In der Arbeit wird der Begriff der Mediation geklärt und eine Darstellung des Grundkonzeptes geliefert. Nach einem entstehungsgeschichtlichen Abriß, jeweils international und national, stelle ich die ein pädagogisches Konzept kennzeichnenden Kriterien zusammen und untersuche das vorgestellte Mediationskonzept und seine Unterformen darauf, um Anwendungsmöglichkeiten in der Pädagogik aufzuweisen.
Schließlich werden verschiedene aktuelle Anwendungsbereiche der Mediation vorgestellt und analysiert und die Perspektiven des Konzeptes erörtert.
Inhalt
1 Einleitung
2 Was ist Mediation?
2.1 Kurze Begriffsdefinition
2.2 Zentrale Elemente der Mediation
2.2.1 Neutralität des Mediators:
2.2.2 Freiwilligkeit der Teilnahme
2.2.3 Akzeptanz:
2.2.4 Offenheit
2.2.5 Vertraulichkeit:
2.2.6 Eigenverantwortlichkeit:
2.2.7 Win/Win-Lösung:
2.2.8 Einvernehmliche Lösung:
2.3 Anzeigen und Gegenanzeigen für den Einsatz von Mediation
2.4 Abgrenzung von anderen Konfliktlösungs-möglichkeiten, Beratung und Therapie
3 Wie hat sich Mediation entwickelt?
3.1 Historische Ursprünge
3.2 Geburt der heutigen Mediationsbewegung
3.3 Mediation in Deutschland
3.3.1 Anfänge und Entwicklung
3.3.2 Stand der Verbände, Arbeitskreise und Institute
3.3.3 Die Mediationsausbildung
4 Mediation – ein pädagogisches Konzept?
4.1 Kriterien eines pädagogischen Konzepts
4.1.1 Grundbegriffe: Erziehung, Bildung und Lernen
4.1.2 Ziele und Mittel
4.1.3 Rahmenbedingungen
4.1.4 Die Rollen der Beteiligten
4.1.5 Sprache, Interaktion und Kommunikation
4.2 Das Grundkonzept der Mediation
4.2.1 Grundannahmen
4.2.1.1 Perspektivengebundenheit und Perspektivenwechsel
4.2.1.2 Prozeßhaftes Denken
4.2.1.3 Der Konfliktbegriff
4.2.1.4 Die Dynamik der Eskalation
4.2.2 Konfliktanalyse und Konfliktbehandlung
4.2.2.1 Konflikttypen
4.2.2.2 Der Mediationsplan
4.2.3 Phasen der Mediation
4.2.3.1 Vorbereitung und Einleitung:
4.2.3.2 Sachverhaltsklärung – „Fact-Finding“
4.2.3.3 Kreativphase / Optionsentwicklung
4.2.3.4 Verhandlung / Entscheidungsfindung
4.2.3.5 Festhalten der Ergebnisse
4.3 Mediationsstile
4.3.1 Mediationsvarianten als Antwort auf differente Anforderungen
4.3.2 Der Transformationsansatz als Mediationsstil mit pädagogisch-therapeutischem Anspruch
4.3.2.1 Hauptbegrifflichkeiten der Transformativen Mediation
4.3.2.2 Transformative Mediation und Humanistische Pädagogik
4.3.2.3 Transformative Mediation und ihre Möglichkeiten in den Disziplinen der Pädagogik
4.4 Anwendung der pädagogischen Kriterien auf das Konzept der Mediation
5 Aktuelle Anwendungsbereiche von Mediation in (sozial-)pädagogischen Arbeitsfeldern
5.1 Mediation als Arbeitsmittel der Sozialen Arbeit
5.2 Mediation in Jugendhilfe, Hilfen zur Erziehung, Kindschaftsrecht und Trennungs- und Scheidungsberatung
5.3 Täter – Opfer – Ausgleich (TOA)
5.4 Mediation in Schulprogrammen
5.5 Mediation in der interkulturellen Pädagogik
6 Perspektiven der Mediation
7 Schluß / Fazit
Anhang
Literaturverzeichnis
Onlinequellenverzeichnis
1 Einleitung
Mediation ist ein Konzept zur Konfliktlösung. Warum aber brauchen wir ein solches Konzept? Welche Bedeutung haben Konflikte für uns?
Mit Konflikten wird jeder von uns konfrontiert, denn sie sind ein Alltagsphänomen. Sie entstehen durch die Vielfalt an Persönlichkeiten, Interessen und Formen der Lebensbewältigung, aus denen sich unsere Gesellschaft zusammensetzt. Diese Vielfalt ist grundsätzlich als positiv zu bewerten, denn sie beschert uns die Möglichkeit zur freien Entfaltung und Bereicherung unserer Gedankenwelt und garantiert jedem – in gewissen Grenzen – die freie Verwirklichung seines Selbst.
Konflikte und Krisen aber begegnen uns unwillkürlich dort, wo die eben bezeichneten Grenzen erreicht sind, dort, wo unterschiedliche Persönlichkeiten und Interessen aufeinanderprallen. Allein die Existenz von Konflikten hat allerdings noch keine besondere Bedeutung, da man mit diesen umzugehen lernt, sind sie doch Lebens- und Alltagsbestandteil. So kann ein Konflikt einen Bruch bedeuten, ebenso kann eine Auseinandersetzung mit etwas oder jemandem auch positiv wirken, indem sie bereichert oder persönlich daran wachsen läßt. Von besonderer Bedeutung ist ein Konflikt aber erst dann, wenn er uns beeinträchtigt oder sogar in unserer Lebensqualität einschränkt. Dann ist eine Lösung vonnöten.
Mediation ist hier eine von vielen Möglichkeiten, eine Lösung herbeizuführen. Sie ist, wie ich im Weiteren noch darlegen werde, dabei nicht für jede Konfliktform als Lösungsmodell geeignet. Eine Frage, die ich mit dieser Arbeit zu beantworten versuche, ist die, ob Mediation denn ein geeignetes Lösungsmodell für Konflikte in pädagogischen Arbeitsbereichen ist. Ich möchte weiterhin beantworten, ob sich im Mediationsverfahren Prozesse von Erziehung und Bildung vollziehen und damit die Mediation auch zu einem pädagogisches Konzept wird.
Da es sich bei Mediation um ein Konzept handelt, das sich erst in jüngerer Zeit durchzusetzen scheint, gibt es zwar mittlerweile auch im pädagogischen Feld eine Anzahl an Projekten und Versuchen der konzeptionellen Einbindung von Mediation; wie es bei jungen Ideen und Ansätzen aber zu erwarten ist, ist die Umsetzung oder gar die Institutionalisierung von Mediationskonzepten häufig von Schwierigkeiten begleitet und die Ergebnisse der Begleitforschung sind noch relativ rar. Daher kann man von einer Durchsetzung der Mediation noch nicht sprechen. Ein für mich klares Indiz dafür, daß sich die Idee noch nicht in den Köpfen von Pädagogen und Erziehungswissenschaftlern verankert hat ist die Tatsache, daß sich selbst in jüngsten pädagogischen Lexika oder Veröffentlichungen über pädagogisches Basiswissen nirgendwo ein Beitrag zur Mediation finden läßt.
Es scheint, als würde sie offenbar als Arbeitsmethode für verschiedene Spezialbereiche akzeptiert und positiv bewertet, aber nicht grundsätzlich als pädagogisches Konzept angesehen. Ist dies zurecht so, oder wird das Konzept verkannt? Liegt es vielleicht auch schlicht an mangelnder Präsenz der Mediationsmethode?
Auf diese Fragen möchte ich im Weiteren Antworten finden.
Dazu werde ich zunächst das Grundkonzept und die Wurzeln der Mediation vorstellen. Außerdem werde ich versuchen, die Kriterien eines pädagogischen Konzeptes herauszuarbeiten, um diese im Anschluß an das Konzept der Mediation anlegen zu können und so die pädagogischen Anteile herauszufiltern. Auch möchte ich die bisherigen Anwendungen von Mediation in pädagogischen Arbeitsbereichen auf die oben dargestellte Fragestellung hin durchleuchten, um schließlich ihre Perspektiven im Allgemeinen und in der Pädagogik im besonderen zu erkennen.
2 Was ist Mediation?
2.1 Kurze Begriffsdefinition
Ich möchte hier eine kurze Einführung in den Begriff „Mediation“ geben. Ich versuche dabei bewußt, eine möglichst allgemeine Beschreibung zu erzielen, um zunächst ein Grundverständnis herzustellen. Eine genauere Beschreibung des Konzeptes sowie dessen Ausfächerungen folgt im Kapitel 4.2 unter Bezugnahme auf die grundlegende Fragestellung.
Bei dem Begriff Mediation handelt es sich um einen eingedeutschten Terminus. Der lateinische Ursprung „mediare“ bedeutet „in der Mitte sein“[1]. „In der Mitte“ des hier zu beschreibenden Konzeptes befindet sich der Mediator, der „Vermittler“ (engl.: to mediate = vermitteln). Ihm steht die Aufgabe zu, Parteien, die miteinander im Konflikt stehen, zu einer einvernehmlichen Lösung zu verhelfen. Dabei folgt er konzeptionell festegeschriebenen Phasen des Vorgehens und bedient sich spezifischer Methoden der Mediation zur Zielerreichung.
2.2 Zentrale Elemente der Mediation
2.2.1 Neutralität des Mediators:
Der Mediator darf sich in keiner Weise parteiisch verhalten[2][3]. Sollte er feststellen, daß er der Position einer Partei näher steht als der der anderen und ist sein Handeln dadurch beeinflußt, so hat er seine Weiterarbeit als Mediator des jeweiligen Konfliktes zu überdenken.
2.2.2 Freiwilligkeit der Teilnahme
Die im Konflikt stehenden Parteien müssen sich aus freien Stücken an einen Mediator wenden bzw. freiwillig und aus eigener Überzeugung auf sein Mediations-Angebot eingehen. Nur so kann eine konstruktive Arbeit aller Beteiligten am Konflikt gewährleistet werden.[4][5],[6]
2.2.3 Akzeptanz:
Der Mediator muß in seiner Leitungsfunktion und in seiner Person Akzeptanz finden, da sonst fraglich ist, ob er die Prozessstruktur aufrechterhalten kann und optimale Rahmenbedingungen zur Konfliktlösung bereitzustellen im Stande ist. Weiterhin müssen die Mediationsteilnehmer die Akzeptanz der Verfahrensregeln wahren, die bei Prozeßbeginn festgelegt werden.[7]
2.2.4 Offenheit
Zur tatsächlichen Klärung des Falles ist die Offenheit der Beteiligten notwendig, denn die Fakten können nur erhellt werden, wenn auch wirklich alle mit ihrem Wissen dazu beitragen. Die Offenheit sollte allerdings auch über die reinen Fakten hinausgehen, denn insbesondere in stark emotionsbeladenen Konflikten fällt das empathische Hineinversetzen in das Gegenüber um so leichter, je mehr man über seine Position erfährt. Dabei sollte man sich immer „echt“ verhalten, d.h. man sollte seine tatsächlichen Gedanken und Gefühle spontan ausleben, ohne Maskerade und nicht taktierend handeln. Dieses echte und offene Handeln wird natürlich begrenzt von den Verfahrensregeln, den Sittlichkeitsregeln und speziell für den Mediator auch von methodisch-strukturellen Regeln.[8]
2.2.5 Vertraulichkeit:
Alle im Mediationsverfahren preisgegebenen Details eines Konfliktes müssen vom Mediator und den beteiligten Parteien vertraulich und diskret behandelt werden, insbesondere, weil – je nach Konfliktsituation mehr oder weniger – private und intime Detailinformationen zutage treten könne, deren bekannt werden außerhalb der Mediationssituation sich negativ auf die betroffene Partei oder deren Empfinden auswirken könnte. Ein nach außen tragen der Mediationsinhalte kann also nur in gemeinsamer Absprache stattfinden[9]
2.2.6 Eigenverantwortlichkeit:
In einer Mediation müssen die Beteiligten sich selbst und – z.B. im Unterschied zum Gerichtsverfahren – direkt mit dem Konfliktgegner auseinandersetzen, sie treten also für ihre Handlungen und Positionen selbst ein und übernehmen Verantwortung dafür. Dabei haben sie einen relativ großen Handlungs- und Entscheidungsspielraum und damit großen Einfluß auf den Ausgang des Verfahrens, im Gegensatz zu einigen Konfliktlösungsmethoden, bei denen die Entscheidungsgewalt in der Hand dritter liegt und damit die Selbstbestimmtheit einschränkt.[10]
2.2.7 Win/Win-Lösung:
Innerhalb einer Mediation wird eine Konfliktlösung angestrebt, bei der sich beide Parteien als „Gewinner“ fühlen bzw. reziprok sich keiner als „Verlierer“ fühlt[11][12]. Diese Begrifflichkeiten haben für die Mediation keine Bedeutung. Selbiges gilt für die Begriffe „Macht“ und „Recht“; niemand hat hier „Recht“ oder „Unrecht“, kein Arbeitsergebnis beruht auf der Ausübung von „Macht“.
2.2.8 Einvernehmliche Lösung:
Es ist nicht die Aufgabe des Mediators, den Parteien einen Lösungsvorschlag zu machen. Im Gegenteil sollte dieser sich bewußt zurücknehmen und sich auf Prozeßrahmen- und Impulsgebung beschränken, so daß die Parteien das am Ende erarbeitete Ergebnis auch als das ihre empfinden. Eine derartig entstandene Konfliktlösung ist erfahrungsgemäß tragfähiger und wirkt langfristiger[13][14]. Zur stärkeren Betonung der Verbindlichkeit kann das Ergebnis der Mediation auch in einem schriftlichen Dokument festgehalten und unterzeichnet werden.
2.3 Anzeigen und Gegenanzeigen für den Einsatz von Mediation
Mediation ist ein Verfahren zur Konfliktlösung, das sich besonders für die Fälle eignet, in denen die Beziehung der Konfliktparteien stark beeinträchtigt und die Kommunikation erschwert, möglicherweise schon ganz zum Stillstand gekommen ist, ein Fortbestehen der Beziehung aber erwünscht oder auch unumgänglich ist. Dies kann z.B. der Fall sein bei Ehescheidungen, von denen auch Kinder betroffen sind und aufgrund derer der Kontakt der Eltern notwendig ist; es kann auch der Fall sein bei Nachbarschaftsstreitigkeiten, Familien-, Eltern-Kind-Konflikten, bei Konflikten auf der Arbeitsstelle, wenn es sich also um Konfliktparteien handelt, deren Zusammentreffen unvermeidbar ist und auf die der Konflikt deshalb dauerhaft negativen Druck ausüben würde.
Mediation ist ebenso geeignet für Konfliktfälle, in denen eine Lösung alleine schon zum Schutze Dritter als notwendig erachtet wird, wie z.B. bei politischen Konflikten, Umweltkonflikten oder auch bei solchen Privatkonflikten, in denen Gewalt eine Rolle spielt.
Dasselbe gilt für solche Konflikte, an denen viele Parteien beteiligt sind (z.B. Verbraucherkonflikte, Bau- und Umweltkonflikte) und weshalb sich die Mediation als Rahmen zur gleichwertigen Anhörung aller Positionen anbietet.
Als Gegenanzeigen zur Anwendung des Mediationsverfahrens gelten nach Marx[15]:
- Geistige, seelische oder körperliche Beeinträchtigung einer Partei, die die Verhandlungsfähigkeit in Frage stellt
- Körperliche Gewalt durch eine Partei
- Einschüchterungen, Drohgebärden, extremes Kontrollverhalten einer Partei
- Drogen- und Alkoholeinfluß
- Mangelnde Verhandlungsbereitschaft
- Mißbrauch der Mediationssitzungen (z.B. um Zeit zu schinden)
2.4 Abgrenzung von anderen Konfliktlösungs-möglichkeiten, Beratung und Therapie
Ein Mediator übernimmt in keinem Fall die Rolle eines Richters. Eine Mediation ist ein Prozeß, der nicht über Recht und Unrecht entscheidet; dadurch erzeugt er idealtypisch am Ende auch keine Gewinner oder Verlierer. Und nicht der Mediator spricht ein „Urteil“, sondern die Prozeßbeteiligten fällen die Entscheidung über das Verhandlungsende selbst und eigenverantwortlich. Der Mediator zeichnet sich im Gegenteil dadurch aus, daß er nicht richterlich-autoritär wirkt, sondern sich zurücknimmt und sammelnd, ordnend, reflektierend und impulsgebend in das Geschehen eingreift. Dabei ist er immer den Wünschen der Parteien verpflichtet.[16]
Im Gegensatz zu einer Therapie legt die Mediation es nicht darauf an, die Ursachen eines Konfliktes bzw. des konfliktverursachenden Verhaltens zu durchleuchten und zu bearbeiten. Sie versucht, die Problematik hauptsächlich auf einer Sachebene zu behandeln, während die Therapie ihre Schwerpunkt auf die emotional-affektive Ebene legt. Eine Therapie hat kurative oder präventive Absichten, eine Mediation dagegen behandelt nur die jeweilige Symptomatik.[17] Die Mediation zielt ab auf die Möglichkeit zur positiven Gestaltung der (weiteren gemeinsamen) Zukunft (der Beteiligten), die Therapie dagegen richtet sich in erster Linie auf die Vergangenheit oder die Gegenwart, um die Konfliktursachen zu erhellen, ohne dabei jedoch auf eine Konfliktbeilegung im konkreten Fall hinzuarbeiten.[18]
Etwaig in der Mediation eingesetzte und der Therapie zugeordnete Methoden dienen nicht der Therapie, sondern höchstens der Auflösung einer Blockade, die die Verhandlungsfähigkeit des Teilnehmers beeinträchtigt, ist also hier ergebnisorientiert auf die Konfliktlösung ausgerichtet.
In der Art der Beziehung zwischen „Klient“ und „Gesprächsleiter“ kommt eine Beratung der Mediation schon näher: Dem Klienten wird keine so große Selbstöffnung abverlangt wie in einer Therapie. Die Problembehandlung erfordert nicht die tiefgehende Arbeit einer Therapie, sondern findet eher an der Oberfläche statt. Das zu bearbeitende Problem betrifft die ganz akute Lebenssituation des Klienten und Ursache und Wirkung sind genau zu benennen. Zwar hat in der Beratungssituation der Berater auch keinen tatsächlichen Einfluß auf das Ergebnis der Beratung und den Umgang des Klienten mit den in der Beratung erworbenen Kenntnissen und Optionen (so wie etwa ein Richter Einfluß auf die Vollstreckung eines Urteils hat), er kann jedoch – und zwar im Gegensatz zum Mediator – auf das Ergebnis und die Handlungsoptionen des Klienten selbst maßgeblich Einfluß nehmen, indem er auf Grundlage seiner Fachkenntnis Lösungsvarianten darlegt und damit die Entscheidung des Klienten beeinflusst: Sie kommt nicht mehr nur „aus dem Klienten selbst“. Der Mediator sollte sich im Gegensatz zum Berater in viel geringerem Maße auf inhaltliche Aspekte einlassen, sofern sie von ihm ausgehen; er sollte sich vielmehr auf strukturelle und regulative Aspekte ausrichten.[19]
Auf der von Glasl festgelegten Eskalationsskala von 1 bis 9 ist die Mediation (bzw. bei Glasl die Vermittlung) als geeignete Methode für die Stufen 5 bis 7 anzusehen, also für bereits fortgeschrittene Konflikte, die aber noch ohne Machteingriff zu lösen sind.
Nach dem Standardwerk Glasls[20] zum Konfliktmanagement, auf das ich mich hier beziehe, existieren sieben Aspekte, anhand derer Konfliktlösungsmodelle generell unterscheidbar sind:
1. Schwerpunkte der Intervention
2. Akzeptanz der Konfliktbehandlung
3. Durchsetzungsmacht, Beeinflussungspotential[21]
4. Abstand zwischen den Parteien[22]
5. Ausmaß der Selbsttätigkeit der Parteien
6. Zeitaufwand
7. Wirkung: kurativ – akut – präventiv
Die Einordnung der Mediation möchte ich hier nur stichwortartig nach Glasl[23] wiedergeben:
Zu 1. Schwerpunkte der Intervention:
- Selektive Informationsvermittlung
- Intentionen / Aussagen verdeutlichen und verstärken
- Fehlperzeptionen[24] korrigieren
- Irrationale Störfaktoren der Kommunikation reduzieren
- Schrittweiser Vertrauensaufbau
- Beschränkung des Risikos für die Parteien
- Einhaltung von Spielregeln bewachen und garantieren
- Taktiken erkennen und ablegen
- Schulung in Techniken des Verhandelns (für die Zukunft)
- Evtl. Beeinflussung des sozialen Umfelds
- Machtsymmetrie bewahren
Zu 2. Akzeptanz der Konfliktbehandlung:
- Konfliktbehandlung ist selbst gewählt
- Vermittler erhält für die Dauer des Verfahrens einen Vertrauensvorschuß
- Akzeptanzbereitschaft muß immer wieder mit Teilerfolgen genährt werden
Zu 3. Durchsetzungsmacht, Beeinflussungspotential:
- Macht der Parteien wird zum Einstieg in das Verfahren vorläufig suspendiert, Macht liegt so beim Mediator, denn „Wenn den Parteien klar ist, daß es bei Nichteinigung zu einem autoritären Eingriff einer Dritte Instanz kommt, wird die Einigung über einen Vermittler gefördert.“[25]
Zu 4. Abstand zwischen den Parteien:
- Vermittler trennt und schafft so eine „Neutrale Zone“, einen Puffer
- Direkte Begegnungen werden von außen arrangiert und kontrolliert
Zu 5. Ausmaß der Selbsttätigkeit der Parteien:
- Vermittler stimuliert eigene Initiativen und Vorschläge
- Breites Feld von Aktionen wird aber mit Vermittler gemeinsam gestaltet aufgrund seiner Puffer-Funktion
- Eigeninitiative des Vermittlers bei Stillstand
Zu 6. Zeitaufwand:
- Relativ groß, da nach verschiedenen Seiten hin verhandelt wird
- „Mehrfaches Sondieren, Vorbringen und Revidieren von Vorschlägen kostet Zeit.“[26]
Zu 7. Wirkung: kurativ – akut – präventiv:
- Ansatzpunkt der Vermittlung ist die akute Konfliktsituation
- Präventive Neigung: Beendigung des Konflikts muß so gestaltet werden, daß alte Konflikte nicht wieder aufbrechen („Auch ein Kompromiß kann als Unterdrückung erlebt werden.“[27] )
3 Wie hat sich Mediation entwickelt?
3.1 Historische Ursprünge
Viele Kulturen kennen das Konzept der Mediation – in gleicher oder ähnlicher Form – bereits lange. Allen gemeinsam ist die Idee, daß ein Dritter den Parteien eines Konfliktes zu einer kooperativen Lösung verhilft. Mähler und Mähler gehen 1995 sogar soweit, die Mediation als archetypische Konfliktlösungsform zu bezeichnen[28].
In China wird basierend auf der Lehre des Konfuzius seit der Antike bis heute eine mediative Konfliktlösung praktiziert, die die Werte „Moral“ und „Harmonie“ idealisiert und anstrebt.
In Japan wurde die Vermittlerrolle von Dorfältesten wahrgenommen. Bis heute zeichnet sich der japanische Verhandlungsstil durch die Wertschätzung persönlicher Beziehungen und durch versöhnlichen Umgang aus.
Ebenso sind in Afrika mediationsähnliche Modelle zur Konfliktbehebung beobachtet worden: Der Kpelle-Stamm aus Liberia beruft eine Dorf- oder Nachbarschaftsversammlung ein, der der Dorfälteste als Mediator vorsteht. Dieses Modell hat laut Marx[29] sogar als Inspiration bei der Einrichtung kommunaler Konfliktvermittlungszentren in den USA beigetragen, nachdem Kulturanthropologen Forschungsberichte darüber herausgebracht hatten.
Eine in der Literatur recht wenig beachtete Variante ist die Vermittlungstradition der sog. „Wasta“ ( = Mittler, Mitte) im arabischen Raum.
Selbst im Neuen Testament äußert Paulus den Mitgliedern seiner Gemeinde gegenüber den Rat, Auseinandersetzungen nicht vor einem weltlichen Gericht zu lösen, sondern in der Gemeinde selbst[30].
Die Art der Mediation, die unserem jetzigen Verständnis nahe kommt, verbreitete sich jedoch zunächst, und zwar recht früh, in den USA: Bei der Gründung des Arbeitsministeriums 1913 wurde gleichzeitig ein „Comissioner of Conciliation“ ( = Beauftragter für Versöhnung) eingesetzt und gesetzlich fixiert[31]. Dieser Mediator der ersten Stunde bearbeitete arbeitsweltbezogene Streitigkeiten. Zeitlich parallel dazu wandten verschiedene Einwanderergruppen mediationsähnliche Konfliktlösungsstrategien an, die sie aus ihrer ursprünglichen Heimat mitgebracht hatten und innerhalb religiöser und kultureller Gemeinden einsetzten.[32]
Ende der 60er Jahre gaben die Bürgerrechts- und Friedensbewegungen mit ihren Forderungen nach Selbstbestimmung der Bürger der Mediation einen zusätzlichen Entwicklungsimpuls, denn sie waren gegen eine übermäßige Bürokratisierung des täglichen Lebens und somit auch gegen den übermäßigen Einsatz von verwaltungsangehörigen Institutionen zur Streitschlichtung bzw. Konfliktlösung. Friedensbewegungen betrachteten die unautoritäre, kooperative und gewaltablehnende Art der mediativen Streitbeilegung als konstruktiven Beitrag zur allmählichen Durchsetzung ihrer Interessen und Ziele. Es entwickelte sich hieraus die Idee der „Alternative Dispute Resolution“ (ADR), übersetzt der alternativen Streit-Lösung.[33]
3.2 Geburt der heutigen Mediationsbewegung
Marx führt die Geburt der Mediationsbewegung auf die „Pound-Konferenz“[34] im Jahre 1976 zurück, an der verschiedene Richter, Rechtsanwälte und Professoren teilnahmen. Es war Ziel der Konferenz, die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem juristischen System zu hinterfragen und auf ihre Ursachen hin zu untersuchen. Erstes Produkt dieser Untersuchungen waren die öffentlich geförderten Nachbarschafts-Rechts-Zentren („Neighbourhood-Justice-Center“), die sich im Laufe der Zeit in vielen amerikanischen Bundesstaaten etablieren konnten.
Ebenfalls in den 70er Jahren zeigte sich im Bereich der Ehescheidungs- und Sorgerechtskonflikte eine progressive Entwicklung hin zur einvernehmlichen Lösung der offenstehenden Fragen im mediativen Stil. Zu diesem Zweck wurden eigens Versöhnungsgerichte („Conciliation Courts“) eingerichtet, die nach positiver Bewertung der Bewährungsphase zunächst in Kalifornien (1980), später in der Mehrzahl der US-Bundesstaaten fest institutionalisiert und gesetzlich verankert wurden.[35]
Dieser Bereich der sog. Familienmediation entwickelte sich am dynamischsten und hat bis heute sehr weite Verbreitung gefunden. „Inzwischen hat sich die Methode der Mediation in den USA als komplementäre Konfliktlösungsstrategie neben dem traditionellen justizförmigen Verfahren mit beachtlichem Erfolg etabliert. Sie ist keine isolierte Erscheinung der jüngeren Rechtsgeschichte, sondern Bestandteil eines ganzen Systems alternativer Formen der Konfliktregelung, für die sich der Begriff ‚Alternative Dispute Resolution’ (ADR) eingebürgert hat...“ (Marx 1999, S. 13).
Auch die Anwendung von Mediation in Schulen ist in den USA schnell und stark angewachsen. Die „National Association for Mediation in Education (NAME)”, zu deutsch die Nationale Vereinigung für Mediation in der Pädagogik, schätzt, daß im Jahr ihrer Gründung 1984 ca. 50 schulbezogene Konfliktlösungsprogramme existierten. 1995 waren es schon weit über 5000. Manche Programme waren oder sind sehr weitläufig angelegt und überspannen bis zu mehreren hundert Schulen, mehrere Bundesstaaten[36] oder lange Zeiträume[37].[38].
Die kurze historische Betrachtung der letzten beiden Kapitel zeigt auf, daß es sich bei Mediation keineswegs um ein neues Konzept handelt. Ebenso läßt sich aber erkennen, daß in unseren Breiten keine so tiefe Verwurzelung des Konzeptes in Gesellschaft und Kultur vorzufinden ist wie vielleicht in den oben erwähnten Ländern oder Kulturen, was eine Erklärung für so manche Anwendungs- und Entwicklungshemmung oder Durchsetzungs- und Anerkennungsprobleme sein kann; dabei fußt die Idee der Mediation direkt auf christlichen Grundwerten wie Vergebung und Versöhnung und ist dadurch auch in unserem Kulturkreis präsent.
Im folgenden Kapitel möchte ich kurz beschreiben, wie sich Mediation in Deutschland entwickelt hat und für welche Anwendungsbereiche sie bisher entdeckt wurde.
3.3 Mediation in Deutschland
3.3.1 Anfänge und Entwicklung
In Deutschland wurde von der Mediationsmethode erstmals zu Beginn der 80er Jahre Notiz genommen, und zwar im Feld der Trennungs- und Scheidungsjustiz. Erste größere Resonanz erklang allerdings erst auf einen Vortrag von Roland Proksch[39] anläßlich des „Kleinen Familiengerichtstages“ der Evangelischen Akademie Arnoldshain im Jahre 1988, in dem Mediation als Modell zur außergerichtlichen Konfliktlösung bei Trennung und Scheidung vorgestellt wurde. Im Anschluß an die Tagung wurden Arbeitskreise gegründet, die sich netzwerkartig miteinander verbanden. Ab 1989 wurden erste Seminare zum Thema unter der Leitung amerikanischer Trainer durchgeführt. Im weiteren zeitlichen Verlauf wurden mehrere Beiträge veröffentlicht, die das Thema einer breiteren Fachöffentlichkeit zugänglich machten, und auf verschiedenen Tagungen[40] wurde Mediation zum Arbeitsthema, als Haupt- wie auch alsNebenthema.
Mediation wurde auch zum Gegenstand von Forschungsvorhaben, so wurde z.B. unter Leitung von Roland Proksch der Einsatz von Mediation als Arbeitsmethode in Jugendämtern untersucht;[41] oder auch unter Reiner Bastine, Leiter der Praxis- und Forschungsstelle für Psychotherapie und Beratung der Universität Heidelberg, die Mediation in Scheidungsfällen untersucht.[42]
Das Interesse am Mediationskonzept ging also recht früh über den juristischen Fachbereich hinaus und auf die Sozialwissenschaften über. Dies zeigt sich u.a. auch an der Verbindung der Diskussion der Mediation in Zusammenhang mit dem Kindschaftsrecht[43], Gewaltprävention an Schulen[44] oder der Erziehungsberatung[45].
Es kam schließlich auch zur Gründung verschiedener Verbände, die nach eigenen Angaben zum Ziel haben, Qualitätskriterien zu entwickeln, Ausbildungsrichtlinien zu erarbeiten, Professionalisierung zu fördern, Netzwerkarbeit zu koordinieren oder Fachdiskussionen zu initiieren usw.. Dazu gehören beispielsweise der Bundesverband Mediation oder auch die Bundesarbeitsgemeinschaft für Familienmediation (vgl. Kap. 3.3.2).
Die Anwendung der Mediationsmethode konzentrierte sich zunächst mehr oder weniger auf den Bereich der Trennung und Scheidung. Eine breitere Öffentlichkeit erreichte sie aber erst insbesondere durch das Auftauchen des Mediationsbegriffes in der Diskussion um gestiegene Gewaltbereitschaft an Schulen. Unter dem Druck von Politik und Gesellschaft wurden Programme entwickelt, die zur Lösung dieses Schulproblems beitragen sollten. Dabei wurde die Mediationsmethode als eine Variante der Konfliktlösung dankbar aufgenommen. Im Rahmen dieser Konzepte wurde sie teils eingebunden oder auch als tragender Baustein eines Programms eingearbeitet.[46]
Doch nicht nur in der Schule, auch in der Jugendhilfe entwickelten sich einige Ideen zur Einbindung und Umsetzung des Mediationskonzeptes im Arbeitsalltag. Die Implementierung der Mediationsmethode als festen Bestandteil der Arbeit in Jugendämtern oder Erziehungsberatungsstellen wurde trotz früh einsetzender Beschäftigung der Wissenschaft mit dem Thema kaum umgesetzt, was an den existierenden Verwaltungs- und Organisationsstrukturen liegen kann, aber auch am niedrigen Bekanntheitsgrad des Konzeptes[47]
Auch die Lösung von Nachbarschaftskonflikten, Umweltkonflikten oder Konflikten in Betrieben und Behörden werden in der BRD laut Haumersen/ Liebe[48] in zunehmendem Maße mit Hilfe der Mediation gelöst.
Besondere Beachtung ist sicherlich der Einführung des Täter-Opfer-Ausgleichs (T-O-A) zu schenken. In diesem Prozeß, der zwischen – meist jugendlichen – Tätern und Opfern krimineller oder gewalttätiger Handlungen abläuft, sollen die Beteiligten aktiv in die Entscheidung über die Wiedergutmachung der jeweiligen Tat eingreifen, indem sie gemeinsam darüber verhandeln und beraten. Dabei werden zwei Ziele verfolgt: Zum einen die Schadenersatzleistung, zum anderen der psychologische Effekt der erneuten Konfrontation nach der Tat in neu verteilten Rollen und unter Begleitung eben durch einen Mediator. Diese Vorgehensweise ist bemerkenswert, weil hier mit Hilfe der Mediationsmethode nicht nur eine neue Herangehensweise, sondern ein Paradigmenwechsel bezüglich der Bilder von Opfer und Täter in der Strafjustiz erreicht werden kann, auch wenn das gängige Vergeltungsdenken in der Strafjustiz noch nicht überwunden ist.[49]
3.3.2 Stand der Verbände, Arbeitskreise und Institute
In Deutschland hat die Mediation bereits ein größere verbandliche Entwicklung durchgemacht. Es hat sich über die wenigen Jahre, in denen Mediation wahrgenommen und praktiziert wird, eine ansehnliche Zahl von Fachverbänden, Arbeitsgemeinschaften oder sonstigen Zusammenschlüssen entwickelt. Ich beschränke mich bei meinen Angaben[50] im Folgenden auf Deutschland, möchte zugleich aber erwähnen, daß sich im näheren europäischen Raum eine ähnliche Entwicklung vollzogen hat[51]. Nach Angaben der Centrale für Mediation existieren in Deutschland folgende größere Vereine und Verbände[52]:
- Bundesarbeitsgemeinschaft für Familien-Mediation e.V.
- Bundesverband Mediation e. V. Fachverband zur Förderung der Verständigung in Konflikten
- Bundesverband Mediation in Wirtschaft und Arbeitswelt (BMWA)
- Deutsche Gesellschaft für Mediation in der Wirtschaft e. V. (DGMW)
- Gesellschaft für Wirtschaftsmediation und Konfliktmanagement e.V. (gwmk)
Weitere Institute und Gruppen, die sich mit Mediation beschäftigen, sind:[53]
- Arbeitsgemeinschaft Mediation im Deutschen Anwaltverein (DAV)
Ausschuß Außergerichtliche Konfliktbeilegung im DAV
- Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK)
- Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e. V. (BDP)
- Centrum für Wirtschaftsmediation in Lippe (CWL)
- Centrum für Verhandlungen und Mediation (CVM)
- Deutsche Gesellschaft für Mediation (DGM)
- Förderverein Umweltmediation im öffentlichen Bereich e. V.
- Forum für Verhandlung und Mediation
- Gesellschaft für Schlichtung und Mediation e. V.
- Stuttgarter Institut für Konfliktbewältigung e. V. (S.I.K.)
Des weiteren werden zum Thema verschiedene gedruckte und elektronische Periodika herausgebracht. Zu den gedruckten Fachzeitschriften zählen die „ZKM Zeitschrift für Konfliktmanagement“ (Hrsg.: Centrale für Mediation (Tochtergesellschaft des Verlags Dr. Otto Schmidt Köln), „Kon:Sens“ (Hrsg.: Haufe Verlag Berlin) und „Forum Mediation“ (Hrsg.: Schweizerischer Verein für Mediation). Weniger umfangreiche Info-Blätter oder elektronische Periodika (sog. Newsletter) werden z.B. vom Bundesverband Mediation e.V. oder Bundesverband Mediation in Wirtschaft und Arbeitswelt herausgebracht.[54]
3.3.3 Die Mediationsausbildung
Eine Mediations-Ausbildung gibt es in Deutschland seit 1992. Sie wird angeboten für Juristen und Angehörige psychosozialer Berufsgruppen mit entsprechender Vorerfahrung.[55]
Mittlerweile existieren ca. 56 Ausbildungsinstitute in Deutschland[56]. Daneben werden auch Einführungs- und Fortbildungsseminare angeboten, die die Teilnehmer nicht zu einem Zertifikat führen.
In den Hochschulen wird Mediation auch erst in jüngster Zeit Thema von Lehrveranstaltungen. Hochschulangebundene Ausbildungen gibt es z.B. an den Universitäten Mannheim, Oldenburg oder auch der Fernuniversität Hagen; insgesamt 9 der oben angegebenen 56 Ausbildungsinstitute sind Hochschulen.
Probleme bei der Durchsetzung der Ausbildung entstehen sicherlich durch die hohen Kosten[57] und durch die Tatsache, daß eine Anerkennung als Mediator durch einen Fachverband zur Ausübung des Berufes „Mediator“ nicht zwingend nötig ist, d.h. jeder kann sich die Berufsbezeichnung „Mediator“ zulegen und als solcher tätig werden. Die spezifisch ausgebildeten und anerkannten Mediatoren erkennt man nur an ihren Zusätzen in der Berufsbezeichnung, beispielsweise „Mediator BM“ für die Ausbildung durch ein vom Berufsverband Mediation anerkanntes Institut.
Nichtsdestotrotz entwickeln die Verbände Ausbildungsrichtlinien und Qualitätssicherungsmaßnahmen für die Berufsausbildung und –ausübung, sicherlich auch, um eine Anerkennung des Berufes zu erreichen.
4 Mediation – ein pädagogisches Konzept?
4.1 Kriterien eines pädagogischen Konzepts
Um ein pädagogisches Konzept erkennen zu können, muß man erst einmal herausfinden, was genau die Kriterien sind, die ein pädagogisches Konzept ausmachen. Genau diese Merkmale sollen im folgenden Kapitel herausgearbeitet werden, um sie dann im weiteren Verlauf der Arbeit an das Konzept der Mediation anlegen zu können. Dadurch möchte ich die Frage beantworten können, ob es sich bei Mediation um ein pädagogisches Konzept handelt.
4.1.1 Grundbegriffe: Erziehung, Bildung und Lernen
Was versteht man eigentlich unter Erziehung? Wodurch zeichnen sich Handlungen aus, die als Erziehung betrachtet werden?
Zunächst muß festgestellt werden, daß es einen Unterschied zwischen dem Alltagsbegriff und dem Wissenschaftsbegriff von Erziehung gibt. Der Begriff der Erziehung ist des weiteren nicht eindeutig zu bestimmen, da er sehr stark von dem ihn umgebenden Kontext beeinflußt ist bzw. sich überhaupt erst nur daraus erschließen läßt.[58] Erziehung kann „...ein Prozeß wie dessen Ergebnis, eine Absicht wie eine Handeln, ein Zustand wie dessen Bedingungen, eine (deskriptive) Beschreibung und eine (präskriptive) Wertung, eine absichtsvolle Handlung (intentional) wie absichtlose gesellschaftliche Einflüsse (funktional), ein historisches Phänomen wie überzeitliches usw.“[59] sein.
Laut Brezinka werden ganz allgemein „Als Erziehung ... Handlungen bezeichnet, durch die Menschen versuchen, die Persönlichkeit anderer Menschen in irgendeiner Hinsicht zu fördern.“[60]
Um den Begriff wissenschaftlich verarbeiten zu können, ist eine Definition grundsätzlich vonnöten. Diese hängt von der Verwendungsabsicht, von der Gruppe der Edukanden (z.B. Kinder oder Erwachsene), vom Bild der Edukanden (z.B. passive oder aktive Rolle im Erziehungsprozeß), von den zu erreichenden Erziehungszielen (z.B. Gehorsam, Selbständigkeit), von den zugrundeliegenden Werten (z.B. verantwortungsvolle Lebensführung, Solidaritätsfähigkeit) und den heranzuziehenden Mitteln und Methoden (z.B. Lob und Tadel, Gespräch) ab.
Erziehung will also eine bestimmte Disposition beim Edukandus erreichen, d.h. Erziehung ist absichtsvolles Handeln, das auf Erweiterung und Verbesserung der dauerhaften Kenntnisse, Haltungen, Einstellungen, Interessen etc. abzielt, mindestens aber auf Beständigkeit. Sie ist als Teil der Sozialisation zu verstehen, als „Sozialmachung“ innerhalb der „Sozialwerdung“.[61].
Fend[62] stellt in einer Definition dar, daß Erziehung eine absichtliche, durchgeplante, zielgerichtete Handlung ist, durch die Lernvorgänge initiiert oder unterstützt werden, mithilfe derer wünschenswerte Dispositionen und Verhaltensweisen hergestellt werden sollen. Auch hier zeigt sich, daß der Erziehungsbegriff äußerst stark an das Menschen- und Weltbild sowie die Werte des Erziehers gebunden ist, denn dieser bestimmt, welche Dispositionen „wünschenswert“ sind, läßt dem Edukandus aber zumindest teilweise Handlungsspielraum, da er nicht nur bestimmend, sondern auch begleitend und unterstützend wirkt; der Edukandus wird also nicht als reines Objekt des Erzieherhandelns gesehen.
[...]
[1] Marx 1999, S.16
[2] Marx 1999, S. 17
[3] Eine kurzfristige Parteinahme ist höchstens als zielgerichtetes, methodisches Vorgehen legitimiert
[4] Centrale für Mediation 2002
[5] Dies gilt -wie alle anderen Aussagen in diesem Kapitel- für den idealtypischen Mediationsfall. Im Zusammenhang mit der Jugendhilfe bzw. dem Jugendstrafrecht in der BRD oder den Scheidungsverfahren in den USA beispielsweise gibt es andere Ansätze, bei denen der Gang zum Mediator auf Anordnung oder nach Verfahrensvorschrift erfolgt; vgl. hierzu Kapitel 5.3
[6] Laut Marx (1999) ergaben jedoch verschiedene Untersuchungen (Pearsons/Thomas 1989, Depner 1992, Kelly/Duryee 1992, Irving/Benjamin 1992), daß es keine Auswirkung auf die Rate der positiv abgeschlossenen Mediationen (je nach Studie 50-85%) hat, ob diese freiwillig initiiert oder angeordnet wurden.
[7] Centrale für Mediation 2002
[8] Centrale für Mediation 2002
[9] Centrale für Mediation
[10] Simsa 2001, S. 9
[11] Marx 1999, S. 18
[12] Dieser Ansatz steht im Gegensatz zum sog. „Nullsummenspiel“: Es gilt, bestimmte begrenzte Ressourcen zu verteilen. Bestehen beide Parteien auf die komplette Ressource, so wird einer alles bekommen, der andere leer ausgehen.= Win / Lose-Lösung; Was des Einen Verlust, ist des Anderen Gewinn.
[13] Marx 1999
[14] Sollte allerdings festgestellt werden, daß bei der Umsetzung der Lösung Unzufriedenheiten oder gar neue Konflikte auftreten, kann der Konflikt natürlich neu mediiert werden. Die Lösung ist also verbindlich, aber nicht endgültig.
[15] Marx 1999, S. 19
[16] vgl. Simsa 2001
[17] Gilt auch hier wieder für die idealtypische Grundform der Mediation. Es existieren abweichende Ansätze.
[18] Hammerbacher 2000 , S. 93f
[19] vgl. hierzu die Diskussion darüber, ob ein Mediator den Inhalt des zu mediierenden Konflikts betreffend „vom Fach“ sein sollte oder eben gerade nicht, um nicht – bewußt oder unbewußt – eine lenkende Position einzunehmen und somit das Arbeitsergebnis der Streitlösung zu verfälschen (vgl. Haumersen / Liebe 1999, S. 17)
[20] Glasl 19996, S. 376
[21] Beschreibt, bei wem die Durchsetzungsmacht liegt und wie groß sie ist.
[22] Beschreibt, wie groß der physische/ psychische Abstand ist, der durch den Konflikt zwischen den Parteien entstanden ist und wie die Drittpartei damit umgeht.
[23] Glasl 1999
[24] „Perzeption“ ist einer der Kernbegriffe im Werk Glasls und bedeutet soviel wie „gedankliche Aufnahme“
[25] Glasl 1999. S. 385
[26] Glasl 1999, S. 386
[27] Glasl 1999; S. 387
[28] vgl. Marx 1999, S. 9
[29] Marx 1999, S. 9
[30] Marx 1999, S. 10: Erster Korintherbrief, Kap 6, 1-4
[31] Marx 1999, S. 12
[32] Marx 1999, S. 12
[33] Haumersen/ Liebe, S. 8: Erklärung des Begriffes ADR: ADR steht für eine Gesamtheit von informellern Konfliktlösungsverfahren, zu denen auch die Mediation gehört und die in den USA alternativ zu bürokratisch herbeigeführten Lösungen angewandt werden
[34] Pound-Konferenz, 7.-9. April 1976, Eigentlicher Name der Konferenz: “National Conference on the Causes of Popular Dissatisfaction with the Administration of Justice” (Nationale Konferenz über die Gründe der öffentlichen Unzufriedenheit mit der gerichtlichen Verwaltung); Veranstalter: Die “American Bar Association” (Amerikanische Anwaltskammer) und die “Judicial Conference of the United States” (Bundesrichterversammlung der USA); Grund für die Namensgebung: Die Konferenz wurde oft respektvoll verglichen mit der "Pound Conference", geleitet von Roscoe Pound, und dessen Grundsatzrede von 1906 mit dem Titel ´The Causes of Popular Dissatisfaction with the Administration of Justice´, weiterhin bezogen auf die daran anknüpfende Beschäftigung der Anwaltskammer mit dem Thema. (vgl. LawNetCom 1996)
[35] Bereits 1939 wurden in Kalifornien gerichtseingebundene Versöhnungsberatungsstellen eingerichtet. 1973 begann in L.A. die Erprobung der Arbeit mit Conciliation Courts (C.C.), an die hochstrittige Sorgerechtsfälle geleitet wurden. Aufgrund des hohen Erfolgs wurden bald alle strittigen Sorgerechtsangelegenheiten an die C.C. abgegeben. Diese Praxis fand 1980 ihre gesetzmäßige Verankerung: Der Gang zum C.C. wurde in diesen Fällen obligatorisch (vgl. Wiedermann/Rössler)
[36] Z.B. das Programm „Responding to Conflict Creatively“, initiiert und getragen von „Educators for Social Responsibility“, das bundesweit in über 300 Schulen operiert.
[37] Z.B. das Schulmediationsprogramm des „New Mexico Center for Dispute Resolution“, das in 10 Jahren Laufzeit rund 30000 Schüler erreicht hat.
[38] Vgl. Girard 1995. Auf dieses Thema einzugehen würde vermutlich eine eigene Arbeit in Anspruch nehmen, aber es zeigt sich gleich, daß eine 1:1-Übertragung auf Deutschland nicht möglich ist, schon wegen der Kulturhoheit der Länder und der damit verbundenen Schwierigkeit, bundesweite Schulprogramme durchzuführen
[39] Prof. Dr. Roland Proksch, Präsident der Evangelischen Fachhochschule Nürnberg, Vorsitzender des Bayerischen Jugendhilfeausschusses, Arbeitsschwerpunkte: SGH, BSHG, KJHG, INSO, Konfliktmanagement, Mediation
[40] vgl. Mähler/ Mähler 1995
[41] vgl. Proksch 1998
[42] vgl. Bastine, R.; Weinmann-Lutz, B. (1995b)
[43] vgl. Amthor/Proksch/Sievering 1993; Evangelische Akademie Bad Boll: Tagung ‚Mediation und Kindschaftsrecht’, 1992
[44] vgl. Walker 1995; Faller 1996
[45] vgl. Bundeskonferenz für Erziehungsberatung: Mediationskongreß, Kassel 1993 und 1995
[46] vgl. Faller/Kerntke/Wackmann 1996; Simsa 2001; Faller 1998; Hagedorn 1995; Prutzmann/Stern/Burger 1996; Walker 1995a u. b
[47] vgl. auch Kap. 5.1
[48] Haumersen/ Liebe 1999
[49] vgl Kapitel 5.3
[50] ohne Anspruch auf Vollständigkeit
[51]:Verbände und Institutionen außerhalb Deutschlands gibt es insbesondere in der Schweiz, Österreich, Großbritannien und Schweden. (vgl. Centrale für Mediation 2001)
[52] Quelle: Internetseite der Centrale für Mediation, Stand: April 2001
[53] Quelle: Internetseite von WennZweiSichStreiten, Stand: 2.07.2002
[54] Eine Auflistung wichtiger Internetadressen siehe Anhang III
[55] vgl. Bundesverband Mediation e.V. 2000
[56] vgl. Internetseite der Centrale für Mediation, Stand: Januar 2002
[57] Z.B. Fortbildung „Systemische Mediation in der Pädagogischen und Sozialen Arbeit in krisen- und gewaltbesetzten Situationen“, Veranstalter: ISS-Frankfurt a.M. und das Medius-Institut Offenbach, Kosten insg.: 3600€ zzgl. Fahrt, Unterkunft und Verpflegung
[58] Inhaltliche Ausdeutungen und Sinngebungen sind absolut abhängig von gesellschaftlich-kulturellen Begebenheiten; Mittel und Ziele der Erziehung ergeben sich nur daraus. Eine Definition kann daher nur sehr weit gefaßt sein, um alles gesellschaftlich-kulturellen Begebenheiten einzuschließen (was bei der wissenschaftlichen Verarbeitung Unklarheiten verursachen kann) oder muß den gesellschaftlich-kulturellen Kontext einbinden (was die Definition enger macht und die Verwendung daher beschränkt).
[59] Gudjons 1995, S. 182
[60] Brezinka 1990, zit. nach Gudjons 1995, S. 185
[61] Gudjons 1995, S. 178
[62] Fend 1971b, S. 49f
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