Erkenntnistheorie bei John Locke


Trabajo de Seminario, 1999

17 Páginas, Calificación: gut (2)


Extracto


Inhalt

Einleitung

1.) John Locke - Biographie

2.) Erkenntnistheorien

3.) Über die angeborenen Prinzipien

4.) Über die Ideen
4.1) einfache Ideen
4.2) komplexe Ideen

5.) Lockes Kritik an der Scholastik

6.) Resümee

7.) Literatur

Einleitung

Diese Hausarbeit beschäftigt sich mit Auszügen aus der Erkenntnistheorie John Lockes, in seiner Abhandlung „Versuch über den menschlichen Verstand“, wobei den ersten beiden Büchern besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Im ersten Kapitel wird die Autorin den Lebenslauf des John Locke skizzieren, da Lockes Werk nicht losgelöst von seinen Lebensumständen und seiner Zeit be- trachtet werden kann. So wirkt sich z.B. seine Tätigkeit als Mediziner auf seine Methode (Beobachtung und die daraus folgende Analyse) im „Versuch über den menschlichen Verstand aus.

Die folgenden Kapitel dienen dazu Lockes Erkenntnistheorie zu umreißen und die erkenntnistheoretische Zielsetzung aufzuzeigen. Locke selbst sagt in seiner Einlei- tung, daß es das Ziel des Essays sei, den Ursprung, die Gewißheit und den Um- fang der menschlichen Erkenntnis zu untersuchen. Schon mit dieser Zielsetzung wendet sich Locke gegen die scholastische Metaphysik als auch gegen die carte- sische Philosophie. Dies soll Gegenstand des 5. Kapitels werden, in dem ich ver- suche, den Punkt herauszuarbeiten an dem Locke seine Kritik an Leibniz und Descartes ansetzt.

1.) John Locke - Biographie

Das Leben John Lockes ist exemplarisch für das eines politisch engagierten Man- nes im England des 17. Jahrhunderts. Am 29. August 1632 in Wrington, Graf- schaft Somerset, geboren, entstammt Locke jenem puritanischen Milieu, das in England Gewerbe und Handel voranbrachte. Sein Großvater väterlicherseits war als Tuchverleger zu Wohlstand gekommen; sein Vater, ein Gerichtsbeamter, konnte zusätzliche Einkünfte aus der Verpachtung von Grundbesitz ziehen. Nach Besuch der „Westminster School“ (seinerzeit die Beste schule Englands), sprach man ihm Ende Mai ein Stipendium für das hochangesehene Christ Church College in Oxford zu. Form und Inhalt des Unterrichts des Studiums waren in Ox- ford des 17. Jh. noch mittelalterlich-scholastisch ausgerichtet Locke legte hier im Jahr 1656 das Bachalor-Examen ab und bereits zwei Jahre später hatte er den Titel des „Master of arts“ in der Tasche. Ende 1660 wählte ihn sein College zum Dozenten für Griechisch und zwei Jahre später zum Dozenten für Rhetorik. Als Dozent für Rhetorik unterrichtete er jedoch nicht Redekunst sondern Philosophie. Während seiner Zeit in Oxford beschäftigte sich Locke auch mit Naturwissenschaf- ten. Der Bereich der Naturwissenschaften, der ihn am meisten interessierte war die Medizin. 1668 wurde er in die Royal Society gewählt und erlangte durch ärztli- che Erfolge bei den Medizinern seiner Zeit ein hohes Ansehen. Nach seiner Rückkehr nach England (Locke befand sich von November 1665 bis Februar 1666 als Sekretär der Gesandtschaft Sir Walter Vanes am brandenburgi- schen Hof in Kleve) lernte er durch Zufall im Sommer 1666 den Grafen von Shaf- tesbury in Oxford kennen. Locke hatte auf diesen einen solchen Eindruck ge- macht, daß Shaftesbury ihn im Frühjahr 1667 dazu einlud, bei ihm als persönlicher Hausarzt zu arbeiten und zu wohnen. Dieser Wechsel von der rein akademischen Umgebung Oxfords in ein Zentrum politischer Aktivität war entscheident für Loc kes weiteren Lebensweg.

1671 schrieb Locke erste Entwürfe zu seinem Essay über den menschlichen Verstand nieder. Bei Shaftesbury wurde er nun immer mehr für die Arbeit des poli- tischen Beraters in Anspruch genommen. Dieser bekleidete seit 1672 das Amt des Lordkanzlers. Bald jedoch überstürzten sich die politischen Ereignisse. Nach dem Verlust der Lordkanzlerschaft formierte Shaftesbury die Opposition. Locke unter- stütze die Opposition mit einer Reihe von Pamphleten, welche 1675 anonym pub- liziert wurden.

Die politische Situation wurde immer brisanter und Locke packte in größter Eile seine Sachen und verließ England am 12. November 1675. Für die nächsten 3½ Jahre lebte er in Frankreich (vor allem Montpellier und Paris). Hier macht er Bekanntschaft mit Philosophen und Naturwissenschaftlern, wie Francois Bernier und Henri Justel, die prägend für sein weiteres Leben waren.

Im Frühjahr 1679 wurde er von Shaftesbury zurück nach London gerufen. In einer Zeit der politischen Wirren zwischen den Whigs und den Tories blieb Locke politisch und persönlich stets an Shaftesburys Seite. Etwa in der Zeit zwischen 1680 und 1682 verfaßte Locke den größten Teil seiner erst Jahre später publizierten „Zwei Traktate über die Regierung“.

Im Sommer 1681 verhaftete man Shaftesbury und klagte ihn des Hochverrats an. Shaftesbury konnte fliehen und begab sich nach Holland, wo er 1683 verstarb. Auch für Locke wurde die Situation in England gefährlich und er emigrierte in die Niederlande. Im November 1684 wurde er auf Befehl des Königs in Abwesenheit vom Christ Curch College ausgeschlossen; man warf ihm seine Verbindung zu Shaftesbury, sowie seine regierungsfeindliche Tätigkeit vor.

1687 zog er von Amsterdam nach Rotterdam und fand hier die Zeit zum Schreiben wieder. Nun konnte er seinem „Essay über den menschlichen Verstand“, welchen er 1686 im wesentlichen in Form gebracht hatte, den letzten Schliff verleihen. Im Februar 1689 konnte der nun 56-Jährige Locke nach 5½ Jahren sein Exil verlassen und in die Heimat zurückkehren. Er erhielt in London eine Stelle in einer Berufungskommission für Steuerfragen. Im Winter 1690/91 zog er als zahlender gast zu einer alten Brieffreundin (Damaris Cudworth) und deren Familie nach Oates, um hier den Rest seines Lebens zu verbringen.

Vor dem Umzug nach Oates veröffentlichte Locke im Jahr 1689 drei seiner wichtigsten philosophischen Werke:

- „Brief über Toleranz“,
- „Zwei Traktate über die Regierung“,
- „Essay über den menschlichen Verstand“.

Locke blieb bis ins hohe Alter aktiv, 1696 erhielt er einen Posten im Handelsrat.

Um 1700 jedoch mußte er seine Ämter aus gesundheitlichen Gründen niederlegen und verstarb am 28. Oktober 1704.

2.) Erkenntnistheorien

Erkenntnistheoretische Überlegungen nehmen ihren Ausgang vom Faktum der Erfahrung: daß der Mensch seine Umwelt erkennt, daß er mittels der Wahrneh- mung Erfahrung macht, ist eine unbezweifelbare Weise des menschlichen Da- seins.

Die Verschiedenheiten der Ansichten über den Ursprung der menschlichen Vorstellungen und Begriffe ist nicht erst seit Kant eine über die Grenzen der Psychologie hinausgreifende Bedeutung beigelegt worden.

Nachdem jedoch Kant für die „Geschichte der reinen Vernunft“ allgemeine Ge- sichtspunkte aufgestellt hatte, auf welche sich die wesentliche Verschiedenheit der metaphysischen Versuche zurückführen lassen, von denen der eine eben die Ver- schiedenheit der Ansichten über den Ursprung der Begriffe als Unterscheidungs- merkmal hervorhob, sind neben Aristoteles und Plato auch Locke und Leibniz vor- zugsweise als Repräsentanten zweier ganz verschiedener philosophischer Denk- weisen angesehen und der Gegensatz der psychologischen Ansicht über den Ur- sprung der Begriffe, ob sie aus der Erfahrung entlehnt oder angeboren seien, nicht nur ein Merkmal, sondern auch für den Grund der divergierenden Richtungen die- ser Denker, ja der metaphysischen Lehrmeinungen überhaupt gehalten worden[1]. Die Überzeugung, daß die Untersuchung des Erkenntnisvermögens notwendig sei, und die Grenzen zwischen dem, dem Menschen erreichbaren und ihm uner- reichbaren dem wahren und dem eingebildeten Wissen zuziehen und somit den Grund und Boden für jede auf die metaphysische Erkenntnis der Welt gerichtete Untersuchung abzustecken, spricht Locke im Eingang seines Werkes mit der sel- ben Bestimmtheit aus, wie Kant in der Vorrede zur Kritik der reinen Vernunft. Nicht ohne Grund wird Locke mit Recht als „Vorläufer“ Kants[2] bezeichnet. Bereits in den ersten beiden Kapiteln wird Lockes „Essay über den menschlichen Verstand“ als erkenntnistheoretische Arbeit charakterisiert[3]. Locke ist der erste Philosoph der Neuzeit, der sich ausschließlich auf die Erkenntnisfrage festlegt, „und sich anschickt diese Frage systematisch und detailliert zu behandeln[4]“.

3.) Über die angeborenen Prinzipien

Das erste der vier Bücher des „Essay über den menschlichen Verstand“, bringt eine Kritik und Zurückweisung derjenigen Lehre vom Ursprung der menschlichen Erkenntnis, wonach grundlegende theoretische und praktische Prinzipien dem Geiste des Menschen angeboren sein.

Nach Locke befindet sich der Mensch zu Beginn seiner Entwicklung, sowohl als Fötus im Mutterleib, als auch bei seiner Geburt, im Stadium der „tabula rasa“, was soviel bedeutet, wie daß sein Geist in dieser Phase einem unbeschriebenem Blatt Papier ähnelt: „nehmen wir also an, der Geist sei, ein unbeschriebenes Blatt, ohne alle Schriftzeichen, frei von allen Ideen[5]“. Locke nimmt seinen Beweis vor, indem er die Bemerkung vorausschickt, daß die Annahme von angeborenen Vorstellun- gen unnötig sei, sobald sich nachweisen lasse, auf welche Weise der Mensch die Erkenntnis erwirbt; aber abgesehen davon erklärt er die Annahme selbst für un- haltbar.

Man braucht, laut Locke, nur auf den Weg zu zeigen, auf dem wir zu irgendwel- chen Erkenntnissen gelangen, um zu beweisen, daß diese nicht angeboren sind[6]. Die Hauptstütze der Annahme der angeborenen Prinzipien liegt in der Behaup- tung, daß es gewisse praktische und theoretische Grundsätze gebe, über deren Wahrheit schlechthin Einverständnis herrsche. Aber selbst wenn sich dieses all- gemeine Einverständnis faktisch nachweisen ließe, obwohl es sich tatsächlich gar nicht beweisen läßt, würde daß nicht bedeuten, daß angeborene Prinzipien exis- tieren. Das Argument der allgemeinen Zustimmung ist schon deswegen hinfällig, weil es keine Prinzipien gibt, denen die gesamte Menschheit zustimmen würde. Als Beispiel hierfür zieht er „Kinder und Idioten“ heran, würden diese Prinzipien existieren würden sie auch von geistig unausgereiften Menschen allgemeine Zu- stimmung erfahren: „... Erstens nämlich ist es offensichtlich, daß alle Kinder und Idioten nicht im geringsten eine Vorstellung oder einen Gedanken von diesen Sät- zen haben. Schon dieser Mangel genügt, um jene allgemeine Zustimmung zunich- te zu machen, die notwendig und unbedingt die Begleiterin aller angeborenen Wahrheiten sein müßte...[7]“.

Um seine These, daß keine angeborenen Prinzipien existieren, weiterhin zu un- termauern, führt Locke an, daß die Vernunft eine unnötige Gabe sei, wenn sämtli- che Prinzipien angeboren wären. Denn warum sollte die Vernunft erst entdecken, was der Mensch schon besitzt. Locke meint hierzu: „...sicherlich kann etwas, zu dessen Entdeckung wir der Vernunft bedürfen niemals für angeboren gelten...[8]“. Bedenkt man ferner, daß die Vernunft das Vermögen ist, aus bekannten Prinzipien unbekannte Sätze abzuleiten, so müßte man einen mathematischen Lehrsatz e- benso für angeboren erklären, wie ein mathematisches Aximon; die unmittelbare Zustimmung endlich, die uns gewisse Sätze abnötigen, beruhe auf einer anderen Operation des Geistes, als auf der des diskursiven Denkens; beruhe sie hierauf, so wäre das eben ein Beweis, daß jene Sätze nicht angeboren sind[9]. Wirklich angeborene Wahrheiten müßten sich nicht nur vor allen Erkenntnissen als deren Grundlagen, sondern auch als solche mit voller Deutlichkeit und Bestimmt- heit im Bewußtsein ankündigen, da aber weder das eine noch das andere der Fall ist können laut Locke die Prinzipien, sowohl spekulative, als auch praktische nicht angeboren sein. Eine Wahrheit/Vorstellung, von der wir kein Bewußtsein haben, sei laut Locke, keine Vorstellung; eine Vorstellung die durch Erfahrung in Geist eintrete, sei entweder eine neue, vorher nicht existierende, oder eine früher er- worbene, die im Gedächtnis aufbewahrt wurde. Das impliziert, daß es durch das nicht existieren von angeborenen Vorstellungen auch keine allgemeinen Sätze und Wahrheiten gibt (auch keine moralischen Prinzipien).

Rainer Specht bemerkt in seiner Abhandlung über die angeborenen Ideen bei Lo- cke, daß: „...das erste Buch [...] nicht nur eine Abhandlung über Erkenntnislehre, sondern zugleich ein aufklärerisches Manifest...[10]“ darstellt. Specht stellt die be- rechtigte Frage, ob Locke mit den angeborenen Ideen, wirklich die „angeborenen Ideen“ meint.

Das erste Buch richtet sich nicht nur gegen rechthaberische Pedanten, die jeden anderen verdummen möchten, damit er ihre Klugheit weiter ehrt, sondern ist zu- zugleich ein politisches Manifest gegen Männer, die ihnen nicht zustehende Macht über andere erschleichen oder behalten wollen und die die Lüge, daß es angeborene Ideen gibt, als Herrschaftsinstrument benützen[11]. Locke kritisiert also „zwi- schen den Zeilen“, daß Krone und Kirche durch die Doktrin der angeboren Ideen ihre Macht legitimieren wollen. Angeblich angeborene Ideen dienen als Variable für die Überzeugungen, die den Machthabern angenehm sind, geben ihnen den Anschein der Unantastbarkeit und erleichtern die Ausübung der Gewalt, indem sie selbständiges Denken verhindern.

Locke wendet sich aus diesem Grund gegen die Lehre von den angeborenen I- deen, weil der Innatismus die kritiklose Anerkennung von Autoritäten und Über- nahme traditioneller Auffassungen fördert: wenn erst die These allein akzeptiert ist, daß es einige nicht zu bezweifelnde eingeborene Prinzipien gebe, dann wird dies nicht selten dazu benutzt, Regeln und Prinzipien, die aus Traditionen und Erziehung stammen, als angeboren auszugeben, und somit jede Kritik und jegliches Hinterfragen von vornherein abzuwehren.

Hier zeigt sich also daß Lockes Philosophie der Erkenntnistheorie nicht losgelöst von seiner politischen Philosophie zu betrachten ist. Beide berühren sich und gehen ineinander über.

4.) Über die Ideen

Im zweiten Buch seines „Essays über den menschlichen Verstand“ beschäftigt sich Locke mit den Ideen. Ideen sind bei Locke die Objekte der Vorstellung, also alles, was der Geist in sich selbst wahrnimmt. Locke untersucht hier den Ursprung der Ideen, Begriffe oder wie man sie sonst nennen mag, die der Mensch in seinem Geist wahrnimmt, und die ihm als dort befindlich bewußt sind; sowie die Wege, durch die der Verstand mit ihnen ausgestattet wurde.

Da es keine angeborenen Begriffe und Sätze oder Ideen gibt, ist die Seele ein „leeres Kabinett“, daß es einzurichten gilt. Laut Locke kann der Ursprung der Vorstellungen nur in der Erfahrung liegen. Die Erfahrung hat zwei Quellen, die der äußeren und die der inneren Wahrnehmung.

Die erste bezeichnet Locke als Sensation: „...Auf diese Weise kommen wir zu den Ideen, die wir von gelb, weiß, heiß, kalt, weich, hart, bitter, süß habe, und zu all denen die wir sinnlich wahrnehmbare Qualitäten nennen...[12]“. Sensation ist die durch die Sinne vermittelte Wahrnehmung äußerer Objekte.

Die zweite Quelle der Erfahrung bezeichnet Locke als Reflexion. Reflexion ist die innere Selbstwahrnehmung, d.h. die Wahrnehmung der Tätigkeiten der Seele in Beziehung der durch die Sinne dargebotenen Vorstellungen. Locke nennt diese Wahrnehmung „Reflexion“, weil die Tätigkeiten der Seele durch die innere Auffassung, durch eine Art inneres Sinnesobjekt der Auffassung und dadurch Inhalt des Bewußtseins werden. Wir haben nichts in unserem Geist, was nicht durch Reflexion oder Sensation dorthin gelangt ist.

Diese von Locke ganz allgemein ausgesprochenen Sätze hätten verhindern sol- len, seine Lehre von vorn herein als einen reinen Sensualismus zu bezeichnen. Die Tatsache, daß nicht nur das, was im Bewußtsein geschieht , sondern auch die geistige Tätigkeit selbst Gegenstand der inneren Auffassung ist, und daß die inne- re Auffassung dieser Tätigkeit Beiträge zu dem menschlichen Vorstellungskreise darbietet, welche auf die sinnliche Empfindung nicht zurückgeführt werden kön- nen, samt der darin liegenden Überschreitung des Sensualismus, ist geradezu eine, und zwar die wichtigere, Hälfte seiner Grundansicht[13].

Auf dieser Grundlage unternimmt Locke eine Analyse des menschlichen Vorstellungskreises, wie er wirklich beschaffen ist. Er versucht ihn in seine Elemente zu zerlegen und den Beitrag zu bestimmen, den diese Elemente allein oder in Verbindung mit den übrigen zur menschlichen Erkenntnis liefert. Locke unterscheidet hierbei die einfachen und die komplexen Ideen.

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Einfache Ideen lassen sich nicht mehr in verschieden Ideen zerlegen, sie stellen die kleinsten Einheiten dar, d.h. sie sind keine zusammengesetzten Erscheinun- gen. Locke bezeichnet diese einfachen Ideen als „... das Material unserer gesam- ten Erkenntnis...[14]“. Jedoch hat der Geist das Vermögen diese Ideen zu zersetzen und zu zerlegen, aber neu erschaffen oder vernichten liegt nicht in seinem Vermö- gen, da sie ihm nur auf dem Wege der Reflexion oder der Sensation zugeführt werden können.

Eingeteilt werden die einfachen Ideen, je nachdem wie die in unseren Geist gelangen: - nur durch einen Sinn

- durch mehrere Sinne
- nur durch Reflexion
- durch Reflexion und Sensation

Ohne den Anspruch zu machen, die einfachen Vorstellungen irgendwie aufzuzäh- len, rechnet er zu der ersten Klasse die qualitativ verschieden Empfindungen der einzelnen Sinne, zu denen auch die Solidität der Körper als Empfindung des Tast- sinns gehören soll; zu der zweiten Ausdehnung, Gestalt, Bewegung, Ruhe; zu der dritten die Vorstellung des Denkens und Wollens; zu der vierten die Vorstellung von Lust und Schmerz, Kraft, Existenz und Einheit, während die Vorstellung der Zeit an die Reflexion auf den Verlauf unserer eigenen Vorstellungen gebunden sei.

In bezug auf die einfachen Vorstellungen verhält sich der Geist passiv: sie werden direkt durch vom Objekt ausgehende Reize verursacht[15].

Komplexe Ideen

Als komplexe Ideen bezeichnet Locke aus einfachen zusammengesetzte Ideen. Diese komplexen Ideen des Geistes entstehen durch aktive Tätigkeit des Verstan- des, d.h. ihr Material wird unter Anwendung geistiger Fähigkeiten ( vergleichen, trennen, verbinden[16], abstrahieren) gebildet. Dies steht im krassen Gegensatz zu den einfachen Ideen, bei denen sich der Geist durchweg passiv verhält. Da die Kombinationsmöglichkeiten der einfachen Ideen zu komplexen Ideen schier unbegrenzt sind, sucht Locke Ordnungsprinzipien: um den Gehalt an Er- kenntnis zu untersuchen, den diese Produkte der geistigen Tätigkeiten zu haben, erachtet es Locke für notwendig, zuerst die Hauptklassen der zusammengesetz- ten Vorstellungen oder Begriffe zu unterscheiden. Er unterteilt seine komplexen Ideen in drei Klassen: Substanzen, Modi und Relationen. Diese Bezeichnungen bedürfen einer Erklärung. Unter Substanzen versteht Locke für sich selbst beste- hende Einzeldinge, bzw. Spezies (z.B. Tier, Pflanze).

D.h. diejenigen Verknüpfungen einfacher Vorstellungen oder Vorstellungsgrup- pen, die mit der Voraussetzung gedacht werden, daß sie bestimmten existieren- den Dingen entsprechen, dergestalt daß die für sie und in ihnen vorausgesetzte Substanz als der Anknüpfungspunkt für die übrigen in der Vorstellungsgruppe ent- haltenen Bestandteile gehalten wird[17]. Der Begriff der Substanz entspricht also dem Begriff des Dinges mit seinen Eigenschaften, insofern es als der Träger der letzteren angesehen wird.

Als Modi bezeichnet Locke die komplexen Ideen, welche nicht mit der Vorausset- zung gedacht werden, daß das durch sie Bezeichnete eine selbständige Existenz habe, sonder als „Anhängsel“ der Substanzen gedacht wird. Modi zerfallen in zwei Klassen: die einfachen Modi (Variation oder Kombination einer einzigen einfachen Idee) und die gemischten Modi (werden aus Ideen verschiedener Seinsbereiche gebildet).

Die dritte Klasse der komplexen Ideen bezeichnet Locke als Relationen. Die Rela- tionen drücken das Verhältnis verschiedener Ideen zueinander aus, z.B. Ursache und Wirkung.

5.) Lockes Kritik an der Scholastik

Lockes Erkenntnistheorie in seinem „Versuch über den menschlichen Verstand stellt einen Bruch mit der älteren wissenschaftlichen Tradition dar. Seine Position zu unserer Kenntnis der Natur kann mit Recht „empirisch“ genannt werden, da sie besagt, daß sich diese Kenntnis nicht über unsere Erfahrung erstreckt. Als Vertre- ter des Empirismus lehnt Locke also jegliche spekulative Wissenschaft, die nicht auf der Beobachtung und Erfahrung beruht ab. In den Bereich der spekulativen

Wissenschaft verweist Locke auch die Idee der angeborenen Prinzipien und kriti- siert somit Aritoteles zoon politikon, Leibniz (welcher mit seiner Monadenlehre ei- nen Rekurs auf Aristoteles zoon politikon nimmt), sowie René Descartes[18]. Locke vertritt vielmehr die Theorie das der Mensch zu Beginn seiner Entwickung, im Geist, einem „unbeschriebenem Blatt Papier“ (tabula rasa) ähnelt, auf dem sich durch sensation und reflexion, Eindrücke wie Schriftzeichen einprägen. Besonders intensive Kritik übt Locke an Descartes, welcher mit seine Überzeu- gung „cigito, ergo sum“ zwar oft zitiert wurde, aber wahrscheinlich genauso oft nicht im Sinne Descartes verstanden wurde. Descartes wollt hiermit verdeutlichen, daß seiner Ansicht nach etwas nur existiert, weil wir es in unserem Verstand wahrnehmen. D.h. es ist nur das wahr, was wir als wahr erkannt haben. Die Exis- tenz ist letztlich bei Descartes nur ein Produkt des Denkens. Das Subjekt wird da- nach dargestellt als „res cogitans“ ( „denkendes Ding“, Bewußtseinswelt) und das Objekt des Denkens wird bei Descartes als „res extensa“ (Gegenstück zu res cogi- tans), die äußere Körperwelt bezeichnet. Descartes trennt diese beiden Begriffe strikt. Locke hingegen trennt res cogitans und res extensa zwar methodisch, aber nicht vom Ergebnis her, d.h. bei Locke sind die erkannten Gegenstände, mit den realen immer absolut identisch.

Obwohl Locke intensiv Kritik an Descartes Philosophie übt, darf an dieser Stelle nicht vergessen werden zu erwähnen, daß Locke die Arbeitsmethode für den „Versuch über den menschlichen Verstand“ von Descartes übernommen hat.

6.) Resümee

Im Zentrum von Lockes Philosophie steht seine Erkenntnistheorie, die im „Versuch über den menschlichen Verstand“ entwickelt wird. Ihr kommt die Aufgabe zu Ursprung und Grundlagen der menschlichen Erkenntnis darzulegen, sowie die Grenzen der Erkenntnisfähigkeit des Verstandes aufzudecken.

Locke stellt hier die Theorie auf, daß sich der Mensch bei seiner Entstehung im Stadium der tabula rasa befindet. Für Locke bedeutet daß, das Ideen, Prinzipien und Vorstellungen nur durch die Erfahrung in den Geist hineingelangt sein kön- nen. Die Erfahrung hat bei ihm zwei Quellen: die sensation (äußere Sinneswahr- nehmung) und die reflexion (die innere Selbstwahrnehmung). Anders gesagt, der Geist beinhaltet also keine Ideen die nicht auf diesen beiden wegen hineingelangt sind, d.h. Locke bestreitet die Theorie, daß Ideen oder Prinzipien angeboren sein könnten.jedoch behält er sich vor, daß das Vermögen Vorstellungen, egal ob ein- fache oder komplexe, zu bilden (Verstand) schon vor der ersten sensation und der ersten reflexion vorhanden ist.

Die Philosophie des „Versuch über den menschlichen Verstand“ hat zwei Kompo- nenten, an erster Stelle natürlich die gerade erläutere erkenntnistheoretische und an zweiter Stelle, mindestens ebenso wichtig, eine politische. Rainer Specht be- zeichnet den Essay als aufklärerisches Manifest[19], worin Locke sich gegen angeb- lich angeborene Ideen wendet und die Befreiung vom politisch interessierten Mei- nungsdruck fordert.

Lockes bricht in seinem „Essay“ mit der alten, wissenschaftlichen Tradition des Innatismus. Er kritisiert Descartes, Arisoteles, Leibniz und Hobbes, und wird somit zu einem der Sargträger der Scholastik. Seine Gedanken über die menschilche Erkenntnis übten großen Einfluß auf die Aufklärung und den politischen Liberalis- mus aus.

Literatur

Hartenstein, G: „Locke´s Lehre von der menschlichen Erkenntnis in Vergleichung mit Leibniz Kritik derselben“, Wien 1911.

Hume, David: „Untersuchung über den menschlichen Verstand“, Reclam, Stuttgart 1982.

Kant, Immanuel: „Kritik der reinen Vernunft“, In: „Die drei Kritiken“, Körner-Verlag, Leipzig 1949.

Kunzmann, Peter; Burkhard, Franz-Peter; Wiedmann, Franz: dtv-Atlas Philosophie, München 1998.

Locke, John: „Versuch über den menschlichen Verstand“, Meiner, Hamburg 1996.

Specht, Rainer: „Über angeborene Ideen bei Locke“, In: Thiel, Udo (Hrsg.) „John Locke - Essay über den menschlichen Verstand“, Berlin 1997.

Thiel, Udo: „John Locke“, Müller, Wolfgang (Hrsg.) Rowohlt, Reinbeck 1990.

[...]


[1] Hartenstein, G.: „Locke´s Lehre von der menschlichen Erkenntnis in Vergleichung mit Leibniz Kritik derselben“. Wien 1911, S. 113.

[2] Kant,Immanuel: „...daß alle unsere Erkenntnis mit der Erfahrung anfange, daran ist gar kein Zweifel...“ In: „Kritik der reinen Vernunft“, Leipzig 1949, Seite 100.

[3] Thiel, Udo: „Locke“, Müller Wolfgang (Hrsg.), Reinbeck 1990, S. 66.

[4] Thiel, Udo: ebenda.

[5] Locke, John: „Essay über den menschlichen Verstand“, Hamburg 1996, S. 107.

[6] Locke, John: a.a.O., S. 29.

[7] Locke, John: a.a.O., S. 31.

[8] Locke, John: a.a.O., S. 34.

[9] G. Hartenstein, a.a.O., S. 119.

[10] Specht, Rainer: „Über angeborene Ideen bei Locke“, In: Thiel, Udo (Hrsg.) John Locke - Essay über den menschlichen Verstand. Berlin 1997, S. 53.

[11] Specht, Rainer: a.a.O., S. 53.

[12] Locke, John, a.a.O., S. 108.

[13] Hatenstein, G.: a.a.O. S. 123.

[14] Locke, John: a.a.O., S. 127.

[15] Kunzmann, Peter; Burkard, Franz-Peter; Wiedmann, Franz: dtv-Atlas Philosophie, München 1998, S.119.

[16] David Hume äußert sich hierzu in seinem dritten Abschnitt (Über die Assoziation von Vorstellungen) sei- ner „Untersuchung über den menschlichen Verstand“ wie folgt: „... einfache Vorstellungen sind durch ein gewisses universelles Prinzip miteinander verbunden, das für die gesamte Menschheit gleichermaßen gilt. [...]Für mich ergeben sich nur drei Prinzipien der Vorstellungsverknüpfung, nämlich Ähnlichkeit, raum- .zeitliche Berührung und Ursache und Wirkung., In: Hume, David: Untersuchung über den menschlichen Verstand, Stuttgart 1982, S. 39.

[17] Hartenstein, G. a.a.O. S. 133.

[18] Bei Descartes stellt insbesondere die Idee Gottes eine „idea innata“ dar, d.h. sie gilt als angeboren.

[19] Specht, Rainer: a.a.O., S. 53f.

Final del extracto de 17 páginas

Detalles

Título
Erkenntnistheorie bei John Locke
Universidad
Martin Luther University
Curso
Proseminar: "Sensualismus und Liberalismus: John Locke"
Calificación
gut (2)
Autor
Año
1999
Páginas
17
No. de catálogo
V95865
ISBN (Ebook)
9783638085434
Tamaño de fichero
382 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Erkenntnistheorie, John, Locke, Proseminar, Sensualismus, Liberalismus, John, Locke
Citar trabajo
Held, Susann (Autor), 1999, Erkenntnistheorie bei John Locke, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95865

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