Die Enzyklika "Mit brennender Sorge" vom 21. März 1937 - Die katholische Kirche antwortet auf die Herausforderung durch den Nationalsozialismus


Seminar Paper, 1996

23 Pages, Grade: 1


Excerpt


Die katholische Kirche antwortet auf die Herausforderung durch den Nationalsozialismus Inhaltsverzeichnis

. Vorwort

Der Nationalsozialismus ist ein Thema, das fasziniert; vielleicht deshalb, weil er trotz seiner zeitlichen Nähe - immerhin liegt sein definitives politisches Ende erst 51 Jahre zurück - wie ein Fossil aus längst vergangenen Zeiten scheint. Zu absurd klingen manche seiner damals als wissenschaftlich vertretenen Thesen dem heutigen Ohr. Aber auch Schule und Erziehung haben meiner Generation ein so stark moralisierendes Bild vom Nationalsozialismus vermittelt, daß die geschichtlich immer auch vorhandenen Grauzonen zwischen gut und böse, zwischen Widerstandskämpfer und Nazi verschwanden. Nimmt man dann noch die in der selbst beteiligten Generation bis heute vorhandenen Tabus, die Tendenz, das eigene Verhalten zu beschönigen oder aus dem Gedächtnis zu tilgen, hinzu, so bleibt leicht das Bild vom Nationalsozialismus als einem unerklärlichen und vielleicht sogar dämonischen Phänomen zurück. Die Geschichtswissenschaft kann den Nationalsozialismus nicht erklären, aber sie kann differenzieren und Entwicklungslinien aufzeigen, die schließlich tatsächlich, wenn auch vielleicht nicht notwendig, in das Dritte Reich mündeten.

Daß dabei die Kirchen und das Kirchenvolk als eine im öffentlichen Leben einflußreichere Kraft als sie es heute sind, ein entscheidender Faktor waren, ist offensichtlich.

Viel ist über das Thema Nationalsozialismus und Kirchen geschrieben worden, eine unübersehbare Masse von Quellen wurde veröffentlicht. Deren vollständige Erfassung oder Bearbeitung ist im Rahmen einer Hauptseminararbeit leider nicht möglich; dennoch habe ich versucht, nah an den Quellen zu arbeiten, wo dies möglich war.

Die Idee zu dem Thema kam mir bei meinem Studium in Rom in der nicht nur räumlichen Nähe zum Katholizismus, wo mir auffiel, wie weit ideales ökumenisches Bewußtsein und tatsächliches Wissen um die Geschichte dieser römisch-katholischen Kirche bei mir auseinanderklaffen.

Deshalb wird sich diese Arbeit vor allem mit der Enzyklika und dem Verhalten der katholischen Kirche bis zu ihrer Verlesung beschäftigen und kaum mit der Barmer Theologischen Erklärung und der evangelischen Kirche im Dritten Reich, dem Thema des Seminars, zu dem diese Arbeit angefertigt wird. Ich will aber versuchen, im Vergleich beider Texte einen schärferen Blick für das je Besondere, aber auch für die gemeinsamen Problemstellungen zu gewinnen.

Leider war es mir nicht möglich, in den Heidelberger Bibliotheken Hitlers "Mein Kampf" einzusehen, was für die NS-Kirchenpolitik bestimmt interessant gewesen wäre.

. Einleitung

Die vielen Emotionen, die bei diesem Thema im Spiel sind, konfessionelle Gebundenheiten, aber auch die Komplexität der Geschichte des Dritten Reichs sollten uns warnen, es nur wertend, in Anklage und Verteidigung der damals beteiligten Menschen und Institutionen zu behandeln. So umstritten es ist, ob man aus der Geschichte tatsächlich lernen kann, so sicher ist es aber doch, daß die Aufarbeitung der Vergangenheit die Zukunft beeinflußt, genauso wie es eine nicht aufgearbeitete Vergangenheit tut.

Obwohl der historische Abstand und die vielen inzwischen bekanntgewordenen Quellen uns heute ein sachlicheres Urteil über die damaligen Vorgänge erlauben, sollten wir doch eines nicht vergessen: daß wir heute Hitler und die Exzesse seiner Herrschaft hinter uns und damit ständig vor Augen haben, während für seine Zeitgenossen seine wirklichen Ziele lange unklar geblieben sind.

Lange Zeit wurde dieser Themenkomplex unter dem Stichwort Kirchenkampf abgehandelt, ein Begriff, der aus den evangelischen innerkirchlichen Kämpfen der Jahre 1933/34 stammt, schließlich aber sogar auf das Verhalten der katholischen Kirche angewendet werden konnte. Immer mehr wurde dieser Begriff zu einer Epochenbezeichnung der Kirchengeschichte. Da er aber schon "eine wertende Deutung des Geschehens in sich enthält" und suggeriert, die ganze Kirche habe sich in einem fortwährenden Kampf gegen den Nationalsozialismus befunden, sollte er in diesem Sinne nicht mehr verwandt werden. Wichtig für die Bewertung der Rolle der Kirchen bei Aufbau und Bestandssicherung des Dritten Reiches ist auch der Begriff des Widerstands. Um eine faire Beurteilung des kirchlichen Widerstands zu ermöglichen, ist es sinnvoll, verschiedene Stufen des Widerstands zu unterscheiden, wie dies u.a. Klaus Gotto, Hans Günter Hockerts und Konrad Repgen tun. Sie gehen aus von vier Stufen des Widerstands: Stufe 1 ist bloße Nonkonformität, wie sie z.B. darin zum Ausdruck kommen konnte, daß man den Hitlergruß nicht verwendete. Stufe 2 ist Verweigerung als bewußte Nicht-Anpassung an das System, Stufe 3 der öffentliche oder mit der Androhung von Flucht in die Öffentlichkeit erhobene Protest. Erst Stufe 4 ist schließlich gleichzusetzen mit Widerstand im engeren Sinne, der aktiv ist, dem Regime mit einem generellen Nein gegenübersteht und auf den politischen Umsturz hinarbeitet.

Von dieser Bewertung des Widerstands muß wiederum unterschieden werden, was von nationalsozialistischer Seite als Widerstand gegen die eigene Machtausübung verstanden wurde. Da ein totalitäres System keine Kritik und keinen Widerstand dulden kann, wurde auch von deren Seite der Widerstand oft überbewertet. Dennoch läßt sich die Wirksamkeit des Widerstands weder an dessen Intention, noch an der Reaktion auf ihn messen, sondern nur am tatsächlichen Verlauf der Geschichte. Diese drei Kategorien sollten bei einer Bewertung des Widerstands gegen das Dritte Reich nicht durcheinandergebracht werden.

. Forschungsgeschichte

In keiner Epoche sind Standortgebundenheiten und Verzerrungen der Perspektive so entscheidend für die Ergebnisse der Forschung wie in der Zeitgeschichte. Obwohl die Nähe zu den Ereignissen besseres Verständnis zu erlauben scheint, ist man doch noch zu sehr selbst in die Ereignisse verwickelt, um die komplexen Vorgänge zu erfassen. Außerdem fehlen zu Beginn der Forschung noch wichtige Quellen, die erst ein differenziertes Bild ermöglichen. Dieser Vorgang läßt sich auch an der Forschung zum Thema Kirchen und Nationalsozialismus beobachten, die sich grob in vier Phasen einteilen läßt: Die erste Phase stand noch ganz unter dem Eindruck der eben erst zu Ende gegangenen Bedrohung. Es wurde vor allem die Verfolgung der Kirchen und deren Widerstand betont. Unter Verzicht auf wissenschaftlichen Ehrgeiz wurden Dokumente, Martyrologisches und Biographisches veröffentlicht, mit der deutlichen Tendenz, das Erlebte zu verarbeiten und Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen, aber auch, um den Vorwurf einer Kollektivschuld aller Deutschen zurückzuweisen.

Die zweite Phase wurde ausgelöst durch den Konkordatsprozeß (12.3.1955 - 26.3.1957), in dem es um die Fortgeltung des Reichskonkordats ging. Dadurch rückte das Jahr 1933, das Reichskonkordat und der politische Katholizismus in den Blick. Heftig diskutierte man Ernst-Wolfgang Böckenfördes These (1961) von der inneren Affinität der katholischen Kirche zu autoritären Regimen.

Die dritte Phase war gekennzeichnet durch eine Revision des überkommenen Bildes von den Kirchen im Widerstand, die besonders auf der Ebene der Publizistik ablief. Angeregt durch Rolf Hochhuths Trauerspiel "Der Stellvertreter", in dem Pius XII. sehr negativ dargestellt wurde, ergoß sich eine Welle moralisch rigoristischer Kritik über die Kirchen.

Die vierte Phase schließlich wurde angeregt durch die Impulse, die von der 1955 von der EKD berufenen Kommission für die Geschichte des Kirchenkampfes in der nationalsozialistischen Zeit sowie von der 1962 von der katholischen Deutschen Bischofskonferenz berufenen Kommission für Zeitgeschichte ausgingen. Besonders die umfangreichen Quelleneditionen sorgten für ein hohes Diskussionsniveau; breit angelegte Gesamtdarstellungen versuchten, den neuen Wissensstand zusammenzufassen. Gleichzeitig ging das Interesse der Öffentlichkeit immer mehr zurück.

Dieser Zustand dauert im Wesentlichen bis heute an. Dennoch sind noch viele Gebiete zu wenig erforscht. Dazu gehört besonders eine systematische Erfassung der naturgemäß schwieriger zu untersuchenden Vorgänge und Einstellungen an der kirchlichen Basis. Dies fällt noch mehr für den Bereich der katholischen Kirche auf, in der dem Klerus, den Bischöfen und Rom deutlich mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird als den Gläubigen. Ebenso sind die meisten Arbeiten von einer wirklichen, nicht nur polemischen Zusammenschau der beiden großen Konfessionen in dieser Zeit noch weit entfernt. Zumindest ansatzweise will ich versuchen, durch den Vergleich eines evangelischen mit einem katholischen Text dieser Frage etwas nachzugehen.

. Die nationalsozialistische Religionspolitik

Um die Reaktion der katholischen Kirche auf den Nationalsozialismus zu verstehen, ist es wichtig, zunächst einmal dessen Religionspolitik zu erörtern, um zu verstehen, inwiefern sie für den deutschen Katholizismus und für die Kirchenleitung in Rom herausfordernd, bedrohlich oder auch verlockend war.

Die Kampfzeit

Schon 1920 hatte Hitler erkannt, daß eines der Haupthindernisse für die Durchsetzung der Ziele der völkischen Bewegung ihr religiöser Anspruch war. Ethischer Dualismus, Rassedenken, völkisches Überlegenheitsbewußtsein und radikaler Antisemitismus, der auch Antibolschewismus einschloß, bestimmten ihre Weltanschauung. Das Christentum, Katholizismus und Protestantismus, gestiftet durch den edlen Jesus, betrachtete man als Entstellung des Evangeliums, judaisiert durch den Pharisäer Paulus. Weil auf dieser Basis in einem Konfrontationskurs mit den christlichen Kirchen in der konfessionell weithin christlich geprägten Weimarer Republik kein Erfolg der Bewegung möglich war, sah Hitler ein, "daß der Sieg dieser Ideen nicht durch die Entwicklung einer völkischen Religion, durch eine Reformation, sondern allein durch die Organisation einer politischen Partei zu erreichen war".

Am 24. 2. 1920 gab Hitler seiner Partei ein Programm und machte sie zur Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei. Dabei sollten die religiösen Überzeugungen möglichst allgemein zusammengefaßt sein in Artikel 24:

"Wir fordern die Freiheit aller religiösen Bekenntnisse im Staat, soweit sie nicht dessen Bestand gefährden oder gegen das Sittlichkeits- und Moralgefühl der germanischen Rasse verstoßen. Die Partei als solche vertritt den Standpunkt eines positiven Christentums, ohne sich konfessionell an ein bestimmtes Bekenntnis zu binden. Sie bekämpft den jüdisch-materialistischen Geist in und außer uns und ist überzeugt, daß eine dauernde Genesung unseres Volkes nur erfolgen kann von innen heraus auf der Grundlage: Gemeinnutz vor Eigennutz."

Dieser Punkt war bewußt ambivalent gehalten und Hitler vermied es wohl ebenso bewußt, ihn weiter zu präzisieren, wie er das bei anderen Punkten getan hat. Daß seine Haltung gegenüber den Kirchen taktisch bestimmt war, geht bereits aus seinen Äußerungen in "Mein Kampf" deutlich hervor. Um kirchliche Wähler zu gewinnen, mußte Hitler noch nicht einmal antisemitische Tendenzen vermeiden, sondern konnte im Gegenteil die auch bei diesen vorhandenen Vorbehalte gegenüber Juden ausnutzen, ohne daß von ihnen die neue rassische Fundierung des Antisemitismus wahr- oder ernstgenommen wurde. Auch Rosenberg vertritt 1923 in einer Erklärung des Programms der NSDAP dieselbe Ansicht: Die Parteibildung und damit die Zurückstellung religiös-weltanschaulicher Fragen ist notwendig, aber nur für einen beschränkten Zeitraum; letztlich geht es um die Durchsetzung einer neuen Weltanschauung:

"Partei nennt sich die Bewegung aus der nüchternen Erkenntnis heraus, daß ein solcher angesagter Machtkampf gegen eine ganze Welt nicht durch überparteiliche, alles versöhnende Verbände geführt werden kann, sondern nur durch Zusammenfassung ganz klar eingestellter Kampfpersönlichkeiten und Energien." "Nicht so sehr neue Gedanken sind nötig, als neues Denken überhaupt. Ist dies gelungen, hat die völkische Staatsauffassung und Weltanschauung gesiegt, dann hat auch die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei ihre Sendung erfüllt und kann vom Schauplatz abtreten."

Die Freiheit der religiösen Bekenntnisse ist nur eine staatspolitische Notwendigkeit, "schon allein aus dem Gesichtspunkt heraus, daß die Unterdrückung eines politisch neutralen seelischen Erlebens eben durch Unterdrückung zu einem politisch eingestellten werden kann", wie er richtig erkennt. Letztlich gilt: "Der Gedanke, der allein imstande ist, alle Stände und Konfessionen im Deutschen Volk zu einen, ist die neue und doch uralte völkische Weltanschauung, fußend auf dem nur verschütteten deutschen Gemeinschaftsgeist. Diese Weltanschauung heißt heute Nationalsozialismus." Die politische Linie der Ausgrenzung der völkisch-religiösen Richtung aus der Partei hielt Hitler nach seiner Haftentlassung konsequent durch und er schloß Vertreter dieser Richtung wie General Ludendorff und Artur Dinter aus der Partei aus.

Damit schaffte Hitler es, die Partei aus dem "religiösen Ghetto einer völkischen Sekte" herauszuführen und sie bis zur Septemberwahl 1930 zur zweitgrößten Partei nach der SPD zu machen. Die tatsächliche Einstellung der Nationalsozialisten zur Kirchenfrage kommt besser in der Ablehnung des preußischen Konkordats mit der katholischen Kirche durch die nationalsozialistische Gruppe des preußischen Landtags zum Ausdruck. Wilhelm Kube, der Fraktionsführer, will diese Ablehnung nicht als christentumsfeindlich angesehen wissen, sondern meint: "weil wir einen deutschen Staat wollen, haben wir zu diesem deutschen Staat das Zutrauen, daß seine Politik den christlichen Belangen und den Empfindungen des Christen nicht entgegengesetzt ist, sondern diese Belange unter allen Umständen wahrt." Die Kirche soll seiner Meinung nach also dem Staat untergeordnet sein und sich auf sein Wohlwollen verlassen.

Während und nach der Machtergreifung

Nachdem Hitler am 30. January 1933 von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt worden war, konnte er schrittweise seinen Einfluß ausbauen und durch das am 23. März beschlossene Ermächtigungsgesetz das Parlament endgültig politisch ausschalten. Mit seiner Regierungserklärung vor dem deutschen Reichstag vom selben Tag gelang es ihm, die Kirchen - v.a. die aufgrund der gemachten Erfahrungen grundsätzlich kritisch eingestellte katholische - zu beruhigen und ihnen die Angst zu nehmen vor einem radikalen Bruch in ihrem Rechtsstatus sowie vor der Ausschaltung ihrer gesellschaftlichen Einflußmöglichkeiten in Schule und Erziehung:

"Die nationale Regierung sieht in den beiden christlichen Konfessionen wichtigste Faktoren der Erhaltung unseres Volkstums. Sie wird die zwischen ihnen und den Ländern abgeschlossenen Verträge respektieren; ihre Rechte sollen nicht angetastet werden. [...] Die nationale Regierung wird in Schule und Erziehung den christlichen Konfessionen den ihnen zukommenden Einfluß einräumen und sicherstellen. Ihre Sorge gilt dem aufrichtigen Zusammenleben zwischen Kirche und Staat. Der Kampf gegen eine materialistische Weltauffassung und für die Herstellung einer wirklichen Volksgemeinschaft dient ebensosehr den Interessen der deutschen Nation wie denen unseres christlichen Glaubens."

Grundsätzliches Ziel der NS-Politik, nicht nur der Kirchenpolitik, war nun die "Gleichschaltung" aller Teile des deutschen Volkes und damit auch der Kirchen, was konkret meist nur einen Personenwechsel in den Schlüsselpostionen bedeutete.

Auf die evangelische Kirche versuchte man, durch Bevorzugung und massive Unterstützung der Deutschen Christen und des Vertrauensmanns des Führers, Wehrkreispfarrer Ludwig Müller Einfluß zu nehmen. Erst nach den von den Deutschen Christen gewonnenen evangelischen Kirchenwahlen vom 23. Juli 1933 meinte Hitler ab August wieder von einer allzu klaren Parteinahme in innerkirchlichen Fragen abgehen zu sollen und auf den alten Neutralitätskurs zurückzuschwenken. Er hielt wohl jetzt die Verhältnisse in der evangelischen Kirche für geordnet und wollte nicht weiter mit den Deutschen Christen identifiziert werden. Dies machte er der Parteiführung in einer geheimgehaltenen Rede am 5. August klar, stellte die Wende aber nach außen als eine Angelegenheit der Partei und nicht des Staates dar, so daß er weiterhin als Patron der Kirchen gelten konnte. Rosenberg schrieb in Übereinstimmung damit am 16. August im Völkischen Beobachter:

"Wenn es auch begreiflich ist, daß der nationalsozialistischen Bewegung im allgemeinen jene Gruppen sympathischer erscheinen, deren Führer sich in der Vergangenheit offen und ehrlich zum Kampf für das neue Deutschland bekannten, so sind wir doch in das Stadium getreten, wo der Nationalsozialismus sich nicht zur politischen Stütze der einen oder anderen kirchlichen Gruppierung hergeben kann. Diese Haltung entspricht genau unserm § 24, wonach die NSDAP sich nicht irgendwie konfessionell binden könne."

Ebenso glaubte man, mit der katholischen Kirche durch das Reichskonkordat vom 20. Juli (s.u.) vorerst zu einer Verständigung gekommen zu sein, die den so gefürchteten und bekämpften politischen Katholizismus endgültig politisch ausschaltete und gleichzeitig die bisher meist kritisch eingestellten deutschen Katholiken offener für den neuen Staat machte.

In der Folgezeit wurden zur Rechtfertigung des Vorgehens gegenüber den beiden Kirchen immer wieder zwei sich eigentlich widersprechende staatskirchenrechtliche Ordnungsvorstellungen bemüht: das System der Staatskirchenhoheit und das System der Trennung von Staat und Kirche. Gleichzeitig sollten die Kirchen auf der einen Seite kontrolliert und beeinflußt, auf der anderen Seite ihr Einfluß im öffentlichen Leben zurückgedrängt werden. Beide Systeme dienten nur zur Rechtfertigung und Erlangung der Alleinherrschaft über die Kirchen.

Die Zeit nach der Kurswende vom August 1933 bis zur Errichtung des Reichskirchenministeriums war nun bestimmt von einem Dualismus zwischen Partei und Staat: Während die Partei zu einem strikten Neutralitätskurs v.a. gegenüber den Deutschen Christen zurückkehrte und gleichzeitig den Ausbau der völkischen Weltanschauung betrieb, setzten die staatlichen Stellen ihre Politik der Einflußnahme auf die Kirchen fort. Die Neutralität der Partei war dabei keine prinzipielle, sondern eine angesichts der innenpolitischen Situation abwartende, bis man den Kampf gegen die Kirche offen würde führen können.

Ab der Errichtung des Reichskirchenministeriums

Eine neue Phase aktiver NS-Religionspolitik wurde im Juli 1935 eingeleitet durch die Zusammenfassung der Zuständigkeiten des Reichs und Preußens in Kirchenangelegenheiten in einem Reichskirchenministerium unter Leitung des Reichsministers Hanns Kerrl. Die Idee dazu ging zurück auf eine Denkschrift Wilhelm Stuckarts, in der er die völlige Trennung von Staat und Kirche für verfrüht hält und v.a. angesichts der unklaren Lage in der evangelischen Kirche verschärfte Aufsicht durch "Schaffung einer allein zuständigen Stelle im Reichsinnenministerium" empfiehlt. Dieses Ministerium war nun zuständig für das Verhältnis des Staates zu allen Religionsgesellschaften, also auch zur katholischen Kirche. Die Entscheidung für Kerrl, der anders als viele andere führende Parteimitglieder einen religiös-christlich fundierten Nationalsozialismus vertrat, konnte durchaus als kirchenfreundlich verstanden werden und zeigt, daß Hitler die Kirchen noch immer einbinden und noch nicht radikal ausgrenzen wollte. Kerrl setzte sich ein für ein nationalsozialistisch interpretiertes Christentum auf der Grundlage von Art. 24 des Parteiprogramms, mit dem er Hitlers Position identifizierte. Auch wenn ihm eine geeinte Kirche lieber gewesen wäre, wollte er den Kirchen ihre inneren Angelegenheiten, ihren "Dogmenstreit" selbst überlassen, solange sie politisch mitzogen. Unter Einsatz für die Gemeinschaft des Volkes - seine Definition von Nächstenliebe - verstand er die eigentliche Aufgabe der Nacheiferer Jesu. Als der kampfbereitere Gegner erschien ihm die katholische Kirche; im Kampf gegen sie, die er noch immer als politische Partei im Blick hatte, sollte ihm nach seiner Vorstellung eine geeinte evangelische Kirche helfen. Das Reichskonkordat betrachtete er als Last und wegen der Vorteile, die es der katholischen Kirche verschaffte, gab es schon 1936 im Reichskirchenministerium eine Diskussion darum, wie man wieder von ihm loskommen könnte.

Dennoch konnte Kerrl mit seiner scheinbar kirchenfreundlichen Einstellung nicht die ganze staatliche Kirchenpolitik bestimmen, da nicht alle Fragen, die die Kirchen betrafen, in sein Ressort fielen und auch die Partei sich ihren Kurs nicht von ihm vorschreiben ließ. So hatten etwa Goebbels, Göring, Frick, Heydrich, Himmler und Rosenberg wichtige Einflußmöglichkeiten, ebenso wie Schirach, Heß und Bormann. Deutlicher als die offiziellen Verlautbarungen, die immer auch taktisch bestimmt waren, zeigen die Tagebucheintragungen von Joseph Goebbels die wahren Absichten des innersten Führungszirkels von Partei und Staat. Dabei kommt deutlich der pseudoreligiöse Charakter der NS-Weltanschauung zum Ausdruck zusammen mit einer grundsätzlichen Kirchenfeindlichkeit; trotzdem wollte man aus taktischen Gründen die Kirchen noch nicht frontal bekämpfen, man spielte auf Zeit. Für eine neue Religionsbildung schien Hitler seine Bewegung noch zu jung.

Ebenso wird deutlich, daß sich die Haltung Hitlers und der Führungsspitze, nachdem sich die katholische Kirche Ende 1936 nicht unterworfen und für den Kampf gegen den Bolschewismus hatte instrumentalisieren lassen (s.u.), zunehmend radikalisierte. Hitler dachte an eine Kündigung des Reichskonkordats. Allmählich begann Anfang 1937 die Vernichtungsperspektive die Unterwerfungsperspektive zu überlagern.

. Zwei Formen "deutschen" Glaubens

Es waren besonders zwei Formen des neuen Glaubens, die bei den Kirchen Besorgnis erregten und die von ihnen mit Neuheidentum gleichgesetzt wurden. Da sich die Enzyklika immer wieder auf sie bezieht, sollen sie hier kurz skizziert werden.

Die Deutsche Glaubensbewegung

Die Deutsche Glaubensbewegung (DGB) wurde 1933 von Jakob Wilhelm Hauer ins Leben gerufen, der auch ihr erster Vorsitzender wurde. Sie war die Vereinigung der wichtigsten 1933 bestehenden völkisch- religiösen, nichtchristlichen Verbände. Ziel der DGB war die staatliche Anerkennung als gleichberechtigte Religionsgemeinschaft und den gleichberechtigten Anteil an der Erziehung der Jugend. Hauer kämpfte "um die Glaubensform, um das Seelentum unserer Art" bei gleichzeitiger "Achtung vor allen echt gläubigen Menschen, welcher Art sie auch seien". Die Wesensform des Christentums ist "dem Wesen der religiös schaffenden Substanz des deutschen Volkes nicht gemäß", es ist vorderasiatisch-semitisch bestimmt. Jesus als einzig maßgebender Führer wird nicht mehr benötigt. Hauer gelangt zu der Erkenntnis: "Wir haben jene vorderasiatisch-semitische Verfremdung als das Unheil unseres Volkes erkannt. Darum führen wir gegen sie einen unerbittlichen Kampf. Wir sind überzeugt, daß es keine andere Gewalt gibt, dieses Unheil zu beschwören, als die des Deutschen Glaubens. Er wird unserem Volk den Weg zum Heile weisen." Auf einem Treffen der Arbeitsgemeinschaft im Mai 1934 radikalisierte sich die Bewegung zusehends und gab sich neue Leitsätze; es folgte eine Zeit äußerer Erfolge und zunehmender Bekanntheit, auch wenn die Zahl der Mitglieder weniger als 10.000 betrug. Besonders seit Anfang 1935 hetzte man in vielen Versammlungen scharf gegen Christentum und Kirche. Immer mehr trat ein radikal antichristlicher politischer Glaube an die Stelle der alten völkisch-religiösen Ideen, was schließlich zum Austritt dieser Richtung, zusammen mit Hauer, führte. Die Nationalsozialisten bedienten sich, v.a. über Heydrich, der DGB zu ihren Zwecken, distanzierten sich aber offiziell von ihr.

In den Leitsätzen der Bewegung vom Mai 1934 wurde festgelegt:

"Die Mitglieder der neuen Gemeinschaft haben die eidesstattliche Versicherung abzugeben a) daß sie frei sind von jüdischem und farbigem Bluteinschlag, b) daß sie keinem Geheimbund, keiner Freimaurerloge noch dem Jesuitenorden angehören, c) daß sie keiner anderen Glaubensgemeinschaft angehören. [...] Als Grundlage für die Richtsätze gilt folgendes: 1. Die Deutsche Glaubensbewegung will die religiöse Erneuerung des Volkes aus dem Erbgrund der deutschen Art. 2. Die deutsche Art ist in ihrem göttlichen Urgrund Auftrag aus dem Ewigen, dem wir gehorsam sind.

3. In diesem Auftrag allein sind Wort und Brauchtum gebunden. Ihm gehorchen heißt sein Leben deutsch führen."

Die radikal antichristlichen Äußerungen der DGB wurden sowohl auf evangelischer Seite als auch auf katholischer sehr ernst genommen.

Alfred Rosenberg und sein "Mythus"

Ein extremer Vertreter der völkisch-religiösen Richtung war auch Alfred Rosenberg. Die in seinem 1930 erschienenen "Mythus des 20 Jahrhunderts" dargelegten Ansichten waren für beide Kirchen so provozierend, daß sie eine Flut von Gegenschriften hervorriefen. Die katholische Kirche setzte das Buch sogar am 9.2.1934 auf den Index der verbotenen Schriften.

Auch wenn für Rosenberg seine "in dieser Schrift vorgetragenen Gedanken und Schlußfolgerungen" "durchaus persönliche Bekenntnisse, nicht Programmpunkte der politischen Bewegung, welcher ich angehöre" waren und Hitler ihm gegenüber eine eher distanzierte Haltung einnahm, lag es doch nahe angesichts der Tatsache, daß er am 24. Januar 1934 zum Beauftragten des Führers für die Überwachung der geistigen und weltanschaulichen Erziehung der NSDAP ernannt und sein Buch als Grundlage von Schulungen verwandt wurde, in ihm einen typischen Vertreter und Vorreiter der nationalsozialistischen Ideologie zu sehen. Rosenbergs Standpunkt galt als der inoffizielle der Partei, der dem "kirchenfreundlichen" Kerrl schwer zu schaffen machte.

Rosenberg geht in seinem Buch aus von einer rassischen Geschichtsbetrachtung. Er will den Werten der Rassenseele wieder zur Geltung verhelfen. Dem Höchstwert der Rassenseele sollen alle anderen Werte untergeordnet werden, und zwar in "Staat, Kunst und Religion". Das 20. Jahrhundert steht seiner Meinung nach unter dem ´neuen und alten Mythus´ von Blut und Rasse. Die Deutschen, rassisch uneinheitlich wie jedes europäische Volk, gehören überwiegend zur nordischen Rasse, die den anderen kulturell schon immer überlegen war. Dieser Rassenanteil muß durch Rassenschutz, Rassenzucht und Rassenhygiene erhalten und gestärkt werden., Volks- und Rassenehre müssen das geheimnisvolle Zentrum Deutschlands werden. Auch wenn Rosenberg den der Kirche entfremdeten und Orientierungslosen noch keine Alternative anbieten kann, er noch auf das "echte Genie, das uns den Mythus offenbart und zum Typus erzieht" warten muß, polemisiert er doch heftig gegen die Kirchen, besonders gegen die katholische. Er wirft ihnen starre Dogmengläubigkeit vor. An Jesus sind ihm seine heldenhaften Züge, sein Leben, nicht sein Sterben wichtig. Die Nächstenliebe muß unbedingt der Nationalehre unterstellt werden, die Bindungen der Nation stehen höher als die kirchlichen Bindungen. Sein klares Ziel ist eine deutsche Nationalkirche, die ihrer eigenen Art vertraut. Diese soll zwar selbständig entstehen, aber staatlich geschützt werden. Auf dem Gebiet der schulischen Erziehung mit dem Ziel der Charakterbildung hat der Staat dagegen "ohne jeden Kompromiß die Alleinherrschaft zu beanspruchen".

Besonders hart greift Rosenberg die römische Kirche an mit ihrem Mythus der Stellvertreterschaft Gottes durch den Papst, der "keine Rasse oder Nation als einen Höchstwert anerkennen" konnte, sondern nur Unterwerfung, für die die ewige Seligkeit versprochen wurde. Die katholische Kirche wird als Instrument der Machterhaltung und -erweiterung des "allmächtigen Medizinmanns" gesehen, für die auch Zentrumspartei und BVP arbeiten. Pius XI. wirft er vor, mit seiner Politik das germanische Deutschland durch eine Gegenreformation für immer brechen zu wollen.

. Maßnahmen gegen die katholische Kirche

Es entsprach der Taktik der Parteiführung, die Kirchen nicht offen zu bekämpfen, sondern sie durch eine Vielzahl von Maßnahmen in ihrer öffentlichen Wirksamkeit zu behindern und zu diffamieren, um sie letztlich auf ein reines Sakristeichristentum zu beschränken. Dieser Druck ging von verschiedenen Ebenen der Gesellschaft und des Staates aus, so daß die Verantwortlichen nicht immer ohne weiteres erkennbar waren.

Gegen den Klerus wurde eine Vie lzahl von Maßnahmen ergriffen, deren schlimmste die Einlieferung in ein Konzentrationslager war, die bis Ende 1936 immerhin schon 12 katholische Priester getroffen hatte. 1935/36 eröffnete man eine Reihe von ca. 40 Verfahren gegen Geistliche oder kirchliche Mitarbeiter wegen Vergehen gegen die äußerst komplizierten deutschen Devisenbestimmungen, die genauso wie die Sittlichkeitsprozesse 1936/37, in denen es v.a. um die Ahndung homosexueller Sittlichkeitsdelikte ging, propagandistisch von den Nationalsozialisten ausgeschlachtet wurden.

Vielfach hatten Kirchentreue wirtschaftliche Benachteiligungen zu erdulden, z.B. wenn die Einstellung von der Parteimitgliedschaft abhängig gemacht wurde.

Die Wirkungsmöglichkeiten der katholischen Tagespresse und der kirchlich-katholischen Presse wurden systematisch immer mehr eingeschränkt. Das katholische Verbandsleben versuchte man seiner Wirksamkeit zu berauben. So wurde etwa durch eine Anordnung Leys vom 27. April 1934 die Doppelmitgliedschaft in DAF (Deutsche Arbeitsfront) und konfessionellen Arbeiter- und Gesellenvereinen verboten. Jegliche nicht-kirchlich-religiöse Betätigung der katholischen Jugendverbände wurde unterbunden.

Im Bereich der Schulen, wo man auf katholischer Seite besonders sensibel war, gab es ab 1934/35 verstärkte Bestrebungen, durch gelenkte Abstimmungen konfessionelle Schulen in Einheitsschulen umzuwandeln. Ostern 1935 begann in München der Schulkampf. Da aufgrund einer besonderen Regelung die Eltern dort jedes Jahr über die Art der Schule entscheiden konnten, auf die ihr Kind gehen sollte, erreichte man durch massierte Einflußnahme bis Ostern 1937 den Zusammenbruch der Bekenntnischule. Dieses Vorgehen wurde nun typisch für das Vorgehen auch an anderen Orten. Besonders dieser Schulkampf hat wohl Kardinal Faulhabers Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus tief geprägt.

. Katholizismus und Politik

Den Katholizismus in Deutschland zur Zeit der Weimarer Republik und des Dritten Reiches kann man nicht verstehen, wenn man ihn nicht auch als politische Erscheinung in den Blick faßt. Gerade das nationalsozialistische Bild vom Katholizismus ist besonders stark von dieser politischen Komponente bestimmt, die besonders durch die staatstragende Rolle der Zentrumspartei in der Weimarer Republik, aber auch durch das katholische Schul- und Verbändewesen zum Ausdruck kam. So konnte etwa der Deutsche Christ Gerhard Bruchmüller noch 1941 das Wesen des Katholizismus als zutiefst politisch beschreiben. Die katholische Kirche war darum nicht nur weltanschaulicher Gegner - damit gab man im allgemeinen vor, sich abfinden zu wollen -, sondern vor allem politischer Gegner, dessen Einfluß auf das öffentliche Leben man um jeden Preis auf das rein Kirchliche beschränken wollte. Dies mußte bei den Katholiken Angst vor einem neuen Kulturkampf hervorrufen.

Die Zentrumspartei

Die Zentrumspartei war 1870 gegründet worden und seit dem Kulturkampf Bismarcks immer mehr auf die politische Vertretung des katholischen Drittels der deutschen Bevölkerung abgedrängt worden. Trotz eines kontinuierlichen Rückgangs ihrer Wählerstimmen 1920-1933 von 13,6 auf 11,2 %, war sie in der Weimarer Republik in die Rolle einer staatstragenden Mittelpartei hineingewachsen, indem ihr eine Scharnierstellung zwischen rechts und links zugefallen war. Dadurch gewann sie politischen Einfluß, der über ihre innere Schwäche hinwegtäuschte, aber doch nicht so groß war, daß sie eine wie auch immer begründete christliche Politik hätte realisieren können. Im Dezember 1928 wurde Ludwig Kaas als erster Geistlicher zum Vorsitzenden der Partei gewählt, da er nicht wie viele andere irgendwelchen Gruppen- und Verbandsinteressen verpflichtet war. Außerdem lehnte man sich dadurch angesichts der inneren Zerstrittenheit der Partei stärker als bisher an den wegen der vielen politisch unumgänglichen Kompromisse eher distanziert eingestellten kirchlichen Katholizismus an und betonte die weltanschaulichen Grundlagen der Partei. Dadurch wurde eine zunehmende Klerikalisierung der Partei eingeleitet, die bis in die lokalen Parteivorstände hineinreichte und die später Hitler als Ansatzpunkt zur Ausschaltung der Partei benutzen wollte. Als die eigene Politik unter Brüning in wirtschaftlich schwieriger Zeit nicht den gewünschten Erfolg hatte, mußte die Partei mit ansehen, wie Hitler die Regierungsbildung übertragen wurde, seine Bewegung immer mehr Macht an sich riß und alle anderen Parteien systematisch unter Druck gesetzt wurden. Immerhin konnte man bei den Wahlen am 5. März die eigene Position halten, da die Zentrumswähler treu zu ihrer Partei hielten und nicht wie viele andere zur NSDAP überliefen; dennoch hatte das Zentrum nun seine lange Zeit ausschlaggebende Stellung verloren, da die Regierungskoalition nun eine parlamentarische Mehrheit besaß.

Für die Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz am 23. März 1933, die unter akuter Gefährdung der Abgeordneten gegeben wurde, hatte man auf Garantien bestanden, die Hitler auch in seiner Regierungserklärung zuvor bereitwillig zugesichert hatte.

Äußerer Druck und die Führungsschwäche der Parteispitze, besonders von Kaas, der sich ab dem 7. April für die Reichskonkordatsverhandlungen in Rom aufhielt, ließen den "Zentrumsturm" bröckeln. Auch die Wahl Brünings am 6. Mai zum Parteivorsitzenden und Vorsitzenden der Reichstagsfraktion, mit der gleichzeitig das Führerprinzip eingeführt wurde, konnte das Blatt nicht mehr wenden. Angesichts zunehmender Terrormaßnahmen gegen die Partei in der zweiten Junihälfte und zunehmender Übertritte zur NSDAP wurde schließlich nach Verhandlungen zur Übernahme von Abgeordneten durch die NSDAP der allein von der Führungsspitze getroffene Beschluß zur Selbstauflösung des Zentrums bekanntgegeben. Während dieser ganzen Phase des Niedergangs des Zentrums war von der nationalsozialistischen Propaganda die Fiktion aufrechterhalten worden, der Kampf gelte nicht der katholischen Kirche, sondern nur dem politischen Katholizismus.

In der Zwischenzeit war angesichts der schwierigen Lage der Partei immer mehr den Bischöfen die Verantwortung in politischen Fragen zugewachsen. Am 28. März 1933, fünf Tage nach Hitlers positiv aufgenommener Regierungserklärung hatten die deutschen Bischöfe mit einer Kundgebung ihre bisherige konsequente Linie einer weltanschaulichen und damit auch politischen Verurteilung des Nationalsozialismus aufgegeben. Damit hatte für viele Zentrumsanhänger gleichsam eine neue Epoche im Verhältnis zu dem neuen Staat begonnen. Ein Hirtenbrief des deutschen Episkopats vom 10. Juni 1933 führte angesichts seiner grundsätzlichen Offenheit für den neuen Staat, trotz ebenso deutlich angesprochener Bedenken, zu einer Übertrittswelle zur NSDAP.

Dieser politische Aufgabenbereich sollten dem Episkopat erhalten bleiben, was nicht zuletzt die vielen kirchlichen Eingaben und Beschwerden bei staatlichen Stellen zeigen.

Das Reichskonkordat

Nachdem die Versuche Pacellis, über die Parteien der Weimarer Republik zu einem Konkordat mit Deutschland zu kommen trotz seiner Bemühungen immer wieder gescheitert waren, bot sich dem Vatikan durch die Offerte der Regierung Hitlers eine neue Möglichkeit, dieses Ziel zu erreichen. Die Entbindung dieser Regierung von der Verfassung war gleichzeitig eine besondere Gelegenheit für den Vatikan, dieses alte Ziel zu verwirklichen, wie es auch ein Konkordat notwendiger erscheinen ließ denn je, da immer mehr deutlich wurde, daß die alten verfassungsmäßigen Rechte von den neuen Machthabern nicht mehr in jedem Fall respektiert werden würden. Die Offerte für ein Reichskonkordat ging aus von der Regierung Hitler und verfolgte zwei Ziele: Zum einen die Vernichtung des politischen Katholizismus durch "Aufnahme einer auch im italienischen Konkordat enthaltenen Bestimmung [...], wonach den Geistlichen verboten wird, sich bei irgend einer politischen Partei einzuschreiben und zu betätigen"; dies sollte die klerikalisierte Zentrumspartei aktionsunfähig machen. Das zweite Ziel war die Anerkennung Roms für den neuen Staat, die die kritischen deutschen Katholiken offener für die NSDAP machen sollte.

Die katholische Seite dagegen war in erster Linie an einer Sicherung ihrer Konfessionsschulen gelegen, um die man schon in der Weimarer Republik heftig gekämpft hatte und die nun von einer NS- Bildungsrevolution bedroht waren. Die Verhandlungsergebnisse mit dem Faschismus in Italien, die in den Lateranverträgen immerhin zur Lösung der lange offenen römischen Frage geführt hatten, haben dabei sicher ebenso zur Verhandlungsbereitschaft der Kurie beigetragen, wie der konsequente Antibolschewismus von Pius XI., der ihn in Hitler einen Mitstreiter erkennen ließ, während Pacelli von Anfang an die Gefährdungen durch das neue Regime im Blick hatte.

Mit der Verhandlungsführung wurde Vizekanzler Franz von Papen betraut, der schon am 10. April in Rom mit den Verhandlungen begann, bei denen auch der Zentrumsvorsitzende Ludwig Kaas als Konkordatsexperte und "Vertrauensmann aller Beteiligten" eine wichtige Rolle spielte. Für die Kirche führte Generalstaatssekretär Eugenio Pacelli die Verhandlungen.

Währenddessen veränderten sich die Verhältnisse in Deutschland immer mehr zu Gunsten der Nationalsozialisten, das Zentrum wurde immer schwächer, bis es sich schließlich am 5. Juli selbst auflöste, womit Hitler eines seiner Ziele, die er mit dem Konkordat hatte, auch ohne es erreicht hatte. Dadurch wurde natürlich die nationalsozialistische Verhandlungsposition noch besser und der Kurie blieb praktisch keine andere Wahl als der Vertragsabschluß, wollte man retten, was noch zu retten war, zumal auch immer mehr staatliche Willkürmaßnahmen gegen katholische Organisationen vorgekommen waren. Das Konkordat wandelte sich so schon im Verlauf der Verhandlungen immer mehr von einem ernstzunehmenden Vertrag zu einer Verteidigungslinie.

Noch bis zum Schluß heftig umstritten war der Vereinsschutzartikel 31 - ohne Vorbild in den früheren Konkordatsentwürfen und angesichts der neuen Situation besonders wichtig für die Kirche. Da man sich nicht einigen konnte, überließ man "die Feststellung der Organisationen und Verbände, die unter die Bestimmungen dieses Artikels fallen, [...] vereinbarlicher Abmachung zwischen der Reichsregierung und dem deutschen Episkopat".

Das Konkordat wurde am 8. Juli paraphiert, am 20. Juli unterzeichnet und endgültig am 10. September ratifiziert.

Das Konkordat enthält folgende Garantien und Regelungen, die für die katholische Kirche wichtig waren oder werden sollten:

Art. 1: Freiheit des Bekenntnisses und der öffentlichen Ausübung der katholischen Religion.

Art. 2: Die Länderkonkordate mit Bayern, Preußen und Baden bleiben in Geltung.

Art. 4: Freier Verkehr des Heiligen Stuhls mit den katholischen Kirchenangehörigen in Deutschland. Publikationsrecht der kirchlichen Behörden für Anweisungen, Verordnungen, Hirtenbriefe, amtliche Diözesanblätter und sonstige die geistliche Leitung der Gläubigen betreffende Verfügungen.

Art. 21: Garantie des katholischen Religionsunterrichts in Volksschulen, Berufsschulen, Mittelschulen und höheren Lehranstalten in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der katholischen Kirche. Art. 23: Garantie der Beibehaltung und Neueinrichtung katholischer Bekenntnisschulen. Art. 31: Schutz der katholischen Organisationen und Verbände in ihren Einrichtungen und in ihrer Tätigkeit. Katholische Organisationen, die auch sozialen oder berufsständischen Aufgaben dienen, sollen, unbeschadet einer etwaigen Einordnung in staatliche Verbände, diesen Schutz genießen, sofern sie die Gewähr dafür bieten, ihre Tätigkeit außerhalb jeder politischen Partei zu entfalten. Staatliche Jugendorganisationen werden Sorge tragen, daß ihren Mitgliedern die Ausübung ihrer kirchlichen Verpflichtungen an Sonn- und Feiertagen regelmäßig ermöglicht wird und sie zu nichts veranlaßt werden, was mit ihren religiösen und sittlichen Überzeugungen und Pflichten nicht vereinbar wäre. Dies waren die weitreichenden Garantien, die der katholischen Kirche gewährt wurden und auf deren Einhaltung sie - oft genug nutzlos - immer wieder bestehen mußte. Noch wichtiger als die einzelnen Regelungen aber war das Faktum, daß der NS-Staat das Interesse des Heiligen Stuhls an der Lage der katholischen Kirche in Deutschland in einer völkerrechtlichen Vereinbarung als legitim anerkannt hatte und damit dessen Proteste nicht einfach als Einmischung in innere Angelegenheiten zurückweisen konnte. Außerdem würde Hitler mit jeder offensichtlichen Vertragsverletzung seine außenpolitische Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen, was ihm zumindest Zurückhaltung auferlegte. Was hatte demgegenüber Hitler gewonnen? Materiell eigentlich nur den Entpolitisierungsartikel 32, der das definitive Ende kirchlicher Parteipolitik bedeutete. Es gelang ihm aber auch, den Vertrag als solchen propagandistisch als Anerkennung der katholischen Kirche für den neuen deutschen Staat auszunutzen, auch wenn Pacelli sich in zwei anonym erschienenen Beiträgen im Osservatore Romano dagegen verwahrte.

Vom deutschen Katholizismus wurde das Konkordat dennoch - oder vielleicht gerade deshalb - mit fast einhelliger Begeisterung aufgenommen.

Von diesem Reichskonkordat führte über viele vatikanische und bischöfliche Proteste eine gerade Linie zu der Enzyklika, in der der NS-Staat auf der Grundlage des Reichskonkordats der Vertragsbrüchigkeit bezichtigt wurde. Ohne das Reichskonkordat hätte es die Enzyklika, zumindest in dieser scharfen und direkten Form, nicht geben können.

. Die an der Abfassung der Enzyklika beteiligten

Personen

Die Abfassung der Enzyklika geht überwiegend nicht - wie die Unterschrift vielleicht zunächst vermuten läßt - auf Pius XI. zurück. Die inhaltlichen Grundgedanken lieferte Kardinal Faulhaber, der als Kenner der deutschen Situation deshalb auch ausführlicher vorgestellt werden soll. Neben Kardinal Bertram war er eine der führenden Persönlichkeiten des deutschen Episkopats. Die endgültigen Formulierungen sowie viele Ergänzungen stammen von Kardinalstaatssekretär Pacelli. Pius XI. schließlich hatte dem Schreiben seine Autorität zu verleihen, mußte mit allem einverstanden sein und steuerte einige kleine Änderungen bei. Er soll deshalb ebenfalls kurz vorgestellt werden.

Kardinal Michael von Faulhaber

Geboren wurde Michael von Faulhaber am 5. März 1869 im unterfränkischen Klosterheidenfeld als drittes von sieben Kindern. Sein Vater war von Beruf Bäcker und Landwirt. Schon im Alter von sieben Jahren wurde er zum Ministrantendienst herangezogen und fiel auch in der Volksschule durch geistige Regsamkeit auf. Es folgte der Besuch der höheren Schule, zunächst an der "Königlichen Studienanstalt Schweinfurt", einer Schule, in der die evangelischen Schüler in der Mehrzahl waren, wo aber ein Geist gegenseitiger Toleranz zwischen den beiden Konfessionen herrschte. Dann siedelte er für die 5. Lateinklasse 1883 nach Würzburg über, wo er im Bischöflichen Knabenseminar Unterkunft fand und schloß 1888 seine Schulzeit mit einem glänzenden Abitur ab.

Es folgte - vor der angestrebten Ausbildung zum Priesteramt - die Meldung zum Militär als "Einjährig- Freiwilliger". Dort war er mit so viel innerer Anteilnahme dabei, daß man ihm die Offizierslaufbahn anbot, die er jedoch nach zweiwöchigem Ringen mit sich selbst ausschlug.

Drei Jahre studierte Faulhaber nun an der Universität Würzburgs, um schließlich am 1. August 1892 zum Priester geweiht zu werden. Als Kaplan begann er seine Seelsorgearbeit in Kitzingen am Main, wurde aber schon kurz darauf zum Präfekten im Bischöflichen Knabenseminar ernannt. Dort konnte er auch "summa cum laude" mit einer schon zuvor preisgekrönten Arbeit promovieren, um dann in Rom ab dem Januar 1896 mit Hilfe eines Stipendiums seine Studien mit dem Ziel des akademischen Lehramts fortzusetzen, die schließlich im Dezember 1899 zu einer Habilitation auf dem Gebiet der Patristik in Würzburg führten.

Jahre der Unsicherheit als Privatdozent in Würzburg wurden schließlich beendet durch eine Berufung als ordentlicher Professor auf den Lehrstuhl für alttestamentliche Exegese an der neu gegründeten KatholischTheologischen Fakultät in Straßburg im Jahre 1903, wo er mit großem Erfolg lehrte. Immer lag ihm dabei auch die pastorale Tätigkeit am Herzen und er wurde ein immer mehr gefragter Redner, bis er im November 1910 überraschend zum Bischof von Speyer ernannt wurde.

Beim Ausbruch des ersten Weltkriegs wurde Faulhaber zum stellvertretenden Feldpropst und hatte als solcher die Aufgaben eines Militärbischofs zu erledigen. Loyal zum Staat als der gottgesetzten Obrigkeit und seinen Entscheidungen stehend, versuchte er, die katholischen Soldaten zu stärken, indem er Feldpredigten als Vorlage für die Feldgeistlichen verfaßte und sich durch Frontbesuche immer wieder über die Lage kundig machte. Über alledem verlor er seine bedingungslose Staatsloyalität zwar nicht völlig, sie wurde aber doch deutlich in Frage gestellt.

Im Mai 1917 wurde er schließlich aufgrund seiner Verdienste und Fähigkeiten zum Erzbischof von München und Freising ernannt, was ihm eine deutliche Erweiterung seines Einflußbereiches brachte wie auch den Vorsitz der Freisinger Bischofskonferenz, in der er sich durch seine natürliche Autorität gut durchzusetzen wußte.

Treu zur Monarchie stehend, trafen ihn die Revolutionsereignisse vom November 1918 und die Abschaffung der Monarchie persönlich sehr hart. Ein weiterer vor allem psychologisch für den Katholizismus in Bayern wichtiger Schritt war die Verleihung der Kardinalswürde an Faulhaber im März 1921.

Seine bleibende monarchische Gesinnung wurde noch einmal deutlich bei der Überführung des toten bayerischen Königspaares in den Münchener Liebfrauendom im November 1921 sowie bei einer Rede auf dem Münchener Katholikentag im August 1922, in der er Revolution und Republik aus prinzipiellen Gründen eine deutliche Absage erteilte. Seine Vorbehalte waren dabei mitbestimmt von dem seiner Meinung nach zu großen Zentralismus der Weimarer Republik, der sich für den Katholizismus im überwiegend katholischen Bayern negativ auswirken könnte. Auch die Kompromißbereitschaft des Zentrums und der BVP betrachtete er kritisch, vor allem die Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten.

Nach einer ruhigeren Phase der Beziehungen zwischen Staat und Kirche, die dem Abschluß des bayerischen Konkordats 1924 folgte, mußte Faulhaber sich mit einer neuen Bewegung auseinandersetzen: dem Nationalsozialismus, dessen Hetzkampagne er bereits nach dem gescheiterten Hitler-Putsch 1923 über sich hatte ergehen lassen müssen. Klar erkannte er den christentums- und kirchenfeindlichen Charakter dieser Bewegung, sah aber auch, daß sie als Sammelbecken für viele von der Weimarer Republik wirtschaftlich und politisch Enttäuschte diente. In einer durch seine Initiative zustandegekommenen Pastoralen Anweisung an den Klerus von Bayern warnten die Bischöfe vor den "kulturpolitischen Auffassungen" des Nationalsozialismus.

Als Hitler schließlich 1933 an die Macht kam, ließ auch Faulhaber sich zunächst von der Rechtmäßigkeit dieses Vorgangs und den betont kirchenfreundlichen Äußerungen Hitlers in seiner programmatischen Rede vom 23. März täuschen. Dennoch begriff auch er schnell die Notwendigkeit des Konkordats mit den neuen Machthabern, da diese sich gerade in Bayern besonders willkürlich auch gegen die katholische Kirche gebärdeten.

Die vier Predigten über die Lebenswerte des Alten Testaments im Advent 1933 erzielten als - wenn auch indirekter - Protest gegen die nationalsozialistische Weltanschauung und ihre Herabsetzung des Alten Testaments eine große Öffentlichkeitswirkung. Als bei der Gleichschaltung der Länder 1934 die Münchener Nuntiatur einfach abgeschafft wurde, übernahm er auch deren Aufgabe der Berichterstattung nach Rom, wobei er durch einen privaten Kurierdienst geschickt die Briefzensur umging. Dadurch wurde er zu einem der wichtigsten Ansprechpartner Pacellis in Deutschland, oft unter Umgehung des Berliner Nuntius.

Auch die Denkschrift des deutschen Episkopats vom August 1935 (s.u.) formte er entscheidend mit.

Erst am 4.11.1936 kam es zu dem daraufhin zugesagten Gespräch mit Hitler auf dem Obersalzberg, in dem es Hitler gelang, sich als gottesfürchtigen Staatsmann zu präsentieren und Faulhaber über seine wahren kirchenpolitischen Ziele im Unklaren zu lassen. Kardinal Faulhaber starb schließlich, immer noch im Amt, nach den Wirren der Kriegs- und frühen Nachkriegszeit am 12.6.1952 in München.

Pius XI.

Pius XI., mit bürgerlichem Namen Achille Ratti, wurde am 31.5.1857 in der Lombardei als Sohn eines Fabrikarbeiters geboren, studierte in Mailand und Rom Theologie und wurde dort im Jahre 1879 zum Priester geweiht. 1882 kehrte er nach Mailand zurück, um dort am Priesterseminar als Professor für Dogmatik und Homiletik zu lehren. Nach wissenschaftlichen Tätigkeiten in Rom wurde er 1918 als Visitator in das neu entstandene Polen-Litauen entsandt und wurde 1919 päpstlicher Nuntius des unabhängigen Polen. Zusätzlich war er Visitator der baltischen Staaten. In dieser Zeit machte er Bekanntschaft mit dem Bolschewismus, was seine spätere Einstellung geprägt haben dürfte.

Im Juni des Jahres 1921 wurde er dann von Bendedikt XV. zum Erzbischof von Mailand und zum Kardinal ernannt und schon im Februar des folgenden Jahres zu seinem Nachfolger als Papst gewählt. Akzente setzte er in seinem Pontifikat durch Darstellung der katholischen Kirche als Weltkirche und ihre Enteuropäisierung. Gleichzeitig gelang es ihm, mit den Lateranverträgen von 1929 die "Römische Frage" durch Beschränkung des Territoriums auf die Vatikanstadt endgültig zu lösen, was eine Entpolitisierung der katholischen Kirche bedeutete und Rom als moralischer Autorität mehr Glaubwürdigkeit verlieh. Diese überwiegend positiven Erfahrungen mit dem italienischen Faschismus, der der katholischen Kirche einen nicht mehr für möglich gehaltenen Einfluß in der italienischen Gesellschaft sicherte, sollten dann auch seine Haltung gegenüber dem deutschen Faschismus bestimmen, in dem er 1933 den einzigen greifbaren Verbündeten im Kampf gegen den grundsätzlich atheistischen Bolschewismus erkannte. Dennoch konnte er auch gegen Übergriffe des italienischen Faschismus wie die Auflösung von Gruppen der Katholischen Aktion das Wort ergreifen, wie er es in der Enzyklika "Non abbiamo bisogno" vom 29. Juni 1931 getan hat.

Angesichts der veränderten politischen Lage Europas versuchte Pius XI. durch eine große Zahl von Konkordaten die kirchlichen Verhältnisse zu ordnen und zu sichern. U.a. kam es unter ihm zu Konkordaten mit Bayern (1924), Polen (1925), Preußen (1929), Baden (1932) und Österreich (5.6.1933) sowie zum Reichskonkordat mit Deutschland (20.7.1935). Dabei bedeuteten für ihn Konkordate keine Zustimmung zur jeweiligen Verfassungsform, sondern nur rechtliche Absicherung der kirchlichen Verhältnisse. Wenige Monate vor Ausbruch des zweiten Weltkriegs starb Pius XI. am 10.2.1939.

Generalstaatssekretär Eugenio Pacelli

Eugenio Pacelli, der am 2.3.1876 geboren wurde, stammte aus einer römischen Beamtenfamilie; schon Vater und Großvater hatten als Juristen in päpstlichen Diensten gestanden. Er studierte in Rom und wurde 1899 zum Priester geweiht. Schon 1901 trat er in den Dienst des Staatssekretariats, wo ihm allmählich immer wichtigere Funktionen übertragen wurden. 1917 sandte man ihn als Nuntius an den bayerischen Königshof in München. Auch die päpstliche Friedensverhandlung bei der deutschen Reichsregierung wurde ihm übertragen, scheiterte aber. 1925 siedelte er nach Berlin über auf die neu errichtete Nuntiatur bei der Reichsregierung. Höhepunkte seiner Wirksamkeit in dieser Zeit waren der Abschluß eines Konkordats mit Bayern (1924) und Preußen (1929). Das Konkordat mit Baden hat er noch mit vorbereitet. In den zwölf Jahren seines Aufenthalts in Deutschland erwarb Pacelli sich die sprachlichen und kulturellen Kenntnisse, die ihm später helfen sollten, die Situation in Deutschland zu beurteilen. 1929 wurde er zum Kardinal erwählt und nach Rom berufen, wo er schon 1930 zum Kardinalstaatssekretär ernannt wurde und damit verantwortlich war für die politischen Angelegenheiten des Vatikan. In dieser Position war er entscheidend am Abschluß des Reichskonkordats mit Deutschland beteiligt, einem schon lange von ihm angestrebten Ziel, genauso wie an dem ihm folgenden Kampf um seine Einhaltung, der in der Enzyklika gipfeln sollte.

Als Pius XI. im Februar 1939 starb, wurde Pacelli angesichts der bedrohlichen politischen Lage zu seinem Nachfolger gewählt, um eine größtmögliche Kontinuität der päpstlichen Politik zu gewährleisten. Diese Kontinuität zeigt auch der Name, den er sich wählte: Pius XII. Er sollte der Papst des zweiten Weltkriegs werden und starb am 9.10.1958.

. Die Enzyklika

Vorgeschichte

Der Notenwechsel zwischen dem Heiligen Stuhl und der deutschen Reichsregierung Der Abschluß des Reichskonkordats am 20.7.1933 hatte der katholischen Kirche eine Rechtsgrundlage verschafft, um gegen die zahlreichen Übergriffe und Gleichschaltungsversuche des NS-Staates zu protestieren und dabei auch Grundsätzliches zur Sprache zu bringen, was andernfalls wohl als Einmischung in innerdeutsche Angelegenheiten zurückgewiesen worden wäre. Dies geschah in zahlreichen diplomatischen Noten, die vom gut informierten Päpstlichen Staatssekretariat in Rom unter Verantwortung von Kardinalstaatssekretär Pacelli der deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl zur Weiterleitung an die Reichsregierung übermittelt wurden und die durchaus Beachtung fanden, z.T. bis hinauf zu Hitler selbst. Auch die deutschen Bischöfe erhielten, um informiert zu sein, eine Auswahl davon in drei Weißbüchern, deren Veröffentlichung die nationalsozialistischen Machthaber befürchten mußten. Z.B. erschienen im Sommer 1935 zwei Artikel im Osservatore Romano, die zwei deutliche Noten inhaltlich zusammenfaßten und auch in den bischöflichen Amtsblättern veröffentlicht wurden.

In diesen Protestnoten ging es immer wieder um dieselben Probleme: Die Frage der Verwirklichung des Artikels 31 des Reichskonkordats, also die Wirkungsmöglichkeiten der zahlreichen katholischen Verbände und Vereine, deren genaue Aufzählung bei Vertragsabschluß noch offen gelassen worden war. Außerdem um Fragen der Pressefreiheit, der Devisen- und Sittlichkeitsprozesse, des Rosenbergschen Neuheidentums, sowie um Probleme der Konfessionsschule und der Priesterausbildung.

Die Proteste des deutschen Episkopats Auch der deutsche Episkopat blieb nicht untätig und schickte zahlreiche Protestschreiben an die verantwortlichen Stellen, v.a. Kardinal Bertram als Vorsitzender der Fuldaer Bischofskonferenz und Kardinal Faulhaber. Dieser formte auch aus Vorarbeiten Bischof von Galens die Denkschrift des deutschen Episkopats für Hitler vom August 1935, in der schon viele der "schweren Sorgen", die in der Enzyklika von Rom aus vorgetragen werden sollten, anklingen. Noch versprach man sich von Hitler persönlich eine Besserung der Situation.

Das Treffen Faulhabers mit Hitler

Aufgrund dieser Denkschrift kam es schließlich am 4.11.1936 zu einem Treffen Faulhabers mit Hitler auf dem Obersalzberg. In diesem Gespräch beschwor Hitler den Bolschewismus als gemeinsamen Gegner, ging auf das Thema Nationalsozialismus und Kirche ein, wobei er deutlich die Vorherrschaft des Nationalsozialismus betonte, konnte aber auch pathetisch von Gott reden. Kardinal Faulhaber brachte deutlich und bestimmt seine Beschwerden vor, gab sich jedoch auch als loyaler Untertan Hitlers zu erkennen. Deutlicher Dissens bestand nur im Umgang mit der Frage der Rassengesetzgebung des Dritten Reiches.

Trotz der deutlich vorgetragenen Proteste Faulhabers hatte man eine Verbesserung des Klimas zwischen katholischer Kirche und Staat erhofft. Hitler hatte jedoch einen Unterwerfungsfrieden durch eine gemeinsame antibolschewistische Front mit der katholischen Kirche im Sinn, die ihm diesen Gefallen aber nicht tat. Der in diesem Gespräch versprochene Hirtenbrief gegen den Bolschewismus wurde nämlich wegen kritischer Passagen über den Nationalsozialismus von staatlicher Seite nicht akzeptiert, beschlagnahmt und totgeschwiegen. So konnte man die Friedenshoffnungen wieder begraben.

Die Plenarkonferenz in Fulda

Daraufhin trafen sich die deutschen Bischöfe Mitte Januar 1937 zu einer außerordentlichen Plenarkonferenz in Fulda, auf der das weitere Vorgehen beraten werden sollte. Dabei wurden sich die Bischöfe über folgende vier Punkte klar:

1. Man will in diesen Kreisen [in bestimmten Kreisen und Organisationen der Nationalsozialistischen Partei] die grundsätzliche und definitive Vernichtung des Christentums, besonders der katholischen Kirche, zum mindesten aber ihre Zurückführung auf einen Zustand, der fast der Vernichtung gleichkommt.
2. Wenn man noch nicht mit aller Schärfe vorgeht, liegt der Grund nur in besonderen innen- und namentlich außenpolitischen Verhältnissen.
3. Die führenden Persönlichkeiten der so eingestellten Parteiorganisationen von der Unrichtigkeit ihres Standpunktes zu überzeugen, ist völlig aussichtslos; nach menschlichem Ermessen wird der Vernichtungskampf erst dann und nur insoweit haltmachen, als er unsern Gegnern selbst für ihre politischen Interessen bedenklich erscheint.
4. Ein wirksamer Widerstand ist nur denkbar durch Aufruf des Volkes zur wahrhaften Katholischen Aktion, die unzweideutig die Rechte Gottes vor dem ganzen Volke proklamiert."

Man formulierte eine Denkschrift an das Reichskirchenministerium, in der die Beschwerden über die Übertretung vieler Reichskonkordatsartikel offen und detailliert vorgetragen wurden.

Strittig war vor allem, ob man die bisherige Eingabenpolitik fortsetzen sollte, wie dies Kardinal Bertram und Bischof Berning tun wollten, oder ob man durch einen Schritt an die Öffentlichkeit das offensivere, aber auch riskantere Vorgehen wählen sollte. Diese Richtung vertraten besonders die Bischöfe Preysing und Galen, ihr stand aber auch Faulhaber nahe, der auf dieser Konferenz auch ein ausführliches Referat über die kirchenpolitische Lage im Dritten Reich zu halten hatte.

Die Bischöfe in Rom

So war es kein Zufall, daß gerade diese beiden außer den drei deutschen Kardinälen am 21.12.1936 zur Berichterstattung nach Rom eingeladen wurden. Die Einladung ging zurück auf die Bitte der Fuldaer Plenarkonferenz vom 18. August 1936 um ein klärendes Wort des Papstes in einer Enzyklika, die wiederum Pacelli angeregt hatte, indem er die Bereitschaft Roms erklärte, gegen die Konkordatsverletzungen eine Pastorale zu schreiben.

Am 15. 1. 1937 trafen sich Bertram und Faulhaber zu einer ersten Vorbesprechung mit Pacelli, bei der die Idee eines Briefes des Papstes an Hitler verworfen wurde, da sie wenig Wirkung versprach; am Tag darauf trafen sich dann alle fünf Bischöfe mit Pacelli, um die Audienz bei Pius XI. vorzubereiten. Dabei ergab sich, daß man trotz der Mißachtung des Reichskonkordats von der anderen Seite an ihm festhalten wollte, um die eigenen Position nicht zu schwächen und die Verhandlungen weiterführen zu können. Bei dieser Audienz äußerte dann Pacelli den Vorschlag eines Hirtenbriefs an die Deutschen. Faulhaber bat er, schriftliche Überlegungen für das Schreiben beizusteuern, was er zwei Tage später dahingehend präzisierte, daß dieser sogar einen echten Entwurf präsentieren sollte.

Am Tag darauf fand nun die Audienz am Krankenbett von Pius XI. statt, die vor allem seiner Information über die Situation in Deutschland dienen sollte und in der die Enzyklika deshalb nicht ausdrücklich zur Sprache kam. Am 21.1. konnte Faulhaber schließlich Pacelli seinen "unvollkommenen und wohl auch ganz unbrauchbaren Entwurf" übergeben, den er in den Nachtstunden heimlich erarbeitet hatte.

Der Entwurf Faulhabers

Faulhaber konnte für seinen Entwurf auf die Vorarbeiten zurückgreifen, die er bereits für den Weihnachtshirtenbrief (s.o.) und das Referat für die Fuldaer Bischofskonferenz (s.o.) geleistet hatte. Der Entwurf war gegliedert in eine Einleitung und 9 Hauptteile: 1. Reiner Gottesglaube, 2. Reiner Christusglaube, 3. Reiner Kirchenglaube, 4. Reiner Glaube an den Primat, 5. Keine Umdeutung heiliger Worte und Begriffe, 6. Sittenlehre und sittliche Ordnung, 7. Anerkennung des Naturrechts, 8. An die Jugend, 9. An die Priester und alle Getreuen.

Der Entwurf beginnt mit der Formulierung "mit großer Sorge" - bereits beim Weihnachtshirtenschreiben hatte "wir beobachten mit Sorge" als gliederndes Element gedient - und bringt die auf der Grundlage des Reichskonkordats gemachten Beschwerden der katholischen Kirche in Erinnerung. Darauf wird die Leidensgemeinschaft des körperlich leidenden Papstes mit den in Deutschland leidenden Katholiken hervorgehoben.

Im 1. Teil grenzt Faulhaber den reinen Gottesglauben ab gegen "pantheistische Verschwommenheit", altgermanischen Schicksalsglauben, warnt vor einer Überschätzung und Vergötzung der irdischen Werte Rasse und Staat, kennzeichnet die Rede von einem nationalen Gott als Irrlehre: "Gott ist der Herr, der sich nicht in die Grenzen eines einzelnen Volkes einsperren läßt." Der 2. Teil betont unter Verwendung vieler Bibelzitate, daß der Gottesglaube vom Glauben an Christus gestützt werden muß. Reine Gottgläubigkeit genügt nicht. "In Jesus Christus ist die Fülle der Offenbarung erschienen", aber auch das Alte Testament ist Teil der Offenbarung. Genauso wäre es "ein furchtbares Verhängnis, wenn man an die Stelle der Offenbarung, die als Wort Gottes aus der Höhe kam, die sogenannten Offenbarungen von Blut und Rasse setzen wollte." Im 3. Teil wird unterstrichen, daß der Christusglaube wiederum vom Kirchenglauben gestützt werden muß. Ohne das Lehramt der Kirche würde das "Evangelium mit der Zeit zerblättert." Die Kirche kann "nicht dulden, daß Unberufene und Außenstehende im Tone angemaßter Unfehlbarkeit über religiöse Fragen entscheiden, über kirchliche Stellen in kirchlichen Angelegenheiten zu Gericht sitzen und an der Kirche heute diese und morgen jene vermeintliche Verbesserung vornehmen wollen." 4. Der Kirchenglaube muß nun aber wiederum gestützt werden vom Glauben an den Primat des Bischofs von Rom. "Der Glaube an Christus, an die Kirche, an den Primat Petri stehen also in innerem Zusammenhang, miteinander stehend, miteinander fallend." Faulhaber warnt vor dem "Schreckgespenst einer deutschen Nationalkirche". "Die Kirche Christi kann [...] nur eine Weltkirche, nicht eine Nationalkirche sein." Im 5. Teil wendet er sich gegen die Umdeutung religiöser Grundbegriffe wie Offenbarung, Glaube, Unsterblichkeit, Erbsünde, Kreuz, Demut und Gnade, die entweder völkisch-rassisch besetzt oder abgewertet werden. Dies ist die direkteste Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Weltanschauung und ihrer Einstellung gegenüber dem christlichen Glauben im ganzen Text. Faulhaber wehrt sich einerseits gegen die Inanspruchnahme christlicher Begriffe für die pseudoreligiöse NS- Weltanschauung, andererseits gegen die Abwertung anderer christlicher Begriffe wie Kreuz und Demut, die als der deutschen Heldengesinnung nicht entsprechend verunglimpft wurden. 6. Die sittliche Ordnung kann und darf nicht vom Gottesglauben getrennt werden, die zehn Gebote sind zu beachten und in den Geboten Gottes sind die "ewigen Richtlinien einer objektiven Sittenlehre" zu erblicken. 7. Die Rechtspflege, das positive Recht, darf nicht vom Naturrecht abgelöst werden, "das vom Finger des Schöpfers auf die Tafeln des Menschenherzens geschrieben wurde (Röm. 2,14f.) und von der gesunden Vernunft von diesen Tafeln abgelesen werden kann." Der Maßstab: "Recht ist, was dem Volke nützt" kann keine Rechtsquelle sein. Aus dem Naturrecht wird das Recht auf Bekenntnis des eigenen Glaubens abgeleitet, ebenso das Bestimmungsrecht der Eltern für die Erziehung ihrer Kinder, was vor allem für die Frage der Bekenntnisschule relevant war.

Nach katholischer Lehre ist der Staat als menschliche Vereinigung "in der Menschennatur selbst verankert und geht aus ihr notwendig hervor". Im einzelnen Menschen ist wiederum das von Gott gegebene und vom Menschen erkennbare Naturrecht verankert. Darum ist auch die staatliche Autorität im selben Naturrecht fundiert. Aufgabe des Staates ist es, dafür "zu sorgen, daß alle Glieder des Staates, nicht bloß einzelne von ihnen oder einzelne privilegierte Klassen, die Möglichkeit haben, unter entsprechender eigener Betätigung, ihr wahres irdisches Glück zu erreichen. Das Gemeinwohl zielt auf das Eigenwohl der einzelnen Glieder ab." Das Naturrecht bildet also die Schranke der staatlichen Gewalt. Auf diese naturrechtlichen katholischen Staatsvorstellungen stützt sich Faulhaber wie auch Pacelli mehrfach, um die Rechte des Individuums einzufordern.

Es folgen Worte der Ermutigung an die kirchliche Jugend, die sich nicht einschüchtern lassen und an der Sonntagsheiligung festhalten soll, sowie an die Priester und alle Getreuen. Die Kirche ist "ein Zeichen des Widerspruchs", aber "in den Händen Gottes und damit in guten Händen". Der Entwurf schließt mit einer erneuten Erwähnung der Leiden des Papstes und dem apostolischen Segen.

Hervorzuheben ist an diesem Entwurf seine gedankliche Reife und sein innerer Zusammenhang, der besonders stark in den vier ersten aufeinander bezogenen Teilen zum Ausdruck kommt. Oft werden zur Stützung der Argumente Bibelzitate verwendet, besonders im Teil über den reinen Christusglauben, was klarstellt, daß auch die Lehrautorität der Kirche nicht ohne Maßstab sein kann. Weiterhin fällt auf, daß Faulhaber rein dogmatisch-pastoral argumentiert, ohne jede Polemik und sogar ohne den Nationalsozialismus beim Namen zu nennen. Dies hängt sicherlich damit zusammen, daß Faulhaber sich als Kirchenmann aus allen bloß politischen Fragen heraushalten und unnötige Vorwürfe von staatlicher Seite vermeiden wollte. Dennoch mußten seine in der Sache klaren Ausführungen als deutliche Kritik an der nationalsozialistischen Weltanschauung verstanden werden (v.a. Teil 5-7), die für unvereinbar mit katholischem Glauben und katholischer Lehre erklärt wurde.

Der endgültige Text der Enzyklika

Kardinalstaatssekretär Pacelli war nun, in Zusammenarbeit mit Pius XI. und evtl. wenigen anderen des deutschen Kundigen, verantwortlich für die endgültige Formulierung des Textes, eine Aufgabe die sich über sieben Wochen erstreckte. Dafür benutzte er Faulhabers Entwurf als Grundlage, übernahm dessen Gliederung, erweiterte sie auf elf Teile, indem er eine ausführliche Einleitung über das Reichskonkordat voranstellte und den bisherigen neunten Punkt noch einmal aufteilte in eine Anrede "An die Priester und Ordensleute" und eine "An die Getreuen aus dem Laienstande".

Diese Einleitung mit ihrer historisch-juristischen Argumentation, wie sie typisch war für den erfahrenen Diplomaten Pacelli, stellt klar, daß die Initiative zum Reichskonkordat 1933 von der Reichsregierung ausging und schon damals die Zustimmung der Kirche nur "trotz mancher schwerer Bedenken" gegeben wurde in Sorge um die Situation der Katholiken in Deutschland.

Mit scharfen Worten wird die Absic ht der NS-Religionspolitik gebrandmarkt: "Der Anschauungsunterricht der vergangenen Jahre klärt die Verantwortlichkeiten. Er enthüllt Machenschaften, die von Anfang an kein anderes Ziel kannten als den Vernichtungskampf." Es geht um eine "grundsätzliche Feindschaft gegen Christus und seine Kirche." Kaum verhüllt, droht die Enzyklika damit, daß die diplomatischen Versuche, die Einhaltung des Konkordats zu erreichen, veröffentlicht werden könnten und weist auf die Vertragsverletzungen hin, erklärt aber auch, daß man angesichts der "planmäßigen Tarnung" eine eindeutige Situation abwarten wollte, bevor man massiv protestieren würde.

Der eigentliche Zweck des Schreibens ist aber nicht ein diplomatischer, sondern es soll "ein Wort der Wahrheit und der seelischen Stärkung vom Papst an die Bischöfe und durch sie an die katholischen Gläubigen Deutschlands" sein.

Pacelli erweitert, präzisiert und verschärft nun den Entwurf Faulhabers beträchtlich, wobei er gleichzeitig dessen Stileigentümlichkeiten beseitigt, wohl um ihm unnötigen Ärger zu ersparen. Nicht verwendet werden praktisch nur die Gedanken Faulhabers zur Leidensgemeinschaft des kranken Papstes mit den anderen Gläubigen.

Pacelli betont das Jude-Sein Jesu und führt Faulhabers Bekenntnis zu den Büchern des Alten Bundes als Teil der Offenbarung weiter aus, verurteilt den Führerkult. Er nimmt die Kirche in Schutz gegen die propagandistischen Vorwürfe, die ihr wegen der Sittlichkeitsprozesse gegen katholische Geistliche gemacht wurden und warnt vor Gemeinschaftsschule und Kirchenaustritt.

Das rechtliche Nützlichkeitsdenken des NS-Staates wird kritisiert. "Nie ist etwas nützlich, wenn es nicht gleichzeitig sittlich gut ist. Und nicht weil nützlich, ist es sittlich gut, sondern weil sittlich gut, ist es auch nützlich". Der Mensch besitzt als Persönlichkeit gottgegebene Rechte, die ihm von der Gemeinschaft nicht entzogen werden dürfen. Wahres Gemeinwohl besteht in einem Ausgleich zwischen persönlichem Recht und sozialer Bindung.

Auch auf den inhaltlichen Gegensatz von HJ und kirchlicher Jugendarbeit weist die Enzyklika besonders hin; in einem Nebensatz wird gegen die immer härter werdenden staatlichen Maßnahmen - bis hin zum Konzentrationslager - öffentlich protestiert.

Gegen Ende wünscht Pius sich die "Wiederherstellung eines wahren Friedens zwischen Kirche und Staat in Deutschland", weist aber auch die Schuld für die gegenwärtige Situation der anderen Seite zu und stellt die Verteidigungsbereitschaft der Kirche klar.

Wichtig war auch, daß man das Wort des Papstes nicht mehr, wie lange Zeit vorgesehen, als päpstlichen Hirtenbrief klassifizierte, sondern ihm den Rang einer Enzyklika gab, die damit nicht nur an den deutschen, sondern an den Weltepiskopat gerichtet war und so auch internationalen Rang gewann. Enzykliken sind Rundschreiben, die vom Papst an die Bischöfe eines Landes oder der ganzen Welt gerichtet werden; sie sind die feierlichste Form, deren sich der Papst bedienen kann, um sein ordentliches Lehramt auszuüben. Meist werden in ihnen Lehren behandelt, die sich auf Glaube oder Sitte beziehen.

Diese Aufwertung war auch deshalb sinnvoll, weil zur selben Zeit zwei Enzykliken gegen den Kommunismus in Bearbeitung waren und so Bolschewismus und Nationalsozialismus mit der gleichen lehrmäßigen Schärfe verurteilt wurden.

Insgesamt wurde der Charakter des Schreibens durch all diese Änderungen und Hinzufügungen juristischer und politischer, weniger pastoral, aber dafür auch grundsätzlicher und schärfer in der Verurteilung nationalsozialistischer Theorien und Praktiken.

Die Verlesung in Deutschland

Die von Pius XI. am 10. März 1937 unterzeichnete Enzyklika mußte nun heimlich in Deutschland an alle Gemeinden verteilt werden, da man eine Beschlagnahmung fürchten mußte. Dies geschah über die Nuntiatur in Berlin, die sie an die einzelnen Bischöfe weiterleitete. Jede Diözese war selbständig für die Vervielfältigung zuständig. In vielen Diözesen erhielten nur die Geistlichen je ein Exemplar, in Münster, München und Speyer erschien sie auch als Sonderdruck mit einer sehr hohen Auflage. Insgesamt kann man von einer effektiven Verbreitung in über 300.000 Exemplaren ausgehen.

Die Gestapo erfuhr erst Samstagnachmittags von dem Vorhaben, als ein Arbeiter einer Münchener Druckerei der Gestapo einen Abzug aushändigte. Zu diesem Zeitpunkt war die Aktion aber schon nicht mehr aufzuhalten, wollte man nicht vor Ort eine Kraftprobe mit der Kirche riskieren, die leicht zu deren Gunsten hätte ausgehen können. Noch am selben Abend informierte Reinhard Heydrich, der stellvertretende Chef der Gestapo, Hitler, Goebbels, Göring, Himmler und Kerrl von der bevorstehenden Verlesung und wies die Polizei an, die Verbreitung des Schreibens außerhalb des kirchlichen Bereichs streng zu ahnden und alle außerhalb der Kirchen greifbaren Exemplare zu beschlagnahmen.

Die öffentliche Verlesung am 21. März in 11.500 katholischen Gemeinden, teils im Hauptgottesdienst, teils in extra angesetzten Nachmittagsandachten, verlief im allgemeinen ungestört und hatte erwartungsgemäß eine große Wirkung auf die Gläubigen; auch der Klerus war dankbar für das deutliche Wort des Papstes. Im Ausland wurde die Enzyklika schnell bekannt und veröffentlicht und löste eine weltweite Solidarität mit den Kirchen in Deutschland aus.

Die Reaktion der Gegenseite

Die Regierenden hatten mit dieser Offensive des Vatikan offensichtlich nicht gerechnet. Sie wurde als Provokation aufgefaßt; man antwortete jedoch nicht direkt auf den Vorwurf des Konkordatsbruchs, sondern versuchte in erster Linie, die weitere Verbreitung der Enzyklika zu verhindern. U.a. wurden 13 der beteiligten Druckereien auf Hitlers persönliche Anweisung geschlossen und enteignet. Im Gegenzug verschärfte man wieder die zeitweilig gestoppten Sittlichkeits- und Devisenprozesse gegen katholische Geistliche und schlachtete sie für kirchenfeindliche Propaganda aus.

. Die Enzyklika im Vergleich mit der BTE

In diesem Teil soll nun die Barmer Theologische Erklärung (BTE) von 1934 mit der Enzyklika verglichen werden. Immerhin sind diese beiden Texte die jeweils prominentesten kirchlichen Texte aus der Zeit des Nationalsozialismus, auf die gerade in der Nachkriegszeit immer wieder verwiesen wurde. Gemeinsam ist beiden, daß sie durch die NS-Kirchenpolitik provoziert wurden, die aufs Ganze gesehen durchaus von beiden Kirchen dasselbe wollte, die Unterordnung unter einen Weltanschauungsstaat, auch wenn der Weg zu diesem Ziel jeweils ein anderer sein mußte.

Trotz dieser Gemeinsamkeiten ist Vorsicht geboten bei einem solchen Vergleich. Zum einen ist die zeitliche Situation verschieden. Während bei der Verabschiedung der BTE am 31. Mai 1934 die Phase der Machtergreifung noch nicht vollständig beendet war, war knapp drei Jahre später vieles schon sehr viel klarer geworden, aber damit sicher auch schwieriger. Zum andern sprach in der BTE eine oppositionelle Bewegung, die nicht Teil der regulären Kirchenleitung war, während die Enzyklika trotz aller Beteiligung deutscher Bischöfe ein Wort von oben und von außen, aus Rom, darstellte, was ihr automatisch eine größere politische Wirkung garantierte. Außerdem ist die BTE gegen einen innerkirchlichen und damit grundsätzlich immer noch christlichen Gegner, die Deutschen Christen, gerichtet, während die Enzyklika den kirchenfeindlichen NS-Staat und seine "neuheidnischen" Tendenzen im Blick hat, dem sie aufgrund des Reichskonkordats Vertragsbrüchigkeit vorwerfen kann. Auch die Textgattung, autoritatives, institutionell abgesichertes Papstwort und theologische Erklärung einer selbsternannten Bekenntnissynode, ist verschieden, ebenso wie die Situation der beiden Kirchen im Dritten Reich. Dennoch lassen sich viele inhaltliche Gemeinsamkeiten feststellen, in denen beide Texte trotz unterschiedlicher theologischer Voraussetzungen und Argumentationen zu ähnlichen Ergebnissen kommen: Formal fällt auf, daß beide Texte inhaltlich sehr grundsätzlich argumentieren und aus theologischen Grundaussagen die Kritik ableiten. Ebenso spielen in beiden Texten biblische Begründungen eine wichtige Rolle, in der BTE jeweils zu Beginn jeder These, in der Enzyklika im fortlaufenden Text. Dadurch wird klargestellt, daß die Bibel Grundlage der Kritik ist und als für die Kirche verbindlicher Text nicht zur Disposition steht.

In beiden Texten ist die Christologie sehr wichtig. In der BTE dient sie sogar als Grundlegung der ganzen theologischen Erklärung. Jesus Christus ist hier das eine Wort Gottes und als solches einzige Quelle der Offenbarung und damit auch der Verkündigung der Kirche. Weniger ausschließlich und stärker auf den Gottesglauben bezogen spricht die Enzyklika vom Christusglauben. Aber auch hier ist "in Jesus Christus, dem menschgewordenen Gottessohn, [...] die Fülle der göttlichen Offenbarung erschienen". Auch hier gilt: "Der im Evangelium Jesu Christi erreichte Höhepunkt der Offenbarung ist endgültig, ist verpflichtend für immer. Diese Offenbarung kennt keine Nachträge durch Menschenhand." Jesus ist oberste Instanz für alle Gläubigen; damit ist jeder menschliche Führerkult verurteilt.

Deutlich wehren beide Texte sich gegen eine inhaltliche und organisatorische Beeinflussung der Kirche von außen, beiden ist die Freiheit der Kirche wichtig. Die Ordnung der Kirche ist von innen her bestimmt, vom Auftrag Jesu Christi. Daß der Auftrag der Kirche von nationalen oder gar rassischen Interessen klar unterschieden ist, kann und muß natürlich die Enzyklika als Stimme einer übernationalen Weltkirche mit dem Anspruch darauf, die einzige Kirche zu sein, deutlicher vertreten, als eine Gruppierung der Deutschen Evangelischen Kirche. Dennoch ist auch bei ihnen das Bewußtsein vorhanden, daß es eigentlich nicht viele Kirchen geben kann und damit auch nicht viele Nationalkirchen, sondern nur eine. Auffällig ist, wie unterschiedlich mit dem "Führerprinzip" in der Kirche umgegangen wird. Da die nationalsozialistische Gleichschaltungspolitik hier jeweils gegensätzlich vorging, fiel auch die Reaktion der Kirchen gegensätzlich aus. Die inhomogene, aus vielen einzelnen Landeskirchen bestehende evangelische Kirche versuchte man gleichzuschalten durch Einführung des Führerprinzips, das konkrete Gestalt in der Person von Reichsbischof Ludwig Müller gewinnen sollte. Die Gefährlichkeit der katholischen Kirche sah man aber gerade in ihrer über die Grenzen des deutschen Volkes hinausreichenden Autoritätsstruktur, in ihrer "Romhörigkeit" begründet, weshalb man hier nationalkirchliche Bestrebungen unterstützte. Somit wenden sich paradoxerweise zwei völlig gegensätzliche Aussagen gegen dieselbe Gleichschaltungspolitik des Dritten Reiches: Die BTE wehrt sich gegen Ämter in der Kirche, die Herrschaft der einen über die andern bedeuten, und gegen mit Herrschaftsbefugnissen ausgestattete Führer. Im Gegensatz dazu hat der Glaube an den Primat und die Autorität des Bischofs von Rom in der Enzyklika die wichtige Funktion, den Kirchenglauben und damit den Christusglauben und den Gottesglauben zu stützen und rein zu halten. Die Kirche ist erbaut auf dem Felsen Petrus, als dessen Nachfolger der Papst sich versteht. Die BTE widmet dem Verhältnis von Kirche und Staat die ganze These V; der Staat hat den göttlichen Auftrag, in der noch nicht erlösten Welt für Recht und Frieden zu sorgen. Die Kirche hat gegenüber dem Staat nur mahnende Funktion, sie selbst kann keine staatlichen Aufgaben übernehmen oder sogar selbst zu einem Organ des Staates werden, wie auch "die falsche Lehre, als solle und könne der Staat über seinen besonderen Auftrag hinaus die einzige und totale Ordnung menschlichen Lebens werden und also auch die Bestimmung der Kirche erfüllen" verworfen wird. In der Enzyklika fehlt ein in sich geschlossener Teil zu diesem Thema. Aus dem Gesamtduktus ist eher eine Überordnung der Kirche über den Staat herauszuhören. Auch sie wendet sich gegen staatlichen Totalitarismus; Totalität des Gehorsamsanspruchs kommt allein Gott zu. Das göttliche Naturrecht muß Grundlage des Rechtslebens eines Staates sein. Die Kirche ist der Welt "Vorbild und Führerin".

Beide Texte gestehen also dem Staat einen eigenen von dem der Kirche unterschiedenen Auftrag zu, der aber in Rückbindung an Gottes Auftrag auszuführen ist. Die umgekehrte Abgrenzung von einer politischen Theologie, die der Kirche staatliche Funktionen zuweist, findet sich aber nur in der BTE. Dies mag außer an den jeweiligen theologischen Grundlagen ebenfalls wieder an der konkreten Situation in Deutschland liegen, in der der politische Katholizismus eher die Interessen der Kirche gegenüber dem Staat vertrat, während der "politische Protestantismus", die Deutschen Christen, die Interessen des nationalsozialistischen Staates gegenüber der Kirche durchsetzen wollten.

Auffällig ist, daß die BTE kein Wort über das Alte Testament verliert und es kein einziges Mal zitiert.

Immerhin lag die Generalmitgliederversammlung des Gaues Groß-Berlin im Sportpalast vom 13. November 1933 erst gut ein halbes Jahr zurück, in der der Berliner Gauobmann unter anderem die "Befreiung vom Alten Testament mit seiner jüdischen Lohnmoral, von diesen Viehhändler- und Zuhältergeschichten" gefordert hatte. Es wäre ein Leichtes gewesen zur Klarstellung wenigstens in der ersten These hinzuzufügen: "wie er uns in der heiligen Schrift, im Alten und Neuen Testament, bezeugt wird. Einem von alttestamentlich-jüdischen Einflüssen "gereinigten Jesusbild" hätten sich ja auch viele Nationalsozialisten und Deutsche Christen anschließen können. Indem nur Jesus Christus, nicht aber auch die heilige Schrift als Wort Gottes und einzige Quelle von Offenbarung und Verkündigung verstanden wird, wurde zumindest eine wichtige Klarstellung versäumt. Deutlicher zum Alten Testament bekennt sich die Enzyklika, die immerhin drei Mal aus ihm zitiert und seinen Wert betont, auch wenn es in das Schema einer stufenweisen Entfaltung der Offenbarung eingeordnet wird. Zur rassischen Diskriminierung etwa der Juden, was immerhin in Form der Frage nach dem Arierparagraphen in der evangelischen Kirche aktuell war, fehlt jede Äußerung in der BTE. Die Enzyklika warnt immerhin noch vor einer Überbewertung der "Rasse", aber auch hier sucht man - außer einer knappen Andeutung des Jude-Seins Jesu - vergeblich nach einer klaren Aussage gegen die Diskriminierung von Juden in Deutschland. Man könnte einwenden, daß eine Enzyklika dafür nicht der richtige Platz gewesen wäre und daß die Exzesse des deutschen Rassismus damals noch nicht geschehen waren. Dennoch bleibt es bedauerlich, daß beide Konfessionen hier nicht deutlicher das Wort ergriffen haben. Auffällig an dem Vergleich ist, daß beide Konfessionen aus verschiedenen theologischen Motiven heraus zu ähnlichen Erkenntnissen gekommen sind, die letztlich auf die Behauptung der theologischen und gesellschaftlichen Eigenständigkeit der Kirchen in einem totalitären Staat hinausliefen.

. Schluß

Die Enzyklika ´Mit brennender Sorge´ ist "nicht nur die schärfste, sondern auch die bedeutsamste öffentliche Verurteilung des Nationalsozialismus durch einen internationalen Souverän in der Zeit der deutschen Diktatur vor dem Ausbruch des II. Weltkriegs". Sie dokumentiert klar die ablehnende Haltung der katholischen Kirche gegenüber der Weltanschauung des Nationalsozialismus. Besonders weil sie von außen kam, sich auf einen völkerrechtlichen Vertrag, das Reichskonkordat, berufen konnte, hat sie ihre Wirkung nicht verfehlt: Stärkung der Widerstandskraft der Gläubigen, Warnung des NS-Regimes vor weiteren kirchenfeindlichen Maßnahmen, internationale Aufmerksamkeit auf die Situation der Kirchen in Deutschland.

Ihre besondere Stärke liegt darin, daß sie nicht nur - wie viele kirchliche Dokumente der NS-Zeit - auf Bestandssicherung zielt, sondern Grundlagen des NS-Staates wie das Rassedenken, die Verabsolutierung staatlicher Autorität und den Führerkult, das rechtliche Nützlichkeitsdenken und den außenpolitischen Opportunismus Hitlers kritisiert.

Bedauerlich scheint es im Nachhinein, daß grundsätzlicher Widerstand gegen das Regime (Stufe 4 des Widerstands; s.o.) nicht im Blick war, weil er durch staatliches Loyalitätsdenken, symptomatisch an der Person Faulhabers erkennbar, verstellt war. Es finden sich nur konkrete Beispiele für den Weltanschauungskampf an der Basis; auf die Frage, wie der einzelne mit dem Hinarbeiten auf einen Umsturz umzugehen hätte, sucht man vergeblich nach einer Antwort. Vielleicht war es für so grundsätzliche Einsichten noch zu früh, aber immerhin machte man sich seit Anfang 1937 über die wahren Absichten nationalsozialistischer Kirchenpolitik keine Illusionen mehr.

Trotz dieser Defizite ist die Enzyklika neben der BTE ein herausragendes Dokument dafür, daß die Kirchen durch ihr Festhalten am eigenen Bekenntnis und der eigenen Organisationsform im totalitären NSStaat - ohne es zu wollen - ein Element des Widerstands und Hindernis der völligen Gleichschaltung der Deutschen waren.

Literaturverzeichnis

Die Abkürzungen in dieser Arbeit sind verwendet nach: Siegfried M. Schwertner, Theologische Realenzyklopädie. Abkürzungsverzeichnis, Berlin, New York, 21994.

Zusätzlich verwendet wurden: Tgb. = Tagebuch; BTE = Barmer Theologische Erklärung; DGB = Deutsche Glaubensbewegung.

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© by Thomas Ebinger (Anfragen wegen Rechten an: thomas.ebinger@gmx.net)

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Details

Title
Die Enzyklika "Mit brennender Sorge" vom 21. März 1937 - Die katholische Kirche antwortet auf die Herausforderung durch den Nationalsozialismus
College
http://www.uni-jena.de/
Grade
1
Author
Year
1996
Pages
23
Catalog Number
V96036
ISBN (eBook)
9783638087131
File size
413 KB
Language
German
Notes
Immer wieder wird die Rolle der katholischen Kirche im Nationalsozialismus heftig diskutiert. Meine Arbeit versuchtdie Entwicklung bis 1937 nachzuzeichnen, besonders auch das Reichskonkordat mit Adolf Hitler, und aus evangelischer Sicht, z.B. durch einen Vergleich mit der Barmer Theologischen Erklärung, zu einer fundierten Wertung zu kommen
Keywords
Enzyklika, Sorge, März, Kirche, Herausforderung, Nationalsozialismus, Hauptseminar, Prof, Christoph, Markschies, Jena, Theologie)
Quote paper
Thomas Ebinger (Author), 1996, Die Enzyklika "Mit brennender Sorge" vom 21. März 1937 - Die katholische Kirche antwortet auf die Herausforderung durch den Nationalsozialismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96036

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