Die Ermittlung der Digital Readiness am Beispiel einer fiktiven Hotelkette


Hausarbeit, 2020

42 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Anlagen

1. Einleitung – Digitalisierung in der heutigen Welt

2. Organisationen und die digitale Transformation
2.1 Organisationstheorien
2.1.1 Der Human-Relation-Ansatz in Zusammenhang mit der Organisationgestaltung
2.1.2 Der Human-Ressourcen-Ansatz in Zusammenhang mit der Organisationgestaltung
2.2 Digitalisierung und der Einfluss auf das wirtschaftliche Handeln
2.3 Digital Readiness – ein Erfolgsfaktor der digitalen Transformation
2.3.1 Digital Readiness Check
2.3.2 Anwendung des Modells in der Praxis – Forschungsfragen

3. Operationalisierung der Digital Readiness am Beispiel „Dorfhotel“
3.1 Entwicklung eines Strukturbaumes zum Konstrukt „Digital Readiness“
3.1.1 Fähigkeiten
3.1.2 Motivation
3.1.3 Führung
3.1.4 Organisation
3.1.5 Strukturbaum
3.2 Methoden der Datenerhebung – qualitativ vs. quantitativ
3.3 Der Fragebogen als Erhebungsmethode
3.3.1 Entwicklung des Fragebogens
3.3.2 Praktische Durchführung der empirischen Untersuchung

4. Diskussion
4.1 Kritische Reflexion der Datenerhebung mittels Fragebogen
4.2 Auswirkungen der Digitalisierung auf Mitarbeiter und Organisation

5. Fazit und Ausblick

Anhang 1: Fragebogen zur Mitarbeiterbefragung „Digital Readiness“

Literatur- und Quellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Übersicht Organisationstheorien (Eigene Darstellung, in Anlehnung an Schreyögg, Geiger: 2016, S. 439)

Abbildung 2: Digital Readiness Check nach Fischer und Schöler (Harwardt et al.: 2020, S. 153)

Abbildung 3: Strukturbaum (Eigene Darstellung)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Übersicht Human-Relation-Ansatz

Anlagen

Anlage 1: Fragebogen zur Mitarbeiterbefragung „Digital Readiness“

Anlage 2: Literatur- und Quellenverzeichnis

1. Einleitung – Digitalisierung in der heutigen Welt

„Wenn man Digitalisierung richtig betreibt, wird aus einer Raupe ein Schmetterling. Wenn man es nicht richtig macht, hat man bestenfalls eine schnellere Raupe.“ – George Westerman

Sei es Online-Banking, Social Media oder das Buchen des Hotels über eine Onlineplattform – die digitale Welt hat uns fest im Griff. Die Digitalisierung ist seit Beginn des Jahrtausends nicht mehr nur für IT-Unternehmen oder PC-Freaks interessant, sondern betrifft sämtliche Unternehmen in jeder Branche. Sie stellt Traditionsunternehmen vor große Herausforderungen, bietet im Gegenzug aber neue Chancen und Geschäftsmodelle. Für Unternehmen ergeben sich unzählige Möglichkeiten, interne Prozesse, Dienstleistungen oder auch komplett neue Geschäftsbereiche zu entwickeln. Dabei muss stets berücksichtigt werden, dass eine digitale Transformation nur dann erfolgreich sein kann, wenn sie „richtig“ gemacht wird – so wie George Westerman, Wissenschaftler am Massachusetts Institute of Technology (MIT), sagt. Doch was ist „richtig“? Dazu müssen Unternehmen zunächst ihren digitalen Reifegrad ermitteln. Wo stehen wir gerade und wo wollen wir hin?

Die fiktive Hotelkette „Dorfhotel“ hat sich über die letzten drei Jahrzehnte zu Vier-Sterne-Hotels an sechs Standorten entwickelt und genießt auch überregional einen guten Ruf. Aufgrund der immer stärker werdenden Online-Konkurrenz möchte sich das Unternehmen einem Wandel unterziehen und den Herausforderungen der Digitalisierung stellen. Den Grundstein dafür legt die Ermittlung der Digital Readiness (oder auch „digitaler Reifegrad“), um darauf aufbauend Maßnahmen ableiten zu können und weitere Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln. Dafür sollen zunächst die theoretischen Grundlagen anhand ausgewählter Organisationstheorien und das Konstrukt Digital Readiness definiert werden. Daraus ergeben sich geeignete Forschungsfragen. Anschließend wird eine geeignete Messmethode zur Datenerhebung entwickelt. Die Operationalisierung mittels eines Strukturbaumes legt die zu berücksichtigenden Dimensionen fest und bildet die Basis für die Erhebungsmethode. Die Entscheidung fällt dabei auf die Befragung in Form eines Fragebogens. Es folgt eine kurze Erörterung, warum diese Methode zielführend für die Beantwortung der Forschungsfragen ist und deren (mögliche) praktische Durchführung. Im Anschluss wird die Vorgehensweise kritisch reflektiert, wobei auch auf die Auswirkungen auf die Organisation eingegangen wird. Die Arbeit wird mit einem Fazit und Ausblick abgeschlossen.

2. Organisationen und die digitale Transformation

Der Fokus des theoretischen Teils liegt vor allem auf der Definition von Organisationstheorien, wobei näher auf den Human-Relation-Ansatz eingegangen wird. Außerdem wird die digitale Transformation bzw. Digital Readiness vorgestellt und genauer beschrieben. Auf Basis dieser theoretischen Grundlage können Forschungsfragen formuliert werden.

2.1 Organisationstheorien

Organisationen legen eigene Verhaltensweisen an den Tag. Um ein Grundverständnis zu deren Verwalten und Wandeln zu erlangen, können unterschiedliche Organisationstheorien hilfreich sein und Hinweise über die Funktion der Organisation geben. Diese Organisationstheorien bilden einen elementaren Bestandteil, um das Handeln der Mitarbeiter einer Organisationsstruktur so auszurichten, dass vorgegebene Organisationsziele erreicht werden können. Sie haben die „Verbesserung der Organisationspraxis“1 zum Ziel. Dafür gibt es nicht den einen, richtigen Ansatz. Im Laufe der Jahrzehnte wurde eine Vielzahl neuer Organisationstheorien entwickelt, sodass die Auswahl des vermeintlich richtigen Ansatzes stets von der Situation und der formalen Struktur der Organisation abhängt.2 Es kann eine Differenzierung nach Zeitepoche, Schwerpunkt und Betrachtungsweise vorgenommen werden, wie nachfolgende Abbildung verdeutlicht:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Übersicht Organisationstheorien3 (Eigene Darstellung, in Anlehnung an Schreyögg, Geiger: 2016, S. 439)

Im Anschluss sollen nur die für diese Ausarbeitung relevanten Organisationstheorien, der Human-Relation-Ansatz und der darauf aufbauende Human-Ressource-Ansatz, genauer vorgestellt werden.

2.1.1 Der Human-Relation-Ansatz in Zusammenhang mit der Organisationgestaltung

Der Human-Relation-Ansatz basiert in seinen Grundzügen auf dem Taylorismus bzw. der Betrachtung des Menschen als Werkzeug, wobei dem Faktor Mensch eine bedeutendere Rolle zugewiesen wird. Er soll anhand verschiedener Auswahl- und Anpassungsprozesse optimal eingeordnet werden, um Blockaden der Abläufe zu verhindern.4 Der Fokus liegt auf sozialen Beziehungen innerhalb des Unternehmens und den daraus resultierenden Auswirkungen auf die Arbeitsleistung.5 Den Zusammenhang zwischen menschlichen Beziehungen und Produktivität wurde schon im 19. Jahrhundert erkannt und mit der Durchführung der Hawthorne-Experimente ab 1924 empirisch untersucht. Dies war zugleich der Beginn der Human-Relation-Bewegung. Allein das Zeigen von Interesse und respektvolle Behandeln den Arbeitern gegenüber hatte einen positiven Effekt auf die Arbeitszufriedenheit und -motivation, den sog. „Hawthorne-Effekt“. Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass eine verbesserte menschliche Beziehung die Motivation und Zufriedenheit steigert und die Mitarbeiter folglich bessere Leistungen absolvieren.6

Formelle Strukturen oder Lohnsteigerungen sind von geringerer Bedeutung für Mitarbeiter, wohingegen informelle soziale Strukturen als Motivator für gesteigerte Produktivität wirken.7 Die Human-Relations-Bewegung führte dazu, dass sich der Führungsstil vieler Unternehmen von aufgaben- zu personenbezogen wandelte und außerdem durch soziale Unterstützung geprägt wird.8 Mit der „Humanisierung der Arbeit“ (HdA) sollen Mitarbeiter mehr Gestaltungsmöglichkeiten erhalten, Abwechslung bei der Arbeit erfahren, Verantwortung tragen und vor allem soziale Kontakte durch und während der Arbeit knüpfen können.9

Aus den Konsequenzen ergeben sich für den Human-Relation-Ansatz folgende wesentliche Aussagen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Übersicht Human-Relation-Ansatz10

Unternehmen fokussierten sich fortan also auf die Steigerung der Arbeitszufriedenheit, was jedoch keine Veränderung der Organisationsstrukturen an sich ist. Folglich erklärt der Human-Relation-Ansatz nicht die Organisation an sich, sie wird „lediglich als Bezugsrahmen zur Erklärung menschlichen Verhaltens herangezogen“11. Daher wird dieser Ansatz auch nicht als Organisationstheorie im engeren Sinne bezeichnet und soll in dieser Ausarbeitung die Basis für den Human-Ressource-Ansatz bilden.

2.1.2 Der Human-Ressourcen-Ansatz in Zusammenhang mit der Organisationgestaltung

Der Human-Ressourcen-Ansatz kann als Fortsetzung des Human-Relation-Ansatz gesehen werden. Hierbei steht vor allem der effektive Nutzen der Ressourcen des einzelnen Mitarbeiters im Vordergrund. Dafür muss individuell auf Bedürfnisse der Organisationsmitglieder eingegangen werden.12 Das Unternehmen hat zur Aufgabe herauszufinden, welche potenziellen Fähigkeiten in einem Mitarbeiter stecken und wie diese aktiviert, gefördert und weiterentwickelt werden können. Im Gegensatz zur Human-Relation-Bewegung konzentriert sich der Human-Ressourcen-Ansatz auf die Neu- oder Umgestaltung von Organisationsstrukturen und -prozessen.13 Der Human-Ressourcen-Ansatz stellt dabei die These auf, dass Individuen durch traditionelle Strukturen an der Entwicklung von Verantwortungsbewusstsein und dem Einsatz von Eigeninitiative hindern, wodurch Abhängigkeit und Regeltreue gefördert werden. Dies hat zur Folge, dass der Mensch seine eigenen Ressourcen nicht optimal einsetzen kann und somit humane Ressourcen verschwendet werden. Ziel ist die Verwirklichung von Organisationsmodellen mit Ausrichtung auf individuelle Bedürfnisse und bei denen vor allem der ökonomische Einsatz menschlicher Ressourcen ermöglicht wird.14

Kritische Autoren – allen voran D. McGregor, Chris Argyris und Rensis Likert – waren auf der Suche nach geeigneten Lösungsansätzen. Auf Basis motivationstheoretischer Betrachtungen sollten diverse Führungsprinzipien und Strukturmodelle gebildet werden, welche eine Ausgeglichenheit zwischen ökonomischer Zielerreichung und individueller Bedürfnisbefriedigung schaffen. Vertreter dieser Lösungsansätze berücksichtigen dabei neben den sozialen Bedürfnissen eines Individuums auch dessen Streben nach Selbstverwirklichung am Arbeitsplatz.15 Für den Arbeitnehmer besteht nun die Möglichkeit, sich selbst zu entfalten und seine persönliche Reife zu verbessern. Organisationen müssen so gestaltet sein, dass eine Kausalität zwischen Individual- und Unternehmenszielen entsteht. Die Unternehmensstrategie und Integration der Human Ressourcen bilden also den Ansatz dieser Betrachtungsweise. Der Human-Ressourcen-Ansatz ist das Fundament für die Organisationsentwicklung und den Wandel, indem das Zusammenspiel aus Strukturen und Prozessen unter Berücksichtigung der Personalerfordernisse integriert wird.16

Eine Teildisziplin des Human-Ressoucen-Ansatzes beschäftigt sich mit dem geplanten Wandel von Organisationen, der „Organisationsentwicklung“.17 Dabei werden alle absichtlich herbeigeführten Veränderungen durch das Management berücksichtigt. Ein organisatorischer Wandel ist nur dann erfolgreich, wenn sich das Verhalten und die Denkweise der Mitarbeiter dementsprechend mit verändert. Dafür wird eine aktive und bewusste Beteiligung an Planung und Umsetzung der Maßnahmen von den Organisationsmitgliedern gefordert. Bei der Organisationsentwicklung sollen folgende Faktoren planmäßig verändert werden: personenbezogene Verhaltensweisen, Fähigkeiten und Einstellungen der Organisationsmitglieder, Unternehmenskultur, Organisations- und Kommunikationsstrukturen.18 Eine geplante Organisationsentwicklung ist sinnvoll, sobald das Unternehmen einen strategischen Wandel umsetzen möchte, beispielsweise in Hinblick auf Digitalisierung.

2.2 Digitalisierung und der Einfluss auf das wirtschaftliche Handeln

Der Begriff der Digitalisierung gewinnt seit der Jahrtausendwende immer mehr an Bedeutung und ist zur heutigen Zeit in Medien, Wirtschaft und Gesellschaft omnipräsent. Als „Megatrend“ des 21. Jahrhunderts öffnet die Digitalisierung neue Märkte, ermöglicht neue Angebotsformen und die Erwartungen der Kunden steigen ständig. Die Definition ist so vielfältig wie das umfassende Spektrum, eine eindeutige Begriffsbestimmung gibt es nicht. Zum Teil werden mit der Digitalisierung lediglich neue Technologien beschrieben, also unter dem Aspekt des technischen Verständnisses. Informationen werden aufbereitet, um sie in einem digitaltechnischen System weiterzuverarbeiten. Darüber hinaus kann die Digitalisierung auch gesamthaft als Transformationsprozess verstanden werden, der durch den Einsatz technologischer Entwicklungen getrieben wird und weitreichende Veränderungen in strategischer, organisatorischer und soziokultureller Form mit sich bringt.19 Auf Grund dieser stetigen Weiterentwicklungen könnten einzelne Branchen verworfen oder zumindest stark verändert werden.20 Es gilt dennoch zu beachten, dass die Digitalisierung nicht nur ein wirtschaftliches Phänomen ist, sondern in allen Lebensbereichen Veränderungsprozesse aufwirft.

Das Gabler Wirtschaftslexikon definiert Digitalisierung zum einen als „die digitale Umwandlung und Darstellung bzw. Durchführung von Information und Kommunikation oder [als] die digitale Modifikation von Instrumenten, Geräten und Fahrzeugen“.21 Demnach spielt nicht nur die verbesserte Darstellung von Informationen und die Vereinfachung der Kommunikation eine Rolle, sondern auch die Anpassung und Automatisierung von (Nutz-)Gegenständen. Aufgrund der Vernetzung findet ein Prozess der Veränderung in allen Lebensbereichen statt.

Das sog. „Kompetenzzentrum für Geschäftsmodelle in der digitalen Welt“ berücksichtigt bei seiner Definition des Begriffes vor allem auch den betriebswirtschaftlichen Kontext:

„Digitalisierung ist die strategisch orientierte Transformation von Prozessen, Produkten, Dienstleistungen bis hin zur Transformation von kompletten Geschäftsmodellen unter Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK) mit dem Ziel, nachhaltige Wertschöpfung effektiv und effizient zu gewährleisten.“22

Mit dieser Definition wird deutlich, dass ein konkreter Zusammenhang zwischen der Digitalisierung und Veränderungsprozessen im Unternehmen besteht. Durch den Einsatz digitaler Technologien können Arbeitsprozesse optimiert werden und das Leistungsangebot verbessert werden, wodurch möglicherweise eine Überarbeitung oder ein Wandel des Geschäftsmodells zur Folge hat. Diese Definition soll auch nachfolgend die Grundlage bilden. Die Hotelkette Dorfstern möchte zukünftig digitale Technologien einsetzen und so einen Wandel durchführen. Um den Wandel erfolgreich zu gestalten, müssen die Strategie, das Geschäftsmodell und auch die Unternehmenskultur überprüft werden.23 Ein Unternehmen muss sich mit vielfältigen Optionen im Zusammenhang mit der Digitalisierung beschäftigen, welche jede für sich unterschiedliche Chancen und Risiken bergen. Ob ein Unternehmen bereit ist, diese intensiven Schritte zu gehen, kann ein sog. „Digital Readiness Check“ oder auf Deutsch ein „Digitales Reifegradmodell“ anhand verschiedener Dimensionen ermitteln.

2.3 Digital Readiness – ein Erfolgsfaktor der digitalen Transformation

Die Industrie 4.0 und der damit einhergehende digitale Wandel stellt Unternehmen immer mehr vor die große Herausforderung, den Fokus auf die digitale Transformation und deren Umsetzung zu legen. Diese sollten Unternehmen schneller als der Wettbewerb durchführen und dafür die nötige Bereitschaft und Voraussetzungen schaffen. Wie gut eine Organisation für die digitale Transformation gewappnet ist, erkennt man oftmals an der Digital Readiness. Ähnlich wie bei dem Begriff „Digitalisierung“ gibt es (noch) keine einheitliche Definition. Je nach Auslegung konzentriert sich die Definition auf betriebswirtschaftliche, informationstechnische oder gesellschaftliche Aspekte.24 Es besteht jedoch eine Einigkeit darüber, dass die Erfolgsquote digitaler Transformationsprozesse deutlich höher ist, je ausgeprägter die Digital Readiness ist.25

Die digitale Transformation beschreibt den Wandel des Unternehmens von der bislang hauptsächlich analogen Welt in die digitale Welt und setzt sich dabei die Verbesserung der Performance zum Ziel.26 Der deutsche Wissenschaftler und Keynote-Speaker in den Bereichen Digitale Organisation und Digital Leadership Kai Reinhardt definiert den digitalen Reifegrad als „die Fähigkeit einer Organisation, die Herausforderungen, die die Digitalisierung für das Unternehmen [...] mit sich bringt, auf Grundlage der organisatorischen Ressourcenausstattung zu bewältigen.“27 Die von ihm genannte „Fähigkeit“ wird auf Basis ausgewählter Kriterien ermittelt. Das Beratungsunternehmen für Organisationsentwicklung Innolytics geht in seiner Definition noch mehr auf „die Entwicklung digitaler Innovationen und disruptiver digitaler Geschäftsmodelle“28 ein und geht damit noch einen Schritt weiter als Reinhardt, indem sich das Unternehmen nicht nur der Herausforderung „Digitale Transformation“ annimmt, sondern Innovationen und Überlegungen auch aktiv umsetzt. Um den digitalen Wandel erfolgreich beschreiten zu können, müssen neue Produkte und Geschäftsmodelle, aber auch innovative Technologien entwickelt werden. Zumeist ist jedoch nicht die Entwicklung neuer Produkte die große Schwierigkeit, sondern die Mitarbeiter bzw. der Mensch an sich. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die digitalen Entwicklungen in einer unglaublichen Geschwindigkeit vollzogen werden, mit der der Mensch nicht immer mithalten kann. Demnach muss der Faktor Mensch genauer betrachtet werden.

Der digitale Reifegrad oder die „Digital Readiness“ berücksichtigt also den Mitarbeiter und die Organisation in Hinblick auf die digitale Kompetenz. Von diesem Faktor hängt der Umsetzungserfolg von Digitalisierungsmaßnahmen entscheidend ab. Der Mitarbeiter soll die nötigen IT-Kenntnisse entweder bereits besitzen oder im Rahmen der digitalen Transformation erwerben. Die Belegschaft muss dazu fähig und vor allem bereit sein, sich an den Wandel flexibel anzupassen und in dieser Entwicklung eine Chance zu sehen. Der Digital Readiness Check soll es Mitarbeitern ermöglichen, sich neuen Herausforderungen zu stellen und neue Aufgaben auf Basis seiner (neu erworbenen) Kompetenzen zu verantworten.

In dieser Ausarbeitung stehen die Mitarbeiter der Hotelkette „Dorfhotel“, also der Faktor Mensch, im Mittelpunkt. Der Erfolg der digitalen Transformation ist davon abhängig, wie „reif“ oder „ready“ ein Unternehmen in diesem Zusammenhang ist. Demnach wird oftmals ein Digital Readiness Check innerhalb des Unternehmens durchgeführt, um auf Basis der organisationsumfassenden Analyse konkrete Handlungsmaßnahmen zu entwickeln und somit die digitale Transformation Schritt für Schritt einzuleiten.

2.3.1 Digital Readiness Check

Immer mehr Wissenschaftler und Beratungsunternehmen nehmen sich dem weit umfassenden Themenspektrum der Digitalisierung an und fokussieren sich auf die digitale Transformation innerhalb von Unternehmen. Dementsprechend groß ist die Vielfalt der entwickelten Modelle, mit welchen der digitale Reifegrad ermittelt wird. Die Digital Readiness hingegen hängt von der Auswahl des Reifegradmodells ab. Es gibt keine eindeutigen Dimensionen oder Kategorien, ebenso wie Schlüsselindikatoren. Dabei sollte ein Reifegradmodell niemals nur ein-, sondern mindestens zwei- oder am besten mehrdimensional sein.

Der Fokus dieser Ausarbeitung liegt auf der digitalen Reife der Mitarbeiter, also auf den Faktor Mensch. Während sich ein Großteil der Reifegradmodelle die Organisation und das Produkt in den Mittelpunkt stellt, ergänzen die beiden Professoren Karl Peter Fischer und Andreas Schöler ihr Modell um die Dimension „Digitale Fitness der Mitarbeiter“.29

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Digital Readiness Check nach Fischer und Schöler (Harwardt et al.: 2020, S. 153)

Das vollumfängliche Modell der Herren Fischer und Schöler besteht zunächst aus mehreren Dimensionen bzw. den Ebenen „Management“, „Makroumwelt“ und „Handlungsfelder“.30 Im Gegensatz zu anderen Wissenschaftlern und Beratern stellen sie ganz bewusst die Mitarbeiter und Führungskräfte in den Mittelpunkt. Sie definieren die digitale Fitness als „das Vermögen von Mitarbeitern, sich leistungsfähig in die digitale Transformation einzubringen und den daraus resultierenden Belastungen standzuhalten.“31. Die digitale Fitness teilt sich dabei in vier Dimensionen auf, welche u.a. an Arbeiten aus der Organisationspsychologie von Rosenstiel erinnern:32

1. Das Kennen & Können
2. Das Wollen
3. Das Sollen & Dürfen
4. Die Möglichkeiten

Die erste Dimension „Kennen & Können“ beinhaltet zunächst die Kompetenzen in fachlicher, methodischer und sozialer Hinsicht, die wirkungsvoll zur Digitalisierung beitragen können.33 Es muss zwischen den beiden Begriffen differenziert werden. Das „Kennen“ beschreibt dabei, inwieweit der Mitarbeiter kommende Veränderungen der Digitalisierung inhaltlich verstehen oder nachvollziehen kann. Werden eine digitale Strategie nicht erkannt und Schlüsselprojekte nicht in Zusammenhang mit der Digitalisierung gebracht, „erlebt“ der Mitarbeiter die Digitalisierung nicht, sondern nimmt sie nur als abstrakten Begriff in seinem Kopf wahr.34 Das Können hingegen reflektiert vor allem individuelle Fähigkeiten und Fertigkeiten im digitalen Bereich. Diese Fähigkeiten bilden die Basis für eine aktive Beteiligung am Transformationsprozess und dem Einsatz digitaler Technologien.35 Beispielsweise könnte man dafür fachliche Kenntnisse in Bezug auf den Umgang mit bestehenden Softwarelösungen, Methodenkompetenzen oder auch Teamfähigkeit als soziale Kompetenz nennen.

Die zweite Dimension „Wollen“ beinhaltet die Motivation des Mitarbeiters und wie weit er bereit ist, sich auf die digitale Transformation einzulassen und möglicherweise alteingesessene Prozesse zu verabschieden. Der Mitarbeiter soll in diesem Zuge Veränderungen mitgestalten und sich von alten Gewohnheiten entfernen. Diese Motivation ist zum Teil sehr hoch, kann aber auch Resignation und/oder Reaktanz im Sinne von „Wegrationalisierung durch Digitalisierung“ oder „Ich mache da nicht mit“ ausdrücken. Die Organisation steht somit in der Pflicht, regelmäßig Informationen zur Transformation zu veröffentlichen und dem Mitarbeiter somit die Ängste zu nehmen und insbesondere auch das persönliche Interesse dessen zu steigern.36

In der Dimension „Sollen & Dürfen“ stehen die formalen und informalen sowie expliziten und impliziten Regeln des Unternehmens und des sozialen Umfeldes der Arbeitnehmer im Vordergrund.37 Kurz gefasst, in welchem Umfang möchte sich der Arbeitnehmer aktiv bei der digitalen Transformation einbringen. Zu dieser Dimension gehören ebenso die Rechte des Einzelnen, sich aktiv an Diskussionen zu beteiligen, Fehler machen zu dürfen und auch zu scheitern.38

Die vierte und letzte Dimension beinhaltet die „Möglichkeiten“, die der Mitarbeiter hat, um sich in der digitalen Transformation einbringen zu können. Dies ist wiederum davon abhängig, in welchem Maß dies das Unternehmen ermöglicht. Die Problematik besteht dabei meist in der Informationspolitik des Unternehmens, da Informationen nur bedingt kommuniziert werden. Informationen sollten jedoch offen, einfach verständlich und konkret sein. Dadurch kann sich der Mitarbeiter mit Inhalten der Digitalisierung auseinandersetzen und intern gefördert werden. Dabei wird vor allem bemängelt, dass zu wenig Schulungen in diesem Bereich angeboten werden, was aber für die digitale Transformation durchaus hilfreich wäre.39

[...]


1 Kieser, Ebers: 2014, S. 14

2 Vgl. Nerdinger et al.: 2019, S. 51

3 Eigene Darstellung, in Anlehnung an Schreyögg, Geiger, 2016, S.439

4 Vgl. Bornewasser: 2009, S. 55

5 Vgl. Scherm, Pietsch: 2014, S. 21

6 Vgl. Nerdinger et al.: 2019, S. 56

7 Vgl. Bornewasser: 2009, S. 55

8 Vgl. Scherm, Pietsch: 2014, S. 21

9 Vgl. Kieser, Ebers: 2006, S. 164

10 Eigene Darstellung, in Anlehnung an Bergmann, Garrecht: 2016, S. 156

11 Nerdinger et al.: 2019, S. 56

12 Vgl. Esslinger: 2012, S. 37

13 Vgl. Schreyögg, Geiger: 2016, S. 458

14 Vgl. ebenda

15 Vgl. Schreyögg, Geiger: 2016, S. 459

16 Vgl. Esslinger, A.: 2012, S. 37

17 Vgl. Schreyögg, Geiger: 2016, S. 459

18 Vgl. Vahs: 2019, S. 359

19 Vgl. Petry: 2019, S. 23

20 Vgl. Scheer, Wahlster: 2012, S. 7

21 Gabler Wirtschaftslexikon: 2020 (zuletzt abgerufen am 07.09.2020)

22 Becker et al.: 2019, S. 9

23 Vgl. Back, Beckhaus: 2015, S. 2

24 Vgl. Fasel, Meier: 2016, S. 320

25 Vgl. Harwardt et al.: 2020, S. 164

26 Vgl. BSP Business School: 2016, S. 6

27 Reinhardt: 2020, S. 330

28 Innolytics: 2020 (zuletzt abgerufen am 07.09.2020)

29 Vgl. Harwardt, Niemann, Schmutte, Steuernagel: 2020, S. 152

30 Vgl. Harwardt et al.: 2020, S. 152ff

31 Fischer, Schöler in Harwardt et al.: 2020, S. 157

32 Vgl. Fischer, Schöler „digital readiness check“: 2020 (zuletzt abgerufen am 30.09.2020)

33 Vgl. Fischer, Schöler „digital readiness check“: 2020 (zuletzt abgerufen am 30.09.2020)

34 Vgl. Harwardt et al.: 2020, S. 158

35 Vgl. Fischer, Schöler „digital readiness check“: 2020 (zuletzt abgerufen am 30.09.2020)

36 Vgl. ebenda

37 Vgl. Harwardt et al.: 2020, S. 161

38 Vgl. Fischer, Schöler „digital readiness check“: 2020 (zuletzt abgerufen am 30.09.2020)

39 Vgl. Fischer, Schöler „digital readiness check“: 2020 (zuletzt abgerufen am 30.09.2020)

Ende der Leseprobe aus 42 Seiten

Details

Titel
Die Ermittlung der Digital Readiness am Beispiel einer fiktiven Hotelkette
Hochschule
SRH Fernhochschule
Note
1,3
Autor
Jahr
2020
Seiten
42
Katalognummer
V953157
ISBN (eBook)
9783346296023
ISBN (Buch)
9783346296030
Sprache
Deutsch
Schlagworte
ermittlung, digital, readiness, beispiel, hotelkette
Arbeit zitieren
Magdalena Helm (Autor:in), 2020, Die Ermittlung der Digital Readiness am Beispiel einer fiktiven Hotelkette, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/953157

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