Universitätsgründungen des 15. Jahrhunderts

Die Rolle Eberhards im Bart bei der Tübinger Universitätsgründung


Hausarbeit, 2018

22 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Thema, zentrale Fragestellung(en), Ziel und Schwerpunkt(e) der
1.2 Forschungsstand

2. Umstände, Motive und Probleme sowie die Rolle Eberhards bei der

3. Die Quellen zur Universitätsgründung und die Rolle Eberhards
3.1 Die Bekanntmachung der Universitätsgründung und Einladung zum

4. Resümee

5. Bibliographie
5.1 Quellen
5.2 Literatur

1. Einleitung

1.1 Thema, zentrale Fragestellung(en), Ziel und Schwerpunkt(e) der Arbeit

Die vorliegende Arbeit beleuchtet das Thema „Universitätsgründungen des 15. Jahrhunderts“ mit dem Schwerpunkt der Tübinger Universitätsgründung im Jahr 1477. Die zentrale Fragestellung lautet: Welche Motive und Umstände führten zur Universitätsgründung zu Tübingen und welche Rolle spielte hierbei Graf Eberhard V.? Dabei soll kurz sowohl auf die Universitätslandschaft als auch die Entwicklungen neuer Hochschulen im 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts in Europa eingegangen werden. Folgend werden die vielseitigen Beweggründe Eberhards im Bart für die Gründung sowie sonstige Umstände und Motive eindringlich beleuchtet. Diese reichen vom reinen Drang nach Wissenschaft und Wahrheit, der amor scientae, über religiös-kirchliche und reformatische Gründe bis hin zu wirtschaftlichen, sozialen und praxispolitischen Motiven.1 Dabei soll stets die Rolle Eberhards im Mittelpunkt stehen und dessen entscheidender Beitrag zur Gründung herausgearbeitet werden. Die Probleme und Entwicklungen, die sich in den Anfangsjahren nach der Stiftung ergaben, sollen beiläufig ausgeführt werden. Ziel der Arbeit ist es, auf Quellenbasis der offiziellen Bekanntmachung Graf Eberhards über die Eröffnung der Universität Tübingen vom 03. Juli 1477, die die wichtigsten Motive und Beweggründe Eberhards enthält, dessen spezielle Rolle als Stifter und Patron der Universität ausführlich und detailliert darzulegen.

1.2 Forschungsstand

Im 20. Jahrhundert führte die Arbeitsteilung zwischen der staatlichen Archivverwaltung, die dem Gründungsjubiläum 1957 und 1995 federführend wissenschaftlich gedachte2, und der Universität, die dies 1927 und 1977 tat3, grundlegend zur Tradition des Tübinger Eberhard-Gedächtnisses, der Tübinger Stiftermemoria, und nicht zuletzt zu reichen Forschungsergebnissen. Eberhard avancierte zu einer der bedeutendsten Integrationsfiguren im vergrößerten, bikonfessionellen Württemberg, weshalb das Tübinger universitäre Stiftergedächtnis im 19. Jahrhundert durch die offiziell von Hof und Regierung in Stuttgart geförderte Eberhard-Verehrung wichtige Impulse erhielt.4 Die Geschichte der materiellen Grundlegung der neuen Universität durch ihren Stifter Eberhard ist von der Forschung bereits sehr konkret untersucht und detailliert beleuchtet worden.5 Während Sönke Lorenz6 vergleichsweise kurz auf die Motive und Umstände der Gründung eingeht und sein Augenmerk vorrangig auf die anfänglichen Entwicklungen und Verläufe der Universität und den personellen Zuschnitt der Ämter sowie den Aufbau der einzelnen Fakultäten ab der Gründung legt, beleuchten sowohl Waldemar Teufel7 als auch Dieter Mertens8 neben den äußerlichen Umständen ausführlich die persönlichen Motive Eberhards. Karl-Otto Alpers9 ordnet dagegen mit seinem Beitrag die Tübinger Gründung anschaulich in die mitteleuropäische Universitätslandschaft und geht kurz auf den Verlauf der Gründung ein. In der Forschung wird Eberhard im Zusammenhang mit der Universitätsgründung oftmals kritisch betrachtet. Eberhard hätte als Nicht-Lateiner viele der Aufgaben in Planung und Aufbau der Universität auf seine Untertanen und engen Berater übertragen. Diese Arbeit soll zeigen, dass Eberhard ein großes Interesse an der Gründung einer Universität in seinem Landesteil zeigte und aktiv an jener mitgewirkt hat.

2. Umstände, Motive und Probleme sowie die Rolle Eberhards bei der Gründung der Tübinger Universität

In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts sowie zu Beginn des 16. Jahrhunderts lässt sich im Zuge der zweiten Gründungsperiode insbesondere im deutschsprachigen Raum ein „Planungs- und Gründungsboom“10 neuer Universitäten ausmachen. Nachdem im Fall von Bologna und Paris noch von Gründungen aufgrund des amor scientae gesprochen werden kann, trifft dies seit der Gründung der ersten Universität im römisch-deutschen Reichsgebiet in Prag 1347/48 auch auf die Gründung der Tübinger Universität nicht mehr zu.11 Zunehmend spielten vorrangig politische Motive und landesherrlicher Eifer eine Rolle.12 Neben Tübingen entstanden im 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts im deutsch-römischen Reichsgebiet in Greifswald, Freiburg, Basel, Ingolstadt, Trier, Frankfurt/Oder sowie Mainz (ebenfalls 1477), neue Hochschulen, während in Pforzheim, Lüneburg und Regensburg die Gründungspläne nicht realisiert wurden.13 Die Gründung der Universität in Tübingen 1477 zählt neben der Wiederherstellung der Einheit des seit 1442 in den Uracher und Stuttgarter Teil geteilten Württembergs (Nürtinger Vertrag) und der Einführung der Brüder vom gemeinsamen Leben in Württemberg mitsamt der Gründung des Kanonikerstifts St. Peter im Schönbuch zu den drei wichtigsten Lebensleistungen Graf Eberhards V. von Württemberg, der damit als eine der prägendsten Personen in die württembergische Geschichte einging.14 Dies ist auch dem Zeugnis Johannes Vergenhans‘, gräzifiziert Naucler, Erzieher und engster Berater des Grafen sowie erster Rektor und zweiter Kanzler der Universität, zu entnehmen, der zudem festhielt, dass Eberhard, der der Grafschaft Württemberg-Urach und Mömpelgard seit 1459 vorstand, die Gründung selbst als eine seiner zentralen Leistungen gesehen hatte, für die er hauptsächlich gelebt hätte.15 Sein Wahlspruch Attempto („ich wag’s“) trifft gerade auf das Wagnis der Universitätsgründung zu, vom Fortbestehen dieser ganz zu schweigen. Im Südosten und -westen des Reichs bestand bereits mit den bestehenden Hochschulen große Konkurrenz, ganz abgesehen von den organisatorischen und verfassungsrechtlichen Problemen sowie der Frage der finanziellen und personellen Ausstattung, die solch eine Gründung mit sich brachte, weshalb staatsmännische Klugheit und diplomatisches Geschick von entscheidender Bedeutung waren.16

Der eigentlichen Universitätsgründung ging die Verlegung des Sindelfinger Chorherrenstifts nach Tübingen voraus, mit der Eberhard klar die Gründung einer Universität anvisierte und die Voraussetzung für jene schuf. Am 11. Mai 1476 genehmigte Papst Sixtus IV. die Verlegung nach einer Bittschrift Eberhards wunschgemäß, wohl auf Druck des, seit der Heirat Eberhards mit Barbara Gonzaga 1474, Schwagers des Grafen, Kardinal Francesco Gonzaga, der dem Papst entscheidend zu dessen Wahl verholfen hatte.17 Eine durchaus wichtiger Name, der in Verbindung mit der Verlegung des Stifts fällt, ist der Eberhards Mutter, Mechthild von der Pfalz, die zuvor an der Freiburger Universitätsgründung 1457 mitgewirkt hatte und zurecht auch als Mitstifterin der Tübinger Universität gilt.18 Das Sindelfinger Stift, neben dem Stuttgarter das reichste in Württemberg, lag zwar in Eberhards Herrschaftsgebiet, unterstand aber Mechthild mit dem Amt Sindelfingen als deren Wittum. Eberhard konnte, in einer Urkunde vom 10. März 1477 ausgesprochen, dank ihr das Chorherrenstift in seine Herrschaft integrieren und acht der zehn Kanonikate sowie zwei Drittel des Besitzes an die Tübinger Stadtpfarrkirche St. Georg überführen.19 Eberhard ließ ein weltliches Kollegialstift entstehen, erhielt das Patronatsrecht von Mechthild und konnte so die materielle Ausstattung und die Hauptmasse der Dotierung mitsamt den zukünftigen Professoren und Magistern für seine Universität gewinnen.20 Wohl schon 1470 plante er, die Tübinger Pfarrkirche rechtlich in ein Kollegialstift umzuwandeln, wie der im selben Jahr begonnene und 1476 fertiggestellte Bau eines Chors zeigt.21 Daraus kann zwar nicht der Schluss folgen, dass bereits 1470 geplant war, eine Universität zu gründen22, allerdings sollte ein Stift errichtet werden, und ein solches war, ob mit oder ohne Universität, ein „nützliches Instrument in der Hand des Landesherrn, sofern er das Patronatsrecht besaß und die Chorherrenstellen nach seiner Wahl besetzen konnte“23. Hinzu kam weiteres Kirchengut von fünf Pfarrkirchen, deren Patronate Eberhard besaß.24 Wie sich Eberhard die Ausgestaltung und die Besetzung des Lehrkörpers vorstellte, wird erstmal in der Bekanntmachung deutlich, was im nächsten Kapitel beleuchtet werden soll. Der Lehrkörper sollte aus 14 Dozenten bestehen, davon zehn Doktoren und vier Magister. Doch die Vorstellungen ließen sich nicht sofort realisieren, da nicht alle Inhaber der nun Tübinger Chorherrenstellen, Professoren sein wollten bzw. dazu geeignet waren und weil die Inhaber der Pfarrstellen erst abtreten mussten, sei es durch Tod oder aus anderen Gründen, oder ihnen ein entsprechendes Äquivalent zu verschaffen war, bevor der Besitz der Pfarreien an die Universität gehen konnte.25 Zudem erlangte die Universität nur vier der fünf zu inkorporierenden Kirchen-Besitze, doch auch diese verhalfen nicht zu wirtschaftlicher Stabilität, da die Universität ständige Vikare sowie eben die bisherigen Pfarrherren besolden musste.26 Das „kirchenrechtlich fixierte Prinzip der Besitzstandswahrung zugunsten der bisherigen Pfründeninhaber“27 und die Einkünfte der Pfarrkirchen, die, wie bereits die acht Chorherrenpfründen zuvor, eben zu gering waren, um einer Besoldung nach Eberhards Plänen zu entsprechen, konnten somit den finanziellen Sorgen nur kurzzeitig entgegenwirken. Fungierten die Inhaber der Chorherrenstellen nicht als Professoren, sollten deren Pfründen aber nach dem Freiwerden mit Professoren besetzt werden.28 Die Tübinger Chorherren blieben also ihr volles Pfründeinkommen (lebenslänglich) beziehende Weltgeistliche, während ein Teil des Lehrkörpers direkt besoldet und nur auf bestimmte Zeit angestellt wurde.29 Am 13. November 1476 genehmigte schließlich Papst Sixtus IV. mit einer Bulle die Errichtung einer Universität in Tübingen und bewilligte ihr das Promotionsrecht, regelte die Bezahlung der Lehrer und alle sonstigen Freiheiten und Privilegien.30 Der Chrorraum der Stiftskirche diente der Universität später als Aula, als Gebetsraum des Stiftkapitels, die Stiftsgeistlichen versammelten sich dort zum Offizium und die Universitätsmitglieder zu Graduierungsfeiern. Weitere Maßnahmen und Investitionen Eberhards waren zudem der Kauf des Kollegiums in der Münzgasse und der Bau einer Bursa, der bereits 1480 vollendet war, und vor allem Studenten der Artistenfakultät einen Schlaf-, Wohn-, Essens- und Übungsplatz bot, daneben die Errichtung der stattlichen Alten Sapienz mit den Hörsälen der Fakultäten, die 1534 abbrannte, woraufhin die Theologische Fakultät ihren Unterricht komplett in den Chrorraum verlegte.31 In Sindelfingen wurde anstelle des Chorherrenstifts ein Kloster mit regulierten Augustinerchorherren der Windesheimer Kongregation errichtet.32

Neben dem finanziellen Kalkül hatte Eberhard auch eine weitere für seine Landesherrschaft wichtige Funktion der Hochschule im Blick: die „Gutachter-, Konsiliar- und Diensttätigkeit der einzelnen Universitätslehrer oder der Fakultätskollegien“33. Wie die Strukturen und Höhe der Besoldung des Lehrkörpers verraten, ging es dabei in erster Linie um Theologen und Kanonisten, auch um Legisten und Mediziner, weniger um die Artisten, deren Dienste und Rat Eberhard in vielerlei politischen und später auch gerichtlichen Fragen außerhalb und oftmals auf Kosten des Lehrbetriebs in Anspruch nahm.34 Spätere Entwicklungen zeigen, dass zunehmend die bischöfliche Gerichtsbarkeit durch die Räte Eberhards ersetzt wurde, vor allem im 16. Jahrhundert neben die Adligen Geistliche, Vögte, Rechtsgelehrte und Leibärzte aus dem Bürgertum und auch Handwerker- bzw. Bauernstand rückten.35 Eberhard sorgte somit im Laufe des Fortbestands der Universität dafür, dass die verschiedensten sozialen Schichten an der Hochschule vertreten waren. In noch engerer Verbindung zum Grafen standen die Professoren der Medizinischen Fakultät: Diese dienten ihm und seinem Hof vorrangig als persönliche Leibärzte36, und sollten, wenn Zeit außerhalb dieser Aufgabe verblieb, ihr leblang in unsr Hohen Schuhel zu Tübingen alle Werktag uffs wenigst 1½ Stunden lesen in der Artzney 37. Thomas Russ, im Sommersemester 1478 als facultatis medicinalis ordinarius immatrikuliert, erfuhr die weitsichtige Fürsorge Eberhards für die Belange der Universität, indem der Graf während seines Rombesuchs, dessen Hintergründe später näher beleuchtet werden sollen, für die Medizinische Fakultät erreichen konnte, dass die Leichen von Hingerichteten seziert werden durften.38 Auch Johannes Widmann, mit dem sich ab 1484 die Verhältnisse der Fakultät auf Jahre entscheidend verbesserten, wirkte als Professor und Leibarzt und erhielt zusätzlich zu den Bezügen als Lehrer eine weitere Bezahlung für die Arzttätigkeit.39 Durch den Blaubeurer Abt Heinrich Fabri wurde schließlich am 11. März 1477 in Urach die Universität der Öffentlichkeit rechtlich für bestehend erklärt40 und die Eröffnung und Vorlesungsstart zum 01. Oktober in einem plakatförmigen Flugblatt am 03. Juli 147741 angekündigt. Der Inhalt des Flugblatts soll im nächsten Kapitel näher beleuchtet werden. Am 09. Oktober wurde der Freiheitsbrief42 der Universität aufgestellt sowie die Erlassung der ersten Universitätsstatuten verkündet, denen jene aus Basel zum Vorbild dienten, statt. Die Universität scheint also, anders als an vielen Universitäten zuvor, deren Gründungsprozess sich über Jahre zog, rasch in weniger als einem Jahr errichtet worden zu sein, zieht man nur die Rechtsakten von der Supplik bis zur Eröffnung in Betracht, die wirklich die Gründung betrafen. Eberhard schaltete, vor allem mit der Verlegung des Chorherrenstifts, die nötigen Schritte rechtzeitig vor und schaffte die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Gründung. Prinzipiell war also die wirtschaftliche und personelle Grundlage auch für ein Fortbestehen der Universität geschaffen, praktisch ergaben sich aber, wie beschrieben, große Probleme und eine materiell sehr bedrohlichen Lage, weshalb sich Eberhard 1482 in Begleitung Nauclers, Johannes Reuchlins und Gabriel Biels, beide Tübinger Professoren, nach Rom begab, um beim Papst die Schwierigkeiten der Anfangsjahre auszubessern und die Struktur der materiellen Basis grundlegend zu verändern.43 Die Pfründen des Tübinger Stifts wurden aufgehoben und ihre Einkünfte beim Freiwerden in einer „Vermögenskasse“44 vereinigt, aus der in Zukunft die Gehälter der Professoren gezahlt wurden.45 Das Stiftskapitel war dadurch aufgehoben und es wurde anstelle dessen ein von der Universität getrenntes Stift, neues Kapitel an der St. Georgs-Kirche aus den bisherigen Kaplaneien, die zu Chorherrenpfründen erhoben wurden, gebildet.46 Die Wirtschaftslage begann sich allmählich zu bessern, sodass man nach der Zweiten Ordnung Eberhards 1491, mit der die Besoldung der Professoren festgeschrieben wurde, von wirtschaftlicher Konsolidierung der Hochschule sprechen kann.47

Sicherlich versprach sich Eberhard mit der Gründung der Universität Tübingen, wie zu dieser Zeit viele Stifter, auch wirtschaftliche Vorteile für die Stadt Tübingen. Er und Mechthild erhofften sich eine Standortverbesserung, einen wirtschaftlichen Impuls, ein Umsatzplus, Ankurbelung der städtischen Konjunktur, den Gewinn an Zentralität und Zugewinn an Prestige.48 Während Ulrich der Vielgeliebte, Eberhards Gegenüber im Stuttgarter Landesteil und ehemaliger Vormund, seinen Untertanen Schatzungen auferlegte, um dem Heidelberger Kurfürsten nach der verlorenen Schlacht von Seckenheim 1462 im Badisch-Pfälzischen Krieg das Lösegeld für die Lösung aus der Pfälzischen Gefangenschaft zu zahlen, blieben Eberhard diese Kosten erspart.49 Zwar zeigte sich die Konjunkturlage in den 1470ern verbessert, allerdings verfügte Eberhard nur über recht begrenzte Ressourcen, er war schließlich nur Graf eines Teils von Württemberg, weshalb er sich auch um ein Zusammengehen im Falle der Universitätsgründung mit Ulrich versprach.50 Obwohl dieser in der Ausschreibung zur Gründung als Mitgründer mitgeführt wird, war Ulrich letztendlich nicht bereit, die rechtlichen und steuerlichen Freiheiten, die Immatrikulationen mit sich brachten, anzunehmen, den Freiheitsbrief auf seinen Landesteil auszudehnen.51 Ulrichs Herrschaft bröckelte im Zuge des Zwists mit dessen Sohn, dagegen gewann jene Eberhards auch über die Grenzen hinaus an Einfluss und lief Stuttgart den Rang ab. Vermutlich wollte Ulrich Eberhard auch deshalb bei der Gründung nicht unterstützen, aus Angst vor Stärkung und Ausbaus der Landeshoheit Eberhards.52 Tübingen wurde zunehmend mit zentralörtlichen Funktionen versehen und avancierte zur Residenz- bzw. Hauptstadt der Grafschaft Eberhards, Urach in den Schatten drängend.53 Trotzdem war Tübingen mit nur etwa 3000 Einwohnern die „kleinste unter den Universitäts-Städten des Reichs. Keine Residenz, kein Bischofs-Sitz, keine Handelsmetropole […]. Einerlei, ob man Tübingen nun als große Kleinstadt oder kleine Mittelstadt bezeichnet: bescheiden war sie auf jeden Fall“54, weshalb die Leistung der Gründung einer Hochschule nicht hoch genug einzuschätzen ist. Vermutlich lässt sich die Gründung auch durch den Unterschied der Herrschaftsstile und -ziele zwischen Urach und Stuttgart teilweise begründen: Ulrich pflegte einen traditionell adeligen, auf Betätigungen und Großartigkeit pochenden Stil, während sich Eberhard durch einen direkt auf den Landesteil gerichteten und von zielstrebiger Rationalität geprägten Stil auszeichnete.55 Eine Darstellung der Anregungen und Gründe für die Stiftung der Universität Tübingen wäre unvollständig, wenn nicht die geistige Bewegung des Humanismus berücksichtigt werden würde, die Mitte des 15. Jahrhunderts von Italien aus auch in Deutschland zu wachsen begann und an den Universitäten Fuß fasste. Zwar war der Lehrbetrieb an den Theologischen und Artistenfakultäten noch durch den Wegestreit zwischen dem via antiqua, den Realisten, und dem via moderna, den Nominalisten, geprägt, offenbar waren jedoch die Anhänger des via antiqua Wegbereiter und Verbündete des Humanismus, da der Großteil der frühen Humanisten aus dem Lager der antiqui stammt.56 Auffallend ist auch, dass der Humanismus seine Anregungen v.a. von fürstlichen und adligen Personen und Kreisen, die als Patrone und Stifter wirkten, empfing.57 Auch bei Eberhard war solch eine humanistische Ader vorhanden: Auf seiner Pilgerfahrt ins Heilige Land 1468 kam er in Mantua am Hof seiner künftigen Ehefrau mit dem italienischen Renaissance-Humanismus in Kontakt.58 Es scheint logisch, dass er, unterstützt durch das Liebesglück, nach der Heimkehr von dieser „von Kunst und Geistigkeit“ erfüllten Umgebung in eine „Art von Bezauberung geriet [und] im Sinne des Humanismus zu wirken begann“59. Unterstützt durch seine Mutter, die ebenfalls Anhängerin des Humanismus war, ohne näher darauf einzugehen, konnte Eberhard bereits bei Eröffnung der Universität Anhänger des Humanismus, z.B. Lucas Spetzhart, späterer Leibarzt, oder auch Konrad Schöfferlin, einer der ersten vier Professoren der Artistenfakultät, binden.60 Auch Naucler und sein „Basler Kreis“ mit Johannes Heynlin von Stein und Konrad Veßler, mit denen jener zuvor in Basel lehrte und die Anhänger des via antiqua waren und wohl als Humanisten gelten können, war an den Plänen der Universitätsgründung beteiligt.61 Durch die Eberhard nahestehenden Wissenschaftler und Literaten spielte auch der Humanismus eine Rolle zur Idee und Durchführung der Gründung.

[...]


1 Vgl. TEUFEL, Gründung Universität Tübingen, S. 13.

2 Vgl. GRUBE, Der Stuttgarter Landtag 1457-1957.

3 Vgl. TEUFEL, Gründung Universität Tübingen, S. 3-32.

4 Vgl. MERTENS Dieter, Eberhard als Stifter, S. 159.

5 Zu nennen sind an dieser Stelle: SPROLL, Sankt-Georgen-Stift; ERNST, Wirtschaftliche Ausstattung der Universität Tübingen; TEUFEL, Universitatis Studii Tuwingensis, S. 116-125.

6 LORENZ, Eberhard und seine Universität, S. 1-59.

7 TEUFEL, Gründung Universität Tübingen, S. 3-32.

8 MERTENS Dieter, Eberhard als Stifter, S. 157-173.

9 ALPERS, Tübingen mitteleuropäischer Vergleich, S. 91-110.

10 LORENZ, Eberhard und seine Universität, S. 2.

11 Vgl. TEUFEL, Gründung Universität Tübingen, S. 13.

12 Vgl. ebd.

13 Vgl. SCHUBERT, Motive und Probleme Universitätsgründungen, S. 14; GEUENICH, 15. Jahrhundert, S. 166f.; ALPERS, Tübingen mitteleuropäischer Vergleich, S. 92.

14 Vgl. LORENZ, Eberhard und seine Universität, S. 1; MERTENS, Eberhard als Stifter, S. 161

15 NAUCLERUS, Memorabilium, fol. CCCIv.: Illustriora tamen eius ut memini facta et quibus se maxime vixisse testatus est tria sunt tanto principe digna: […] universitatem studii generalis privilegiatam in opido suo Tubingen autoritate apostolica erigi fecit ac fundavit […] Clericos quoque seculares quosdam communiter viventes ipse primus vocavit in Sueviam […] inter ipsum et patruelem suum convenisset, ut terras suas ac dominia omnia in unum conferrent et penitus unirent, prout in unum collata et unita fuere, ita quod nullo unquam tempore inantea dividi possent aut deberent […] .

16 Vgl. TEUFEL, Gründung Universität Tübingen, S. 3.

17 Vgl. ebd., S. 4f.

18 Vgl. MERTENS, Eberhard als Stifter, S. 169; TEUFEL, Gründung Universität Tübingen, S. 7.

19 Vgl. MERTENS, Eberhard als Stifter, S. 168f.; ALPERS, Tübingen mitteleuropäischer Vergleich, S. 107.

20 Vgl. LORENZ, Eberhard und seine Universität, S. 10.

21 Vgl. JANTZEN, Stiftskirche Tübingen, S. 32-35.

22 Vgl. MERTENS, Eberhard als Stifter, S. 167.

23 Ebd.

24 Vgl. ebd., S. 169; TEUFEL, Gründung Universität Tübingen, S. 5.

25 Vgl. LORENZ, Eberhard und seine Universität, S. 11.

26 Vgl. TEUFEL, Gründung Universität Tübingen, S. 8f.

27 LORENZ, Eberhard im Bart und seine Universität, S. 11.

28 Vgl. TEUFEL, Gründung Universität Tübingen, S. 5.

29 Vgl. ebd., S. 9.

30 Vgl. LORENZ, Eberhard und seine Universität, S. 8f.

31 Vgl. DECKER-HAUFF u.a., Universität Tübingen in Bildern und Dokumenten, S. 33-41.

32 Vgl. MERTENS, Eberhard als Stifter, S. 168.

33 LORENZ, Eberhard und seine Universität, S. 2; Vgl. MERTENS, Anfänge Universität Freiburg, S. 302f.

34 Vgl. MERTENS, Eberhard als Stifter, S. 167f.; LORENZ, Eberhard und seine Universität, S. 2.

35 Vgl. TEUFEL, Gründung Universität Tübingen, S. 15.

36 LORENZ, Eberhard im Bart und seine Universität, S. 52.

37 ZITTER, Die Leibärzte der württembergischen Grafen, S. 20 u. 129.

38 Vgl. LORENZ, Eberhard im Bart und seine Universität, S. 53.

39 Vgl. ebd., S. 53f.

40 Vgl. ROTH, Urkunden, S. 21.; Vgl. LORENZ, Eberhard und seine Universität, S. 9.

41 Vgl. ebd., S. 28f.

42 Vgl. ebd., S. 30-38.

43 Vgl. TEUFEL, Gründung Universität Tübingen, S. 9f.; LORENZ: Eberhard und seine Universität, S. 16.

44 MERTENS, Eberhard als Stifter, S. 169.

45 Vgl. LORENZ, Eberhard und seine Universität, S. 20f.

46 Vgl. SPROLL, Verfassung Sankt Georgen-Stifts und Verhältnis zur Universität, S. 105-197.

47 Vgl. TEUFEL, Gründung Universität Tübingen, S. 10.

48 Vgl. BONJOUR, Gründungsgeschichte Universität Basel, S. 27-50.

49 Vgl. MERTENS, Eberhard als Stifter, S. 165.

50 Vgl. ebd.

51 Vgl. ebd.; TEUFEL, Gründung Universität Tübingen, S. 11f.

52 Vgl. TEUFEL, Gründung Universität Tübingen, S. 11; MERTENS, Eberhard als Stifter, S. 165.

53 Vgl. LORENZ, Herrschaft Württemberg im Mittelalter, S. 48f.

54 ALPERS, Tübingen mitteleuropäischer Vergleich, S. 106.

55 Vgl. MERTENS, Eberhard als Stifter, S. 166.

56 Vgl. LORENZ, Herrschaft Württemberg im Mittelalter, S. 21f.

57 Vgl. JOACHIMSOHN, Frühhumanismus, S. 63.

58 Vgl. TEUFEL, Gründung Universität Tübingen, S. 19.

59 Ebd.

60 Vgl. ebd., S. 20.

61 Vgl. ebd, S. 20f.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Universitätsgründungen des 15. Jahrhunderts
Untertitel
Die Rolle Eberhards im Bart bei der Tübinger Universitätsgründung
Hochschule
Universität Stuttgart  (Historisches Institut)
Veranstaltung
Das 15. Jahrhundert
Note
1,3
Autor
Jahr
2018
Seiten
22
Katalognummer
V956811
ISBN (eBook)
9783346299895
ISBN (Buch)
9783346299901
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mittelalter, 15. Jahrhundert, Mittlere Geschichte, Tübingen, Universitätsgründung, Eberhard im Bart, Baden-Württemberg, Deutscher Südwesten, Gründung Universitäten, Graf Eberhard V., Hochschulen
Arbeit zitieren
Yannick Uppenbrink (Autor:in), 2018, Universitätsgründungen des 15. Jahrhunderts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/956811

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