Projektbericht Einzelunterricht


Internship Report, 2000

13 Pages


Excerpt


Inhalt

Einleitung

I. Vorstellung des Projekts „Einzelunterricht“

II. Protokoll des Einzelunterricht-Projekts am Beispiel „Frau K. - Herr B.“

III. Auswertung

IV. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Einleitung

Individuum, individuell, Individualismus - sind erstmals von Sokrates verstandene, später auch humanistisch geprägte Ausdrücke, welche in der Erziehungswissenschaft der letzten Jahre die wohl größte Rolle spielten. Sie beschreiben „die einzelne menschliche Person in ihrer, sie von allen anderen unterscheidenden Eigenart“1.

Nicht nur in der Theorie auch in der Praxis erhielt die Kennzeichnung des Einzelnen in der Einzigartigkeit seiner geistigen Eigentümlichkeit eine immer größere Bedeutung gegenüber der konventionellen Unterrichtsform, welche sich auf den klassischen Lerntheorien begründet. In Zeiten, da Unterricht sich nicht nur auf die Schule bezieht, sondern in fast allen Lebensbereichen über mehrere Generationen hinweg Bestandteil ist, besinnt sich der Lehrende wieder der sokratschen Urform des Lehrens - des Einzelunterrichts. Dieser impliziert die heute so geschätzte Lernselbständigkeit und Einzelbetreuung. Beides ermöglicht dem Lehrer eine methodische, auf den einzelnen Schüler zugeschnittene Ausarbeitung von Unterrichtszielen, -materialien und Inhaltsbereichen. Diese adaptive Unterrichtsform eignet sich sowohl für Einzelpersonen als auch für kleine Schülergruppen. Der Lehrer kann im Gegensatz zum konventionellen Klassenunterricht beim One-to-One Teaching auf die spezifischen Probleme und Schwächen des Einzelnen eingehen, diesen entgegenwirken oder Stärken fördern, ohne andere dabei zu benachteiligen oder zu behindern. Grundlage für einen Lernerfolg bei beiden Unterrichtsformen ist die entsprechende Motivation des einzelnen Schülers zum Lernen. Diese wird herbeigeführt zum Beispiel durch Erfolgserlebnisse, Vermittlung eines Könnensbewußtseins und das Gefühl des Fortschritts. Das allein reicht meistens noch nicht aus. Viele Vorgänge des Lehrens und Lernens beginnen im emotional-psychologischen Bereich der Schüler-Lehrerbeziehung. Natürliche Hemmungen und emotionale Schranken gegenüber dem Anderen können durch ein regelmäßiges „Warming-up“ am Anfang des Unterrichts abgebaut werden. Eine ebenso große Rolle spielt der Respekt des Schülers vor dem Lehrer, welche durch konsequente Disziplin des Lehrers vor dem Schüler erlangt werden kann. Ein weiteres Problem des Einzelunterrichts stellt die persönliche emotionale Bindung des Lehrers zum Schüler dar. Verantwortungsgefühl und Lehrerbewußtsein vermischen sich oft mit Beschützerinstikt und privater Freundschaft, welche die Lehrer- Schülerbeziehung oft in Frage stellen und einen sichtbaren Unterrichtserfolg ausbleiben lassen. Hier liegt es in der Verantwortung des Lehrers einfühlsam, aber korrekt und im Interesse des Lernenden zu handeln.

Eine Veranschaulichung einiger der eben genannten Zusammenhänge und Probleme bietet die folgende Ausarbeitung.

I. Vorstellung des Projekts „Einzelunterricht“

Das Projekt „Einzelunterricht“ fand im gleichnamigen Hauptseminar des Sommersemesters 1999 unter Vorbereitung und Anleitung durch Prof. Dr. Marschelke statt.

Grundlage dafür war eine theoretische Ausarbeitung der Bedeutung individuellen und adaptiven Unterrichts in Bezug auf den Unterrichtserfolg, die Schüler-Lehrerbeziehung und den Aufbau von Selbständigkeit beim Lernen. Die erarbeiteten allgemeinen Erkenntnisse, welche bisher allerdings in kaum einer wissenschaftlichen Studie fundiert worden sind, sollten in die Praxis des One-to-One Teachings umgesetzt werden. Hierbei war es Ziel, besonders auf die individuelle Nutzung der bisherigen persönlichen Erfahrungen und neuen Erkenntnisse zu achten.

Zu diesem Zweck fanden sich Paare, deren Zusammensetzung teils auf Freundschaften, teils auf dem Zufallsprinzip beruhten. In den Zweiergruppen übernahm jeweils abwechselnd für zwei Doppelstunden ein Partner die Funktion des Lehrers und der andere die des Schülers. Das Thema und Ziel des Unterrichts waren frei von der jeweiligen Lehrerperson wählbar. Der Ort und die Zeit des Einzelunterrichts wurden ebenfalls von den Gruppen selbst bestimmt.

Im Anschluß an die abgehaltenen Unterrichtsstunden sollten die somit gesammelten Eindrücke und Erkenntnisse in Bezug auf Einzelunterricht, sowie eventuelle Kritiken an der eigenen Vorgehensweise oder der des anderen, in einem Projektbericht wiedergegeben werden.

II. Protokoll des Einzelunterricht-Projekts am Beispiel „Frau K. - Herr B.“

Vor einer konkreten Betrachtung ist die folgende individuelle für die weitere Auswertung entscheidende Unterrichtssituation aufzuzeigen. Unterrichtsziel von Herrn B. als Lehrer war das Lernen des korrekten Haltens von Geige und Bogen, sowie das erste Spielen ohne „Kratzen“. Unterrichtsziel von Frau K. als Lehrerin war die Einführung des Schülers in ein Grafikprogramm (Corel5) und die Anregung zum selbständigen Lernen damit. Beide Personen kannten sich nur aus dem Seminar von Prof. Dr. Marschelke. Der Einzelunterricht fand jeweils in der privaten Umgebung des Wohnheimzimmers von Herrn B. und der anonymen Umgebung des Musikübungsraumes der PH-Ludwigsburg statt. Vorkenntnisse im Einzelunterricht waren nur auf Seiten von Herrn B. durch seine Tätigkeit als Musiklehrer vorhanden.

Zur Vereinfachung der Auswertung dieses Projekts am Beispiel der Seminarteilnehmer Frau K. und Herr B. wurde nach dem Unterricht eine tabellarische Darstellung des Ablaufs erstellt. Diese Tabelle beinhaltet die jeweiligen Arbeitsschritte, denen spezifizierendere Bemerkungen der Autorin zur Situation, sowie Kritiken zugeordnet sind.

Tabelle 1: Frau K. (Lehrerin) - Herr B. (Schüler)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Herr B. (Lehrer) - Frau K. (Schülerin)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

III. Auswertung

Betrachtet man Herrn B. und Frau K., unabhängig von der jeweiligen Rolle des Lehrers und Schülers, als didaktisch handelnde Dyade, kann man anhand des vorherigen Protokolls einzelne Grundlinien und -prinzipien des Einzelunterrichts erarbeiten und zu einem hypothetischen Konzept zusammenfügen. Die im Unterrichtsprotokoll aufgezeigten Vorgehensweisen beider Personen, lassen sich exemplarisch in der folgenden Auswertung in verschiedene Kategorien und Komponenten der Analyseeinheit gliedern, welche simultan auch die Grundprinzipien des monodidaktischen Unterrichts darstellen.

Eine der bedeutendsten Komponenten stellt die „Situation“ dar, da speziell Einzelunterricht im Gegensatz zum Schulunterricht nicht an bestimmte Orte, Dauern oder auch Zeiten gebunden ist, sondern von Lehrer und Schüler gemeinsam in individueller Absprache festgelegt werden kann. Diese bereichsübergreifende Flexibilität und die stets beherrschbar gehaltene Situation der didaktisch handelnden Dyade sind kennzeichnend für den monodidaktischen Unterricht. Im oben beschriebenen Fall zeigt das Unterrichtsprotokoll, daß gerade hier in der Wahl des Unterrichtsortes und der räumlichen Gegebenheiten ein großes Problem zu sehen ist. Das Eindringen der Lehrerin in die Privatsphäre des Schülers Herrn B., als auch die unbekannten Räumlichkeiten des Musikübungszimmers riefen bei Frau K. Beklemmung und Hemmungen hervor, welche das weitere Unterrichtsgeschehen und den Lernerfolg negativ beeinflußten. Ein neutraler und schon bekannter Ort hätte in beiden Fällen Abhilfe geschafft. Ebenso wie die Örtlichkeit, wäre es im vorhergehend beschriebenen Projekt möglich gewesen, zum Beispiel die Sitzordnung zu verändern. Beide Teilnehmer hätten idealerweise über Eck am Tisch mit direktem Blick auf den Computerbildschirm sitzen können, statt in größerer Entfernung fast hintereinander. Diese Sitzposition hätte zum Vorteil gehabt, daß der Schüler eine gute Position zum Computerbildschirm als auch zur Lehrerin hätte einnehmen können, ohne daß sich diese immer wieder gezielt nach ihm umdrehen müßte. Diese Sitzordnung über Eck hat noch einen großen Vorteil. Es wird kein direkter Blickkontakt erzwungen, bzw. ein Weg- oder Vorbeischauen aber auch nicht als unhöflich gewertet. Ziel der Gestaltung der Unterrichtsumgebung ist eine Reduktion der „Reibungspunkte“ für Lehrer und Schüler gleichermaßen. Dieses Design der Lernumwelt gehört aufgrund ihrer Tragweite in Bezug auf den Lernerfolg zur Kategorie des didaktischen Handelns.

Eine etwas durchaus gleichberechtigte Rolle spielt die „materiale“ Komponente. Im Unterschied zum Schulunterricht unterliegen die Materialien des Einzelunterrichts keiner Beschränkung oder Zensur. Die Wahl der verwandten Materialien, Informationen und Übungsmöglichkeiten unterliegt der pädagogischen und fachlichen Verantwortung der didaktisch handelnden Dyade zu gleichen Teilen. In den zwei oben beschriebenen Fällen wurden eine Geige und Computersoftware als Unterrichtsmaterialien gewählt, welche den jeweiligen Schülern längerfristig nicht zur Verfügung standen, bzw. erst durch Kauf erworben werden mußten. Um einen möglichst großen Lernerfolg auch durch außerunterrichtliches, autodidaktisches Lernen und Üben zu erreichen, sollten die im Unterricht verwandten Materialien und Informationsquellen dem Schüler permanent und kostengünstig zugänglich sein. In der Vorbereitungsphase ist diesbezüglich eine gemeinsame Absprache zwischen Lehrer und Schüler notwendig.

Die „lernende“ Komponente bildet mit der „lehrenden“ Komponente das Fundament eines guten und erfolgsorientierten Einzelunterrichts. Auch hier verdeutlichen Beispiele aus dem Protokoll den Einfluß einer individuellen Vorbereitung, Anpassung und Optimierung des Lernziels und -verlaufs auf das Unterrichtsgeschehen und seinen Erfolg. Frau K. stieß trotz guter Praxiskenntnisse schnell auf Ihre Grenzen als Lehrerin. Ihr fehlten der Wissensvorsprung im Bereich der Theorie und das nötige didaktische und pädagogische Verständnis, um die Theorie mit der Praxis verbinden und anschaulich erklären zu können. Eine längerfristige Vorbereitung des Unterrichtsinhaltes, der Einsatz von verschiedenen anschaulichen Lehrmaterialien, eine Vorbesprechung des Lehrinhaltes und der schon vorhandenen Kenntnisse mit dem Schüler gehören zur personenbezogenen Vorbereitungs- und Planungssituation des Einzelunterrichts. Mit einigen spezifischen Einschränkungen gilt dieser Grundsatz nicht nur für den Einzel- sondern auch für den Schulunterricht.

Im Verlauf des Projekts ergaben sich mehrere Situationen, in denen der jeweilige Schüler passiv an den Lektionen teilnahm. Hierbei konzentrierte sich der Lehrer auf das Vorbereiten von Materialien, Zeigen und Erklären von einzelnen Lehrinhalten, ohne Gelegenheit für den Schüler am Geschehen direkt teilzunehmen bzw. handelnd einzugreifen. Grundsätzlich sollte der Unterrichtende folgende Rolle in einer didaktisch handelnden Dyade einnehmen. Er agiert multifunktional, zum Beispiel als Pädagoge, Instrukteur, Trainer und Informator. Aus interaktionistischer Sicht übernimmt er den Part des Mittlers zwischen Schüler und Lehrstoff. Seine Aufgabe ist die Erstellung einer auf den Lernenden ausgerichteten, jederzeit veränderbaren, individuellen Passung der Lehr-Lern-Situation. Er bezieht den Schüler in das Geschehen ein, motiviert, leitet und regt zum selbständigen Arbeiten an, befähigt den Schüler zum autodidaktischen Lernen und prüft. Der Lernende sollte jederzeit die Möglichkeit haben, didaktische Entscheidungen des Lehrers mit zu tragen und in den Unterricht direkt einzugreifen.

IV. Zusammenfassung

Den Bemerkungen der Autorin kann entnommen werden, daß der Unterricht vorrangig unter zwischenmenschlichen Spannungen litt. Ein unzureichendes Warming up, welches in Form eines vorunterrichtlichen Kennenlernens hätte stattfinden sollen, und das Eindringen in die Privatsphäre des einen Teilnehmers verstärkten diesen Negativeffekt. Zum anderen sind auch die unterschiedlichen Charaktereigenschaften und Vorkenntnisse der beiden Partner zu beachten. Im Fall von Frau K., waren Hemmungen gegenüber einem Fremden, speziell einem Vertreter des anderen Geschlechts, dem Unterricht nicht zuträglich.

Die unzureichende Vorbereitung der Teilnehmer auf beide Unterrichtsthemen, ungenügende Arbeitsbedingungen und die Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit, trugen dazu bei, daß das Projekt auf Seiten von Frau K. als Negativerfahrung gewertet wurde. Als positiv wurde jedoch das Interesse von Herrn B., sich auf dem Gebiet der Photobearbeitung weiterbilden zu wollen, angesehen.

Literaturverzeichnis

Brockhaus: Konversations-Lexikon; 9. Band, 14. vollst. überarbeitete Aufl., Leipzig, 1908

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1 Brockhaus Konversations-Lexikon, Leipzig 1908, 9. Band

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Details

Title
Projektbericht Einzelunterricht
Author
Year
2000
Pages
13
Catalog Number
V96070
ISBN (eBook)
9783638087476
File size
352 KB
Language
German
Keywords
Einzelunterricht
Quote paper
Jacqueline Konrad (Author), 2000, Projektbericht Einzelunterricht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96070

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