"Herzog Ernst", die Stadt Grippia und die Kreuzzüge im Mittelalter. Welche Parallelen und Unterschiede weisen die Kreuzzüge und das Bild des Kreuzzuges in "Herzog Ernst" auf?


Term Paper, 2018

13 Pages

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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Kreuzzüge des Christentums im Mittelalter

3. Grippia
3.1 Die Grippianer
3.2 Die Verknüpfung zwischen Ernsts Anwesenheit in Grippia und die Rolle des Christentums

4. Vergleich zwischen Herzog Ernsts Kreuzzug und dem christlichen Bild der Kreuzzüge im Mittelalter

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Bisherige Forschungen haben sich immer wieder hauptsächlich mit der Frage des Königreiches und dessen Bedeutung im ersten Teil des Werkes Herzog Ernst befasst, während der Orientreise des Herzogs weniger Wichtigkeit zugesprochen wurde. Diese Hausarbeit beschäftigt sich im Allgemeinen grundlegend mit dem Religionsgedanken des Mittelalters und die Verknüpfung des Religionsverständnisses in Herzog Ernst. Innerhalb dieser Seminararbeit suchen wir nach einer Beantwortung für folgende Leitfrage: Welche Parallelen und Unterschiede weisen die Kreuzzüge im Mittelalter und das Bild des Kreuzzuges in Herzog Ernst auf?

Auch möchten wir verdeutlichen, weshalb wir uns für die Analyse des Religionsbildes im Mittelalter im Vergleich zur Religiosität in der Spielmannsepik Herzog Ernst in Bezug auf Grippia entschieden haben.

Zum einen spielt unser individuelles Religionsbild bei dieser Entscheidung eine ausschlaggebende Rolle. Da wir beide verschiedenen, in ihrer Ausübung vermeintlich unterschiedlichen Religionen angehören, dem Christentum und dem Islam, erschien es uns als eine Wichtigkeit, den Aspekt der Religion in Herzog Ernst zu behandeln. Auch der Glaube vom Herzog, dass ihnen Grippia als Erlösung von dem großen Leid der Schiffsfahrt geschickt wurde, unterstützt erneut unsere Gedanken des Religionsaspektes.

Zum anderen hat uns die Perfektion der Beschreibung von Grippia und die damit verbundene anfängliche Skepsis von Herzog Ernst und seinen Begleitern fasziniert, sodass wir uns primär auf diese Stadt konzentrieren und alle weiteren genannten Städte außen vorgelassen haben.

Im Folgenden werden wir zunächst auf das allgemeine Bild der Religion und des Kreuzzugs im Mittelalter eingehen, indem wir alle relevanten Informationen darstellen, die für den anschließenden Vergleich von Bedeutung sind. Darauf folgen die einzelnen Beschreibungen der Stadt Grippia und dessen Einwohner, die als Basis für den nachfolgenden analysierten Kreuzzug und damit verbundene Religionsbild in Herzog Ernst fungieren. Letztendlich werden wir im Fazit alle beschriebenen Gegebenheiten miteinander verknüpfen und unsere Ausgangsfrage aufgreifen, welche wir im Laufe der Hausarbeit thematisieren und beantworten.

2. Kreuzzüge des Christentums im Mittelalter

„Der Ausdruck Kreuzzug bürgerte sich erst im 18. Jahrhundert endgültig ein; vorher stand dafür das seit dem Mittelhochdeutschen belegte Wort „Kreuzfahrt“. Der Teilnehmer an einer solchen Unternehmung wird auch jetzt noch als Kreuzfahrer bezeichnet. Kreuzfahrten (Kreuzzüge) waren militärische Unternehmungen, um den christlichen Glauben unter Ungläubigen oder Heiden zu verbreiten oder im Kampf gegen Ketzer wiederherzustellen.“1

Ebenso war Ziel eines christlichen Kreuzzuges Buße zu leisten, welches auch durch Urkunden und Briefe von früheren Kreuzfahrern bestätigt wurde.2 Der Aufruf von Papst Urban II. wurde von vielen Kreuzfahrern als ausschlaggebenden Punkt, um auf Kreuzzug zu gehen, angesehen.3 Entgegen der Annahme der Kreuzfahrer, dass durch das remissio peccatorum die Tilgung aller Sünden versprochen wurde, war die Absicht von Papst Urban II. eine Andere. Ursprünglich ging es beim genannten Begriff um irdischen Sündenerlass. Dennoch missverstanden die Kreuzfahrer die Aussage des Papstes, sodass sie der Überzeugung waren, nach dem Tod, während eines Kreuzzuges, direkt ins Paradies zu gelangen. Letztendlich passte der Papst dies den Erwartungen der Kreuzzügler an.4

Als Endziel setzte der Kreuzzug des Mittelalters voraus, die heilige Stadt Jerusalem zu erreichen. Die Stadt galt als eine Realität des Glaubens und wurde seitens Christen als Zentrum der Welt mit paradiesischen Versprechungen gehalten. Die Pilgerreise versprach ihnen Heil.5

„Dort hatten Christus und die Apostel gewirkt, dort hatte der Gottessohn den Tod am Kreuz erlitten, war wieder auferstanden und gen Himmel gefahren. Als erste berühmte Gläubige zog es Kaiser Konstantins Mutter Helena ins heilige Land, wo sie Kirchen gründete und der Legende nach das heilige Kreuz fand. Ihr folgen zahlreiche Pilger, um auf den Spuren des Messias zu wandeln.“6

Im Laufe der Kreuzzüge wurden immer wieder christliche Bilder mit fremden Gedanken und Sitten gegenübergestellt. Somit thematisierten die Kreuzzüge ebenfalls das Begegnen von verschiedenen Kulturen.7

Die Legitimation von Kreuzzügen und Kriegen stand zunächst nicht in Harmonie mit der Gewaltlosigkeit des Christentums. Erst nach der Jahrtausendwende setzte sich der Standpunkt durch, dass es sich bei einem Glaubenskampf um ein christliches Handeln handelt.8

3. Grippia

„wir mugen des mit wârheit jehen,

daz wir noch nie gesâhen

weder verre noch nâhen

niht glî ches dirre r îcheit.

sie ist lanc unde breit,

w ît unde kreftic,

schoene unde mehtic,

wert und ê rb æ re.

ez wart nie burc sô m æ re

geworht û f dirre erden

noch nimmer kunde werden

erb û wen als ô schône.

sist aller bürge ein krône,

die man in der werlde hât gesehen:

des muoz ich ir immer jehen.“ 9

Dieses Zitat verdeutlicht, um welch prunkvolle und mächtige Stadt es sich bei Grippia handelt. Allgemein werden für die Beschreibung der Stadt viele positiv konnotierte Adjektive verwendet, welche zu Beginn den Anschein von paradiesischen Zuständen erwecken.10 Auffällig ist hierbei, dass der Herzog und sein Gefolge während ihrer langen Schiffsfahrt Elend und Leid erfahren haben und nun an einen vermeintlich perfekten Ort gelangen und somit zwei gegensätzliche Welten aufeinandertreffen. Die Beschreibung der Stadt erfolgt mit dem Fokus auf das Besondere und Außergewöhnliche. Reichtum und Prunk waren zu dieser Zeit ein Merkmal für eine hohe Stellung, weshalb in Herzog Ernst und seinem Gefolge ein Gefühl von höfischer Wonne erweckt wird.11

Auch wird erwähnt, dass die Stadt durch seine Nähe zum Meer vor anderen Heeren, die einen Krieg anfangen würden, geschützt wird.12

Während Herzog Ernst und sein Gefolge die fremde Stadt erkunden, erblicken sie die mächtige Stadtmauer, welche die Stadt umgibt und mit leuchtenden Marmorsteinen verziert wurde.13 „Sie war von einem Graben umgeben, durch den ein Fluß geleitet war, so daß die Stadt ganz umschlossen war.“14 Beim Betreten von Grippia fällt ihnen die Leere der Stadt auf, es scheint keine Menschenseele vor Ort zu sein, sodass sie trotz anfänglicher Skepsis die unbekannte Gegend betreten.15

Deutlich in Vorschein treten die besonderen Kunstwerke aus Gold und Edelsteinen sowie die kunstvollen Ausschmückungen, welche in ganz Grippia zu finden sind.16 Die Pfosten des kunstvollen Palastes wurden mit vielerlei vergoldeten Tieren, wie Löwen, Drachen, Nattern und Schlangen, verschönert.

Auffällig ist, dass nicht nur das äußere Erscheinungsbild des Palastes prunkvoll verziert ist, sondern auch die innere Einrichtung. Das leitende Motiv der Pompösität wird erneut in den mit Gold und Edelsteinen verzierten Zimmern des Palastes verdeutlicht. Dieses spiegelt sich vor allem in der Beschreibung der Bettdecken des Palastes wider.17

„Zwei Bettdecken waren dort aufgelegt, die mit kostbaren Stoffen bezogen waren, deren Wert sehr groß war. Die Betttücher waren aus Seide, ein Decklaken aus Hermelinpelzen, um das eine Borte mit vielen Edelsteinen kunstvoll genäht war, die sehr teuer waren. Darüber lag ein seidenes Gewebe, mit dicken Goldstreifen kräftigt durchsetzt. An der leuchtenden Seide war eine prächtige lange Borte angesetzt. […] Vor dem Bette erblickten sie einen großen, wuchtigen Sessel von sehr schöner Ausführung. Er war überall mit kunstvollen Schnitzereien aus weißem Elfenbein und mit goldenen Beschlägen in meisterhafter Gestaltung verziert.“18

3.1 Die Grippianer

Das erste Aufeinandertreffen des Herzogs und den Kranichen erfolgt erst nach dem eigenständigen Erkunden des Ortes. Die Beschreibung der Stadt lässt anfänglich auf keine Monstrosität der Einwohner schließen, da zunächst ausschließlich die herkömmliche Struktur und der Aufbau der Stadt thematisiert werden. Umso eindrucksvoller gestaltet sich der erste Kontakt zwischen den beiden Gruppen. Im Mittelpunkt stehen hierbei sowohl sprachliche als auch äußerliche Faktoren.

Bemerkenswert scheint, dass die Kommunikation und das äußere Erscheinungsbild der Grippianer sich im Kern von dem bekannten menschlichen Bild unterscheidet, jedoch in ihrem Prunk, in ihrer Gestikulation und ihrer Körperbeschaffenheit sowie dem Vorhandensein eines Königs dem höfischen Adel ähneln.19 Das Volk wird generell als lebensfroh und mutig bezeichnet, dazu scheint ihr Verhalten zuchtvoll zu sein, welches erneut dem menschlichen Verhalten gleicht.20 Hierbei wird eine hierarchische Struktur unter den Grippianern verdeutlicht, an dessen höchster Instanz der König steht, gefolgt von seinen engsten Begleitern. Ähnlich wie am menschlichen Hof gibt es hier ebenso Bedienstete, die eine klare Rolle in der Gesellschaft einnehmen.21 Hervorgehoben wird dies nach dem Tod des Königs, indem das grippianische Volk ohne Zögern einen neuen Oberhaupt wählt. Dies lässt darauf schließen, dass die Monstra, ähnlich wie die vertrauten Menschen, einer gewissen Ordnung unterliegen, sodass ein König zur Festigung ihrer inneren Struktur benötigt wird.22

Die sprachliche Barriere wird vor allem in den Versen von 2817 bis 2825 deutlich:

Dô sie daz wunder gar gesâhen,

dô hôrten sie in allen gâhen

ein wunderlîche stimme,

starc unde grimme,

vor der bürge an dem gevilde,

ob ez kraniche wilde

bevangen hæten über al,

alsô ungefüegen schal

alse ie man vernam.“23

Schnell wird klar, dass das grippianische Volk kaum menschliche Kommunikation aufweist, sondern hauptsächlich animalische. Herzog Ernst und Graf Wetzel nehmen die Art der Unterhaltung der Grippianer als lautes und furchterregendes Geschrei wahr, welches dazu führt, dass sie die Sprache der Fremden keineswegs verstehen. Dies ist bedingt durch die fehlende gemeinsame sprachliche Ebene, welches sich im weiteren Verlauf herauskristallisiert.24 Das einzig menschliche in ihrer Kommunikation scheint das Gestikulieren mit Händen zu sein.25

Die äußerliche Diskrepanz wird vor allem in den Versen 2852 bis 2859 veranschaulicht:

„dîe waren an ir lîben,

Sie wæren junc oder alt,

schoene unde wol gestalt

an füezen und an henden

und in allen enden

schoene liute und hêrlîch,

wan hals und houbet was gelîch

als den kranichen getân.“26

Während der Körper der Kranichschnäbler mit schönen und stattlichen Menschenkörper verglichen wird, wird schnell konkretisiert, dass ihr Haupt keineswegs der des Menschen gleicht, sondern es sich um Kranichköpfe mit langem zierlichen Hälsen handelt. Hierbei wird erneut das Bild des Vertrauten und des Fremden zeitgleich konstruiert.27

Jeder einzelne des Volkes ist bekleidet mich prächtigen Seidenstoffen mit Samt sowie kostbare Gewänder, die mit Gold und Seide verziert sind. Ihre Bewaffnung besteht lediglich aus verschönerten Schildern und Pfeilen.28

Das einfache Volk besitzt den Kopf eines Kranichs, nur der König unterscheidet sich von ihnen. Er trägt eine mit Edelsteinen besetzte Krone.29 „Dadurch wurde ausgedrückt, daß er der Herrscher des Landes war. Sein Hals und sein Haupt hatten aber die Gestalt eines Schwanes.“30 Sein Aussehen sticht durch seinen Schwanenkopf hervor, welches ihm vom Rest des Volkes abhebt. Seine besondere Gestalt lässt auf den Glauben der Reinheit eines Königs schließen.31

[...]


1 Cornelissen, Joachim; Gemein, Gilbert: Kreuzzüge und Kreuzzugsgedanke in Mittelalter und Gegenwart. München 1992, S.9.

2 vgl. Jaspert, Nikolas: Die Kreuzzüge. Darmstadt 2003, S. 29.

3 vgl. Cornelissen, Joachim; Gemein, Gilbert: Kreuzzüge und Kreuzzugsgedanke in Mittelalter und Gegenwart. München 1992, S.10.

4 vgl. Jaspert, Nikolas: Die Kreuzzüge. Darmstadt 2003, S. 30.

5 vgl. Krause, Arnulf: Europa im Mittelalter. Wie die Zeit der Kreuzzüge unsere Gesellschaft prägt. Frankfurt 2008, S. 41 - 42.

6 Ebd, S. 42.

7 vgl. Rittner, Volker: Kulturkontakte und soziales Lernen im Mittelalter. Kreuzzüge im Licht einer mittelalterlichen Biographie. Köln 1973, S. 24.

8 vgl. Cornelissen, Joachim; Gemein, Gilbert: Kreuzzüge und Kreuzzugsgedanke in Mittelalter und Gegenwart. München 1992, S.9

9 Herzog Ernst. Ein mittelalterliches Abenteuerbuch. Herausgegeben, übersetzt, mit Anmerkungen und einem Nachwort versehen von Bernhard Sowinski, Stuttgart 2003, V. 2778 bis 2792.

10 vgl. Ebd. V. 2538 ff.

11 vgl. Lüttge, Anke: Spätes Mittelalter 14. bis 15. Jahrhundert: Alles zum Thema wieviel Prunk darf sein? Ein Jeder trage bittschön standesgemäße Kleidung. URL: <https://almerlin.de/7-spaetes-mittelalter-wieviel-prunk-darf-sein-standesgemaesse-kleidung/> (27.03.2019).

12 vgl. Ebd. V. 2552 ff.

13 vgl. Ebd. V. 2213ff.

14 Ebd. V. 2230 - 2332.

15 vgl. Ebd. V. 2311ff.

16 vgl. Ebd. V. 2531ff.

17 vgl. Ebd. V. 2561 ff.

18 Ebd. V. 2600 ff.

19 vgl. Ebd. V. 3151ff.

20 vgl. Ebd. V. 2885, V. 3054 ff.

21 vgl. Ebd. V. 3060 bis 3093, V. 3160 - 3167.

22 vgl. Ebd. V. 3878 bis 3881.

23 Ebd. V. 2817 bis 2825.

24 vgl. Ebd. V. 2826 ff.

25 vgl. Ebd. V. 3158 f.

26 Ebd. V. 2852 bis 2859.

27 vgl. Ebd. V. 2852 bis 2859, V. 2872 bis 2875.

28 vgl. Ebd. V. 2862 bis 2871.

29 vgl. Ebd. V. 2852 bis 2859, 3082 f.

30 Ebd. V. 3084 bis 3087.

31 vgl. Steger, Günter: Das Tier als Symbol URL: <https://www.zobodat.at/pdf/Natur-und-Mensch_1981_0043-0051.pdf> (27.03.2019).

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Details

Title
"Herzog Ernst", die Stadt Grippia und die Kreuzzüge im Mittelalter. Welche Parallelen und Unterschiede weisen die Kreuzzüge und das Bild des Kreuzzuges in "Herzog Ernst" auf?
Year
2018
Pages
13
Catalog Number
V958029
ISBN (eBook)
9783346302861
ISBN (Book)
9783346302878
Language
German
Keywords
herzog, ernst, stadt, grippia, kreuzzüge, mittelalter, welche, parallelen, unterschiede, bild, kreuzzuges
Quote paper
Anonymous, 2018, "Herzog Ernst", die Stadt Grippia und die Kreuzzüge im Mittelalter. Welche Parallelen und Unterschiede weisen die Kreuzzüge und das Bild des Kreuzzuges in "Herzog Ernst" auf?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/958029

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