationen (z.B. bei Verletzung eines Prinzips der Schlußakte).
Jeder Staat kann in einer solchen Situation von dem verwickelten Staat Klarheit verlangen. Bleibt die Situation ungeklärt, kann beim Ausschuß Hoher Beamter eine Dringlichkeitssitzung ersucht werden. Unterstützen 12 Staaten diese Anliegen, so muß sie stattfinden.(Berlin 1991)
b) Der militärische Krisenmechanismus
Zur Erörterung ungewöhnlicher Aktivitäten militärischer Art besteht ein kurzfristiges Nachfragerecht und ein Recht zu Konsultation bei Verlangen. (Paris/Wien)
c) Der Mechanismus der friedlichen Regelung von Streitfällen
Bei Streitfällen kann eine Drittpartei als Schlichter eingesetzt werden. Der Mechanismus kann auch einseitig angerufen werden. Es geht dabei nur um Beratung zum Verfahren, nicht zur Sache selbst. Die Kompetenzen der Schlichter sind sehr dürftig. Jede Streitpartei kann etwa durch Berufung auf territoriale Integrität die Einsetzung von Schlichtern verhindern. (Wien 1989/La Valetta 1991)
d) Der Mechanismus der menschlichen Dimension
Jeder Staat darf bei einem anderen Informationen über Menschenrechte einholen. Es sind auch bilaterale Treffen möglich. Bei unzureichender Antwort kann das Büro für demokratische Institutionen u. Menschenrechte den betroffenen Staat zur Einladung einer Expertenmission einladen. Bei unzufriedenstellendem Ergebnis kann der anfragende Staat unterstützt mit fünf weiteren Staaten beantragen, eine Berichterstattermission zur Tatsachenfeststellung zu entsenden. Verkürzung des Verfahrens bei schwerwiegender Gefahr möglich. Der AHB kann ggf.weitere Schritte in Betracht ziehen. (Wien/Moskau1991)
5. Besonderheiten und Defizite der Organisation
Die Idee dieser Organisation besteht darin, durch Kooperation politisch verbindliche Verhaltensregeln zu finden, die helfen, Vertrauen zwischen den Staaten aufzubauen und dazu dienen, Konflikte, bevor die zu einer kriegerischen Auseinandersetzung werden, zu bändigen. Der Vorteil der KSZE/OSZE liegt dabei in der Tatsache, daß u.a. alle europäischen Staaten ihr angehören.
Indes akzeptiert nicht jeder Staat den Vergleichs- u. Schiedsgerichtshof (z.B. USA u. Rußland). Von juristischer Verbindlichkeit kann daher keine Rede sein. Beachtenswert ist, daß die Organisation es im Laufe der Zeit geschafft hat, die menschliche Dimension gleichgewichtig zu den Prinzipien bezüglich der zwischenstaatlichen Beziehungen zu gesellen.
Den vorhandenen Einrichtungen fehlt zur Erfüllung ihrer teilweise ehrgeizigen Aufgaben die finanzielle u. personelle Ausstattung. Die OSZE ist eine "soft organisation". Sie findet ihre Grenzen in der Kooperationsbereitschaft ihrer Mitglieder.
Einige Wissenschaftler - wie Czempiel - stehen auf dem Standpunkt, daß die Organisation besser geeignet ist als z.B. die NATO, die Gefahr einer militärischen Aggression in einem System dauerhaft zu beseitigen. Während die NATO als Militärallianz die Verteidigung nach außen gewährleisten soll, verfügt die OSZE über Instrumentarien, das Sicherheitsdilemma zu reduzieren (interne Konflikte zu bearbeiten).
6. Fazit
Viele fordern eine Stärkung der OSZE aufgrund ihrer besonderen Merkmale z.B. bei der Konfliktlösung.
Die OSZE ist seit 1992 eine Regionalorganisation der UNO und könnte das Beispiel dafür geben, wie anerkannte regionale Vereinigungen bei Konflikten unterhalb der Schwelle zum Krieg den Sicherheitsrat der UNO entlasten. (Schritt zur geforderten Regionalisierung der Weltorganisation.) Allerdings beklagt beispielsweise Außenminister a.D. Genscher, daß die OSZE in den Hintergrund getreten ist. Sie muß die Handlungsfähigkeit in Bereichen der Konfliktverhütung u. dem Krisenmanagement verbessern, die Entscheidungsfindung vereinfachen (Sicherheitsrat) und sich verstärkt der regionalen Sicherheitskooperation sowie den Minderheiten zuwenden.
Häufig gestellte Fragen
Was ist der Ursprung der KSZE/OSZE?
Die Idee einer Konferenz zur Überwindung von Spannungen entstand bereits 1954. Nach einem erneuten Vorstoß des Warschauer Paktes 1966 und der Brechnew-Invasion in die Tschechoslowakei, die eine weitere Annäherung verhinderte, entwickelte sich Anfang der 70er Jahre im Zuge der neuen Ostpolitik unter Willi Brandt ein Dialog zwischen Ost und West.
Welche Motivationen hatten Ost und West für die KSZE?
Der Osten wollte die Festschreibung des Status Quo in Europa (Oder-Neiße-Grenze), während der Westen die Öffnung starrer Strukturen und einen Prozess hin zu pluralistischer Demokratie anstrebte. Beide Seiten waren an Vertrauensbildung und der Vermeidung von Gefahrenmomenten durch Entspannungsmaßnahmen interessiert.
Was beinhaltet die Schlussakte von Helsinki?
Die Schlussakte von Helsinki, unterzeichnet 1975, beinhaltet drei Körbe:
- Fragen der Sicherheit in Europa: Dokument über vertrauensbildende Maßnahmen und zehn Prinzipien, die die Beziehungen der Teilnehmerstaaten leiten (z.B. Unverletzlichkeit der Grenzen, Nichteinmischung in innere Angelegenheiten, Achtung der Menschenrechte).
- Militärische Fragen: Größere Transparenz der militärischen Aktivitäten. Richtlinien für die Zusammenarbeit bei Wirtschaft, Technik und Umwelt.
- "Menschliche Dimension": Menschliche Kontakte, Kultur- und Informationsaustausch.
Wie entwickelte sich die KSZE weiter?
Die KSZE entwickelte sich durch verschiedene Konferenzen weiter, u.a.:
- Madrid Â90: Stärkere Rolle der Menschenrechte.
- Wien Â86/87: Verhandlungen über konventionelle Streitkräfte.
- Paris Â89/90: Charta für ein neues Europa.
- Kopenhagen Â90: Beschäftigung mit der Minderheitenfrage.
- La Valetta Â91: Dokument zur friedlichen Streitbeilegung.
- Berlin Â91: Mechanismen für Konsultation u. Zusammenarbeit in dringlichen Situationen.
- Moskau Â91: Unwiderrufliche Erklärung, dass die Verpflichtungen der menschlichen Dimension der KSZE keine ausschließlich interne Angelegenheit eines Staates sind.
Welche Organe hat die OSZE und welche Aufgaben haben sie?
Zu den Organen der OSZE gehören:
- Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs: Festlegung der Leitlinien, Bestandsaufnahme.
- Rat der Außenminister: Beschlussgremium zur institutionellen Weiterentwicklung, Forum für politische Konsultationen.
- Höchster Rat (AHB): Durchführung von Beschlüssen des Ministerrates.
- Konfliktverhütungszentrum: Unterstützung der vertrauens- und sicherheitsbildenden Maßnahmen.
- Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte: Kontakte und Informationsaustausch, Beiträge zum Aufbau demokratischer Länder, Überwachung der Einhaltung von Verpflichtungen der menschlichen Dimension.
- Sekretariat: Administrative Unterstützung.
Welche Mechanismen nutzt die Organisation?
Die OSZE nutzt verschiedene Mechanismen:
- Politischer Krisenmechanismus: Konsultation und Zusammenarbeit in dringlichen Situationen.
- Militärischer Krisenmechanismus: Erörterung ungewöhnlicher militärischer Aktivitäten.
- Mechanismus der friedlichen Regelung von Streitfällen: Einsatz einer Drittpartei als Schlichter.
- Mechanismus der menschlichen Dimension: Informationen über Menschenrechte einholen.
Was sind Besonderheiten und Defizite der Organisation?
Die OSZE hat den Vorteil, dass u.a. alle europäischen Staaten ihr angehören. Sie dient dazu, Vertrauen aufzubauen und Konflikte zu bändigen. Allerdings akzeptiert nicht jeder Staat den Vergleichs- und Schiedsgerichtshof. Die Organisation hat die menschliche Dimension gleichgewichtig zu den Prinzipien bezüglich der zwischenstaatlichen Beziehungen gesellt. Den vorhandenen Einrichtungen fehlt die finanzielle u. personelle Ausstattung. Die OSZE ist eine "soft organisation" und findet ihre Grenzen in der Kooperationsbereitschaft ihrer Mitglieder.
Was ist das Fazit zur KSZE/OSZE?
Viele fordern eine Stärkung der OSZE aufgrund ihrer besonderen Merkmale z.B. bei der Konfliktlösung. Die OSZE ist eine Regionalorganisation der UNO und könnte ein Beispiel dafür geben, wie anerkannte regionale Vereinigungen bei Konflikten unterhalb der Schwelle zum Krieg den Sicherheitsrat der UNO entlasten. Sie muss die Handlungsfähigkeit in Bereichen der Konfliktverhütung u. dem Krisenmanagement verbessern, die Entscheidungsfindung vereinfachen und sich verstärkt der regionalen Sicherheitskooperation sowie den Minderheiten zuwenden.
- Quote paper
- Hinnerk Peters (Author), 1998, Die KSZE - eine Organisation der besonderen Art, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95188