Diese Arbeit geht der Frage nach, welche Standpunkte Eltern von Grundschulkindern bezogen auf die Thematisierung von 'Tod und Sterben' im Sachunterricht der Grundschule einnehmen. Aber auch weitere seitens der Eltern genannte Bedingungen, welche mit der Thematisierung einhergehen, sollen dargestellt werden. Zu diesem Zweck wurde eine qualitative Inhaltsanalyse durchgeführt. Die Grundlage dafür bilden sechs selbstständig durchgeführte Interviews. Innerhalb der theoretischen Abhandlung wird zunächst die Basis für die Ergebnisdarstellung und -auswertung gelegt.
Dabei stehen vor allem die Tabuisierung der Thematik in der heutigen Gesellschaft, das momentane Erleben von Tod und Sterben bei Kindern, deren Todeskonzepte in unterschiedlichen Altersstufen sowie das Trauerverhalten im Vordergrund. Im weiteren Verlauf wird auf Programme der 'Death Education' eingegangen, sowie auf die aktuelle Situation in den Schulen bezogen auf den Lehrinhalt 'Tod und Sterben'. Nach der theoretischen Abhandlung erfolgt die Zusammenfassung der Ergebnisse, welche mittels der qualitativen Inhaltsanalyse gewonnen wurden. Letztendlich sollen diese interpretiert und in Hinblick auf Lösungsvorschläge diskutiert werden.
Sterben, Tod und Trauer gehören ebenso zum Leben dazu, wie auch die Geburt. Wird ein Individuum geboren, so steht fest, dass dieses irgendwann auch wieder gehen muss. Dieses Thema beschäftigt die Menschheit in sämtlichen Lebenssituationen. Dennoch sind viele Erwachsene der Meinung, dass das Thema 'Tod und Sterben' für Kinder nicht interessant wäre, sie gar noch zu jung dafür sind. Aus diesem Grund wollen sie ihre Kinder davor schützen bzw. sie vor solch schweren Themen schonen.
Auch innerhalb der Schule wird dieses Thema nur unzureichend oder meist gar nicht angesprochen. Das liegt daran, dass eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema 'Tod und Sterben' im Erwachsenenkreis fehlt, sodass es auch zu einem Tabuthema im schulischen Umfeld geworden ist. Die Auseinandersetzung mit diesem Gegenstand ist umstritten und dementsprechend kein typischer Unterrichtsinhalt. Weder der Lehrplan des Sachunterrichts in Thüringen noch der Perspektivrahmen der Gesellschaft für Didaktik des Sachunterrichts (GDSU) führen diese Inhaltsbereiche in ihren Ausführungen auf.
I Inhaltsverzeichnis
II Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
1.2 Methodisches Vorgehen
2 Grundlagen
2.1 Definitionen
2.1.1 Thanatologie
2.1.2 Sterben
2.1.3 Tod
2.1.4 Trauer
2.2 Gesellschaftliche Entwicklungen zu Tod und Sterben
2.2.1 Tabuthema Tod
2.2.3 Wie Kinder den Tod erleben
2.2.3.1 Früher
2.2.3.2 Heute
3 Umgang mit Tod und Sterben im Kindesalter
3.1 Verlusterfahrungen von Kindern
3.2 Erfahrungen von Kindern im Umgang mit dem Tod
3.2.1 Direkte Erfahrungen
3.2.2 Indirekte Erfahrungen
3.3 Todesvorstellungen / Todeskonzepte
3.3.1 Kognitive Komponenten / Subkonzepte
3.3.2 Todeskonzepte unterschiedlicher Altersstufen
3.3.2.1 Kinder zwischen drei und fünf Jahre
3.3.2.2 Kinder zwischen sechs und acht Jahre
3.3.2.3 Kinder ab dem neunten Lebensjahr
3.4 Der Trauerprozess
3.4.1 Trauerreaktionen
3.4.2 Aufgabenmodell der Trauer nach James William Worden
4 Death Education
4.1 Grundlagen
4.2 Aufgaben und Ziele
4.3 Wirksamkeit der Death Education
5 Tod und Sterben als Sachunterrichtsthema
5.1 Aufgaben und Ziele des Sachunterrichts
5.2 Verortung im Thüringer Lehrplan
5.3 Perspektivrahmen Sachunterricht
5.4 Möglichkeiten der Einbindung in den Sachunterricht
5.4.1 Thematische Zugänge
5.4.2 Praxisbeispiele
5.4.3 Rituale in der schulischen Trauerarbeit
5.4.4 Zusammenfassung
5.5 Schwierigkeiten der Thematisierung von Tod und Sterben innerhalb der Grundschule
6 Qualitative Forschungsmethoden
6.1 Qualitative Sozialforschung
6.1.1 Begründung der Forschungsmethode
6.1.2 Theoretische Hintergründe
6.2 Erhebungsverfahren
6.2.1 Begründung der Methodenwahl
6.2.2 Das problemzentrierte Interview mit Leitfaden
6.2.3.1 Vorbereitungen
6.2.3.2 Durchführung der Interviews
6.3 Datenauswertung mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Udo Kuckartz
6.3.1 Begründung zur Wahl der Auswertungsmethode
6.3.2 Merkmale & Ablauf der qualitativen Inhaltsanalyse
6.3.2.2 Grundbegriff der „Einheiten“
6.3.3 Merkmale und Ablauf der inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse mittels induktiver Kategorienbildung
6.3.3.1 MAXQDA-Software
6.3.3.2 Vorgehen bei der Analyse
7 Ergebnisse
7.1 Beschreibung der Stichprobe
7.2 Beschreibung der Kategorien
7.2.1 Thematisierung im gesellschaftlichen/privaten Kontext
7.2.2 Thematisierung im schulischen Kontext
7.2.3 Gründe für Tabuisierung
7.2.4 Vorteile
7.2.5 Nachteile
7.2.6 Kontextueller Zusammenhang
7.2.7 Mögliche Unterrichtsthemen
7.2.8 Keine Unterrichtsthemen
7.2.9 Thematisierung in Abhängigkeit der Klassenstufe
7.2.10 Religiöser Bezug
7.2.11 Information an Eltern
7.2.12 Unterstützung des Trauerprozesses
7.2.13 Wahlrecht der Eltern
7.3 Diskussion
8 Fazit
III Literaturverzeichnis
IV Anhang
Abstract
Diese Forschungsarbeit geht der Frage nach, welche Standpunkte Eltern von Grundschulkindern bezogen auf die Thematisierung von „Tod und Sterben“ im Sachunterricht der Grundschule einnehmen. Aber auch weitere seitens der Eltern genannte Bedingungen, welche mit der Thematisierung einhergehen, sollen dargestellt werden. Zu diesem Zweck wurde eine qualitative Inhaltsanalyse durchgeführt. Die Grundlage dafür bilden sechs selbstständig durchgeführte Interviews. Innerhalb der theoretischen Abhandlung wird zunächst die Basis für die Ergebnisdarstellung und -auswertung gelegt. Dabei stehen vor allem die Tabuisierung der Thematik in der heutigen Gesellschaft, das momentane Erleben von Tod und Sterben bei Kindern, deren Todeskonzepte in unterschiedlichen Altersstufen sowie das Trauerverhalten im Vordergrund. Im weiteren Verlauf wird auf Programme der ‚Death Education‘ eingegangen, sowie auf die aktuelle Situation in den Schulen bezogen auf den Lehrinhalt „Tod und Sterben“. Nach der theoretischen Abhandlung erfolgt die Zusammenfassung der Ergebnisse, welche mittels der qualitativen Inhaltsanalyse gewonnen wurden. Letztendlich sollen diese interpretiert und in Hinblick auf Lösungsvorschläge diskutiert werden.
II Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abbildung 1: Generelles Ablaufschema qualitativer Inhaltsanalysen
Abbildung 2: Ablaufschema einer inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse
Abbildung 3: Kategorienübersicht
Abbildung 4: K1: Thematisierung im gesellschaftlichen/privaten Kontext
Abbildung 5: K3: Gründe für Tabuisierung
Abbildung 6: K4: Vorteile
Abbildung 7: K5: Nachteile
Abbildung 8: K6: Kontextueller Zusammenhang
Abbildung 9: K7: Mögliche Unterrichtsthemen
Abbildung 10: K8: Keine Unterrichtsthemen
Abbildung 11: K10: Religiöser Bezug
Abbildung 12: K11: Information an Eltern
Abbildung 13: K12: Unterstützung des Trauerprozesses
Tabelle 1: Forschungsperspektiven in der qualitativen Forschung
Tabelle 2: Phasen des Interviewprozesses
Tabelle 3: Vor- und Nachteile des Telefoninterviews
Tabelle 4: Einheiten der strukturierenden Inhaltsanalyse
Tabelle 5: Vorstellung der befragten Personen
1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
„Wen genau wollen wir denn schonen, wenn wir den Tod schönreden, bagatellisieren oder verdrängen? Dient das, was wir vermitteln, dem Nutzen des Kindes oder des Erwachsenen.“ (Unverzagt 2004, S.42)
Sterben, Tod und Trauer gehören ebenso zum Leben dazu, wie auch die Geburt. Wird ein Individuum geboren, so steht fest, dass dieses irgendwann auch wieder gehen muss. Dieses Thema beschäftigt die Menschheit in sämtlichen Lebenssituationen. Dennoch sind viele Erwachsene der Meinung, dass das Thema Tod und Sterben für Kinder nicht interessant wäre, sie gar noch zu jung dafür sind. Aus diesem Grund wollen sie ihre Kinder davor schützen bzw. sie vor solch „schweren“ Themen schonen (vgl. Hinderer & Kroth 2012, S.5).
Heranwachsende begegnen dem Tod auf unterschiedliche Art und Weise: indem sie ein totes Tier finden, Angehörige oder auch Freunde durch Krankheit oder Unfälle verlieren bzw. selbst lebensbedrohlich erkranken (vgl. Jennessen 2005, S.15). Sie machen altersentsprechend Erfahrungen damit und entwickeln dadurch individuelle Vorstellungen (vgl. Quietzsch 2004, S.121). Erwachsene merken das oft daran, dass Kinder sehr viele und tiefsinnige Fragen stellen, welche sie häufig in Erklärungsnot bringen, da sie sich selbst nur im äußersten Notfall mit diesem Thema auseinandersetzen.
Erfahrungen rund um Verlust, Sterben, Tod und Trauer sind demnach Dinge, die Eltern von ihren Kindern meist fernhalten wollen. Für Kinder bedeutet dies, dass ihnen ganz wichtige Lebenselemente vorenthalten werden, durch welches die Entwicklung und der Reifeprozess gehemmt werden. Doch es ist nicht von der Hand zu weisen, dass dies Grundthemen des Lebens sind und aus diesem Aspekt keinesfalls auszuklammern sind (vgl. Specht-Tomann & Tropper 2000, S. 68).
Auch innerhalb der Schule wird dieses Thema nur unzureichend oder meist gar nicht angesprochen. Das liegt daran, dass eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema Tod und Sterben im Erwachsenenkreis fehlt, sodass es auch zu einem Tabuthema im schulischen Umfeld geworden ist. Die Auseinandersetzung mit diesem Gegenstand ist umstritten und dementsprechend kein typischer Unterrichtsinhalt. Weder der Lehrplan des Sachunterrichts in Thüringen noch der Perspektivrahmen der Gesellschaft für Didaktik des Sachunterrichts (GDSU) führen diese Inhaltsbereiche in ihren Ausführungen auf. In diesem Zusammenhang ist zu sagen, dass eine systematische und auf Dauer bestehende wissenschaftliche Beschäftigung mit der Thematik Tod auch im Vergleich zur internationalen Ebene nicht erkennbar ist. Dadurch konnten bisher kaum Grundlagen geschaffen werden, die PädagogInnen ein für die Praxis verantwortbares Handeln aufzeigen und vermitteln (vgl. Wittkowski 2003, S.XIII). Jedoch wurden in den letzten Jahrzehnten eine Reihe von Ansätzen und Handreichungen für Lehrkräfte veröffentlicht, welche aufzeigen, wie dieses Thema im Kontext der Schule und auch des Sachunterrichts eingebaut werden kann.
Es wurden bereits eine Reihe von Untersuchungen mit Lehrkräften durchgeführt, welche die Etablierung dieses Themas in der Grundschule aufgreifen. Aber welche Meinung vertreten die Eltern der Kinder dazu?
Diese Arbeit soll daher der Beantwortung folgender Fragestellung dienen:
Welche Standpunkte nehmen Eltern bezüglich der Thematisierung von Tod und Sterben im Sachunterricht der Grundschule ein?
1.2 Methodisches Vorgehen
Ziel dieser Untersuchung ist, Meinungen von Eltern einzuholen, wie das Thema Tod und Sterben im Sachunterricht der Grundschule zu behandeln ist, um diese am Ende strukturiert darzustellen.
Zunächst werde ich daher einen Überblick geben, welcher die wichtigsten Begrifflichkeiten dieses Themas erläutert. Es ist außerdem äußerst sinnvoll, auch über den Tellerrand hinaus zu schauen: Wie wird in unserer Gesellschaft mit diesem Thema umgegangen und warum hat sich im letzten Jahrhundert ein Wandel hin zum Tabuthema Tod vollzogen?
Im weiteren Verlauf erfolgt eine Betrachtung bezüglich der Vorerfahrungen und der bisherigen Erkenntnisse mit der Auseinandersetzung des Themas Tod, Sterben und Trauer aus der Sicht von Vorschul- und Grundschulkindern. Dabei soll zunächst auf verschiedene Verlusterfahrungen im Kindesalter hingewiesen werden, bevor dann speziell auf Erfahrungen mit Tod und Sterben im diesem Altersabschnitt eingegangen wird. Ebenso werden die Todeskonzepte in den unterschiedlichen Altersstufen beleuchtet sowie der Trauerprozess mit seinen jeweiligen Phasen und Aufgaben, was als Grundlage für die Erhebung und Auswertung dienen wird.
Des Weiteren geht es um die Einbeziehung dieses sensiblen Themas in den Bildungsprozess. Zunächst wird erläutert, was man sich unter dem Begriff der ‚Death Education‘ vorstellen kann und welche Ziele hierbei verfolgt werden, um dann speziell auf das Thema „Tod und Sterben“ im Sachunterricht der Grundschule aus heutiger Sicht einzugehen. Dafür soll neben dem Thüringer Lehrplan auch der Perspektivrahmen Sachunterricht untersucht werden. Es werden ebenso Möglichkeiten und Grenzen der Behandlung des Themas aufgezeigt sowie konkrete Beispiele für die Umsetzung angedeutet.
Nach den theoretischen Grundlagen erfolgt der empirische Teil der Forschungsarbeit. Dort wird zunächst ausführlich das Forschungsdesign beschrieben. Neben der Erhebungsmethode soll außerdem auch die Auswertungsmethode detailliert präsentiert werden, um die Transparenz meines Forschungsweges intersubjektiv nachvollziehbar zu machen. Nachfolgend sollen die wichtigsten Ergebnisse, welche empirisch gewonnen wurden, strukturiert dargelegt. Aufgrund der speziellen Situation, der Covid-19-Pandemie, war es objektiv nicht möglich das eigentliches Vorhaben der Datenerfassung zu realisieren. Die Probleme, die im Verlauf der Forschungsphase auftraten, sowie die daraus resultierenden Veränderungen bezüglich der Durchführungsweise werden zusätzlich begründet. Im Fazit werden die Ergebnisse strukturiert dargelegt und die gewonnenen Erkenntnisse und Schlussfolgerungen zusammengefasst.
2 Grundlagen
In diesem Kapitel werden zunächst allgemeine Definitionen und Grundlagen, welche im weiteren Verlauf der Arbeit als Ausgangspunkt dienen sollen, dargelegt.
2.1 Definitionen
2.1.1 Thanatologie
Der Begriff „Thanatos“ stammt aus dem griechischem Sprachraum. Er bezeichnet den griechische Gott des Todes. Die Thanatologie ist eine interdisziplinäre Wissenschaft, welche sich mit dem Tod beschäftigt (vgl. Feldmann 2004, S.7).
„Die Thanatopsychologie hat jenes Verhalten und Erleben des Menschen zum Gegenstand, das einerseits durch das Wissen um die eigene Endlichkeit und die Begegnung mit Tod und Sterben ausgelöst wird und das andererseits durch somatische Veränderungen in der Endphase des Lebens bestimmt ist“ (Wittkowski 1990, S.6).
Die Thanatologie befasst sich also sowohl mit dem Menschen in der Endphase seines Lebens als auch mit denjenigen, welche vom Lebensende noch weit entfernt sind. Darunter zählen u.a. auch Untersuchungen zur Entwicklung des Todeskonzepts bei gesunden Kindern (vgl. Wittkowski 1990, S.6).
2.1.2 Sterben
Die Begrifflichkeiten „Sterben“ und „Tod“ werden in der Umgangssprache häufig verwechselt und oft synonym verwendet. Jedoch besteht zwischen diesen beiden Begriffen ein großer Unterschied, welcher im Folgenden geklärt werden soll. Zunächst wird auf das Sterben eingegangen und danach der Begriff des „Todes“ von diesem abgegrenzt.
„Im Sterben liegen“ ist ein häufig verwendeter Ausdruck in unserer Gesellschaft, welcher die Zeit umschreibt, in welcher sich das Leben eines Lebewesens dem Ende zuneigt quasi der Übergang vom Leben zum Tod.
„Das Sterben ist ein komplexer Vorgang, der dem Erlöschen aller Lebensfunktionen eines Organismus vorangeht. Ihm liegen die Prozesse der Zellalterung und des Zelltodes zugrunde“ (Gaede 2007, S.1350). In vielzelligen Organismen können immer wieder Zellen absterben, die allerdings durch Zellerneuerung wieder ersetzt werden. Ein Organismus stirbt dann, wenn aufgrund von Störungen dieses Gleichgewicht nicht mehr intakt ist. Dadurch kann es dann durch das Absterben der Zellen zum Funktionsausfall einzelner Organe kommen, welcher auch nicht durch andere Organe ausgeglichen werden kann. Diese Störungen können infolge von Infektionen oder Giften, aber auch durch die Alterung von Zellen, wodurch dann die Anzahl der nicht-funktionsfähigen Zellen ansteigt, auftreten. In diesen Fällen führt dies schließlich zum Tod (vgl. ebd. S.1350).
2.1.3 Tod
Nun stellt sich aber die Frage, wann ein Lebewesen tot ist. Dieser wichtige Punkt sollte zunächst geklärt werden. Der Tod wird in der Wissenschaft als das Ende des Lebens von Individuen definiert. In der Medizin allerdings geht der Tod mit den Funktionsverlusten von Atmungs-, Kreislauf- und des Zentralnervensystems einher (vgl. Everding 2005, S.30).
Gaede (2007, S.1401) beschreibt den Tod als „…Beendigung der Lebensfunktionen eines Organismus“. Definitionen des Begriffes Tod kommen in den meisten Fällen aus dem medizinischen Bereich. Dahingehend unterscheidet die Medizin drei Arten des Todes: den klinischen Tod, den Hirntod und den biologischen Tod.
Der Zustand nach dem Auftreten eines Atem- und Herz-Kreislauf-Stillstandes wird als klinischer Tod bezeichnet. Er wird durch unsichere Todeszeichen, wie Bewusstlosigkeit, fehlende Atmung, Pulslosigkeit, fehlende Abwehr auf Schmerzreize, schlaffe Muskulatur und Reflexverlust charakterisiert. Nur wenn diese Todeszeichen eintreten, kann die Diagnose „klinischer Tod“ gestellt werden. Die Wiederbelebung ist dann notwendig, wenn Atmung und Herzschlag aussetzen, da ab diesem Zeitpunkt das Gehirn nur noch wenige Minuten mit Sauerstoff versorgt werden kann (vgl. Gaede 2007, S.1401).
Als Hirntod wird der unwiederbringliche Verlust aller Funktionen des Gehirns bezeichnen, welches letztendlich den Tod des Menschen als Individuum bedeutet. Anzeichen hierfür sind u.a. Bewusstlosigkeit, fehlende Spontanatmung, fehlende Hirnstammreflexe, sowie der Nachweis fehlender Gehirndurchblutung. Durch künstliche Beatmung ist es möglich, die Herz-Kreislauf- und Lungenfunktion noch zu erhalten. Der Hirntod ist in vielen Fällen Ausgangspunkt für eine Organentnahme zur Transplantation (vgl. Gaede 2007, S.1401).
Mit dem biologischen Tod geht das Erlöschen aller Organfunktionen einher. Eindeutige Todeszeichen, welche als Kriterium für den sicheren Eintritt des Todes herangezogen werden können, sind z.B. Totenflecken, Totenstarre und die Fäulnis (vgl. Gaede 2007, S.1041).
2.1.4 Trauer
„Zunächst ist Trauer eine angeborene Reaktion des Organismus, der ganzen Persönlichkeit auf Situationen der Trennung und des Verlustes“ (Student 1993, S.182). Die Trauer kehrt immer wieder infolge eines Verlustes ein und ganz spezifisch „[…] auf den Verlust einer signifikanten Person“ (Lammer 2006, S.31). Diese Definition von Trauer - angelehnt an die von Sigmund Freud (1916) - zeigt, dass Trauer immer eine positive Funktion hat. Diese besteht einmal in der Bewältigung von Verlusten und zum anderen, dass das Trauerverhalten ebenso zur Normalität gehört (vgl. Lammer 2006, S.31).
Trauer bedeutet im Alt- und Mittelhochdeutschem so viel wie Niederfallen, matt und kraftlos werden, den Kopf sinken lassen, die Augen niederschlagen. Assoziiert man diese Wörter bildlich, so kann man davon ausgehen, dass diese Emotion bereits in der Körperhaltung der Menschen signalisieren wird, in welchem Gefühlszustand sie sich befinden (vgl. Specht-Tomann & Tropper 2000, S.34).
Trauer tritt allerdings nicht nur in Verbindung mit dem Tod auf. Der Mensch erlebt in vielen Alltagssituationen das Gefühl von Trauer. Wir verabschieden uns von Orten, Menschen, Freundschaften, Gesundheit, Ideen und einigen anderen Dingen (vgl. Weber & Wirtz 2019, S.25; Student 1993, S.183). Wir werden also immer dann mit der Trauer konfrontiert, wenn wir uns von Dingen, Personen, Tieren und Zuständen trennen müssen. Ob das Abschiednehmen nur vorübergehend oder endgültig ist, spielt dabei keine Rolle (vgl. Iskenius-Emmler 1988, S.11).
Die Aussicht auf positive Nachwirkungen dieses Abschieds lässt uns oft die Trauer über den Verlust nicht spüren. Treten allerdings gravierende Verluste ein, wie beispielsweise der Tod eines nahestehenden Menschen, erleben wir die Trauer umso intensiver. Einerseits gehen Veränderungen im Leben immer mit Trauerreaktionen einher, aber andererseits ist Trauer hilfreich, notwendig und unterstützend, um den Abschied zu überstehen. Festzuhalten ist, dass Trauer prozesshaft und sehr individuell ist und bei jeder Person anders abläuft (vgl. Weber & Wirtz 2019, S.25). Dazu gehören Reaktionen und Gefühle wie Weinen, Schreien, Schluchzen, Wut, Empörung, Protest, Hilfslosigkeit, Trotz und vieles mehr (vgl. Student 1993, S.183).
Zusammenfassend könnte man sagen, dass sich „[…] Trauer […] als Reaktion auf die unterschiedlichsten Erlebnisse von Verlust einstellen kann“ (Iskenius-Emmler 1988, S.11). Trauer ist demzufolge eine gesunde, lebensnotwendige und kreative Reaktion auf Verluste. Sie bleibt nicht aus und sie kann nicht übersprungen werden, sondern man kann sie nur überwinden, indem man sie „durchsteht“. Wird die Trauer unterdrückt, so kann dies weitreichende Folgen für das weitere Leben nach sich ziehen (vgl. Student 1993, S.187).
2.2 Gesellschaftliche Entwicklungen zu Tod und Sterben
In sämtlichen Kulturen wurde und wird auch heute dem Tod noch ein besonderer Stellenwert zugeschrieben. Ob überlieferte Erzählungen, alte Schriften, in Stein gehauene Szenen, Höhlenmalereien, Gemälde oder zahlreiche Grabbeilagen – sie geben Aufschluss über die jeweilige Sicht der Menschen über ihr Todesverständnis (vgl. Specht-Tomann & Tropper 2000, S.18). „In den meisten Kulturen wird der Tod rituell geregelt, d.h. es gibt vorgeschriebene Verhaltensabläufe für die Betroffenen, für die Überlebenden und für die Toten. Der Tod wird als Übergang in einen anderen Zustand, häufig in ein Reich der Toten definiert. Damit wird der Tod in den Lebenslauf eingeordnet“ (Feldmann 1997, S.20). Solche Rituale werden auch in vielen anderen Lebensweltbezügen eingesetzt, um krisenhafte Übergänge zwischen zwei Identitäten besser gelingen zu lassen (vgl. Student et.al. 2007, S.68).
Dennoch haben sich viele Menschen in der heutigen Gesellschaft im Gegenzug davon abgewandt, ungezwungen mit den Themen Krankheit, Sterben und Tod umzugehen. Betrachtet man die öffentlichen Medien, so kann man feststellen, dass sich viele Berichte und Publikationen mit der Erhaltung der Gesundheit beschäftigen, da nahezu jeder Mensch bestrebt ist, möglichst lange am Leben zu bleiben. Somit wird die persönliche Auseinandersetzung mit der Endlichkeit des eigenen Lebens so lange wie möglich hinausgezögert (vgl. Freese 2001, S.2). Aber auch der Fortschritt der Medizin, welche die lebenserhaltenden und -verlängernden Maßnahmen ausgeweitet hat, trägt zu einer höheren Lebenserwartung, der Hinauszögerung des Todes und somit einer Verdrängung dieser Thematik aus dem Lebensumfeld der Menschen bei (vgl. Iskenius-Emmler 1988, S.47).
In den unterschiedlichen Epochen der Menschheitsgeschichte wurde selten so viel über den Tod und das Sterben debattiert, wie in der heutigen Zeit. Vor allem die Möglichkeiten der Bewältigung von Trauer stehen dabei im Vordergrund (vgl. Pompey 1996, S.11). Die Angst vor dem Tod ist zu einem zentralen Thema geworden, aber ebenso deren Bewältigung (vgl. Student et.al. 2007, S. 133). Es wurden und werden noch immer eine Vielzahl von Hilfsvereinen und Interessengruppen für aktive Sterbehilfe gegründet sowie Diskussionsveranstaltungen in den Medien und Bildungseinrichtungen ausgerichtet (vgl. Pompey 1996, S.11). Ausschlaggebend ist jedoch, dass eine Auseinandersetzung mit Tod und Sterben meist nur auf einer sachlichen und anonymen Ebene geschieht bzw. der Austausch in den meisten Fällen von Unsicherheit und Hilfslosigkeit geprägt ist (vgl. Jennessen 2007, S.7).
Der Tod und die Fragen über das Leben nach dem Tod beeinflussen dementsprechend auch das Handeln der Menschen. „Die große Bandbreite an Vorstellungen und konkreten Verhaltensweisen zeigt die Abhängigkeit des Todeskonzeptes von historischen und kulturellen Größen“ (Specht-Tomann & Tropper 2000., S. 20). Es soll nachfolgend aufgezeigt werden, welchen Wandel die Todesthematik in den letzten Jahrzehnten unterzogen war und welche Gründe diesem zugrunde liegen.
2.2.1 Tabuthema Tod
Bis in das 20. Jahrhundert war für die meisten Menschen der Tod ein öffentliches Ereignis und dementsprechend selbstverständlicher Bestandteil des eigenen Lebens und der Gemeinschaft. Es hatte einen enormen Einfluss auf das Lebensgefühl der Menschen. Doch in der heutigen Zeit kann man eine Ausgrenzung dieser Problematik aus dem persönlichen, familiären und gesellschaftlichen Leben erkennen (vgl. Jennessen 2007, S.7). Der Öffentlichkeitscharakter des Todes ist nicht mehr zu erkennen (vgl. Iskenius-Emmler 1988, S.47). Dies zeigt sich durch eine „gewisse Sprachlosigkeit bzw. eine gehemmte Kommunikation“ (Zingrosch, zit. nach Jennessen 2007, S.7) in Zusammenhang mit dem Thema Tod und Sterben eingesetzt hat.
Über sehr lange Zeit war es selbstverständlich, dass die Menschen ihre eigenen Sterblichkeit bewusst wahrgenommen haben und offen damit umgingen. Es ist allerdings Tatsache, dass die Menschen zu früheren Zeiten ein anderes Bild vom Tod und folglich auch ein anderes Todeskonzept verinnerlicht hatten als in der heutigen Zeit. Denn es ist nicht abstreitbar, dass heutzutage das Thema Tod oft aus dem alltäglichen Leben ausgeklammert wird (vgl. Specht-Tomann & Tropper 2000, S.22).
Der Tod ist, wie bereits erwähnt, aus dem familiären Umfeld verdrängt worden, was letztendlich dazu führt, dass der selbstverständliche Umgang mit Leben und Sterben nicht mehr unmittelbar erfahren werden kann. In Folge der Ausgliederung dieser wichtigen Lebenserfahrungen aus dem Familienumfeld bzw. eines kleinen sozialen Rahmens kommt es auf lange Sicht zur Absonderung bestimmter Gefühle, die eigentlich zum Leben der Menschen dazugehören. Das kommt daher, dass ihnen in der heutigen Zeit konkrete Erfahrungen im Umgang mit dem Tod fehlen (vgl. Specht-Tomann & Tropper 2000, S.23). „[…] Je größer Tabuisierung und Verbannung sind, desto mehr nehmen Hilflosigkeit und Angst im Umgang mit Sterben und Tod zu“ (Tausch-Flammer & Bickel 2000, S.34).
Zusammenfassend kann man sagen, dass zwei Richtungen in der heutigen Gesellschaft Einzug halten. Zum einen erfolgt die Verdrängung des Todes sowie dessen Eliminierung bezogen auf den direkten Umgang mit ihm. Andererseits kommen Darstellungen rund um „Tod und Sterben“ in den Medien, wie in Zeitung, Nachrichten und Filmen, immer häufiger vor (vgl. Tausch-Flammer & Bickel 2000, S.34).
2.2.2 Gründe für den Wandel
In diesem Kapitel soll erläutert werden, welche Gründe vorliegen, die diesem Wandel zugrunde liegen bzw. zur Verdrängung des Todes in der heutigen Gesellschaft geführt haben.
1. „Der medizinische und technische Fortschritt nährt die Hoffnung auf ständige Lebensverlängerung, wodurch sich das Denken vom unvermeidlichen Tod abwendet“ (Feldmann 1997, S.35). Einen wesentlichen Grund für den vollzogenen Wandel von der Normalität des Todes hin zur Tabuisierung dieser Thematik vermittelt dieses Zitat sehr gut. Allerdings führt die in der heutigen Gesellschaft verankerte Lebenseinstellung, dass Gesundheit, Sportlichkeit, Dynamik und Leistungsfähigkeit als angestrebte Lebensideale gelten, zur Verdrängung des Todes (vgl. Jennessen 2007, S.7).
2. Schaut man sich den Sterbeprozess in traditionsreichen Gebieten an, so war dies früher eine öffentliche Angelegenheit. Jeder, der den Verstorbenen kannte, kümmerten sich um eine bestimmte Sache. Die moderne Familie bzw. die Primärgruppe umfasst heutzutage allerdings nur noch wenige Personen und der Eintritt eines Todesfalls ist für diese Familienmitglieder weitaus schlimmer als noch Jahrzehnte zuvor. Man kann also sagen, dass sich der Tod zu einer Privatangelegenheit entwickelt hat und letztendlich zur Isolierung führt. Auch Begräbnisse und Trauerrituale verlieren nach und nach ihre öffentliche und gesellschaftliche Bedeutung (vgl. Feldmann 1997, S.34).
3. Des Weiteren ist festzuhalten, dass die meisten Personen unter einem Erfahrungsmangel bezüglich Sterben und Tod leiden. Infolge der Verlängerung der Lebensdauer in der Menschheit, wird das Sterben von Bezugspersonen meist erst im Erwachsenenalter erlebt. Dieses Erfahrungsdefizit führt letztendlich im tatsächlichen Erleben eines Todesfalls zur Hilfslosigkeit und Abwendung. Der Umgang mit Sterbenden, Trauernden und Toten ist für einen Großteil der Menschen eher ungewohnt, peinlich, unschicklich und generell unerwünscht. Aus diesem Aspekt heraus bleiben auch die Kinder von Begräbnissen und Beisetzungen eher „verschont“. Der Umgang mit Sterbenden und Toten wird allgemein gemieden – sie werden ausgesondert und professionelles Personal kümmert sich um die „Unannehmlichkeiten“. Aus diesem Erfahrungsmangel heraus folgen dann letztendlich die entsprechenden Haltungen und Gedanken bezüglich des Todes und dem Sterben (vgl. Feldmann 1997, S.34f.).
4. Der vorangehende Punkt hat bereits eine weitere Ursache angedeutet. In der heutigen Zeit ist es immer mehr verbreitet, dass Menschen in bürokratischen Organisationen, wie Krankenhäusern oder Altersheimen, sterben. Im Vergleich zu früher wird die Person aus dem jeweiligen primären Umfeld herausgerissen. Es kommt zu einer gegensätzlichen Situation: Einerseits wird der Sterbende dadurch zu einem öffentlichen Objekt und wird aber gleichzeitig auch von der Öffentlichkeit ferngehalten. Man kann sagen, dass das Sterben in diesen bürokratischen Organisationen also weder privat noch öffentlich vonstattengeht, sondern ein eigener sozialer Raum dafür geschaffen wird (vgl. Feldmann 1997, S.35).
5. Ebenso findet eine Partikularisierung des Todes statt. Denn im Gegensatz zu früheren Jahrhunderten, in welchen Menschen aller Alterskategorien vom Sterben betroffen waren, wird der Tod heute fast ausschließlich mit sehr alten oder kranken Menschen in Verbindung gebracht (vgl. Feldmann 1997, S.35). „Damit ist auch die Selbstverständlichkeit verlorengegangen, mit der Menschen aller Altersstufen an dem Prozess des Sterbens teilnehmen konnten“ (Specht-Tomann; Tropper 2000, S.22).
6. Wirft man einen Blick auf die kirchlichen Strukturen, so ist zu erkennen, dass diese im Vergleich zu früher weniger selbstverständlich sind. Rituale und Bräuche, welche früher noch weit verbreitet waren, finden heutzutage nur noch selten Anklang. Daraus folgt der Verlust an Gemeinschaften, in welchen sich Gleichgesinnte untereinander austauschen konnten (vgl. Hinderer & Kroth 2012, S.5).
2.2.3 Wie Kinder den Tod erleben
Die Kommunikation über Sterben und Tod mit den Kindern wird in der heutigen Zeit nicht als selbstverständlich erachtet, da der Umgang mit der Thematik eben diesem Wandel unterliegt. Der gesellschaftliche und familiäre Wandel bezüglich des Umgangs mit dem Tod schlägt sich ebenso auf die Kinder nieder. Daraus folgt, dass diese ein unterschiedliches Empfinden gegenüber dem Tod entwickeln. Nachfolgend soll kurz erörtert werden, wie Kinder früher den Tod in ihrem Umfeld erlebt haben und wie sie ihm heute begegnen.
2.2.3.1 Früher
Etwa bis zu Beginn des zweiten Weltkrieges, als es noch sehr viele Großfamilien gab und viele Generationen in einem Haushalt zusammenlebten, fand der Sterbeprozess in den meisten Fällen auch zu Hause statt. Alle Familienmitglieder, auch die Kinder, wurden in den Prozess des Sterbens eingebunden. Jeder hatte seine Aufgaben und Verpflichtungen. Folglich wurde das Sterben und der Tod als natürlicher Vorgang angesehen und nicht tabuisiert wurde. Auch für die Kinder war die Anteilnahme an diesem Prozess selbstverständlich (vgl. Everding 2005, S.19).
Früher waren außerdem Trauerzüge vom Sterbehaus zum Friedhof weit verbreitet, nachdem der Verstorbene noch eine gewisse Zeit an dem Ort blieb, an welchem er zuletzt gelebt hatte. Dafür wurde der Sarg in der Wohnung aufgebahrt, sodass sich sowohl Angehörige als auch Freunde und Nachbarn verabschieden konnten. Selbst die Trauerfeier fand meistens im Hause statt, bevor es dann zum Gottesdienst in die Kapelle ging und im Anschluss die Beisetzung folgte. An diesem gesamten Prozess nahmen auch die Kinder teil, sodass sie ein unverblümtes und unverzerrtes Bild vom Sterben und Tod bekamen (vgl. Everdings 2005, S. 34). Ein weiterer Fakt ist, dass zu früheren Zeiten eine hohe Rate an Säuglingssterblichkeiten vorherrschte. Aus diesem Grund wurden bereits junge Kinder oft mit dem Tod einer Schwester oder eines Bruder konfrontiert (vgl. Iskenius-Emmler 1988, S.145).
2.2.3.2 Heute
Im Gegensatz zu früher haben sich das Verhalten und die Einstellungen gegenüber dem Tod und Sterben gewandelt. Dass man über dieses Thema nicht mit Kindern spricht, wurde zur Devise. Durch den Fortschritt der Medizin wurde der Tod zum Feind, den man nicht aussprach und zu „besiegen“ hatte. Auch der Sterbeprozess verlagerte sich von zu Hause in bestimmte Organisationen, in welchen die Anonymität gewahrt wurde. Diese räumliche Trennung kann auch als Kennzeichen der inneren Distanzierung der Sterbenden gegenüber der Lebenden gesehen werden. Nun gab es Bestattungsunternehmer, die sich um den Ablauf nach dem Tod kümmerten. Auch die Aufbahrungen fanden demzufolge nicht mehr im vertrauten Umfeld statt. Somit konnten auch die Kinder keine Erfahrungen in diesem Zusammenhang sammeln, da sie von der Gesamtsituation ferngehalten und davor geschützt wurden. Doch ebenso wie früher setzen sich Kinder heute mit dem Sterben auseinander und werden in sämtlichen Situationen damit konfrontiert (vgl. Everding 2005, S.19-21). Die Isolation der Kinder vom Tod ist keineswegs sinnvoll, denn haben diese keinen Ansprechpartner, so kann sich ein gesundes Verständnis gegenüber dem Tod und Sterben nicht entwickeln.
Auch die Bestattungskultur hat sich im Vergleich zu früher verändert. Oftmals ist es so, dass die Friedhöfe außerhalb der Siedlungen liegen und somit auch das Abschiednehmen aus dem häuslichen Umfeld verdrängt wurde. Ist eine Person doch zu Hause verstorben, so soll diese schnellstmöglich weggebracht werden. Auch die Verabschiedung von verstorbenen Personen sollte zügig abgehandelt werden. Sie werden meist in der Friedhofskapelle bis zur Beisetzung aufgebettet und durch eine Glasscheibe von den Verwandten abgetrennt. Denn im Gegensatz zu früher ist der Tod zu etwas Persönlichem geworden. Meist nur die engsten Verwandten sind in diesen Kreis eingeschlossen (vgl. Everdings 2005, S.34f.).
Ebenso existiert die Meinung, dass Kinder auf Beerdigungen nichts verloren haben, da diese traurige Atmosphäre weniger kindgerecht ist. Man lässt sie demnach häufig bei Bekannten, wodurch allerdings die Gefahr besteht, dass sich Kinder in solchen Situationen nicht ernst genommen fühlen. Da sie keine Vorstellungen davon haben, was auf Beerdigungen passiert, führt dies dazu, dass sie sich in ihrer Fantasie Bilder ausmalen, die teilweise schlimmer sein können, als es die Wirklichkeit ist. Man sollte Kindern die Chance geben an Beerdigungen teilzunehmen, auch wenn – oder vor allem dann, wenn sie keine direkte emotional tiefe Verbindung zum Toten hatten. Denn so können sie das für sie noch Unbekannte kennenlernen, ohne auf besonders gefühlvolle Weise damit in Verbindung zu stehen (vgl. Everding 2005, S.62).
In den heutigen Medien ̶ sei es Fernsehen, Radio, Zeitschriften, PC-Spiele oder diverse Internetportale ̶ ist der Tod allgegenwärtig. Dort erleben wir den Tod so oft, wie wir ihn im alltäglichen Umfeld niemals durchleben würden. Zum Schutz entwickeln wir dadurch Gleichgültigkeit. Infolgedessen scheint es so, als würden die Menschen nur noch Tode berühren, welche besonders grausam und tragisch sind. Dies kann zum einen daran liegen, dass dies Geschehnisse sind, denen wir uns nicht entziehen können, da sie auch uns treffen können, wie z.B. Todesanzeigen von Gleichaltrigen, Zugunglücke in näherer Umgebung usw. Doch entgegen der Annahme, dass die Präsenz des Todes in den Medien uns diesen auch näher bringt, entwickeln Kinder viel eher ein verzerrtes Bild vom Tod und das Wissen über ihn. Betrachtet man eine schwedische Umfrage, zeigt sich, dass 40% der Sechs- bis Zehnjährigen glauben, der Tod würde durch Mord oder Todschlag eintreten. Daran kann man erkennen, dass Kinder noch nicht in der Lage sind, den Unterschied zwischen Fiktion und Wirklichkeit zu erschließen. In den Medien wird der Tod eher unschön, grausam oder unwürdig dargestellt, was wiederum zur Verfremdung des Bildes vom Tod beiträgt (vgl. Everding 2005, S. 23). Die komplexe Medialisierung führt bei den Menschen und vor allem den Kindern zu einer Visualisierung des Todes, wie bisher noch nie, allerdings ohne bzw. nur wenig persönliche Berührungspunkte dazu zu haben (vgl. Student et al. 2007, S. 11).
3 Umgang mit Tod und Sterben im Kindesalter
3.1 Verlusterfahrungen von Kindern
Kinder im Grundschulalter leben in einer Welt, in der sie neben den Eltern als die wahrscheinlich wichtigsten Bezugspersonen auch eine große Anzahl an weiteren Beziehungen eingehen. In diesem Lebensraum erfahren sie immer wieder verschiedenste Verluste, die sich je nach der Intensität und Bedeutung der Beziehung unterscheiden können. Je unmittelbarer das Kind betroffen ist, desto eingehender wird es die Trennung erleben. Die individuelle Persönlichkeit, der Entwicklungsstand und die Art der Beziehungen können aufgrund dieser Verlusterfahrungen die weitere Entwicklung beeinflussen (vgl. Hennecke 1987, S.15).
Redet man von Verlusterfahrungen, sind allerdings nicht die großen Verluste gemeint, wie z.B. der Tod eines Elternteils. Hierbei geht es eher um den Verlust von Vertrautem, um den Verlust von Selbstverständlichkeiten. Kleine Kinder lernen schon sehr früh gerade erst Vertrautes aufzugeben, um aber gleichzeitig einen Schritt in ihrer Entwicklung weitergehen zu können, sodass Neues dadurch möglich wird. Daher sollte man nicht versuchen, Verlusterfahrungen von den Kindern fernzuhalten. Es sollte eher oberste Priorität sein, eine Anlaufstelle für die Nöte und Ängste der Kinder in diesen Situationen zu sein. Kann ein Kind dann erste positive Erfahrungen in Bezug auf Trennungen machen, dann kann auch ein Gefühl von Vertrauen entwickelt werden. Denn es wird merken, dass es trotz des Verlustes nicht einsam ist und Trost bei anderen finden kann (Specht-Tomann; Tropper 2000, S. 54f.).
3.2 Erfahrungen von Kindern im Umgang mit dem Tod
Kinder erleben in ihrer Lebensumwelt den Tod auf unterschiedliche Weise. Diese kann sowohl direkten als auch indirekten Charakter haben und berührt die Kinder in unterschiedlicher Intensität.
Es gibt zwei Betrachtungsweisen, wie die Heranwachsenden den Tod für sich empfinden. Zum einen können sie den Tod als etwas, was sie nicht betrifft, erfahren. Auf der anderen Seite kann der Tod sie umso mehr aus der Bahn werfen, je mehr Bedeutung sie dem Verlorenen beigemessen haben (vgl. Hennecke 1987, S.17).
3.2.1 Direkte Erfahrungen
Meist machen Kinder die ersten direkten Erfahrungen mit dem Tod durch ein verstorbenes Haustier. Dieser Verlust ist oft mit sehr schmerzhaften Empfindungen und Gefühlen verbunden, da sie für ihre Haustiere eine tiefe Zuneigung empfinden (vgl. Hennecke 1987, S.15). Äußere Anzeichen, die auf den Tod hinweisen, wie Bewegungslosigkeit des betroffenen Haustieres oder das Erlöschen der Lebensfunktionen, werden von dem Kind wahrgenommen (vgl. Hennecke 1987, S.15).
In der Lebenswelt der Kinder machen diese auch Erfahrungen mit dem Tod in der Natur. Hier wird ihnen gezeigt, dass der Tod im natürlichen Zusammenhang mit dem Leben steht. Sie erkennen, dass Pflanzen absterben können, dass Bäume oder Äste verdorren und austrocknen oder dass der Laubfall im Herbst ein ganz natürlicher Prozess des Jahreskreislaufes ist (vgl. Hennecke 1987, S.16 zit. nach Grom).
3.2.2 Indirekte Erfahrungen
Da Kinder immer weniger mit direkten Todeserfahrungen konfrontiert werden, ist es umso wichtiger, dass sie auf indirekte Erfahrungen zurückgreifen können. Darunter fällt auch die Alltagskommunikation über Sterben, Tod und Trauer im Umfeld der Kinder. Zu bedenken ist allerdings, dass die kindlichen Vorstellungen auch aus beiläufig entstandenen Gesprächen beeinflusst werden können. Daher sollte genau bedacht werden, welche Gedanken gegenüber Kindern geäußert werden (vgl. Quietzsch 2014, S.154).
Eine weitere Quelle, in welcher Informationen bezüglich Tod und Sterben bezogen werden können, sind die Medien. Dabei stellt sich jedoch die Frage, ob bei dieser medialen Vermittlung tatsächlich noch von einem Todeserlebnis gesprochen werden kann, da durch eine derartige Überflutung und die Distanz zum Erlebnis dieses kaum noch vom Betrachter realisiert werden kann (vgl. Hennecke 1987, S.16).
Des Weiteren kommt es zu indirekten Erfahrungen, wenn der Tod als Geheimnis dargestellt wird. Viele Erwachsene gehen davon aus, dass die kindlich „heile“ Welt zerstört werden könnte, wenn von Tod und Sterben gesprochen wird. Auch das Ausweichen vor Fragen der Kinder stellt eine Form der Tabuisierung dar. „Demnach erleben Kinder Sprachlosigkeit im Sinne von nicht vorhandener direkter Kommunikation und werden häufig nicht auf den baldigen Tod eines Angehörigen vorbereitet“ (vgl. Pesel 2006, S.12).
3.3 Todesvorstellungen / Todeskonzepte
Um das Thema „Tod und Sterben“ in die Grundschule einordnen zu können, ist es wichtig zu wissen, wie die Entwicklung der kindlichen Todesvorstellungen erfolgt, um eine altersgerechte und bewusste Auseinandersetzung mit dieser Thematik gewährleisten zu können. In diesem Kapitel soll es demnach darum gehen, welche Vorstellungen Kinder in bestimmten Altersstufen bezüglich des Todes haben und wie sich diese unterscheiden. Außerdem wird die Frage geklärt, wie sich Kinder die Vorgänge beim Eintritt des Todes und den abschließenden Zustand des Todes erklären. Ein weiterer Punkt wird die Erkenntnis hinsichtlich der eigenen Sterblichkeit sein, sowie Gefühle, welche Kinder beim Nachdenken über Totsein und Tote äußern, sein. Betrachtet man diese verschiedenen Gesichtspunkte, so kann man die Todeskonzepte von Kindern bezüglich des Alters bestimmen (vgl. Wittkowski 1990, S.44).
„Das Todeskonzept bezeichnet die Gesamtheit aller kognitiven Bewusstseinsinhalte (Begriffe, Vorstellungen, Bilder), die einem Kind oder einem Erwachsenen zur Beschreibung und Erklärung des Todes zur Verfügung stehen. Das Todeskonzept beinhaltet eine kognitive Komponente, an der primär Wahrnehmung und Denken beteiligt sind, sowie eine emotionale Komponente, welche mit den einzelnen kognitiven Inhalten des Todeskonzepts verbundenen Gefühle abdeckt.“ (Wittkowski 1990, S.44)
Insgesamt tragen drei wichtige Elemente dazu bei, wie wir Menschen und auch schon Kinder bestimmte Vorstellungen und Konzepte über das Sterben und den Tod entwickeln. Zum einen ist der kulturelle Rahmen für die Entwicklung ausschlaggebend. Jeder von uns wächst in einem bestimmten Umfeld auf, in welchem bestimmte Vorstellungen und Bilder vom Tod bestehen. Diese Perspektive bleibt aber nur dann bestehen, wenn sie entweder in ein größeres kulturelles Umfeld passen, in welchem wir leben oder das Umfeld eine für uns relevante Gruppe ist. Trifft dies nicht zu, können sich diese Konzepte gegebenenfalls verändern. Einen weiteren Einfluss auf unsere Vorstellungen hat allerdings auch der religiöse Rahmen. Die Beschäftigung mit diesem sensiblen Thema spielt in diesem Sektor eine große Rolle und ist gekoppelt an ganz bestimmte Jenseitsvorstellungen. Der letzte einflussreiche Faktor ist der familiäre Rahmen. Hier werden ebenfalls typische Denk- und Verhaltensmuster vermittelt. Somit werden die Kinder auch durch das soziale Umfeld in ihren Todeskonzepten beeinflusst, die sie letztendlich in das eigene Leben und Weltbild einbinden werden (vgl. Specht-Tomann & Tropper 2000, S.23f.).
3.3.1 Kognitive Komponenten / Subkonzepte
In Kapitel 3.3 wurde bereits erläutert, was man sich unter einem Todeskonzept vorstellen kann. Nun ist aber wichtig, das Todeskonzept nicht als eine Einheit zu betrachten. Es ist viel mehr so, dass sich dieses aus mehreren Komponenten, Dimensionen oder auch Subkonzepte genannt, zusammensetzt. Erst eine Betrachtung aus diesen unterschiedlichen Blickwinkeln ermöglicht differenzierte und individuelle Aussagen über die Entwicklungsprozesse in den unterschiedlichen Altersstufen der Kindheit. Würde das Todeskonzept nur global betrachtet werden, wäre dies nicht möglich (vgl. Wittkowski 1990, S. 47). Um die Ergebnisse gut auswerten zu können, ist es wichtig darauf zu achten, dass die Dimensionen statistisch möglichst unabhängig voneinander sind (vgl. Wittkowski 1990, S.49).
Zunächst soll dargestellt werden, welche Komponenten die Heranwachsenden nach und nach entwickeln, um zu einem reifen Todeskonzept zu gelangen.
Es haben sich insgesamt vier Subkonzepte bezogen auf das Todeskonzept von Kindern herausklassifiziert:
a) Nonfunktionalität (die Körperfunktionen erlöschen mit dem Eintritt des Todes)
b) Irreversibilität (der Tod ist unumkehrbar und kann demnach nicht rückgängig gemacht werden)
c) Kausalität (der Tod hat physikalische und biologische Ursachen)
d) Universalität (der Tod hat Allgemeingültigkeit - jeder, der geboren wird, stirbt auch irgendwann) (vgl. Göllner 2010, S. 148)
Durch genaues Zuhören und Analysieren der Aussagen von Kindern kann man herausfinden, an welcher Stelle sich das Kind, bezogen auf diese vier Dimensionen, befindet. „Je klarer und zeitlich stabiler diese ‚Standortbestimmung‘ und je deutlicher sie beim Pol ‚vorhanden‘ (versus ‚nichtvorhanden‘) ist, desto stärker wird das kindliche Todeskonzept dem der Erwachsenen gleichen“ (Specht-Tomann; Tropper 2000, S.67).
In der Zeit der Kindheit kann es allerdings immer wieder vorkommen, dass die scheinbar feststehenden Vorstellungen wieder aufgeweicht werden oder verschwimmen (vgl. ebd., S.67).
3.3.2 Todeskonzepte unterschiedlicher Altersstufen
„Die Vorstellungen vom Sterben und Todeserfahrungen hängen vom kognitiven und emotionalen Entwicklungsstand, von persönlichen Erfahrungen, von der Bildung und von anderen Faktoren ab und sind in einer modernen Gesellschaft also individuell sehr unterschiedlich“ (Feldmann 1988, S.31).
Lange Zeit wurden die Todesvorstellungen von Heranwachsenden nur unter Berücksichtigung des kognitiven Reifungsprozesses und des Alters betrachtet. Heutzutage ist klar, dass sowohl Sozialisationseinflüsse als auch Erlebnisse im Umgang mit dem Tod eine große Rolle spielen (vgl. Iskenius-Emmler 1988, S.143). Demnach beeinflussen auch die Elemente Kultur, Religion und Umwelt (Familie und Freunde) das Kind und wirken sich auf die Entwicklung des Todeskonzepts aus. Sie prägen seine Vorstellungen bezüglich des individuellen Todeskonzepts. Dieses ist demnach von Kind zu Kind unterschiedlich (vgl. Specht-Tomann; Tropper 2000, S.59f).
Um dennoch eine gewisse Struktur zu erhalten, werden die Veränderungen in den Todesvorstellungen der Kinder mit Altersangaben versehen. Dabei ist zu betonen, dass die genannten Altersangaben nur annäherungsweise als Orientierung gelten sollen. Denn je nach eigenen Erfahrungen setzen sich Kinder früher oder eben später mit dem Thema „Tod und Sterben“ auseinander (vgl. Abbruzzese 2005, S.15). Eine weitere wichtige Voraussetzung, welche essenziell für die Entstehung eines Todeskonzepts ist, ist eine normale geistige Entwicklung des Kindes (vgl. Specht-Tomann; Tropper 2000, S.59f).
3.3.2.1 Kinder zwischen drei und fünf Jahre
Wirft man einen Blick auf die Kinder in dieser Altersspanne, wird deutlich, dass der Tod noch nicht in ihrem Denken vorhanden ist. In ihren Gedanken bzw. in der Gefühlswelt spielt er jedoch eine große Rolle. Der Tod als abstrakter Begriff ist noch nicht fassbar, wohingegen der Tod als Ereignis, mit bestimmten emotionalen Reaktionen, das Kind schon begreifen kann (vgl. Specht-Tomann & Tropper 2000, S.71).
Im Vorschulalter zwischen drei und fünf Jahren ist bei den meisten Kindern das Verständnis für ein reifes Todeskonzept einschließlich der Subkonzepte bzw. kognitiven Komponenten noch nicht vorhanden. Die prinzipielle Unvermeidlichkeit und Universalität des Todes können sie in diesem Altersabschnitt noch nicht begreifen. Kleinkinder sind eher der Ansicht, dass sie den Tod durch bestimmte Verhaltensweisen (z.B. Verstecken) aufhalten können bzw. sie denken, bestimmte Menschen können nicht vom Tod betroffen sein. Dahingegen wissen sie bereits, dass z.B. ältere Menschen sterben müssen. Auch die Kenntnis über die Irreversibilität des Todes besteht in diesem Abschnitt noch nicht. Viel mehr verstehen die Kinder den Tod als vorübergehenden Zustand, als Schlaf oder Reise (vgl. Wittkowski 1990, S.57). Für sie bedeutet der Tod auch „Weg-sein“, woraus sie schlussfolgern, dass das, was weg ist, auch wiederkommen kann. Oft äußern Kinder dieser Altersstufe aber auch, dass der Verstorbene weiter atmet, isst bzw. auf „Sparflamme“ weiterlebt und irgendwann wieder „richtig“ lebt (vgl. Specht-Tomann & Tropper 2000, S. 71).
Auch die Nonfunktionalität als kognitive Komponente ist noch nicht ausgeprägt. Stattdessen stellen sie sich das Totsein als ein reduziertes Leben vor. Sie können noch nicht klar zwischen „tot“ und „lebendig“ unterscheiden (vgl. Wittkowski 1990, S.58). Je älter das Kind wird, desto besser kann es zwischen belebten und unbelebten Dingen unterscheiden. Es kommt nun auch der Auffassung näher, dass der Tod als Endgültigkeit zu sehen ist. Aber dennoch existieren Vorstellungen, dass Verstorbene in anderer Form weiterleben oder aber in anderer Gestalt wieder ins Leben zurückkehren (vgl. Specht-Tomann & Tropper 2000, S.72).
Des Weiteren sind Kinder diesen Alters der Meinung, dass der Tod hauptsächlich durch äußere Gewaltentwicklung hervorgerufen werden kann. Das schließt dementsprechend ein, dass sie noch nicht in der Lage sind, intraorganismische Vorgänge als Ursache für den Tod in Betracht zu ziehen (vgl. Wittkowski 1990, S.57f.).
Sie versuchen die Dinge zu verstehen, indem sie die Themen „Tod und Sterben“ in ihr alltägliches Spielen aufnehmen. Ebenso kommen im aktiven Spiel mit anderen Kindern Themen, wie Krankenhaus, Krieg, Unfälle und Beerdigungen vor. Daran ist zu erkennen, dass sie die Irreversibilität des Todes noch nicht begreifen, denn sind sie z.B. in einem Moment tot, so springen sie im nächsten wieder freudig umher. Kinder verwenden das Wort „tot“ auch oft, wenn sie einer bestimmten Situation entfliehen wollen. Hier heißt es dann soviel, wie dass sie nicht da sind bzw. nicht zu sprechen sind (vgl. Specht-Tomann & Tropper 2000, S.72).
Das magische Denken kann man in dieser Altersstufe dann in Bezug zum Tod erkennen, wenn Kinder versuchen das Denken einzusetzen. Darunter kann man die Bestrebungen verstehen, außergewöhnliche Dinge zu vollbringen oder zu erfinden, um z.B. den Tod der Mutter rückgängig zu machen oder schwere Erkrankungen zu beenden. „Der übergroße Wunsch, mit den eigenen Kräften das Schicksal nahestehender Menschen zu beeinflussen, und der Glaube daran, dies sei auch möglich, bleibt bis ins Jugendalter erhalten“ (Specht-Tomann & Tropper 2000, S.73). Es kann allerdings auch vorkommen, dass sich Kinder selbst Schuldgefühle zuschreiben, wenn sie z.B. etwas Böses über einen Menschen gesagt oder gedacht haben. Tritt dann der Tod des Menschen ein oder wird dieser krank, stellen sie einen Zusammenhang zwischen ihren Äußerungen bzw. Gedanken und der Erkrankung bzw. dem Todesfall her (vgl. Specht-Tomann & Tropper 2000, S.73).
Insgesamt ist zu verzeichnen, dass Kinder zwar mit zunehmendem Alter in der Lage sind vage Todesvorstellungen zu konstruieren, sie jedoch weit von der Auffassung entfernt sind, dass der Tod nicht nur alte Menschen, sondern auch sie treffen kann.
Erwachsene sollten außerdem vermeiden, den Tod solchen Bildern gegenüberzustellen, in denen Vergleiche mit Aspekten des Lebens hergestellt werden. Darunter zählen Begrifflichkeiten, wie z.B. entschlafen, vorausgegangen sein, fortgehen, ewige Ruhe, lange Reise, einen Menschen verlieren. Diese Ausdrücke können die Kinder verwirren und im weiteren Verlauf auch Ängste hervorrufen. Es sollte weiterhin beachtet werden, dass die Teilnahme an Ritualen, wie die Totenwoche, Aufbahrung und Beerdigung eine intensive und erklärende Begleitung verlangt, wobei wichtig ist, dass mit dem Kind offen und klar gesprochen wird und auf Kinderfragen altersgemäß zu antworten. Selbstverständlich sollte mit viel Einfühlungsvermögen gearbeitet werden und sich Zeit für die Heranwachsenden und die aufkommenden Fragen nehmen (vgl. Specht-Tomann & Tropper 2000, S.73).
3.3.2.2 Kinder zwischen sechs und acht Jahre
In der Altersspanne zwischen sechs und acht Jahren, meist mit dem Eintritt in das Grundschulalter, kommt es zu einer wesentlichen Änderung und zu einer entscheidenden Wandlung des Todeskonzepts bei Kindern (vgl. Wittkowski 1990, S.58).
Die Kinder erleben nun einen realistischeren Zugang zur Welt. Dies wird auch naiver Realismus genannt. Dadurch sind sie schließlich in der Lage, zwischen Fantasie und Realität zu unterscheiden und können aus diesem Grund auch den Tod als Tatsache begreifen. Kinder sind gerade in diesem Alter sehr wissbegierig und neugierig. Das Interesse rund um den Tod lässt sie einerseits mit einer gewissen Scheu vor dem Tod reden. Andererseits möchten sie so viel wie möglich über dieses Phänomen erfahren, indem sie Geschichten, Bilder und Erzählungen heranziehen, um ihre eigenen Fragen beantworten zu können. In dieser Phase wird als Merkmal die Bewegung zur Unterscheidung von belebten und unbelebten Dingen herangezogen. Folglich assoziieren sie das Tot-sein mit Tätigkeiten, die Menschen in diesem Zustand nicht mehr machen können, wie z.B. Essen, Atmen und sich bewegen (vgl. Specht-Tomann & Tropper 2000, S.75).
Während diesen Lebensjahren wird „…mindestens ein partielles Verständnis der konstituierenden Komponenten des reifen Todeskonzepts erworben.“ (Wittkowski 1990, S.58) Die Subkontexte „Universalität“, „Irreversibilität“, „Nonfunktionalität“ und „Kausalität“ scheinen innerhalb dieses Zeitraums nahezu gleichzeitig von den Heranwachsenden verstanden zu werden (vgl. Wittkowski 1990, S.58).
Haben die Heranwachsenden in der Vorschulphase noch geglaubt, dass die Toten früher oder später wiederkommen werden, so ist ihnen nun bewusst, dass dies nicht der Fall sein wird. Die Dimension der Irreversibilität haben die Kinder dementsprechend realisiert. Sie machen sich in diesem Zusammenhang Gedanken darüber, was mit der Seele des Verstorbenen passiert. Denn sie wissen bereits, dass zumindest der Körper nicht mehr in seiner ursprünglichen Form existiert. Aus dieser Frage entwickeln sich letztendlich, unabhängig von der Religionszugehörigkeit, Gedanken über die Unsterblichkeit von Menschen. Diese Vorstellungen bleiben auch bis in das Jugendalter präsent und werden dann durch spezifische, meist religiöse Ansichten ersetzt (vgl. Specht-Tomann & Tropper 2000, S.75).
Bei einem Kind dieses Alters kann der Tod eines nahestehenden Menschen tiefgreifende Verletzungen auslösen, wie Verlust- und Trennungsängste und die Sorge, Sicherheit, Geborgenheit und Vertrautes zu verlieren. Damit wird deutlich, dass die Kinder zwar den Tod als etwas Endgültiges realisieren, diesen jedoch noch nicht akzeptieren und mit dem entsprechenden Verlust umgehen können. Denn ebenso wie beim Erwachsenen auch, löst der Tod tiefe Trauererlebnisse aus, welche wiederum vielfältige Gefühle beim Durchleben des Trauerprozesses hervorrufen. Der Unterschied zu den Erwachsenen ist allerdings, dass sich diese Gefühle in anderer Art und Weise äußern. Zum einen leugnen Kinder den Tod, was zum Betonen der Fröhlichkeit führt. Dies zeigt sich vor allem im Spielen, welches lauter, öfter und lustiger als sonst stattfindet. Dadurch versuchen sie ihren Schmerz zu überspielen. Ein anderes Kennzeichen können sowohl Zorn, Wut, Ärger, Angst aber auch Schuldgefühle sein. Ebenso können sich die Gefühle durch das Suchen der verstorbenen Person infolge von Sehnsucht äußern. Sie suchen sowohl heimlich als auch offen in allen Räumen und in ihrer Fantasie, in welcher die Toten oftmals idealisiert werden. Die intensive Auseinandersetzung mit dem Tod führt häufig auch dazu, dass Kinder den Wunsch haben, möglichst viele Eigenschaften und Ähnlichkeiten zwischen sich und dem Verstorbenen herzustellen. Dies hat für sie den Anschein, als ob ein Teil der toten Person im Kind weiterleben können (vgl. Specht-Tomann & Tropper 2000, S.76).
3.3.2.3 Kinder ab dem neunten Lebensjahr
„Im Alter von 9 und mehr Jahren verfügen die meisten Kinder über ein „richtiges“ Todeskonzept, d.h., sie können logisch und biologisch zutreffende Kennzeichnungen der einzelnen Subkonzepte des Todeskonzepts geben“ (Wittkowski 1990, S.58). An dieser Stelle muss ergänzt werden, auch wenn die Kinder ab neun Jahren ein Todeskonzept besitzen, welches dem der Erwachsenen gleich zu sein scheint, so kann es dennoch große interindividuelle Unterschiede aufzeigen. Es ist anzunehmen, dass auch hier - ebenso auch in den vorangegangen Altersabschnitten - spezifische Merkmale bestehen, welche die Individualität und Vielseitigkeit in der Entwicklung des Todeskonzepts verursachen (vgl. Wittkowski 1990, S.59).
Je älter die Kinder also werden, umso ähnlicher werden ihre Vorstellungen, Gefühle und inneren Bilder bezüglich des Todes zu denen der Erwachsenen. In dieser Altersstufe wird das historische Bewusstsein geweckt, d.h. dass Kinder mit großem Interesse Berichte aus alten Zeiten verfolgen – egal ob historisch überliefert oder von Verwandten oder Bekannten erzählt. Mit Hilfe dieser Erzählungen können sie Zusammenhänge und Unterschiede zwischen früher und heute herstellen und sich selbst als historische Wesen begreifen. In dieser Lebensphase beginnt die Zeit der selbstständigen Theorienbildung. Kinder sind in der Lage, Wissen und Erkenntnisse aus einem Bereich in einen anderen zu beziehen. In diesem Zusammenhang bilden sie ebenso ihre eigenen Theorien über das Werden und Vergehen. Obwohl der Tod nun als unausweichlicher Abschluss des Lebens realisiert und auch akzeptiert wird, ist die gedankliche Verknüpfung zwischen Alter und Tod bzw. Krankheit und Tod noch bis in das Jugendalter vorhanden. Diese Assoziation zeigt, dass Kinder diesen Alters der Meinung sind, sie würde der Tod noch nicht wirklich betreffen (vgl. Specht-Tomann & Tropper 2000, S.78).
In dieser Alterspanne erleben die Heranwachsende neben den gefühlsmäßigen Schwankungen auch ebenso wechselnde Einstellungen gegenüber dem Tod und Sterben. Die Reaktionen, welche sie bei einem erfahrenen Verlust herauslassen, zeigen, dass diese auch schon von den Erwachsenen bekannt sind. Wie bereits in den vorherigen Altersstufen kann auch hier der Trauerweg sehr individuell und unterschiedlich verlaufen. Es muss dabei beachtet werden, dass den Kindern seitens der Erwachsenen viel Verständnis in dieser Phase der Entwicklung entgegengebracht und eventuell auch professionelle Hilfe angeboten werden muss. Sollten in diesem Alter Trauerprozesse gepaart mit den Stimmungsschwankungen erfolgen, kann es möglicherweise zu dramatischen Entwicklungen kommen (vgl. Specht-Tomann & Tropper 2000, S.79).
Man konnte in den Ausführungen erkennen, dass sich zwar die unterschiedlichen Dimensionen des Todeskonzepts in der gleichen Alterspanne entwickeln, diese jedoch nicht parallel erfolgen. Untersuchungen haben herausgefunden, dass sich die Subkonzepte bezogen auf ihren Schwierigkeitsgrad erheblich unterscheiden. „Universalität“ war demnach am leichtesten zu verstehen, „Irreversibilität“ konnte einem mittleren Schwierigkeitsgrad zugeordnet werden, während „Unvermeidbarkeit“ und „Kausalität“ diejenigen Dimensionen sind, welche die Kinder am schwersten nachvollziehen können. Das zeigt uns neben der Abhängigkeit des Verständnisses dieser Subkontexte vom Entwicklungsstand der Kinder auch, dass das Todeskonzept nicht als globales, einheitliches Konstrukt zu betrachten ist, sondern aus mehreren eigenständigen Komponenten zusammengesetzt ist (vgl. Wittkowski 1990, S. 68).
Zusammenfassend ist festzustellen, dass das Verständnis des Todeskonzepts mit dem Niveau der geistigen Entwicklung der Kinder korreliert. Daher wäre es plausibel, „…eine allgemeine Theorie der kognitiven Entwicklung wie diejenige Piagets als Bezugsrahmen für die Entwicklung eines spezifischen abstrakten Konzepts wie das Todeskonzept zu wählen“ (Wittkowski 1990, S.59).
3.4 Der Trauerprozess
Es wurde in den vorherigen Kapiteln bereits aufgezeigt, dass das Abschiednehmen und Loslassen ein wesentlicher Bestandteil unseres Lebens darstellt, welcher bereits von Geburt an eines jeden Menschen präsent ist. Die Emotion, welche uns hilft mit solchen Verlusterfahrungen umgehen zu können und Abschiede, egal welcher Art, zu bewältigen, nennen wir Trauer.
Kinder trauern zwar auf ähnliche Weise wie Erwachsene, aber oft aus anderen Gründen bzw. in anderen Situationen. Meist sind es alltägliche Verluste, die für Erwachsene gar nicht entscheidend oder ausschlaggebend und scheinbar unerheblich sind – wie z.B. der Verlust einer Puppe oder eines Teddybären. Für die Kinder ist dieser Verlust unersetzlich. Denn das was geliebt wurde, war etwas ganz Besonderes, an dessen Stelle nicht plötzlich etwas Neues treten kann. Die Verinnerlichung der Endgültigkeit des Verlustes bedeutet die wirkliche Trauer, denn es gibt kein Zurück mehr (vgl. Brocher 1992, S. 31). Wichtig zu verinnerlichen ist, dass „weder die Verleugnung noch die Idealisierung […] Kindern hilft, ihre Trauer wirklich zu bewältigten“ (Brocher 1980, S.96).
3.4.1 Trauerreaktionen
Das Trauererleben und die Trauerbewältigung sind als ein Ausdruck individueller Lebensgestaltung zu sehen. Der Trauerprozess zeigt zwar typische Merkmale und Verlaufsformen auf, aber der Prozess des Trauerns und dessen Gestaltung wird trotzdem von jedem Menschen selbst gestaltet und ruft daher auch ganz unterschiedliche Ausdrucksformen hervor (vgl. Specht-Tomann & Tropper 2000, S.40).
Nachfolgend soll aufgezeigt werden, wie unterschiedlich die Trauerreaktionen der Menschen ausfallen können und welche Emotionen während des Trauerns hervorgerufen werden können.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(vgl. Specht-Tomann & Tropper 2000, S.40f.)
Jeder Mensch entwickelt entsprechend seiner Persönlichkeit und seiner Interessen sowie Begabungen seine individuelle Trauerbewältigung, welche sich in unterschiedlichen Tätigkeiten widerspiegeln kann. Es gibt Personen, die das Schreiben von Tagebüchern oder Briefen für sich entdecken, Gedichte verfassen, zeichnen, malen, singen, musizieren, tanzen, Sport machen, meditieren, sich mit Bildern, Texten oder Kunstwerken auseinandersetzen oder sich sozial engagieren oder Anschluss bei anderen Gruppierungen suchen (vgl. Specht-Tomann & Tropper 2000, S.41).
Die eigene Erfahrung hat uns gelehrt, dass man nicht in jeder Situation gleich trauert. Es ist so, dass man über manche Verluste schneller hinweg kommt als über andere (vgl. Specht-Tomann & Tropper 2000, S.36). Anhand dieser Ausführungen kann man demnach erkennen, dass jeder Mensch Verlusterfahrungen individuell nach seinen persönlichen Vorstellungen gestaltet, um mit der eigenen Trauer umgehen zu können und der Trauerprozess niemals den gleichen Verlauf nehmen wird.
In diesem Zusammenhang soll allerdings, bezogen auf die Fragestellung, der Verlust in Verbindung mit dem Tod einer vertrauten Person noch einmal näher erläutert werden. Bowlby (1983) hat herausgefunden, dass auch Kinder, ähnlich wie Erwachsene, dauerhafte Sehnsucht nach einem Verstorbenen empfinden können. Sie spüren dabei Gefühle, welche auf die Rückkehr hoffen lassen, sowie auch die Tatsache über den endgültigen Verlust. Trotzdem ist es so, dass es Unterschiede zwischen den Trauerreaktionen von Heranwachsenden und Erwachsenen gibt. Grundsätzlich reagieren Kinder intensiver und sensibler auf Verluste. Der Unterschied besteht in der Art und Weise, inwiefern Kinder bzw. Erwachsene an die Trauerarbeit herangehen. Während sich Erwachsene Hilfe suchen können, wo sie es für sinnvoll erachten, sind Kinder auf die Nähe und Fürsorge der Menschen angewiesen, die ihnen am nächsten stehen. Weiterhin ist ausschlaggebend, dass Kinder noch ein anderes Todeskonzept besitzen. Die Phase, in welcher die Kinder den Zustand der Trauer durchleben, ist meist kürzer als bei Erwachsenen, da die Gegenwart für sie greifbarer ist. Ihre Trauer erlischt daher eher, wenn sie durch ein bestimmtes Ereignis in der Gegenwart abgelenkt werden (vgl. Bowlby 1983, S. 375-378).
3.4.2 Aufgabenmodell der Trauer nach James William Worden
Es hat sich abgezeichnet, dass für Trauer in unserer Gesellschaft nicht mehr ausreichend Platz geschaffen wird. Im Alltag ist sie daher kaum anzutreffen, weil von den Hinterbliebenen verlangt wird, so schnell wie möglich zur Normalität zurückzukehren (vgl. Student et.al. 2007, S.135). Innerhalb dieses Kapitels wird aufgezeigt, aus welchem Grund Phasen- und Verlaufsmodelle für die Darstellung von Trauerprozessen, der Diagnostik und Intervention nicht geeignet sind. Des Weiteren erfolgen Erläuterungen, weshalb es sinnvoller ist, sich auf sogenannte Aufgabenmodelle zu stützen und welche Vorteile diese bezüglich der Trauerbegleitung aufweisen.
Phasen- und Verlaufsmodelle des Trauerprozesses „[…] ordnen einige […] [bereits beschriebene] Trauersymptome, und zwar vorwiegend diejenigen aus dem psychischen Bereich bzw. aus dem Verhaltensbereich, zu Gruppen von Symptombildern und bringen diese in eine zeitliche Abfolge“ (Lammer 2006, S.187). An den Phasen- und Verlaufsmodellen (u.a. an dem von Elisabeth Kübler-Ross 1983) wurde allerdings vielfältige Kritik geäußert. Zum einen sind diese Modelle nach Entwicklungsstufen aufgebaut, also hierarchisch. Sie sollen möglichst in der vorgeschriebenen Reihenfolge, ohne Einbezug möglicher Rückfälle auf niedrigere Stufen, von den Trauernden durchlaufen werden. Demnach sollten Trauernde in schnellen Schritten die nächsthöhere Stufe erreichen. Die Phasenmodelle werden zusätzlich häufig als Abwehr- oder Vermeidungsmechanismen genutzt. Durch Absonderung von den Betroffenen will man sich (vor allem bei professionellen HelferInnen) selbst vor diesen Situationen schützen, um die professionelle Distanz aufrecht zu erhalten. Trauerbegleitung gelingt allerdings viel besser, wenn sich Betroffene und Begleiter auf einer Ebene befinden und diese Erfahrungen teilen. Weitere Kritik besteht hinsichtlich der Willkürlichkeit der Phaseneinteilung im Trauerprozess. Vor allem ein Vergleich zwischen einigen Modellen zeigt auf, dass hier Einteilungen von drei bis zu zehn Stufen aufgezeigt werden, wobei zusätzlich nicht ersichtlich wird, wie diese Phaseneinteilung zustande kam. Betrachtet man diese Problematik, so ist auch fragwürden, inwieweit diagnostiziert werden kann, in welcher Phase sich der oder die Betroffene befindet (vgl. Lammer 2006, S.194-198). Auf Grund dieser genannten Kritikpunkte werde ich mich innerhalb meiner Ausführungen auf ein sogenanntes „Aufgabenmodell“ nach James William Worden beziehen.
„Aufgabenmodelle der Trauer fassen Anforderungen an Trauernde, bzw. an deren Trauerarbeit zusammen. Man gewinnt sie aus der Beobachtung positiv verlaufender Trauerprozesse, durch die die Trauerbewältigung gelungen ist“ (Lammer 2006, S.203). Aufgabenmodelle sind demnach deskriptive Modelle. Im Gegensatz zu den Phasen, die ein Trauernder einfach nur durchlaufen muss, wird die betroffene Person während der Aufgaben angewiesen, selbst tätig zu werden. Sie können also aktiv werden, um die neue Situation zu meistern. Die Trauer kann auch beim Kind als Entwicklungsprozess gesehen werden. Werden bestimmte Aufgaben niedrigeren Niveaus nicht erfüllt, wird es Schwierigkeiten bei der Bearbeitung von Aufgaben auf höherer Ebene geben. Aus diesem Grund wurden von Worden insgesamt vier Aufgaben beschrieben, die Trauernde während des Trauerprozesses bewältigen müssen (vgl. Worden 2018, S. 44f.).
Das Ziel der ersten Aufgabe des Trauerprozesses ist es, den Verlust als Realität zu akzeptieren. Manche Menschen verzweifeln gelegentlich bereits an dieser Aufgabe, da sie nicht realisieren können, dass die Person wirklich tot ist. Es gibt viele Möglichkeiten, auf welche Art und Weise der Tod geleugnet werden kann. Dazu zählen u.a. die irrationale „Mumifizierung“ von Gegenständen, welche bereitgestellt werden, falls der Tote wieder zurückkehrt. Des Weiteren kommt es vor, dass die Bedeutung des Verlustes ausgeblendet wird oder der Verlust völlig vergessen wird. Den Tod zu akzeptieren geschieht sowohl auf intellektueller als auch auf emotionaler Ebene und kann dementsprechend viel Zeit in Anspruch nehmen. Doch gewisse Trauerrituale, wie z.B. der Besuch der Beerdigung kann den Hinterbliebenen helfen, die Realität anzuerkennen (vgl. Worden 2018, S.45-49).
Die zweite Aufgabe des Trauerprozesses beschäftig sich mit der Verarbeitung des Schmerzes. „Der Schmerz muss zugelassen und durchgearbeitet werden, weil er sich sonst in einem Symptom oder in einer problematischen Verhaltensweise Bahn brechen könnte“ (Worden 2018, S.59). Innerhalb dieser Traueraufgabe spielt die Gesellschaft bzw. das soziale Umfeld eine große Rolle, da dieses oft nicht mit den Gefühlen der trauernden Person umgehen kann. Daraus resultierend fühlt sich diese unverstanden und dies führt wiederum zum Leugnen der Trauer. Dass sich diese Verhaltensweise negativ auf den weiterführenden Trauerprozess auswirkt, ist nachvollziehbar. Viele betroffene Menschen stürzen sich in eine Empfindungslosigkeit, indem sie jegliche Gedanken und Gefühle an diese verstorbene Person vermeiden. Das Ziel der zweiten Aufgabe besteht in der Akzeptanz des Schmerzes, sodass dieser nicht ein Leben lang herumgetragen wird. Zu den Gefühlen, die verarbeitet werden müssen, gehören neben Traurigkeit und Niedergeschlagenheit auch Angst, Wut, Schuldgefühle, Depressionen und Einsamkeit (vgl. Worden 2018, S.50-52).
Innerhalb der dritten Aufgabe besteht das Ziel darin, sich an eine Welt ohne die verstorbene Person anzupassen. Hierbei müssen externe, die interne und die spirituelle Anpassungen vorgenommen werden. Die externe Anpassung meint die Auswirkungen des Verlustes in Hinblick auf den Alltag. Die verstorbene Person nahm für den/die Hinterbliebenen gewisse Rollen ein, die nun selbst übernommen werden müssen, wogegen sich viele jedoch zunächst wehren. Mit Bewältigung dieser Aufgabe werden sie jedoch daran wachsen. Der Verlust kann den Trauernden allerdings auch dahingehend weiterbringen, als dass sie in ihm positive und vorteilhafte Aspekte sehen. Dies kann oft eine Bewältigungsstrategie dieser Traueraufgabe darstellen. Die interne Anpassung soll sich damit auseinandersetzen, inwiefern sich der Tod auf das eigene Selbstbild, die Selbstachtung und die eigene Kompetenzerwartung auswirkt. Unter der spirituellen Anpassung versteht man die Auswirkungen des Verlustes auf die eigenen Überzeugungen, Wertvorstellungen und Annahmen über die Welt. Viele Todesfälle stellen bei den Hinterbliebenen Überzeugungen bezüglich der Welt, der Gerechtigkeit und Gott, infrage. Oft müssen diese lernen, ohne befriedigende Antworten weiterzuleben. Die dritte Aufgabe wird nicht erfüllt, solange keine Anpassung an den erlebten Verlust erfolgt ist (vgl. Worden 2018, S.52-56).
Die vierte und somit letzte Aufgabe verlangt eine dauerhafte Verbindung zu der verstorbenen Person inmitten des Aufbruchs in ein neues Leben zu finden. Zentraler Aspekt dieser Aufgabe ist es, die verstorbene Person in der aktuellen Situation neu zu verorten, um sich einerseits Erinnerungen an diese aufrecht zu erhalten und andererseits das eigene neue Leben meistern zu können. Dem Betroffenen sollte demnach klar werden, dass er die Beziehung zur verstorbenen Person nicht aufgeben soll, sondern dieser eher „[…] einen angemessenen Platz im Leben einzuräumen, der sie in die Lage versetzt, selbst positiv weiterzuleben“ (Worden 2018, S.57). Diese Aufgabe scheint die schwierigste zu sein und gilt als nicht gemeistert, wenn die Trauernden nicht „weiterleben“ können, sozusagen im Leben stehengeblieben sind. Das Eingehen neuer Bindungen ist unmöglich, solange noch an den alten festgehalten wird (vgl. Worden 2018, S.56-58).
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- Arbeit zitieren
- Anonym,, 2020, Das Thema 'Tod und Sterben' im Sachunterricht der Grundschule. Positionierung der Eltern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/956928
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