Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Varietät – eine kurze Einordnung
2.1 Standardsprache
2.2 Soziolekt
3. Jugendsprache
3.1 Herkunft und Entwicklung der Jugendsprache
3.2 Merkmale am Beispiel von Ausschnitten des Film’s „Fack ju Göhte“
3.2.1 Die phonologische Ebene
3.2.2 Die lexikalische Ebene
3.2.3 Die morphologische Ebene
3.2.4 Die syntaktische Ebene
4. Jugendsprache im Deutschunterricht
4.1 Stellenwert der Jugendsprache im Bildungsplan
4.2 Themen und Ziele zur methodischen Umsetzung im Deutschunterricht
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Chantal: „Ey, machma Bild von mir bevor Kino anfängt - hier dein Popcorn.“
Zeynep: „Ne man, ich muss Facebook machen.“
Chantal: „Hey Mädchen bist du behindert, ich hab dich grad um was gebittet, jetzt mach einfach mal“ (vgl. Youtube -FACK JU GÖHTE - Handy aus! 2013).
In der heutigen Gesellschaft wird der Jugend immer mehr Aufmerksamkeit entgegengebracht. Die ‚Jugendsprache‘ ist ein aktuelles, immer widerkehrendes Thema. Der oben gezeigte Ausschnitt eines Gespräches zwischen zwei jugendlichen Mädchen, ist den meisten Erwachsenen heutzutage bekannt. Oft werden die Jugendlichen jedoch nicht richtig verstanden oder ihnen wird unterstellt, sie können kein Deutsch mehr.
Die Konfrontation mit sprachlichen Varietäten findet man sowohl im Alltag, als auch in der Schule, da auch dort oft unterschiedliche Stilarten der gesprochenen Sprache vertreten sind. Sollte man demnach die verschiedenen Varietäten in den Unterricht einbauen, um das Sprachbewusstsein zu fördern? Wie lässt sich das Thema ‚Jugendsprache‘ konkret in den Unterricht einbeziehen?
Im ersten Teil dieser Arbeit wird zunächst mit der Definition des Terminus ‚Varietät‘ begonnen und anschließend werden die Termini ‚Soziolekt‘ und ‚Jugendsprache‘ geschichtlich genauer eingeordnet und definiert. Danach werden die linguistischen Merkmale der Jugendsprache anhand Gesprächsbeispielen aus dem Film ‚Fack ju Göthe‘ genauer betrachtet und herausgearbeitet.
Im Anschluss wird ein Bezug zum Unterricht geschaffen. Der Stellenwert von Varietäten bzw. der Jugendsprache im Bildungsplan wird veranschaulicht, Themen und Ziele für den Unterricht werden festgehalten und zum Schluss bietet die Arbeit methodische Beispiele zur Umsetzung des Themas ‚Jugendsprache‘ in den Unterricht.
Im Folgenden wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit, ausschließlich die männliche Form benutzt. Es können dabei sowohl männliche, als auch weibliche Personen gemeint sein.
2. Varietät – eine kurze Einordnung
„Eine Sprache in der Sprache oder eine strukturell abgrenzbare Subsprache (Teilsprache) innerhalb einer Gesamtsprache“ (Felder 2016, 9). So beschreibt der Professor für germanistische Linguistik, Ekkehard Felder, den umstrittenen Begriff der ‚Varietät‘. Eine zufriedenstellende Definition ist in der Linguistik problematisch. Man spricht auch von einer „systematisch geordneten Heterogenität“ einer natürlichen Sprache (vgl. Felder 2016, 10).
Die unterschiedlichen Merkmale sind die elementaren Aspekte von Varietäten. Definierend sind hierbei die außersprachlichen Variationsfaktoren wie die Region, Situation, historische Dimension und Gruppe bzw. Schicht. Die jeweiligen Erscheinungsformen werden ‚Dialekt, Soziolekt und Genderlekt‘ bezeichnet (vgl. Bußmann 2002, 730). Da es keine eindeutige Definition darüber gibt, wann man von einer eigenständigen Varietät sprechen kann, stellt sich die Abgrenzung zwischen diesen kompliziert dar. Außerdem darf nicht vergessen werden, dass nicht alles in einer Sprache variabel ist, denn auch die Varietäten derselben Sprache besitzen einen gemeinsamen, invariablen Kern des Systems (vgl. Berruto 2004, 189).
Coseriu erstellte ein Diasystem, welches die Ausprägungen einer Sprache in verschiedene Dimensionen einordnet und damit die Abgrenzung der Varietäten verständlicher macht (vgl. Lehmann 2017).
Die diatopische Dimension (dialektale Varietät genannt) bezeichnet die regionale Ausprägung einer Gesamtsprache, das heißt die Verschiedenheit im Raum. Im Volksmund wird eine Ausprägung auf dieser Dimension ‚Dialekt‘ genannt (vgl. Coseriu 2007, 24). Hinzu kommt der Regiolekt, welcher die regional geprägte Umgangssprache bezeichnet (vgl. Dittmar 1997, 195).
Die diaphasische Dimension (situative Varietät) beschreibt die verschiedenen Sprachstile, welche je nach Situation verwendet werden. Ein Sprachstil in mündlicher Kommunikation ändert sich beispielsweise, je nachdem mit wem man sich unterhält, über was und welcher soziale Kontext zugrunde liegt (vgl. Coseriu 2007, 24).
Die diastratische Dimension (soziolektale Varietät) bezieht sich auf die soziokulturellen Sprachschichten einer Sprachgemeinschaft. Die sogenannten ‚Soziolekte‘, sind charakteristisch für eine sozial definierte Gruppe und wird zudem nach Alter, Geschlecht, Beruf und Status unterschieden (vgl. Coseriu 2007, 24). Beispiele sind Jugendsprache, Männer – bzw. Frauensprache und Handwerkersprache.
Ein weiterer Grund für die Schwierigkeit der exakten Abgrenzung ist die Existenz von Mischformen. Es kann zum Beispiel eine dialektale Ausprägung in einer Fachsprache bzw. der Berufssprache hervorgehen, somit wäre es eine Mischform und kann nicht rein in die diatopische Dimension eingeordnet werden, jedoch auch nicht rein in die soziolektale oder gar situative Dimension.
Um Sprachstile und Varietäten zu bestimmen, wird die Leitvarietät ‚Standardsprache‘ herangezogen, da sich alle Varietäten auf diese beziehen. Darum wird im nächsten Unterpunkt die ‚Standardsprache‘ kurz erläutert.
2.1 Standardsprache
Unter dem Begriff ‚Standard‘ liest man im Duden „1. etwas, was als mustergültig, modellhaft…2. Im Allgemeinen Qualitäts- und Leistungsniveau…3. Normal“ (Bibliographisches Institut GmbH 2019).
Unter ‚Standarsprache‘: „Substantiv, feminin - über den Mundarten, lokalen Umgangssprachen und Gruppensprachen stehende, allgemein verbindliche Sprachform; gesprochene und geschriebene Erscheinungsform der Hochsprache“ (Bibliographisches Institut GmbH 2019).
Die Standardsprache besitzt Vorbildfunktion und gilt als Leitvarietät. Sie wird förmlich gelehrt, ist kodifiziert und besitzt amtlichen Status. Diese Kodifizierung bedeutet, dass die Einhaltung der Normen kontrolliert wird, zum Beispiel in der Institution Schule von den Lehrern (vgl. Ammon 2004, 32).
Das Standarddeutsche ist die Varietät, welche heute überregional als gültige Sprachnorm gelehrt wird und bildete sich dank kommunikativer Bedürfnisse, für welche die Umgangssprachen nicht ausreichten.
Die Reichsregierung 1871 erreichte den letzten Schritt der sprachlichen Vereinheitlichung, der sogenannten ‚Hochlautung‘. Seit diesem Zeitpunkt gilt diese als Grundlage der standardisierten Aussprache (vgl. Bausinger 1983, 104).
Vom Diasystem Coseriu’s ausgehend, wird im nächsten Abschnitt auf die diastratische Dimension, dem ‚Soziolekt‘ und anschließend der ‚Jugendsprache‘ eingegangen.
2.2 Soziolekt
Der Soziolekt wird im Duden als „Sprachgebrauch einer sozialen Gruppe z.B. Berufssprache, Jugendsprache“ definiert (Bibliographisches Institut GmbH 2019).
Die Hauptbeschreibungskategorie der diastratischen Dimension ist die Gruppe, die sich durch gemeinsame Merkmale von anderen unterscheidet. Eine wichtige Rolle bei diesen Merkmalen spielt der Schichtbegriff, denn in der Linguistik wird der Soziolekt als eine Varietät bezeichnet, welche den Aspekt der sozialen Schichtung und die soziale Identität zum Ausdruck bringt. Außerdem ist sie mit Einstellungen und Bewertungen verbunden (vgl. Sinner 2014, 143). Da die Eindeutigkeit dieser Variablen fraglich ist, wird versucht, zwischen mehr oder weniger klar abgrenzbaren ‚sozialen Gruppen‘ zu unterscheiden. Zur Bestimmung werden Merkmale wie Beruf, Alter, Geschlecht oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Schichten herangezogen.
In der Soziolinguistik wird die ‚soziale Klasse‘ oder ‚Schicht‘ meist als unabhängige Variable gesehen, welche jedoch Auswirkungen auf sprachliche Aspekte haben kann, somit wird davon ausgegangen, dass zwischen sozialen Hintergründen und sprachlichen Aspekten ein Zusammenhang bestehen kann (vgl. Sinner 2014, 144).
Nach Dittmar sind Soziolekte schichtspezifische Spielarten des Sprachgebrauchs (vgl. Dittmar 1997, 8-9). Glinz beschreibt den Soziolekt als „den gesamten Sprachbesitz einer Gruppe (soweit die Gruppenbildung nicht primär durch rein geographische Tatsachen bedingt ist)“ (Steinig 1976, 11). Hammerström betrachtet soziolektale Unterschiede einer Sprache als Erscheinungen, die erst durch den Prozess der Bewertung von Sprechergruppen als solche identifiziert werden können (vgl. Steinig 1976, 13). Im nächsten Kapitel wird der Soziolekt ‚Jugendsprache‘ genauer betrachtet.
3. Jugendsprache
Um den Einstieg in das Thema ‚Jugendsprache‘ zu erleichtern, zuerst ein kurzer Einschub mit der Frage ‚Wer ist die Jugend?‘.
In der Soziologie wird das Jugendalter als „Zwischenschritt zwischen dem abhängigen Kind und dem unabhängigen Erwachsenen“ und das Hineinwachsen in zentrale gesellschaftliche Rollen, bezeichnet (vgl. Hurrelmann und Quenzel 2016, 39). Das Jugendstrafrecht zeigt für Jugendliche von 14 bis 17 Jahren und ‚Heranwachsende‘ von 18 bis 20 Jahren abweichende Grundsätze vom allgemeinen Strafrecht auf (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung 2015). Im Nachschlagewerk ‚Duden‘ wird ‚Jugend‘ wie folgt definiert (vgl. Bibliographisches Institut GmbH 2019):
1. a) Zeit des Jungseins, Lebensabschnitt eines jungen Menschen
b) Entwicklungszeit, erste Wachstumsphase eines Lebewesens von der Entstehung, Geburt an bis zur vollen Entwicklung; Jugendstadium
2. Zustand des Jungseins; jugendliche Frische, Kraft
3. Gesamtheit junger Menschen; die jungen Leute
Charakteristisch für die Jugend sind innere Konflikte, die Suche nach eigener Identität und die damit verbundene Abgrenzung von anderen, vor allem Erwachsenen (vgl. Sinner 2014, 154). Die Voraussetzung für die Ausbildung einer Ich-Identität ist die persönliche Individuation und soziale Integration. Sprache spielt bei der Identitätsfindung eine zentrale Rolle, sie bekräftigt eine Gruppenzugehörigkeit und verstärkt die Abgrenzung zu anderen Gruppen (vgl. Hurrelmann und Quenzel 2016, 5). Jugendliche nutzen demnach eine bestimmte Varietät, um sich als Mitglied der Gruppe ‚Jugendliche‘ auszuweisen.
Was ist nun also die ‚Jugendsprache?‘ Auch hier wird zu Beginn die allgemeine Definition laut ‚Duden‘ herangezogen. Jugendsprache wird laut Diesem als „Jargon, Sondersprache der Jugendlichen“ (Bibliographisches Institut GmbH 2019) bezeichnet.
Eva Neuland, Professorin für Germanistik erklärt, dass es nicht die eine Jugendsprache gibt, da es auch nicht die eine Jugend als homogene Gruppe gibt. Es handelt sich um eine Varietät des Standarddeutschen, welche von ‚Gruppen‘ der Jugendlichen bevorzugt wird (vgl. Neuland 2008, 71).
Sie definiert Jugendsprache als ein „mündlich konstituiertes, von Jugendlichen in bestimmten Situationen verwendetes Medium der Gruppenkommunikation“ (Neuland 2008, 25). Die meisten Linguisten bezeichnen Jugendsprache als ein gruppenspezifisches Phänomen, das in Abhängigkeit von situativen Kontexten steht (vgl. Dittmar 1997, 230). Wie Neuland schon deutlich macht, ist zur Bestimmung des jugendspezifischen Sprachstils die Leitvarietät ‚Standardsprache‘ heranzuziehen, da sich auf Diese alle Varietäten beziehen.
3.1 Herkunft und Entwicklung der Jugendsprache
Schon in den 1980er Jahren wird die Jugendsprache als Mittel der Kommunikation von Jugendlichen mit Jugendlichen betrachtet. Man sah jedoch anfangs diese Art zu sprechen als eine ‚Sondersprache‘ an, welche als minderwertig betrachtet wurde (vgl. Sinner 2014, 154). Da das Vorkommen von Jugendsprache hauptsächlich mündlich stattfindet, fällt die Einordnung schwer. Es ist jedoch bekannt, dass Jugendliche schon zu früheren Zeiten einen eigenen Sprachtstil entwickelten, welcher sich von der ‚älteren‘ Gesellschaft unterschied. Die sogenannte ‚Burschensprache‘ war eine der ersten schriftlich festgehaltenen Form der Jugendsprache. Anfang des 16. Jahrhunderts wurde diese „in Form des damaligen Studentenjargons empirisch belegt“ (Ehmann 1992, 9). Im Jahre 1970 veröffentlichte Küpper ein Wörterbuch, in welchem er zum ersten Mal von einem ‚Jugenddeutsch‘ sprach (vgl. Neuland 2008, 30). Die Jugendsprachforschung zeichnet sich mittlerweile mit einer kurzen, jedoch lebhaften Forschungsgeschichte aus. Seit den 90er Jahren ist sie außerdem im internationalen Forschungskontext eingebettet und auf Konferenzen findet ein internationaler Austausch statt (Neuland 2008, 36-37). Deutlich zu erkennen ist, dass das Thema Jugendsprache kein Phänomen der Neuzeit ist. Das heutige Wissen verdanken wir Niederschriften und Wörterbüchern der Studentensprache, welche die früheste bekannte Form einer Jugendsprache in Deutschland war. Durch die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Studentensprache und der heutigen Jugendsprache, erschließen sich charakteristische Merkmale und Funktionen im gesellschaftlichen Wandel (Neuland 2008, 38). Auf diese Merkmale und Funktionen wird im Folgenden erst mit Grundlageninformationen und anschließend anhand von Dialogen aus dem Jugendfilm „Fack ju Göthe“, näher eingegangen.
3.2 Merkmale am Beispiel von Ausschnitten des Film’s „Fack ju Göhte“
Ein Charakteristikum der Jugendsprache ist ihre Schnelllebigkeit, große Flexibilität und der Wunsch nach Abgrenzung von bestimmten Gruppen (vgl. Sinner 2014, 155). Der Sprachgebrauch Jugendlicher ist äußerst flexibel und durch Kreativität und Innovation ausgezeichnet. Die häufig kritisierten Abweichungen zur Standardsprache sind somit meist Ausdruck von Kreativität, Sprachgefühl und Dynamik einer Sprache (vgl. Sinner 2014, 156). Weitere Funktionen der Jugendsprache sind laut Henne, die Spannungsabfuhr, die Selbstdarstellung und Gruppensolidarität. Die sprachliche Abweichung zur Standardsprache sichert der Jugend eine gewisse Distanz zur Erwachsenenwelt (vgl. Henne 2009, 126; 205). Diese Abgrenzung und das Zusammengehörigkeitgefühl ist nach Last die Hauptfunktion der Jugendsprache (vgl. Baradaranossadat 2011, 27).
Die Sprache der Jugend weist auf verschiedenen sprachlichen Ebenen Merkmale auf, welche sich von der Standardsprache unterscheiden. Auf der phonologischen, der lexikalischen, der morphologischen und der syntaktischen Ebene. Hierfür werden zu jeder Ebene Beispiele aus dem Jugendfilm ‚Fack ju Göhte‘ geboten, um die Merkmale deutlicher darzustellen.
3.2.1 Die phonologische Ebene
‚Die Phonologie‘ betrachtet die Laute der Sprache. Die Jugendsprache verfügt neben einleitenden und abschließenden Signalen wie ‚ey‘, ‚alter‘ und ‚boah‘ auch über einige vokalische Lautwörter, welche eine flexible Funktion haben und in der mündlichen Kommunikation eine wichtige Rolle einnehmen (vgl. Gerdes 2013, 120). Vulgarismen gehören auch zum Sprachgebrauch in der Jugendsprache. Im Bereich der Lautung findet man auch die Aussprache ‚isch‘ statt ‚ich‘ (vgl. Wiese 2012, 146).
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