Verantwortungsübernahme im Primary Nursing

Aufgabe und Möglichkeit der Führungskraft Entscheidungsfähigkeit und Selbstständigkeit im gehobenen Dienst zu stärken


Akademische Arbeit, 2020

36 Seiten, Note: Ausgezeichnet


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemdarstellung
1.2 Ziel der Arbeit
1.3 Methodik
1.4 Fragestellungen/Forschungsfragen
1.5 Literaturrecherche

2 Verantwortungsübernahme im Primary Nursing
2.1 Definition von selbstständigen Arbeiten
2.2 Definition Eigenverantwortung
2.3 Grundlagen Primary Nursing
2.3.1 Kernelemente Primary Nursing
2.3.2 Die Kompetenzen/Anforderung für eine Primary Nurse
2.4 Aufbau- und Ablaufstruktur im Primary Nursing
2.4.1 Rolle und Aufgabe der Pflegedienstleitung
2.4.2 Rolle und Aufgabe der Stationsleitung
2.4.3 Rolle und Aufgabe der Primary Nurse (Primärpflegeperson)
2.4.4 Die Rolle und Aufgabe der Associate Nurse (Sekundärpflegeperson)
2.5 Ziele von Primary Nursing
2.5.1 Patientenbezogene Ziele
2.5.2 Personalbezogene Ziele
2.5.3 Organisationsbezogene Ziele
2.6 Kriterien im Primary Nurse System
2.7 Unterstützungsmöglichkeiten durch die Führungskraft bei der Rollenentwicklung einer Primary Nurse
2.7.1 Stellenbeschreibung
2.7.2 Weiterbildung/Fortbildungen
2.7.3 Primary Nurse Besprechung / Primary-Nurse-Team
2.7.4 Reflexionsgespräche
2.7.5 Supervision
2.7.6 Dezentrale Entscheidungsfindung
2.7.7 Mitarbeiterinnen-/Mitarbeitergespräch (MAG)
2.7.8 Rituale schaffen

3 Resümee
3.1 Die weiterführende Bedeutung der Arbeit im basalen und mittleren Management
3.2 Ausblick/Reflexion

4 Literaturverzeichnis

5 Verzeichnisse
5.1 Tabellenverzeichnis
5.2 Abkürzungsverzeichnis

Kurzusammenfassung

Das Pflegeorganisationskonzept Primary Nursing ist ein patientenorientiertes Pflegesystem. Es besteht aus den vier Kernelementen Verantwortung, direkte Kommunikation, Pflegende/Pflegender gleich Pflegedurchführende/Pflegedurchführender und die tägliche Arbeitszuweisung nach der Fallmethode.

Einen großen Einfluss haben die Führungskräfte im Primary Nursing, vor allem in der Personalentwicklung (Kompetenzen, Ziele, Motivation, Selbstständigkeit und Eigenverantwortung).

Wichtig in dem Arbeitsorganisationssystem ist, dass jeder im Team (z.B. Ärztin/Arzt, Therapeutinnen/Therapeuten, Pflegepersonen, usw.) über die Funktionen und Aufgaben der Primary Nurse Bescheid wissen.

Die Erstellung von Richtlinien und die Beschreibung von Arbeitsprozessen spielt ebenfalls eine große Rolle. Damit ist eine Förderung der Selbstständigkeit und Entscheidungsfähigkeit gegeben. Das vorhanden sein von Richtlinien und Arbeitsprozessen kann dem Personal die möglichen Ängste und den Stress im Primary Nursing nehmen.

Schlüsselwörter: Primary Nursing, Führungsaufgaben, Pflegemanagement, Entscheidungsfähigkeit

1 Einleitung

Die Auswahl der Arbeitsorganisation beeinflusst nicht nur die Prozesse, sondern auch die erzielten Ergebnisse. Betroffen sind dabei alle die an der Behandlung und Pflege von Menschen tätig sind. Es ist ein Balanceakt die Prozesse so kostengünstig wie möglich und andererseits die Behandlung und Pflege so zu gestalten, dass dies zu einer hohen Zufriedenheit der Betroffenen führt (Manthey & Mischo-Kelling, 2011, S. 9ff).

Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Aufgabenfeld der pflegerischen Führungskraft mit dem Thema Pflegeorganisationskonzept Primary Nursing.

Zunächst wird das Konzept und die Kernelemente des Primary Nursing vorgestellt und die verschiedenen Rollen und Aufgaben im Pflegekonzept Primary Nurse tätigen Personen herausgearbeitet.

Des Weiteren werden die Ziele und Kriterien von Primary Nurs dargestellt und die Unterstützungsmöglichkeiten der Primary Nurse durch die Führungskraft, die angeboten werden können, formuliert. Den Abschluss bilden die Zusammenfassung der Ergebnisse und die Auswirkungen auf die Arbeit im basalen und mittleren Management.

1.1 Problemdarstellung

Das Thema Primary Nursing wurde als Abschlussthema ausgewählt, da der gehobene Dienst, vor allem Anfänger in der Gesundheits- und Krankenpflege, die auf ihrem Weg in der Selbstständigkeit und der Entscheidungsfähigkeit noch Unterstützung benötigen. Auch das langjährige Personal benötigt teilweise für „leichte Probleme“ die Bestätigung von mir als Leitung, da eine Unsicherheit bemerkbar ist. Sichtbar ist dies aufgrund der Anrufe bei mir als Leitung bzw. in den Besprechungen über die unsichere Haltung gegenüber den Patientinnen/Patienten wie eine komplexe Pflegesituation bewältigt werden soll. Es wirkt so als ob es leichter ist bei der Leitung nach einer Lösung nachzufragen als selbst eine Lösung zu finden.

1.2 Ziel der Arbeit

Ziel dieser Abschlussarbeit ist eine Literaturanalyse von Primary Nursing, insbesondere in Bezug auf die Möglichkeiten der Führungskraft zur Motivation und Unterstützung von Verantwortungsbewusstsein, Eigenverantwortung und Selbstständigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Primary Nursing System. Die Hilfsangebote sollen näher beschrieben werden, um die Selbstständigkeit zu fördern, und damit die Anrufe und Anfragen bei der Leitungskraft reduziert werden.

1.3 Methodik

Die Methodik der Arbeit ist hauptsächlich die Literaturrecherche. Im Rahmen dieser Literaturarbeit wurde eine systematische Literaturrecherche in den Datenbanken Pubmed und Cinahl, in Bibliotheken, sowie über die Suchmaschine Google durchgeführt.

1.4 Fragestellungen/Forschungsfragen

Somit wurden für diese Abschlussarbeit folgende Fragestellungen formuliert:

Welche Aufgaben hat die Gesundheits- und Krankenpflegeperson im basalen und mittleren Pflegemanagement im Primary Nursing System, um Selbstständigkeit/Eigenverantwortung/Verantwortungsbewusstsein und Entscheidungsfähigkeit beim Gesundheits- und Krankenpflegepersonal zu stärken bzw. fördern?

Welche Unterstützungsmaßnahmen kann die Gesundheits- und Krankenpflegperson im basalen und mittleren Pflegemanagement anbieten, um die Selbstständigkeit/Eigenverantwortung/Verantwortungsbewusstsein und Entscheidungsfähigkeit beim Personal bei Primary Nursing zu stärken bzw. zu fördern?

Was benötigt das Personal von der Organisation (z. B. Richtlinie) oder von der Führungsperson um mehr Selbstständigkeit/Eigenverantwortung und Entscheidungsfähigkeit zu erlangen?

1.5 Literaturrecherche

Die Literaturrecherche begann im April in meiner Firma, mit der Abfrage welche Bücher in der Bibliothek zum Thema Primary Nursing vorhanden sind. Meine Kollegin schickte mir dann vier Bücher, von denen drei für die Abschlussarbeit herangezogen worden sind. Danach erfolgte eine Suchabfrage bei Google und bei Google Scoolar. Es konnten Zeitungsartikel bzw. Fachbroschüren vom Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverband (ÖGKV), vom Thieme Verlage und vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe. Es erfolgte eine Recherche von den Autoren welche Fachbücher zum Thema Primary Nurse publiziert haben und eine paar wurde daraufhin besorgt. Eine weitere Recherche erfolgte über EBSCOhost in den Kanälen von Medline, CINAHL, wobei keine verwertbaren Artikel gefunden werden konnten. Ein weiteres Medium ist die Fachbibliothek von der Arbeiterkammer Niederösterreich. In dieser Bibliothek konnten vier weitere Bücher für das Thema Primary Nursing und Pflegemanagement gefunden werden.

Tabelle 1: Ein- und Ausschlusskriterien im Rahmen der Literaturrecherche

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2 Verantwortungsübernahme im Primary Nursing

In diesem Kapitel werden die Grundbegriffe der Selbstständigkeit, Eigenverantwortung und das Pflegesystem Primary Nurse näher beschrieben. Es wird ebenfalls auf die Rollen und Aufgaben der Pflegedienstleitung, der Stationsleitung und der Primary Nurse eingegangen. Auf die Ziele, die Kriterien von Primary Nurse und Hilfsangebote bzw. Unterstützungsmöglichkeiten der Führungskraft wird ebenfalls eingegangen.

2.1 Definition von selbstständigen Arbeiten

„Wer Arbeitsaufgaben autonom bewältigt, sich am Arbeitsplatz selbst Ziele steckt und Handlungsnotwendigkeiten und Probleme von sich aus erfasst und löst, arbeitet selbstständig. Menschen, die über eine selbstständige Arbeitsweise verfügen, verfügen oft auch über die Fähigkeit zum analytischen und kritischen Denken und treffen eigenständige Entscheidungen, um gewünschte Ergebnisse zu erreichen“ (Püttjer & Schnierda, 2020).

Eine Person handelt gemäß den erkannten eigenen Möglichkeiten und Begrenzungen. Diese schöpft die gegebenen Handlungsmöglichkeiten aktiv aus und versucht bewusst, sie auszuweiten. Die Person handelt planvoll und überlegt, ohne durch Vorsicht den eigenen Wirkungsrahmen vorzeitig einzuengen. Sie erweitert unaufgefordert die einen Erfahrungen und das eigene Wissen. Das selbstständige Arbeiten (auch Selbstmanagement) zählt zu den personalen (persönlichen) Kompetenzen (Mair, 2015a).

2.2 Definition Eigenverantwortung

Eine Person handelt gewissenhaft, gründlich und umsichtig.

„Eigenverantwortung ist die Ausnutzung des eigenen personalen Handlungsspielraums und die darin mögliche Verwirklichung des entsprechenden Verantwortungsbewusstseins. Eigenverantwortung ist wesentlich moralisch bedingt und erfordert die persönliche Identifikation mit sittlichen, sozialen und politischen Wertforderungen, insbesondere auf die eigene Arbeitssphäre angewandt“ (Mair, 2015b). Sowie das Selbstmanagement zählt auch die Eigenverantwortung zu den personalen Kompetenzen.

Die Verantwortung ist ebenfalls im Gesundheits- und Krankenpflegegesetz einerseits im Berufsbild (§12) und andererseits in den Kernkompetenzen (§§14-16) verankert (BGBl. I Nr. 8 / 2016, §§12-16).

2.3 Grundlagen Primary Nursing

Der Begriff „Primary Nursing“ kommt aus der USA wird auch synonym als Primäre Pflege oder Bezugspflege bezeichnet (Manthey & Mischo-Kelling, 2011, S. 9ff).

„Primary Nursing ist ein System pflegerischer Versorgung in einer stationären Einrichtung“ (Manthey & Mischo-Kelling, 2011, S. 35)

„Die Pflegephilosophie von Primary Nurse stellt eine fallbezogene, patientenorientierte Planung und Durchführung der Pflege dar. Der Patient wird als >Subjekt< gesehen, kann seinen Pflegeverlauf mitentscheiden und dabei aktiv mitwirken“ (Josuks, 2008, S. 17).

Die bekannteste ist die Definition von Marram et al. zu nennen:

„Primary Nursing ist die Durchführung von umfassender, kontinuierlicher, koordinierter und individualisierter Pflege durch die Primary Nurse die über die Autonomie, Rechenschaftspflicht und die Autorität verfügt, als verantwortliche Pflegeperson für ihre Patienten zu handeln.“ (Ersser & Tutton, 2000, S. 5).

In diesem Pflegesystem wird jeder Patientin/jedem Patienten eine Pflegefachkraft, die Primary Nurse, fix zugeordnet. Die Verantwortung im Behandlungsprozess der Pflege und Versorgung beginnt mit der Aufnahme bis hin zur Entlassung der Patientin/des Patienten, 24 Stunden am Tag. Bei Abwesenheit der Primary Nurse werden die Tätigkeiten einer zugeordneten Pflegekraft (Associate Nurse) übernommen, welche aber die Pflegetätigkeiten nach dem von der Primary Nurse entwickelten Pflegeplan ausführt. Durch Primary Nursing wird eine hohe Kontinuität der Pflege erzielt, da die Verantwortung für die Pflege der Patientin/des Patienten beim Dienstwechsel nicht endet. Somit wird die Wirkung der Pflegemaßnahmen erhöht und deren Beurteilung erleichtert. Die Primary Nurse verfügt über eine umfassende Autonomie, einen definierten Verantwortungsbereich und entscheidet über die Planung und Durchführung der Pflege. Dadurch steigt die Kommunikation und das Vertrauen gegenüber der Pflegefachkraft, da den Patientinnen/Patienten sowie deren Angehörigen und anderen an der Versorgung der Patientin/des Patienten Beteiligten während des gesamten Aufenthaltes eine Ansprechperson zur Verfügung gestellt wird (Manthey & Mischo-Kelling, 2011, S. 79ff). Das Primary Nursing Konzept ist grundsätzlich überall implementierbar (Lotz, 2007, S. 3f). Ein rein Primary Nursing System ist aufgrund der Überlappung mit anderen Pflegesystemen, nicht klar ersichtlich (Abderhalden, 2007, S. 10). Eine Einführung von Primary Nursing kann aber nicht erzwungen werden, sondern entsteht aus dem Bedürfnis der Pflegenden (Rogner, 2008, S. 24, Manthey, 2011, S. 100 und Bückner, 2006, S. 46). Die Einführung von Primary Nursing kann nur gelingen, wenn das Personal von Anfang an mit eingebunden ist in dem Veränderungsprozess und ihnen dadurch eventuelle Ängste genommen werden können. Das Primary Nursing ist ein Rollenwechsel in der Verantwortung von der Leitungskraft zur Mitarbeiterin bzw. zum Mitarbeiter (Hübner, Knüppel, Lotz & Stuhl, 2006, S. 22f).

2.3.1 Kernelemente Primary Nursing

Die Begründerin von Primary Nursing, Marie Manthey, definiert Primary Nursing mit vier Grundelementen/Kernelementen. Diese Kernelemente sind Verantwortung, tägliche Arbeitszuweisung nach der Fallmethode, direkte Kommunikation und Pflegeplanender gleich Pflegedurchführender.

2.3.1.1 Verantwortung

Eine Primary Nurse übernimmt der Verantwortung währende des ganzen stationären Aufenthaltes oder der ambulanten Betreuung einer Patientin/eines Patienten. Die Verantwortung lässt sich in drei Bereiche darstellen.

Als ersten Punkt müssen der Primary Nurse alle Informationen zur Patientin/zum Patienten zur Verfügung gestellt werde (Probleme, Diagnosen, geplante Untersuchungen, usw.). Die Primary Nurse soll aber auch die Informationen, die sie selbst zusammengetragen hat, bereitstellen (z. B. in der Dokumentation, Übergabe), damit in ihrer Abwesenheit die Pflege und Betreuung gewährleistet ist.

Der nächste Punkt ist die Verantwortung welche Pflege und wie Pflege durchgeführt wird. Hier ist der Pflegeprozess ausschlagegebend für die Informationsweitergabe.

Als dritten Punkt ist die Primary Nurse für die Entlassung der Patientin/des Patienten verantwortlich, dass diese/dieser zuhause ausreichend und gut versorgt ist.

Die Primary Nurse ist die Hauptbezugsperson der Patientin bzw. des Patienten. Sie ist verantwortlich für den Pflegeprozess, der Personaleinsatzplanung bzw. den Pflege- und Betreuungsbedarf und in der Beziehungsgestaltung. Wenn die Primary Nurse nicht anwesend ist, übernimmt die Associates Nurse vorübergehend die Funktion als Primary Nurse (Manthey & Mischo-Kelling, 2011, S. 81f und Lotz, 2007, S. 3).

2.3.1.2 Tägliche Arbeitszuweisung nach der Fallmethode

Das Pflegesystem Primary Nurse ist patientenorientiert und nicht tätigkeitsorientiert. Es werden Pflegekräfte nach ihren Fähigkeiten und nach dem Bedarf der Patientinnen/Patienten dem Fall zugeteilt. Es können somit auch Pflegeassistenten die Funktion der Primary Nurse übernehmen, solange sie nur die Tätigkeiten laut ihrer Stellenbeschreibung übernehmen und für die Tätigkeiten, die sie nicht durchführen dürfen, eine diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegeperson zuziehen können. Die Einteilung erfolgt durch die Stationsleitung, die die Fertigkeiten des Personals gut kennen sollte. Aufgrund der Zuteilung nach Fähigkeiten werden die akut, schwer erkrankten Patientinnen/Patienten von dem gehobenen Dienst der Gesundheit- und Krankenpflege zugeteilt und die leicht erkrankten Patientinnen/Patienten werden von den Angehörigen der Pflegeassistenzberufen versorgt (Manthey & Mischo-Kelling, 2011, S. 83f).

2.3.1.3 Direkte Kommunikation

Die Primary Nurse ist die erste Anlaufstelle für die Patientinnen/Patienten als auch für die Teammitglieder. Die Primary Nurse stellt eine lückenlose Informationsweitergabe, mündliche und/oder schriftliche, sicher. Sie übernimmt auch die Beratung und Schulung in pflegerischen Angelegenheiten von Patientinnen/Patienten und deren Angehörigen. Hierbei soll die Abflachung der Hierarchie und die erhöhte Transparenz das Ziel sein (Lotz, 2007, S. 3 und Manthey & Mischo-Kelling, 2011, S. 85f). Die dezentrale Entscheidungsfindung findet hierbei eine große Bedeutung. Auf die dezentrale Entscheidungsfindung wird später in Kapitel 2.7.5 näher eingegangen.

2.3.1.4 Pflegende/Pflegender gleich Pflegedurchführende/Pflegedurchführender

Die Primary Nurse führt die Pflegeplanung durch und setzt diese so oft wie möglich selbst um. Der Grund warum die Primary Nurse selbst die Tätigkeiten durchführen soll, ist es, dass sie auf Veränderungen schnell regieren kann und auch damit die Qualität der Betreuung sichert. In ihrer Abwesenheit werden die Tätigkeiten von den Teammitgliedern übernommen. Eine Änderung der Pflegeplanung durch die Associates Nurse ist nur in akuter Situation vorgesehen (Lotz, 2007, S. 3 und Manthey & Mischo-Kelling, 2011, S. 87ff).

2.3.2 Die Kompetenzen/Anforderung für eine Primary Nurse

Die Anforderungen bzw. Kompetenzen lassen sich in soziale, personelle, Fach- und Methodenkompetenzen unterteilen. Es fließen ebenfalls die Stufen der Kompetenzentwicklung mit ein. Diese beinhalten die Erfahrungen, die jede Gesundheits- und Krankenpflegeperson durchläuft.

2.3.2.1 Die Kompetenzstufen in der Berufserfahrung der Gesundheits- und Krankenpflege

Die Berufserfahrung kann nach Patricia Benner (1994) in fünf Kompetenzstufen eingeteilt werden. Die fünf Stufen bestehen aus der Anfängerin/den Anfänger, die fortgeschrittene Anfängerin/der fortgeschrittene Anfänger, die/der kompetente Pflegende, die/der erfahrene Pflegende und die Pflegeexpertin/der Pflegeexperte.

Eine Anfängerin/ein Anfänger besitzt über wenig Erfahrung und benötigt konkrete Arbeitsanweisungen und Unterstützung in der Organisation.

Als fortgeschrittene Anfängerin/fortgeschrittenen Anfänger bezeichnet man das Personal die erste Erfahrungen gesammelt haben und wenden selbstständig vorhandene Richtlinien an. Sie benötigen weiterhin Unterstützung um Prioritäten setzen zu können.

Eine kompetente Pflegende/ein kompetenter Pflegender hat meist schon drei Jahre Berufserfahrung und setzt selbstständig Prioritäten. Das Personal fühlt sich ihren übertragenden Aufgaben und Anforderungen nicht überfordert, führen aber die Tätigkeiten in Vergleich zu den erfahrenen Pflegenden langsamer durch.

Die erfahrenen Pflegepersonen nehmen die Situation zu Pflegenden ganzheitlich wahr und reagieren sofort auf Veränderungen.

Die Pflegeexperten haben einen großen Erfahrungsschatz. Die Pflegenden erkennen intuitiv das Pflegeproblem und können die notwendigen und geeigneten Maßnahmen schnell durchführen. Sie beraten auch die Kolleginnen/die Kollegen (PPM, 2019).

Rogner (2009, S. 52) beschreibt, dass die Anfängerin/der Anfänger und die fortgeschrittene Anfängerin/der fortgeschrittene Anfänger als Associate Nurse eingesetzt werden können und ab der Stufe der kompetenten Pflegenden als Primary Nurse.

2.3.2.2 Soziale Kompetenz

Unter soziale Kompetenz wird die Fähigkeit in Beziehung mit den Patientinnen/Patienten treten zu können, eine Kommunikation mit den Patientinnen/Patienten und deren Angehörigen und auch im interdisziplinären Team verstanden. Ebenfalls dazu zählt die Fähigkeit Konflikte zeitgerecht zu erkennen und zu reagieren. Das vorhandene Expertenwissen zur Beratung und Unterstützen von Patientinnen/Patienten, Angehörigen und einzelner Teammitglieder anwenden können und dies auch in einen mündlichen und schriftlichen Bericht zu erstatten.

2.3.2.3 Personale Kompetenz

Die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung, seine eigenen Grenzen zu erkennen (Selbstreflexion) und die Kritikfähigkeit versteht man als personale Kompetenz oder Selbstkompetenz (Hübner et al., 2016, S. 7f und Lotz, 2007, S. 4).

Zu den personalen Kompetenzen wird auch das selbstständige Arbeiten und die für die Eigenverantwortung beschriebenen Eigenschaften dazugezählt (beides im Kapitel 2.1 und 2.2 beschrieben).

2.3.2.4 Fachkompetenz

Die Fachkompetenz ist die Bereitschaft sich weiterzubilden, Eigeninitiativen zu zeigen und neues auszuprobieren. Weiter zählen die Fähigkeiten zur Anwendung von Expertenwissen für die Beratung der Patientinnen/Patienten und deren Angehörigen, als auch zur Schulung einzelner Teammitglieder. Die Umsetzung des Pflegeprozesses und zur Übernahme von Verantwortung eines zugeteilten Patienten gehört ebenfalls zu den Fachkompetenzen.

2.3.2.5 Methodenkompetenz

Die Methodenkompetenz wird auch als Organisationskompetenz verstanden. Diese beinhaltet die Arbeitsabläufe mittels eines Prozesses und nach Prioritäten umzusetzen zu können. Die fachliche Anleitung und Aufsicht von Kolleginnen/Kollegen zählen ebenfalls dazu (Hübner et al, 2016, S. 7f und Lotz, 2007, S. 4).

2.4 Aufbau- und Ablaufstruktur im Primary Nursing

In einem Unternehmen sind Aufgaben (auch komplexe Aufgaben) zu erledigen die nicht durch eine einzige Person abgedeckt werden können. Daher ist es notwendig eine Struktur zu implementieren, die das System unterstützt.

Unter Aufbaustruktur wird ein hierarchisches Gerüst verstanden, dass die interne Arbeitsteilung festlegt (z. B. Ein-Linien-System, Mehr-Linien-System, Matrix-System) und nach den individuellen Zielen strukturiert wird. Bei der Ablaufstruktur handelt es sich um Arbeitsprozesse, um die Ziele zu erreichen (Bücker, 2006, S. 24ff).

In den Arbeitsstätten sind die jeweiligen Strukturen im Ablauf, Aufbau und der Organisation zu adaptieren. Ebenso sind Richtlinien/Ansätze zur Personalentwicklung und Organisationsentwicklung zu definieren. Die vorhandenen Formulare müssen dem neuen System angepasst werden (Rogner, 2008, S. 25 und Knüppel, 2019, S. 3). Eine eventuelle Angleichung aller vorhanden Stellenbeschreibungen, Rollenprofile, Aufgabenabläufe und organisatorische Richtlinien (z. B. Delegation) für das Primary Nursing System müssen vorgenommen werden. Zur Unterstützung der jeweiligen Leitungspersonen und den Teams kann ein Leitfaden mit einer Zusammenstellung der meist gestellten Fragen (Frequently Asked Questions – kurz FAQs) erstellt werden (Knüppel, 2019, S. 3f).

Für die Einführung und/oder Weitführung vom Primary Nursing müssen Qualifizierungsmaßnahmen (Schulungen für die jeweilige Berufsgruppe) und eine Reflexionsmöglichkeit im Rahmen eines Personalentwicklungsgespräches, Mitarbeiterinnengespräch/Mitarbeitergespräch oder Teamgespräche geben (Hübner et al., 2016, S. 9ff). Während dem ganzen Veränderungsprozess soll seitens der Organisation eine Begleitung (z. B. Coaching, Supervision, usw.) angeboten werden. Die Implementierung benötigt Zeit und Übung. Diese soll jeder Beteiligten und Beteiligten zur Verfügung gestellt werden (Küppel, 2019, S. 4f).

2.4.1 Rolle und Aufgabe der Pflegedienstleitung

Die Pflegedienstleitung ist die in Fach und Disziplin aller im Pflegedienst beschäftigten Pflegepersonen vorgesetzte (Joskus, 2008, S. 20). Die Pflegedienstleitung trifft die Entscheidung über die Einführung des Pflegesystems Primary Nursing. Sie hat dafür Sorge zu tragen, dass alle Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter wissen, wer welche Entscheidung treffen kann und welche Autorität hat in den verschiedenen hierarchischen Ebenen (Mischo-Kelling & Schütz-Pazzini, 2007, S. 136). Ebenfalls ist sie für die Qualität der gesamten Pflege der Organisation zuständig und verantwortlich (Manthey & Mischo-Kelling, 2011, S. 126). Die Stationsleitung wird von der Pflegedienstleitung bei Fragen unterstützt und es sollte ihr auch Autonomie in der Personalführung und Personalauswahl eingeräumt werden (Kleine-Hörstkamp, 2004b, S. 29). Eine tolerante und verständnisvolle Einstellung der Pflegedienstleitung bei etwaigen Fehlern oder Risiken ist notwendig, damit im Prozess der Verantwortung Sicherheit signalisiert wird (Manthey & Mischo-Kelling, 2011, S. 130ff).

2.4.2 Rolle und Aufgabe der Stationsleitung

Im Pflegesystem des Primary Nursing ist die zentrale Aufgabe der Leitungsperson auf Stationsebene die Koordination und Unterstützung der Primary Nurse (Abderhalden, 2007, S. 12). Die weiteren Aufgaben sind die Leitung und Erledigung organisatorischer Aufgaben, wie zum Beispiel Dienstplangestaltung, Stundenabrechnung, Neuanschaffungen und der Mitarbeiterführung.

Bei Einführung des Pflegesystems des Primary Nursing ist die gravierendste Veränderung bei der Stationsleitung. Sie ist nicht mehr die erste Anlaufstelle im interdisziplinären Team, sie kennt nicht mehr über jedes Problem auch nicht die Bedürfnisse und Ressourcen der Patientinnen/Patienten. Es gibt eine Verschiebung der pflegerischen Verantwortung von der Leitungsebene in die Handlungsebene. Sie muss lernen nicht die Kommunikationszentrale zu sein, sondern muss an die zuständige weiterleiten können. Wenn die Primary Nurse über ihre einzelnen Patientinnen und Patienten mehr Bescheid weiß als die Stationsleitung, kann dies zu Irritationen bei der Stationsleitung führen, wenn dieser die Umstellung auf das Pflegesystem Primary Nurse schwerfällt.

Die Primary Nurse koordiniert die Pflege und den Informationsfluss im interdisziplinären Team und im Pflegeteam. Die Stationsleitung muss aufgrund der Änderung der Verantwortung Einfluss auf die Personalentscheidung haben, der Primary Nurse die pflegerische Verantwortung zugestehen und zu deren Entscheidungen stehen. Sie fungiert auch als ein Berater des Pflegeteams und akzeptiert die Entscheidungen ihrer Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter. Es können Alternative bei der Entscheidungsfindung aufgezeigt werden, z.B. im Rahmen einer kollegialen Beratung, einer Fallbesprechung oder einer Pflegevisite. Wenn eine Primary Nurse sich im Laufe eines Aufenthaltes einer Patientin/eines Patienten als nicht geeignet erweist, muss die Leitung die Versorgung der Patientin/des Patienten der Primary Nurse entziehen, um eine Gefährdung auszuschließen. Um die Verantwortung an die Primary Nurse delegieren zu können muss die Stationsleitung die Bedürfnisse und Probleme der Patientinnen/des Patienten bei der Aufnahme einschätzen können und die Stärken und Schwächen einer Primary Nurse, auch einer Associate Nurse, zu kennen um eine geeignete Patientenzuteilung zu gewährleisten (Patientinnen-/Patientenversorgungsmanagement). Für die Sicherheit der Patientinnen/Patienten ist die Stationsleitung ebenfalls verantwortlich und daher muss diese sicherstellen, dass ihr Personal die notwendigsten Grundkenntnisse verfügt. Sind Defizite vorhanden müssen die fehlenden Inhalte persönlich an das Personal vermittelt werden beziehungsweise geeignete Vorkehrungen getroffen werden. Somit ist die Stationsleitung auch als Qualitätsmanager auf der Station tätig (Kleine Hörstkamp, 2004a, S. 29ff, Manthey & Mischo-Kelling, 2011, S. 90ff und Mischo-Kelling & Schütz-Pazzini, 2007, S. 148f).

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Ende der Leseprobe aus 36 Seiten

Details

Titel
Verantwortungsübernahme im Primary Nursing
Untertitel
Aufgabe und Möglichkeit der Führungskraft Entscheidungsfähigkeit und Selbstständigkeit im gehobenen Dienst zu stärken
Veranstaltung
Universitätskurs basales und mittleres Pflegemanagement
Note
Ausgezeichnet
Autor
Jahr
2020
Seiten
36
Katalognummer
V955864
ISBN (eBook)
9783346299734
ISBN (Buch)
9783346299741
Sprache
Deutsch
Schlagworte
verantwortungsübernahme, primary, nursing, aufgabe, möglichkeit, führungskraft, entscheidungsfähigkeit, selbstständigkeit, dienst
Arbeit zitieren
Richard Sonnleitner (Autor:in), 2020, Verantwortungsübernahme im Primary Nursing, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/955864

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