Der Jugendstil in der Lyrik


Presentation / Essay (Pre-University), 1999

16 Pages, Grade: 1


Excerpt


Autor: Sven Krueger

Jugendstil in der Lyrik

1. Entstehung des Jugendstils:

Der Jugendstil kam um 1895 auf. Er sollte sich gegenüber dem Stilpluralismus der vergangenen Jahre absetzen, der zum Beispiel im Historismus seinen Ausdruck fand: Der eine baute sein Haus im Stile der Gotik, ein anderer in dem der Renaissance. Versuchte man im Historismus noch in vergangenen Epochen das jeweils "Beste" zu finden, so sollte der Jugendstil etwas Neues und Unverbrauchtes bringen. Georg Hirth, der Herausgeber der Zeitung Jugend sagte hierüber:

"Jugend ist Daseinsfreude, Genußfähigkeit, Hoffnung und Liebe, Glaube an die Menschen - Jugend ist Farbe, ist Form und Licht."

Auch begünstigen Massenproduktion und Konsum den neuen Stil. Allerdings gibt es dann auch im Jugendstil eine Richtung die diese "Massenware Kunst" ablehnen. Dies sind die Wurzeln aus denen der Jugendstil wachsen sollte.

2. Anspruch und Technik des Jugendstils

Es ist schwer genau zu definieren, was der Jugendstil will, bedeutet und was er erreicht hat. Dies liegt daran, das es zwar Grundlegende Formen gibt, diese Techniken aber oft unterschiedlich angewandt wurden. Deshalb werde ich jetzt als erstes die Techniken des Jugendstils erläutern, da vorallem diese ihn ausmachen. Die Einzelnen Künstler benutzen diese Techniken für verschiedene Ziele und mit verschiedenen Absichten. Aber sie sind es die all diese Künstler verbinden und dem Jugendstil zuordnen.

Der Jugendstil wird von der Linie bestimmt, bleibt also in der Fläche. Die Linie ist aber keine gerade, geometrische, sondern eine geschwungene, lebendige. Die Linien bilden Ornamente, welche die Gegenstände des Jugendstils sind. Der abgebildete Gegenstand ist dabei bedeutungslos. Nur das Ornament zählt. Die dargestellten Objekte scheinen stillzustehen, zu verharren, als ob sie von dem Künstler konserviert würden. Die abgebildeten Gegenstände werden scharf von einander getrennt und durch das Ornament als Rahmen von der Außenwelt abgeschlossen. Claude David sagt hierüber: "Der Rahmen, in den übrigens meistens die Hauptfiguren unentrinnbar verwoben sind, bildet gleichsam um das Bild herum einen magischen Zirkel, einen Schutzwall, der es von der übrigen Welt heraushebt wie eine Insel der Ruhe und der Geborgenheit mitten in einer bedrohlichen Umwelt.".

Die Motive des Jugendstils werden nicht nach Bedeutung, sondern nach Zweck ausgesucht. Das bedeutet, das sie sich vor allem zur Ornamentalisierung eignen müssen. Deshalb sind die bevorzugten Motive des Jugendstils Pflanzen, Tümpel, Weiher, gelegentlich auch der Schwan oder der Flamingo. Auch Frauen tauchen in den Bildern auf. Der Jugendstil Künstler entzündete sich dort vor allem an den Runden Formen, die Frauengestalten werden von den Linien umschmeichelt, umworben.

Soviel zur Technik des Jugendstils. Die Absichten die mit diesen Techniken verfolgt wurden änderten sich mit der Zeit und waren auch zu Anfang schon verschieden.

Der Jugendstil wurde der erste Stil, der auf fast alle Bereiche des Lebens Einfluß nahm. Vor allem durch das Kunstgewerbe, wo die Jugendstilkünstler versuchten einen Einheitlichen Stil zu schaffen, dem Eklektizismus der vorangegangenen Jahre entgegengesetzt. Hier gibt es allerdings schon zwei Richtungen. Auf der einen Seite standen die Künstler, die auch die modernen Produktionsmittel für ihre Arbeit benutzten und eine Art "Volkskunst" etablieren wollten, wie zum Beispiel van der Velde. Auf der anderen Seite hingegen standen die Verfechter des Handwerks, die gegen die moderne Industrie eingestellt waren, und wieder traditionell produzierten. Hier sieht man auch noch größere Unterschiede. Die einen stellen ihre Gegenstände Zweckorientiert her, die Form gibt dem Gegenstand die Schöhnheit, auch entgegengesetzt dem Historismus, der überall an einem Stuhl noch Dekorationen anbrachte. Kurt Bauch beschreibt hingegen einen Stuhl van der Veldes folgendermaßen: "In seiner Form ist er nicht als Architektur, sondern als Gerät verstanden, vom Sitzen und Lehnen her entwickelt in durchlaufenden Flächen und Streben. Bequem und gepflegt, wenn auch ohne jeden Schmuck, erfüllt er seinen Sinn.". Hier weist der Jugendstil schon auf die Neue Sachlichkeit hin, ist also progressiv.

Meistens allerdings ist der Jugendstil Ästhetizismus, geht vom Gegenstand weg, wird abstrakt, nur noch ornamental. Auch mit dieser Abstraktheit zeigt er schon künftige Entwicklungen an. Hier ist das abstrakte Ornament vervollkommnet. Nun aber wird er immer mehr nur noch dekorativ, exklusiv und es zeigt sich in ihm immer mehr die Dekadenz des fin de siècle. Er ist nicht mehr so formgebunden, sondern oft nur noch dekorativ, zur Ergötzung der Augen. Hier fällt er wieder zurück in die Gebiete die er eigentlich verlassen wollte. Kleine Eliten flüchten sich in ihre eigene kleine Welt, eben diese vollkommene Insel in einer bedrohlichen Umwelt.

Diese Dekadenz wird dann aber von der Moderne überwunden. Man kann also im Jugendstil einen Zwischenschritt zu ihr sehen, da er viele Ansätze besitzt, die später weiter verfolgt werden. Der Jugendstil ist also auf der einen Seite progressiv, auf der anderen Seite allerdings reactiv.

Der Jugendstil in der Literatur:

In der Literatur gibt es den Jugendstil nicht in so großem Maße wie in der bildenden Kunst. Er beschränkt sich eher auf die kleinen Formen, wie vor allem Gedichte. Man muß hierzu anmerken, daß keiner der folgenden Dichter sich als Jugendstildichter verstanden hat, da der Begriff erst nachträglich gebildet worden ist, um eine Einordnung zu ermöglichen. Daher muß zuerst festgelegt werden, was Jugendstil in der Lyrik bedeuten soll.

Man kann zum einen von den Motiven und den Vorstellungen der Dichter ausgehen. So will der Jugendstil die Gesellschaft und Politik in biologische Naturformen zurückbringen. Dieses biologische Denken geht auch von der damaligen Trieblehre aus: "sie leugnete die moralische Verantwortung des Menschen für ererbte Defekte und angeborene Eigenschaften;". Geht man von dieser Seite heran, so ist zum Beispiel Wedekind ein Vertreter des Jugendstils. Der Jugendstildichter entnimmt seine Gestalten meist aus Mythen, zum einen um eine gewisse Exclusivität zu zeigen, zum anderen aber auch, um zu beweisen, daß man die Geschichte nicht für die Kunst braucht. Die Person ist nicht wichtig. Der Jugendstildichter läßt nicht mehr die Natur auf sich wirken, er erschafft seine eigene, erlesene Natur. Der Künstler sieht sich somit als Schöpfer einer eigenen, elitären Welt. Diese Welt ist ornamental.

Wie dieses ornamentale in der Lyrik aussieht werde ich nun behandeln. Es ist sozusagen die Technik des Jugendstils. Das Ornament macht vorallem die Sprachgebärde aus. Volker Klotz definiert sie als "gemessen hinweisende Bewegung, ein sichtbares Tun, dessen Zweck vor dem Wie erlischt". Hier sieht man das auch hier nicht der Gegenstand, die Tat wichtig ist, sondern die Art ihrer Beschreibung. Eine Gebärde ist aber nach dieser Definition nicht irgendein Wie, sondern eins das jeden Sinn übersteigt. Um diese Gebärde nun zu betonen muß der Dichter die Aufmerksamkeit von der Tat, das heißt dem Verb, ablenken.

Er kann dies tun, indem er die Aufmerksamkeit durch modale Adverbien auf das Wie der Tat lenkt. Zugleich schränkt er das Verb dadurch ein, das es kein Objekt hat, oder höchstens das Subjekt selber. Dadurch entstehen "Bilder", die stillzustehen scheinen. Soll einmal doch eine Aktion entstehen, so kann er nicht ein Verb benutzen.

Stattdessen wird diese Aktion dem Gegenstand entnommen und als Adjektiv vorangestellt (z.B. feuerbergende Fläche). So erscheint die Handlung in das Bild gelegt worden zu sein, sie muß nicht geschehen, sie ist vorhanden. Auffallend beim Jugendstil ist normalerweise auch der Rahmen, das ornamentale. Er wird im Gedicht vorallem durch Adjektive erzeugt. Der Jugendstildichter benutzt sehr viele Adjektive, die sich oftmals gar nicht mehr direkt auf das Subjekt beziehen, eben Randwerk, Ornament sind. Volker Klotz schreibt dazu: "Die Adjektive und Adverbien sollen nicht mehr charakterisieren - sie typisieren gewaltsam und lösen damit die Dinge aus dem gewohnten Zusammenhang, oder sie entziehen sich vollends ihrer dienenden Aufgabe.". Somit sieht man in der Literatur viele Parallelen zur bildenden Kunst. Beide ornamentalisieren, beide flüchten in eine selbstgeschaffene Welt, bei beiden ist diese Welt wie eingefroren und von einer elitären Exquisität. Auch bleibt der Jugendstildichter in der Beschreibung seiner Welt meist in der zweiten Dimension. Insofern kann man also von einem Literarischen Jugendstil sprechen.

Ich werde nun die Gedichte einiger Autoren im Hinblick auf den Jugendstil untersuchen, und die oben genannten Punkte an diesen Beispielen aufzeigen. Alle diese Autoren haben sich später weiter entwickelt, und die meisten ihren eigenen Stil gefunden. Allerdings lassen sich in einigen ihrer Gedichte Jugendstil Motive erkennen.

Otto Julius Bierbaum

Er Entsagt Fahl zieht der Strom in letzter Abendhelle, Bald wird es Nacht und alles Schweigen sein. Nun kommt die Zeit, da ß ich mein Gl ü ck bestelle, Dies schwarze Ä hrenfeld, dies Dein und Mein. Das ist viel stiller, als das tiefste Schweigen Und ist viel schw ä rzer als die tiefste Nacht; Die hohen Halme beugen sich und neigen Ehrf ü rchtig ihrer schweren Ä hren Pracht. Denn du bist dort. In deinem wei ß en Kleide, Von dem ein Leuchten wie von Sternen weht, Und ein Gesang vom Rauschen deiner Seide, Wenn leis dein Fu ß durch diese Ä hren geht.

Analyse zu "Er entsagt":

Dieses Gedicht ist für Bierbaum nicht sehr typisch. Es ist ungewöhnlich ernst und melancholisch. Es beschreibt das Ende einer Liebesbeziehung, still und dekorativ. Zugleich ist es auch mehr als das Ende einer Liebesbeziehung. Es zeigt schon das Ende einer Epoche. Noch ein letztes Mal wird alle lyrische Kraft, die die Epoche hergibt aufgewandt um diesen Untergang zu beschreiben.

In diesem Gedicht gibt es eine gewisse Entrücktheit vom Geschehen, es werden nicht die Gefühle ausgedrückt, die das lyrische Ich empfindet, sondern die ganze Szenerie scheint erstarrt und von einem entrückten Standpunkt aus gesehen. Dies ist nun aber typisch für den Jugendstil.

Ebenso lassen sich viele der oben aufgezählten Techniken und Motive erkennen. So wird beispielsweise in Zeile zwei "Schweigen sein", anstatt das "alles schweigt". Die Aktion des Schweigens wird in die Zukunft verlegt, und dort als Zustand festgelegt. Es gibt keine Bewegung oder Aktion. Die Szenerie steht still, ist ein Bild der Situation, in dem sich zwar geschwungene, erlesene Bewegung andeutet, aber im Augenblick, im Reglosen verharrt.

In der zweiten Strophe werden die Halme beschrieben, wie sie sich beugen und neigen. Hier läßt sich die geschwungene Linie des Jugendstils auch in der Literatur erkennen. Der Halm ist ein ästhetisches Objekt, das sich vom Motiv wie auch von seiner Art in den Jugendstil einpaßt. Das es die geschwungene Linie ist, die hier gezeigt wird erkennt man schon an dem neigen und beugen. Man sieht förmlich, wie die Halme sich im leichten Wind in erhabenen Bewegungen krümmen. Zugleich liegt in diesen Halmen eine gewisse Dekadenz, an der sich auch das Ende ablesen läßt, wenn sie ihrer Ähren Pracht Ehrfürchtig tragen. Die Exclusivität dieser Begriffe und das Ehrfürchtige aber besonders auch die Schwere zeugen von dieser Überreife der Epoche, die sich schon im Untergang befindet, aber in der Kultur noch einmal die letzten Früchte einfährt.

Diese Szenerie erinnert mich an Trakls "Verklärter Herbst". Auch Trakl beschreibt ein Ende. Allerdings sind die Mittel und die Ausdrucksmittel ganz andere. Hier sieht man ganz besonders den Unterschied. Auf der einen Seite der Jugendstil, vornehmlich beschreibend, dekorativ, und später der Expressionismus, der nur noch Gefühle und Stimmungen ausdrücken will, und nicht mehr dekorativ ist. Die Abstraktheit findet sich aber auch schon im Jugendstil.

Weiter entdeckt man noch Jugendstilelemente in dem Kontrapunkt zu dem schwarzen Ährenfeld, dem weißen Seidenkleid. Auch in diesem zeigt sich das Geschwungene des Jugendstils. Es wird von Wind umspielt, und so bilden sich viele Falten, geschwungene Linien. Auch das Wehen des Leuchtens von den Sternen erzeugt eine Linie, eine Lichtwelle. Das Licht kommt hier nicht geradlinig auf den Beobachter zu, sondern weht langsam und gemessen zu ihm hin. Auch ist die Person die in diesem Kleid steckt für das Bild nicht wichtig. Sie wird abstrahiert. Die Person ist bedeutungslos. Das Kleid genügt für die Dekoration.

In all diesen Aspekten läßt sich der Jugendstil in diesem Gedicht nachweisen.

Stefan George

Komm in den totgesagten park und schau Komm in den totgesagten park und schau: Der schimmer ferner l ä chelnder gestade Der reinen wolken unverhofftes blau Erhellt die weiher und die bunten pfade. Dort nimm das tiefe gelb das weiche grau Von birken und von buchs der wind ist lau Die sp ä ten rosen welkten noch nicht ganz Erlese k ü sse sie und flicht den kranz Vergiss auch die letzten astern nicht Den purpur um die ranken wilder reben Und auch was ü brig blieb von gr ü nem leben Verwinde leicht im herbstlichen gesicht.

Analyse zu "Komm in den totgesagten park und schau":_

Stefan George und der Jugendstil. Er selbst hätte das wahrscheinlich entrüstet von sich gewiesen. Trotzdem findet man bei ihm in seiner frühen Phase viele Beispiele des Jugendstils. Später freilich hat er seinen eigenen Stil gefunden, frei von allen Schnörkeln und allem Schein. In seinem Frühwerk jedoch tritt sein Hang zum Jugendstil klar hervor.

In diesem Gedicht erkennt man den Jugendstil schon in der gewählten Kulisse. Nicht die Natur wird hier beschrieben, sondern die von Menschen geordnete und erschaffene Welt des Parks. Der Park ist nicht Naturgegeben oder frei gewachsen, sondern er gehorcht dem Willen des Menschen. George erschafft also seine eigene Welt, in der seine Geschichte spielt. Auch dieses florale Motiv ist typisch Jugendstil. Vorallem in dieser archaischen Form. Der Weiher als weiteres Motiv taucht in Zeile 4 auf. So läßt sich schon allein in der Wahl des Ortes und der Motive klar der Jugendstil erkennen.

Auch findet man in diesem Gedicht die für den Jugendstil typische Distanz wieder. Selbst in diesem schmerzlichen Moment des Abschieds wird die Haltung und die Form bewahrt. Ästhetizismus bis zum Schluß. Das lyrische Ich spricht frei von Gefühlen. Es beschreibt die Szenerie, gibt gar Anweisungen, nimmt aber nicht Anteil. So entsteht eine entrückte Melancholie diesen erlesenen und auserwählten Ort und damit die Erinnerung zu verlassen. Der totgesagte Park besitzt eine für den Jugendstil typische Exclusivität. Es wachsen nicht irgendwelche Kräuter in ihm, sondern Rosen und Astern, die durch den Kuß der Geliebten noch eine besondere Stellung bekommen. Der Park ist so ein Ort für eine kleine elitäre Minderheit.

In diesem Gedicht gibt es ebenso wie in fast allen Jugendstilgedichten fast keine Bewegung oder Aktion. Es ist eine Beschreibung des Zustands, die auf jegliche Handlung verzichtet. Man blickt auf die erstarrte Szenerie des totgesagten Parks, festgehalten in diesem melancholischen Augenblick des Abschieds.

Dieses Gedicht ist aber zugleich schon ein Übergang in den späteren George. Schon ist die Landschaft nicht mehr so überbehangen wie noch in den jüngeren Gedichten. Es zeigt sich schon die spätere Eleganz und Klarheit. So ist der Jugendstil hier nicht schwülstig wie sonst so oft, sondern eher zart vorhanden, er zeigt sich von seiner besten Seite.

Rainer Maria Rilke

Der Schwan Diese M ü hsal, durch noch Ungetanes schwer und wie gebunden hinzugehn, gleicht dem ungeschaffnen Gang des Schwanes. Und das Sterben, dieses Nichtmehrfassen jenes Grunds, auf dem wir t ä glich stehn, seinem ä ngstlichen Sich-Niederlassen -: in die Wasser, Sie ihn sanft empfangen und die sich, wie gl ü cklich und vergangen, unter ihm zur ü ckziehn, Flut um Flut; w ä hrend er unendlich still und sicher immer m ü ndiger und k ö niglicher und gelassener zu ziehn geruht.

Analyse zu "Der Schwan":

In diesem Gedicht Rilkes geht es um den Übergang vom Mühsal des Lebens in den Tod, dargestellt durch das Bild des Schwans. Dieser bewegt sich an Land unbeholfen und tolpatschig. Das Wasser hingegen nimmt er als sein Element, indem er sich frei und glücklich bewegen kann. Das Wasser ist das Ziel des Schwans, sowie der Tod das Ziel des Lebens ist. Deshalb ist der wichtigste Punkt für Rilke auch der Übergang des Schwans vom Land zum Wasser, vom Leben zum Tod.

So ist auch dieses Gedicht eine Augenblickaufnahme diesas Übergangs, ausgedrückt durch den Doppelpunkt. Es wohnt in diesem Augenblick eine Ruhe und Erhabenheit, die durch die Kühle und Perfektion aber distanziert wird, die Hoffnung auf eine persönliche Teilhabe an dem Geschehen aufhebt. Diese Distanz und äußere Perfektion aber ist wieder typisch für den Jugendstil. Auch hier bewegt der Schwan sich in einem künstlich angelegten "Park".

Weiter erkennt man Jugendstil Elemente in der Wahl des Schwans als Motiv. Der Schwan ist ein typisches Jugendstilmotiv. Das kommt daher, daß er sehr gut durch geschwungene Linien dargestellt werden kann. Es gibt eine Aura von Majestät um ihn. Er schwimmt nicht, sondern zieht langsam seine Bahnen. Hier wird auch wieder die Bewegung weggenommen. Diese Majestät wird aber auch durch das Verb "geruht" hervorgerufen. Hier zeigt sich die Exclusivität des Jugendstils. Auch die Wortwahl bezieht`erlesenere Wörter wie "mündiger", "königlicher" und "geruht". Ebenso benutzt Rilke gewisse Wortbildungen wie "Nichtmehrfassgn" und "Sich-Niederlassen". Solche Wortbildungen liebt der Jugendstil auch.

Man kann in diesem Gedicht die Jugendstil Einflüsse erkennen. Allerdings ist Rilke hier schon auf dem Weg zu einfacheren Strukturen. Das Ornamentale kommt in diesem Gedicht kaum zum Zug. Nur die geschwungene Linie und die Künstlichkeit des Jugendstils bleiben erhalten.

Ernst Stadler:

Ausblick Der Abend dampft in den gef ü llten Schalen und schwillt aus Glocken blauumkr ä nzter Weiten, die Brunnen gl ü hn wie Ketten von Opalen. Aus strahlend offnen Toren l ä chelnd schreiten in langen Z ü gen blasse ferne Frauen: die schlanken Kr ü ge l ä ssig wiegend gleiten sie in den warmen Sommerglanz dev Auen und schwimmen hin im Duft verlorner Lieder . . Und aus dem s üß gewellten Haar der grauen Zypressen rieseln schon die Schatten nieder.

Analyse zu "Ausblick":

Dieses Gedicht ist für den Jugendstil recht typisch. Es wird deshalb auch von Volker Klotz als Beispiel für ein Jugendstil Gedicht benutzt.

Warum ist dieses Gedicht nun dem Jugendstil zugehörig? Zunächst ist in diesem Gedicht das Ornamentale und die geschwungene Linie sehr gut zu erkennen. So zum Beispiel die "Ketten von Opalen". Die Kette drückt die Linie aus, und der Schmuck dekoriert, ornamentalisiert. Ebenso bei den "schlanken Krügen", wobei hier das schlank die geschwungene Linie repräsentiert. Diese Liste ließe sich beliebig fortführen.

Weiter sieht man in diesem Gedicht auch die Bewegungsarmut. Stadler benutzt für die Bewegung nur "langsame" Verben, denen er ein modales Adverb voranstellt. Er tut dies zum Beispiel in Zeile 4: "lächelnd schreiten" oder in Zeile 6: "wiegend gleiten". Dadurch scheint das ganze Bild statisch, erstarrt zu sein. Eben jener für den Jugendstil so typischer Zustand.

Man erkennt auch, daß in diesem Gedicht die Gegenstände nicht wichtig sind, sondern ihr Aufbau, ihre ornamentale Wirkung ist das bestimmende Element. Der Dichter zwingt die Wirklichkeit in sein Ornament, nicht mehr umgekehrt wie das noch der Impressionismus tat.

Die Exclusivität, wie sie im Jugendstil üblich ist findet sich auch in diesem Gedicht wieder. Wörter wie "Opal" und "Zypressen" beweisen dies. Das Gedicht enthält also für den Jugendstil herausgestellte Formen, gehört also zu ihm.

Fazit:

Außer den von mir hier behandelten Dichtern gibt es noch viele mehr, in deren Werken sich der Jugendstil erkennen läßt. Es seien nur Dehmel, von Hoffmansthal, Mombert, LaskerSchüler, Wedekind, Schikele und Sternheim erwähnt.

Es läßt sich also durchaus zeigen das es etwas wie den Jugendstil auch in der Literatur gab. Er ist vielleicht auch schon ein Vorzeichen auf den Expressionismus und die Abstrakte Kunst. Wieweit man die Grenze des Jugendstils absteckt ist wohl Ermeßenssache.

Literaturangaben:

1. 1000 Deutsche Gedichte und ihre Interpretationen herausgegeben von Marcel Reich-Ranicki im Insel-Verlag 1994
2. Aus der Reihe "Die deutsche Literatur in Text und Darstellung" den Band "Impressionismus, Symbolismus und Jugendstil" im Reclam-Verlag 1979
3. Aus der Reihe "Deutsche Dichter" den Band 6 "Realismus, Naturalismus und Jugendstil" im Reclam-Verlag 1989
4. Aus der Reihe "Deutsche Literatur - Eine Sozialgeschichte" den Band 8 "Jahrhundertwende: Vom Naturalismus zum Expressionismus" im Rowohlt-Verlag 1987
5. Aus der Reihe "Geschichte Der Deutschen Literatur" den Band V "Vom Jugendstil zum Expressionismus" im Reclam-Verlag 1978
6. Aus der Reihe "Wege der Forschung" den Band CX "Jugendstil" herausgegeben von Jost Hermand im Verlag "Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt" und daraus insbesondere:

a) Jugendstil (1959). Von Kurt Bauch
b) Zur Genealogie des Jugendstils (1933). Von Wilhelm Emrich
c) Jugendstil in der Lyrik (1957). Von Volker Klotz
d) Der literarische Jugendstil (1958). Von Walter Lenning
e) Der Gott des Jugendstils in Rilkes "Stundenbuch" (1961). Von Bert Herzog
f) Stefan George und der Jugendstil (1963). Von Claude David
g) Lyrik des Jugendstils (1964). Von Jost Hermand
h) Zum literarischen Jugendstil (1968). Von Dominik Jost

Excerpt out of 16 pages

Details

Title
Der Jugendstil in der Lyrik
Course
Deutschunterricht 12. Klasse
Grade
1
Author
Year
1999
Pages
16
Catalog Number
V95501
ISBN (eBook)
9783638081795
File size
414 KB
Language
German
Keywords
Jugendstil, Lyrik, Deutschunterricht, Klasse
Quote paper
Sven Krueger (Author), 1999, Der Jugendstil in der Lyrik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95501

Comments

  • guest on 9/10/2007

    respekt.

    erst bei eniem echt super gemachten referat habe ich endlich konkrete merkmale zu gedichten im jugendstil gefuden! suupi arbeit!!!1

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Title: Der Jugendstil in der Lyrik



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