Vulkane im Allgemeinen und der Vesuv im Besonderen


Presentation / Essay (Pre-University), 2000

9 Pages


Excerpt


Der Vulkan

Allgemeine Definition:

Als Vulkan bezeichnet man jede Fläche der Erdoberfläche, an der Magma austritt, im engeren Sinne ein durch das Magma entstandener „feuerspeiender“ Berg. Der Austritt des Magmas und seiner Gase, die Eruption, erfolgt durch einen Schlot oder durch eine Spalte. Am oberen Schlotende entsteht eine trichter - oder kesselförmige Mündung, der Krater. Aus ihm werden Gase, Magma in der Form flüssiger Lava oder als Lockerprodukte (vulkanische Bomben, Schlacken, Lapilli, Sande und Aschen) gefördert. Die Lockerprodukte bilden um den Krater einen innen steil, außen flacher geböschten Wall, der zu einem Aufschöttungskegel emporwächst.

Hinweis: Lockerprodukte = Tephra; zu Gesteinsschichten verfestigt = Tuff

Vulkantypen:

Es gibt zwei Haupttypen von Vulkanausbrüchen, die mit starker Gasförderung verknüpfte explosive Aschen - oder Schlackeneruption und die eigentliche Lavaeruption. Diese Trennung ist nicht scharf, denn an vielen Vulkanen kommen beide Ausbruchstypen vor.

Je nach Ausbruchsart und der daraus resultierenden Oberflächenform unterscheidet man Maare, Aschenvulkane, Schildvulkane, Calderen (Einzahl: Caldera) und Stratovulkane bzw. Schichtvulkane.

Maare:

Wenn Vulkanausbrüche fast ausschließlich aus Gasexplosionen bestehen, sprengen sie das über dem Aufstiegsschlot liegende Deckgestein weg, fördern aber nur wenig Material. Statt eines Vulkanberges schaffen sie einen trichterförmigen Sprengkrater. Soweit er überhaupt einen Wall hat, besteht dieser vorwiegend aus Trümmern des Deckgesteins. In der südlichen Eifel liegen zahlreiche Krater dieser Art. Die meisten Maare sind durch einmalige Ausbrüche entstanden. Fortgesetzte Aktivität würde normalerweise hinreichend Material an die Oberfläche bringen, um eine Bergform aufzubauen.

Aschenvulkane:

Bei explosiven Eruptionen fallen die groben Partikel im engen Umkreis der Ausbruchsstelle auf die Erde zurück und wachsen bei hinreichend häufigen bzw. hinreichend lang andauernden Ausbrüchen zu einem kegelförmigen Berg, dem Aschen - und Schlackenvulkan, an dessen Gipfel der Krater liegt und dessen zentrale Achse vom Vulkanschlot gebildet wird. Nur im Schlot enthält ein solcher Vulkan zusammenhängendes, festes Lavagestein, der übrige Kegel besteht ausschließlich aus Lockerstoffen. Aschenvulkane können sehr rasch wachsen. Ein berühmtes Beispiel ist der Paricutin in Mexiko. Er begann am 20.Feb.1943 in einem Maisfeld auszubrechen, baute bis zum folgenden Morgen einen 40m hohen Kegel auf und wurde innerhalb eines Jahres über 300m hoch.

Reine Aschenvulkane sind nicht sehr lange aktiv und bleiben auch nicht lange als Landformen bestehen. Ein Vulkan, dessen Tätigkeit über mehrere geologische Zeiträume anhält, fördert neben den Ascheneruptionen auch Lava, so dass kein langzeitig aktiver Vulkan ein reiner Aschenkegel bleibt.

Schildvulkane:

Ist die Austrittsstelle dünnflüssiger Lava punktförmig oder eine kurze Spalte und fließt neue Lava immer an der selben Stelle aus, dann bilden die (radial divergierenden) übereinander liegenden Lavaströme insgesamt eine breite, schildförmige zur Mitte ansteigende Erhebung, einen Schildvulkan.

Der Mauna Kea (4210m) und der Mauna Loa (4168m), beide auf Hawaii, sind die großartigsten Schildvulkane der Erde. Die Basis ihrer Lava liegt bei 4 - 5000m unter dem Meeresspiegel, so dass ihre aus Lava aufgebaute Gesamthöhe etwa 9000m beträgt. Die gesamte Insel Hawaii, über dem Meeresspiegel 10400km² groß, einschließlich ihres untermeerischen Sockels noch wesentlich größer, ist eine einzige riesige Lavamasse, aus mehreren großen Schildvulkanen zusammengesetzt.

In der geologischen Vergangenheit haben außerdem in mehreren anderen Regionen der Erde ausgedehnte Deckenerg ü sse dünnflüssiger Lava (Flutbasalte) große Lavaplateaus geschaffen.

Calderen:

Der Begriff Caldera (ital. = Kessel) bezeichnet eine vulkanische Hohlform, die entweder durch eine große explosive Eruption als Sprengtrichter entstand (Explosionscaldera), mit einem Durchmesser, der die gewöhnlichen weit überschreitet, oder Einsturz des Vulkangipfels in die nach einer Eruption entleerte Magmenkammer im Untergrund (Einsturzcaldera). Diese beiden Ursachen sind nicht immer zu unterscheiden und treten in der Tat oft gemeinsam auf. Der Riesenkrater des Vesuvs von 79 n. Chr. War eine Caldera. Eine durch den kombinierten Effekt von Explosion und Einsturz verursachte Caldera ist der Kessel des Laacher Sees in der Eifel, dessen letzter Ausbruch vor etwa 11000 Jahren geschah.

Stratovulkane:

Der Name dieses Vulkantyps ist von dessen Aufbau hergeleitet. Stratovulkane bestehen aus alternierenden Lagen von Pyroklastika und Lava, also einer Art Schichtung, die von der zentralen Achse des Vulkanberges nach allen Seiten hin abfällt.

Nicht jede einzelne Schicht ummantelt den gesamten Berg, sondern die Lava besteht aus einzelnen Lavaströmen, die zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Stellen den Berghang hinabgeflossen sind und später von Lockerstoffen und von weiteren Lavaströmungen überdeckt wurden. Im Deutschen werden Stratovulkane auch Schichtvulkane oder gemischte Vulkane genannt.

Die feste Lava gibt dem Berg ein inneres Gerüst, durch das er eine höhere Widerständigkeit gegen die Abtragung erlangt als Aschenvulkane. Der Wechsel von Aschen - und Lavaeruptionen kann über sehr lange Zeit andauern, so dass Stratovulkane sehr hoch werden können. Im Idealfall bilden sie einen hohen Kegel, dessen Hänge von einer breiten Basis zum Gipfel hin zunehmend steiler werden. Große Stratovulkane erreichen ihre Höhen von mehreren 1000 Metern normalerweise im Laufe einiger Millionen Jahre. Auch wenn dieser Aufbau zeitweise rasch erfolgt, bleibt doch die mittlere langzeitliche Nettorate der Relieferhöhung in der Größenordnung von etwa einem Meter pro 1000 Jahre. Auch der Vesuv ist ein Stratovulkan, aber er besteht aus mehreren übereinandergesetzten Vulkangenerationen. Sein Beispiel zeigt, dass die Höhe der Vulkane während der Zeit ihrer Tätigkeit erheblich schwanken, je nachdem, ob ihre Gipfel weggesprengt oder aufgebaut werden. Erst nach dem Ende vulkanischer Tätigkeit setzt die fortschreitende exogene Abtragung ein; sie vollzieht sich dann in derselben Weise wie die Abtragungen nichtvulkanischer Berge nach Beendigung der Hebung.

Hinweis:

Unter Magma versteht man alle unterirdischen Gesteinsschmelzen. Lava sind nur die an der Oberfläche austretenden Magmen.

Geschichte des Vesuv

An geologischen Zeitaltern gemessen, ist der Vesuv ein Winzling unter den topographischen Erhebungen der Erde, und als Vulkan kommt ihm in mancher Hinsicht ebenfalls kaum Bedeutung zu. Er ist knapp 17000 Jahre alt und erhebt sich nur 1280 Meter über die Bucht von Neapel. Und doch ist dieser im Grunde zweitrangige Berg der berühmteste unter den Vulkanen. Seit Geschick ist seit mindestens 3000 Jahren eng mit dem der 2 Millionen Menschen, die in seiner Umgebung leben, verknüpft - die größte Bevölkerungszahl, die es je in unmittelbarer Nachbarschaft eines aktiven Vulkans gab. Kein anderer feuerspeiender Berg hat eine so wichtige Rolle in der Geschichte gespielt und ähnlich dramatisch unterstrichen, welche Gefahr, aber auch welchen Segen es bedeutet, wenn man die Hänge eines tätigen Vulkans als Wohnsitz wählt.

Der Vesuv steht noch in einer anderen Hinsicht als einmalig da. Um ihn rankt sich keine jener Legenden, Mythen oder Tabus, die Teil der Folklore vieler anderer Vulkangegenden sind. Ehe er 79 n. Chr. Pompeji und Herculaneum begrub (und allem Anschein nach auch Jahrhunderte nach diesem Ereignis), verheilt sich der Vesuv die meiste Zeit so ruhig, dass er den griechischen und römischen Gottheiten ebensowenig auffiel wie den Chronisten mittelalterlichen Aberglaubens. Weltruhm erlangte er eigentlich erst, als Archäologen im Laufe des 18. Und 19. Jahrhunderts die wunderbar erhaltenen untergegangenen Städten zu seinen Füßen freizulegen begannen. Und als er in der gleichen Periode zu neuem Leben erwachte, diente er nach und nach auch Geologen als gigantisches Labor, um die junge Wissenschaft der Vulkanologie voranzutreiben.

Die Griechen und Römer hatten durchaus Erklärungen für die Eruption bereit, die allerdings nicht immer mit den wahren Ursachen übereinstimmten. Der griechische Dichter Pindar glaubte, dass die „furchtbare feurige Flut“ des Ätna vom Aufbäumen „jenes Drachenwesens Typhon“ kam (eines hundertköpfigen Ungeheuers mit glühenden Augen und einem schrecklichen Brüllen), nachdem Zeus es unter dem Berg gefesselt hatte. Aber ganz allgemein nahm man eher an, dass Vulkane die Essen titanischer unterirdischer Schmieden sein; vom Ätna und Vulcano etwa hieß es, sie würden vom Gott des Feuers geschürt, der bei den Griechen Hephaistos und bei den Römern Vulcanus genannt wurde.

Gehörten die Leute, die an den Hängen des Ätna lebten, einem herben, starrsinnigen und verschlossenen Menschenschlag an, so scharte sich um den Vesuv - schon lange vor der Blütezeit des römischen Imperiums - ein immer bunteres Völkergemisch, das eine zunehmend hedonistische Lebensart pflegte. Die Ureinwohner dieser Gegend waren, soweit man das heute sagen kann, ein Volk von einfachen Viehhirten, die sich Osker nannten. Aber das änderte sich, als gegen 800 v. Chr. Die ersten griechischen Händler und Siedler eintrafen. Die Griechen waren begeistert von dem milden Klima, den sicheren Hafenplätzen und der üppig grünen Landschaft, die entlang der Bucht von Neapel am Fuße des Vesuv vorfanden. Der schlummernde Vulkan war gut 1800m hoch; an ihm grenzte eine weite Ebene, gesäumt von Vegetation. Wälder, in denen es viel Wild gab, reichten bis fast an den Gipfel heran, und das Land rings um den Berg war dank früherer Mineralaschen-Ablagerungen außerordentlich fruchtbar. Unter diesen günstigen Bedingungen gediehen Äpfel, Birnen, Feigen, Kirschen, Melonen, Mandeln und Granatäpfel vortrefflich. Man brachte im Jahr zwei bis drei Ernten Weizen, Gerste und Hirse ein, und sowohl Gemüse wie Weinreben wuchsen überall üppig.

Die neuen Siedler kamen gut mit den Einheimischen aus und errichteten Handelsplätze entlang der Küste. Dörfer und später auch kleinere und größere Städte entstanden in der Nähe des heutigen Neapel - bei Herculaneum, entlang der Küste am Fuße des Berges und bei Pompeji, das auf Anhöhen aus alter Lava oberhalb des schiffbaren Sarno errichtet wurde.Im Laufe der Jahrhunderte wurden diese Orte zu Mittelpunkten griechischer Religion, Architektur und Kunst sowie griechischen Theaters. Der Wohlstand zog räuberische Horden an, und Ende des 5. Jahrhunderts v. Chr. Gelang es den Samniten, die aus den Bergen stammten, alle Siedlungen an der Bucht zu erobern. Aber auch die neuen Herrscher übernahmen die greichische Kultur und verfielen den Annehmlichkeiten des Lebens auf den einladenden Hängen des Vesuv.

Nach der Eroberung durch Rom 88 v. Chr. Wurde Latein die Sprache Süditaliens, und Pompeji verwandelte sich in eine der schönsten Städte des Imperiums, mit einem eigenen Rat und neuen öffentlichen Prachtbauten. Die Stadt kam zu Wohlstand durch den Handel mit Obst und Wein von den üppigen Gärten und Rebstöcken des Vesuv und erlangte zudem Berühmtheit als Erholungsstätte.

Diese Idylle wurde in den 150 Jahren, ehe der Vesuv aus seinem tausendjährigen Schlummer erwachte, nur zweimal unterbrochen. Im Jahre 73 v. Chr. floh der thrakische Sklave und Gladiator Spartakus auf den Gipfel des Vesuv und überraschte seine römischen Gegner, so dass er zwei Jahre lang Süditalien in Atem hielt, bevor er der römischen Übermacht unterlag.

Die zweite Unterbrechung pompejischen Friedens und Wohlstands kam 133 Jahre später, also 62 n. Chr., und war, obwohl das damals noch niemand ahnte, eine unmittelbare Folge der Kräfte, die in der Tiefe des majestätischen, weit über die Bucht aufragenden Berges erwachten. Ein heftiges Erdbeben erschütterte das Gebiet und richtete sowohl in Herculaneum wie in Pompeji gewaltige Schäden an. Die meisten öffentlichen Gebäude und viele Privathäuser wurden völlig zerstört. Der römische Senat beschloß in Übereinstimmung mit Kaiser Nero, den Wiederaufbau zu unterstützen - nicht nur, um zwei Orte zu erneuern, die so vielen einflußreichen Männern teuer waren, sondern auch, um die baulichen Spuren griechischer und oskischer Vergangenheit zu verwischen.

Die Erdstöße von 62 n. Chr. waren größtenteils in Vergessenheit geraten, als es Mitte August im Jahre 79 n. Chr. zu neuen Erschütterungen kam. Keiner verstand, dass der Vesuv während des ersten großen Bebens aus einem Schlaf erwacht war und nun vor dem drohenden Untergang warnte. Aber darüber bleiben die Bewohner nicht lange im unklaren. Am Morgen des 24. August erschütterte ein heftiges Beben die Landschaft am Fuße des Berges. In das Poltern einstürzender Mauern drang ein ohrenbetäubender Donnerschlag. Der Gipfel des Vesuv, auf dem sich einst Spartakus verschanzt hatte, riß auf, und glühende Asche stieg als gewaltige, brodelnde Wolke auf. Mit unglaublicher Schnelligkeit schoß sie in die Höhe und breitete sich über den klaren blauen Himmel aus, wie schwarzer, von Blitzen durchzuckter Schaum. Als die Bewohner von Pompeji voller Entsetzen auf die Straßen hinauseilten, ging ein Hagel von Felsstücken und Bimssteinbrocken auf sie nieder, gefolgt von einem dichten Gestöber aus schwarzer Asche, das Grabesfinsternis brachte. Herculaneum, das knapp 15 Kilometer weiter nordwestlich an der Küste lag, hatte unter noch schlimmeren Folgen des Ausbruchs zu leiden: Ein Schlammstrom, durchsetzt von weißen, grauen und grünen Bimssteinbrocken, begann die Stadt zu überfluten.

Vor Misenum an der äußersten Westspitze der Bucht von Neapel lag gerade eine Flotte von Kriegsgaleeren unter dem Befehl eines römischen Offiziers namens Gaius Plinius Secundus, als der Ausbruch erfolgte. Der Befehlshaber brachte seine Schiffe auf die andere Seite der Bucht, um das verhalten des Berges aus der Nähe beobachten und so viele Unglückliche wie möglich retten zu können. Nachdem er südlich von Pompeji an Land gegangen war, ereilte ihn schließlich selbst der Tod - er erstickte in den Giftdämpfen und dichten Aschewolken. Diesem Unglück wiederum verdanken wir die einzige Augenzeugenschilderung der Katastrophe - zwei Briefe von Plinius dem Jüngeren. Es ist, soweit wir wissen, überhaupt der erste Augenzeugenbericht über einen Vulkanausbruch.

Der Neffe war mit seiner Mutter in Misenum geblieben, als sich sein berühmter Verwandter auf die andere Seite der Bucht begab. Nach den Aussagen der Überlebenden dieser unglücklichen Fahrt schilderte er, dass es Plinius dem Älteren nicht möglich gewesen sei, in der Nähe des Berges zu landen, da „Asche auf die Schiffe zu fallen begann, die um so heißer und dichter wurde, je weiter man fuhr. Bald folgten auch Bimssteine und schwarzes, vom Feuer zerbröckeltes Gestein, und der Strand war übersät von Trümmern des Berges.“ Der Befehlshaber beschloß, über Nacht im Ort zu bleiben, um den verängstigten Bürgern Mut zu machen. Indessen schossen aus dem Vesuv an mehreren Stellen weithin sich ausbreitende Flammen und hohe Feuersäulen empor, deren blendender Schein durch das Dunkel der Nacht noch erhöht wurde.

Die angsterfüllten Begleiter weckten Plinius den Älteren im Morgengrauen - von dem man allerdings nichts merkte, denn „sie befanden sich immer noch im Dunkeln, schwärzer und dichter als jede Nacht, das sie durch Entzünden von Fackeln und verschiedenen Lampen erhellten. Mein Onkel beschloß, an den Strand hinunterzugehen und an Ort und Stelle die Möglichkeit eines Entkommens über das Meer zu prüfen, aber er stellte fest, dass die Wogen noch zu wild und gefährlich waren.“ An dieser Stelle scheint den alten Offizier der Tod ereilt zu haben. Schließlich taumelten einige Mitglieder der Gruppe in die Boote und brachten sich in Sicherheit, um später die düstere Begebenheit zu melden.

Der junge Plinius wartete mit seiner Mutter abseits „in der festen Überzeugung, dass die Welt untergehen würde und ich mit ihr“, bis eine bleiche Sonne schließlich eine „hoch mit Asche wie mit Schnee bedeckte“ Landschaft enthüllte. Der Vesuv und seine Umgebung waren nicht wiederzuerkennen. Die Nordwand des Vulkans stand noch, aber ein Großteil seines Westhangs war weggesprengt worden oder in de gähnenden Krater gestürzt, über dem nun ein spitzer neuer Kegel aufragte - die Wiedergeburt des Vesuv. Herculaneum lag unter 15 bis 20 Metern Schlamm, der mit Bimsstein vermengt war - eine Decke, die nach und nach zu Stein erhärtete. Über Pompeji breitete sich eine sechs Meter dicke Ascheschicht. Mindestens 2000 Bewohner von Pompeji starben unter dem plötzlichen, alles einhüllenden Aschebergen. Jedenfalls gab man beide Orte offiziell auf.

Der Vulkan erwachte weiterhin etwa einmal in jedem Jahrhundert zu brüllendem Leben, schleuderte mächtige Aschewolken in den Himmel oder schickte Schlamm - und Lavaströme über seine Flanken in die Tiefe. Man hat in den 1000 Jahren nach dem Ausbruch von 79 n. Chr. wenig über seine Aktivitäten aufgezeichnet. Aber Vulkanologen, die sich mit den spärlichen Dokumenten sowie mit den Asche - und Lavaschichten befaßten, fanden heraus, dass es in den Jahren 203 und 472 n. Chr. zwei schwere Eruptionen gab, dazu eine weitere in dem Jahr 512 n. Chr., die so schlimm war, dass der Gotenkönig Theoderich den betroffenen Orten den Tribut erließ. In den Jahren 685 und 787 brach der Vesuv von neuem aus, und dann, zwischen 968 und 1037, spie er in wilder Hektik gleich fünfmal feurige Lava. Kurze Zeit später fiel der Vulkan in einen Schlaf, der 600 Jahre währte - um sich dann erneut zu erheben und die Menschen in seiner Nachbarschaft von da an ständig zu bedrohen.

Der Vesuv beendete seine lange Periode der Ruhe - in einer Heftigkeit, die in mancher Hinsicht schlimmer war als jene, mit der er die Menschen von Pompeji und Herculaneum, heimgesucht hatte. Ein Prälat, der den Krater etliche Monate vor der Eruption betrat, berichtete, dass er einen Umfang von acht Kilometern habe und gut 1800 Meter tief sei. Ein schmaler gewundener Pfad führte zu einer Felsenmulde in der Mitte der Ebene; diese Zone war frei von Vegetation und enthielt drei kleine Tümpel, einen mit heißem, geschmacklosen Wasser, einen mit heißem und bitteren und einen dritten, der unerklärlich kalt war, aber salziger als das Meer. Dies war die Kratermündung des Vesuv.

Im Sommer jenen schicksalhaften Jahres begann die Erde ringsum den Vesuv zu beben; die Heftigkeit der Erdstöße steigerte sich von Tag zu Tag. Anfang Dezember war der ganze riesige Krater mit brodelnder Flüssigkeit gefüllt. Doch auf die drohenden Vorzeichen achtete wie so oft keiner.

Am 16. Dezember gegen 7 Uhr morgens senkte sich beinahe gleichzeitig mit dem Einsetzen furchterregender Ascheeruptionen eine Höllenfinsternis über das Gebiet. Am Tag darauf öffneten sich kurz vor Mittag zwei gewaltige Risse in der Südwestflanke des Berges, und Fluten rotglühender Lava wälzten sich in die Tiefe. Am gleichen Abend flossen heißer Schlamm und neue Lava vom Südhang des Vulkans. Ehe der Berg am 18. Dezember endgültig wieder zur Ruhe kam, waren sechs Dörfer von Lava und neun von Schlammfluten überrollt worden, und Neapel steckte knietief in der Asche. Mehr als 4000 Menschen und 6000 Stück Vieh kamen um.

Durch eine Laune der Geschichte war es eben diese Katastrophe, die die Neapolitaner endlich zu den Schätzen der Antike führte, die so lange fast vergessen im Boden geruht hatten. Die Braut des 19jährigen Charles III. von Bourbon, der soeben den Thron des Königreichs Neapels bestiegen hatte, zeigte sich begeistert von den Skulpturen. Sie überredete den jungen König, nach weiteren Statuen graben zu lassen. So begann im Jahre 1738 ein archäologisches Unternehmen, dass 250 Jahre später noch nicht abgeschlossen sein sollte und überraschende Einblicke in die römische Kultur gewährte - und das den Vesuv zum berühmtesten Vulkan der Welt machte.

Sir William Hailton war von 1764 bis 1800 englischer Gesandter in Neapel und darüber hinaus Amateurarchäologe. Er und ein paar andere wagemutige Männer begannen, sich um die Ausbrüche des Vesuv Gedanken zu machen. Für Vulkanologen war er ein äußerst genauer Beobachter und einer der ersten Vesuv-Experten. Hamilton konnte die stoisch ruhige Einstellung der Bauern und Siedler nicht fassen, die sich in so großer Zahl an den Berg klammerten „Sie glauben, dass ein Schutzheiliger die alles vernichtende Lava von seinem Grund und Boden abwenden wird.“ Der Schutzheiliger, auf den Hamilton anspielt, ist Januarius, der Schutzpatron von Neapel. Immer, wenn eine Eruption sie ängstigten, forderten die Neapolitaner, dass ihr Kardinal das Heiligenstandbild in einer Prozession durch die Straßen tragen ließ. Spätere Wissenschaftler hatten allen Grund, für diesen Brauch dankbar zu sein, denn oft waren die einzigen Schriftdokumente, die auf Eruptionen im Mittelalter hinwiesen, Kirchenbücher, in denen verzeichnet stand, wann man Januarius unters Volk getragen hatte.

Während einer Eruption im Jahre 1767 hatte Hamilton von seiner Villa bemerkt, dass wiederholt „Schlacke-, Asche- und Bimssteinauswürfe einen kleinen Berg“, einen Zusatzkegel, im Inneren des Hauptkraters gebildet hatten, dessen Spitze sich allmählich über den Rand des Vesuv hob.

Hamilton beschloß, das Phänomen aus nächster Nähe am Berggipfel zu beobachten. Aber das war ein gefährliches Unterfangen, und er hatte Glück, daß er mit heiler Haut davonkam, denn „der Berg riß auf, und mit großem Getöse schoß aus dem neuen Schlund eine Fontäne flüssigen Feuers viele Meter in die Höhe und wälzte sich geradewegs auf uns zu. Schwarze Rauch - und Aschewolken führten zu einer nahezu vollkommenen Finsternis. Unablässig zitterte die Erde unter den Füßen. Die Bimssteinbrocken, die auf ihn niederhagelten, waren so groß, daß die Körperteile, die von ihnen getroffen wurden, empfindlich schmerzten.

Etwa 70 Jahre später verschaffte Ferdinand II, König beider Sizilien, den Vulkanologen eine permanente Möglichkeit, ihre Wissenschaft voranzutreiben, indem er hoch oben auf dem Nordwestrand des Vesuv ein Observatorium errichten ließ. Aber das königliche Interesse an dem Projekt ließ schon bald nach, und das Observatorium war bis 1850 so gut wie verwaist, als der Berg erneut ausbrach und großen Schaden anrichtete.

Im März öffnete sich der Vulkankegel auf der Nordwestseite, vom Observatorium aus gut sichtbar. Lava strömte aus, und einige Reihe von Rissen und Spalten schickten Gasfontänen in den Himmel. Luigi Palmieris, der das Observatorium übernommen hatte, zeichnete durch seine Instrumente eine starke Aktivität im Berginnern auf, und am 25. April war der Direktor des Observatoriums auf seinem Posten, als der Vesuv einen heftigen Ausbruch hatte. Sechs Tage lang harrte Palmieri standhaft aus, und trotz der Giftgase, die ihm den Atem nahmen, wagte er sich hin und wieder nach draußen, um die Lavaströme aus der Nähe zu beobachten.

Der Vesuv war in aller Welt bekannt, als er 1906 erneut ausbrach - ein Ereignis, das durch dramatische Berichte, die wie bereits 1872 von dem bedrohten Observatorium auf den oberen Hängen kamen, noch stärkere Aktualität gewann. Die Anfangsphase jener Vulkanität, die im Frühjahr 1905 begann, richtete weniger Schaden an als der brutale Höhepunkt im April des folgenden Jahres. Aber sie zwang Matteucci zu einem riskanten Wettlauf um das Leben eines kleinen Jungen namens Giovanni Olivieri, der von Lavaströmen eingeschlossen wurde, als er in einem Weinberg unterhalb des Observatoriums flüchtete. Er und der Vesuvführer Pasquale Pacifico arbeiteten sich über die dünne Kruste zum Jungen vor. Matteucci beschrieb die Überquerung später so: „Das Ganze erinnert an eine trügerische Eisschicht - aber wie anders und um wie vieles schrecklicher sind die Voraussetzungen, wenn man statt Wasser flüssiges Feuer unter den Füßen hat! Die Hitze war vernichtend. Mit feuchten Tüchern als Gesichtsschutz und angesengten Schuhen, Brandwunden an den Händen und rauchenden Kleidern tasteten wir uns über die nachgebende Kruste vor und ergriffen den zitternden Jungen. Wir wagten nicht, ihn zu tragen, sondern schoben ihn vor uns her, um das Gewicht besser zu verteilen, und gelangten so schließlich in Sicherheit.“

Als die Eruptionen immer heftiger wurden, geriet das Observatorium selbst in Gefahr - durch Erdstöße, Steinhagel, dichte Ascheregen und heiße Gase, die das Atmen erschwerten. „Im Innern des Gebäudes konnte man kaum die Räume durchqueren, ohne sich mit einer Hand an der Wand abzustützen. Der Berg pulsierte und vibrierte unentwegt wie die Außenschicht eines summenden Dampfkessels.“ Dörfer am Nordosthang des Berges versanken unter Ascheschichten. Die Eisenbahn und Seilbahn für die Touristen wurden zerstört. Das Observatorium blieb stets einsatzbereit.

Als die Hauptausbrüche einsetzten, hatten sich 30000 Menschen vor der Kathedrale von Neapel versammelt. Der Reporter Frank Perret, der die ganze Zeit mit einigen anderen Leuten im Observatorium ausharrte, verzeichnete einige merkwürdige Phänomene auf, darunter einen „elektrischen Wind“, der das Metall an den Münzen der Karabinieri „knistern“ ließ und „an jedem spitzen Gegenstand, den wir an uns trugen, Elmsfeuer hervorrief.“ Einmal hagelte es aus einer großen Aschewolke, die sich über dem Vulkan erhob, weiche Schlammbatzen, manche so groß wie Eier. Perret folgerte, dass die mit Wasser angereicherte Asche kondensierte und sich zusammengeballt hatte, als sie in kältere Höhen aufstieg, um dann in Form von Schlamm zurück auf die Erde zu fallen.

Am 18. April 1906 brach der Vesuv erneut aus. An diesem Tag rissen die dichten Aschewolken kurz auf, und die Männer im Observatorium entdeckten eine große Gruppe Männer, Frauen und Kinder, die Zuflucht in einem nahe gelegenen Behelfsbau suchten. Wie zuvor machte sich der furchtlose Matteucci auf, die Gruppe zu retten. Perret und die Karabinieri begleiteten ihn. Das Bauwerk stand nur 60 Meter entfernt, aber die Aschewolken hatten sich wieder geschlossen, dichter als zuvor, „Die Dämpfe nahmen uns fast den Atmen“, schrieb Perret, „und die Asche rief eine totale Finsternis hervor.“ Und zu alledem bliesen heftige Böen die vulkanische Asche „mit solcher Kraft umher, dass uns die Lippen bluteten“.

Als die Retter die Baracke erreichten, fanden sie dort 40 Menschen vor. Perret schilderte, dass „sich alle an einem Seil festhielten, dessen Ende wir an die Barackentür verknoteten. Der Kopf dieser Menschenschlange tastete hin und her, bis wir einen vertrauten Fleck gefunden hatten; dann wurde der Schweif nachgeholt, und das Ganze begann von vorn, bis wir das Observatorium erreichten. Mehr tot als lebendig dort angelangt, mußten wir acht Stunden lang diese gefährlichen Gase ertragen; dazu schwebten in der Atmosphäre so viele Ascheteilchen, dass man eine Lampe auf der anderen Seite des Raumes nicht sehen konnte. Aber um Mitternacht ließ der Ausbruch allmählich nach, und die Gase verflüchtigten sich. Alle bis auf einen jungen Mann überlebten diese schwere Bedrängnis“.

Der Vesuv kam erst Anfang des nächsten Monats zur Ruhe. Als der Himmel endlich aufklarte, stellte sich heraus, daß es die schlimmste Eruption des Berges seit 1631 gewesen war. Neapel, Pompeji und andere Orte, die zur Küste hin lagen, blieben verschont, aber eine Reihe von Dörfern an der Nord - und Ostflanke wurden unter der Asche und anderem vulkanischen Auswurfmaterial begraben. 150 Menschen starben in der Kirche von San Guiseppe, als das Dach einstürzte, und Dutzende kamen in ihren eigenen Häusern ums Leben. Große Ackerflächen und Weinanbaugebiete - insgesamt 780 Quadratkilometer - wurden durch die Lava und Asche vernichtet.

Der Berg selbst hatte insgesamt 220 Meter seines Kraterrandes eingebüßt, und die Krateröffnung war um etwa 300 Meter breiter geworden; sie besaß nun einen Durchmesser von knapp 500 Metern und reichte so tief, daß man die Sohle von oben nicht erkennen konnte. Ununterbrochen rutschen Lawinen in die Tiefe und häuften Schutt auf, bis 1909, drei Jahre nach der Eruption, die Sohle des Kraters endlich wieder von oben sichtbar wurde - in 200 Meter Tiefe.

Danach zeigte der Vesuv seinen Zorn nur noch ein einziges Mal - 1944, als eine Eruption die Flugzeuge auf den amerikanischen Kriegsstützpunkten rund um Neapel zu einer Einsatzpause zwang und Heere heimatloser Flüchtlinge mit ihren Haustieren und anderen Habseligkeiten die schmalen Wege heruntergeströmt kamen. In der Hauptsache aber waren die letzten Jahrzehnte eine Periode, in der die Wunden des Vulkans heilen konnten. Doch der Berg hütet weiter seine Geheimnisse und sammelt seine Kräfte. Wie sagte der Vulkanologe Alessandro Malladra im Jahre 1913? „Der Vesuv schlummert, aber sein Herz pocht. Er ist ein Ungeheuer, dass sich weder durch List noch durch Klugheit zähmen läßt - mächtig, furchtbar und überwältigend zugleich.“

Forschungsmethoden

Dem Vesuv ist nicht zu trauen

Pünktlich jedes Jahr wird Fieber gemessen. Denn der Schlaf des Patienten ist trügerisch. Mit Seilen gesichert, klettern die Wissenschaftler die Kraterwände des Vesuv hinab, um den Zustand des Vulkans zu untersuchen. Eine Routinearbeit, vergleichbar mit einem medizinischen Check-up. Dampfende Fumarolen gelten als Pulsschlag des Berges. Dort werden die Thermometer angesetzt. Die Temperatur der Gase, die aus dem Erdinnern strömen, geben Aufschluß über unterirdische Aktivitäten. Der Verlauf der Fieberkurve ließen zunächst ein baldiges totales Erlöschen vermuten: Sie sank von 600 Grad im Jahre 1950 auf 104 Ende der 80ger Jahre, stieg seither aber wieder leicht an. Erfahrene Vulkanologen vom Osservatorio Vesuviano, die nach ihrer Exkursion keinerlei Alarmzeichen feststellen und stets ein beruhigendes Kommuniqué veröffentlichen, trauen freilich dem Frieden nicht. Die relative Ruhepause kann jederzeit ziemlich abrupt zu Ende sein. Ein Ausbruch sollte aber weder die Experten noch die Bevölkerung unvorbereitet treffen.

Der Vesuv zählt jedenfalls zu den meisterforschten und bestbeobachteten Vulkanen der Erde. Ein dichtes Netz von Meßgeräten im Kraterschlund ebenso wie an den Flanken des Berges läuft im Observatorium zusammen, einem unter der Regierung Ferdinand II. in den Jahren 1841 - 1845 errichteten neoklassizistischen Bau auf dem Colle dei Canteroni in etwa 600m Seehöhe ( ➔ Geschich- te des Vesuv). Tag und Nacht werden hier von modernsten Geräten die Daten aufgezeichnet und gesammelt und somit gleichsam alle Atemzüge des Berges registriert. Die Wissenschaftler selbst, weltweit anerkannte Fachleute, sitzen freilich in einigermaßen sicherer Entfernung in der Zentrale in Neapel.

Vorhersagen

Was wären Minimal - Forderungen für Vorhersagen von Ausbrüchen? Da wären vor allem drei Fragen zu beantworten:

1. Welche Wahrscheinlichkeit besteht für einen Ausbruch?
2. Welche Gebiete des Vulkangeländes und der Umgebung werden betroffen werden?
3. Welche Art Schäden sind zu erwarten?

Wann wird er wieder ausbrechen? So fragen alle, die in der Nähe eines Vulkans wohnen. Und dann überlegen sie, wann er das letzte Mal, das vorletzte Mal und wann er sonst noch ausgebrochen ist. Aus den Jahren und den Zwischenperioden versuchen sie eine Statistik zu machen und danach zu errechnen, wann der nächste Ausbruch erfolgen wird. Natürlich ist ein solches Vorgehen nicht unbegründet. Wer so rechnet, versucht gewissermaßen herauszufinden, wie lange das Magma braucht, um aus der Tiefe emporzusteigen und sich zu einer großen Menge anzusammeln, daß ihr der Durchbruch durch die Erdoberfläche gelingt. Aber selbst bei Vulkanen wie dem Vesuv und dem Ätna, deren Geschichte wir runde 3000 Jahre übersehen können, läßt sich eine brauchbare Periodizität nicht erkennen. Für den gut erforschten Vulkan Mauna Loa (Hawaii) glaubt man herausgefunden zu haben, daß ca. 3 Jahre nach einem Kraterausbruch mit einem nachfolgenden Flankenausbruch auf einer Kraterseite zu rechnen ist, aber mehr als eine grobe Regel dürfte das nicht sein, denn die Streubreite liegt zwischen 6 und 38 Monaten.

Eine bessere Statistik und damit die Möglichkeit, etwaige Periodizitäten in den Ausbruchsfolgen eines Vulkans zu erkennen, würde man bei einer systematischen Untersuchung seines Ausbruchs - Tagebuchs, der von den Eruptionen abgelagerten Schichten, erhalten können. Man müßte nur die schön geordnet daliegenden Schichten datieren. Bis etwa 40000 Jahre in die Vergangenheit wäre das mit der ¹4C-Radiokohlenstoff-Methode im Prinzip möglich - wenn sich beispielsweise in den Auswurfschichten Reste von verkohltem Holz finden ließen, das indessen ja meist völlig verbrannt ist. Das Alter von mehr als 100000 Jahre altem Auswurfgestein ließe sich mit der Kalium-Argon-Methode bestimmen, und schließlich könnten auch noch andere Methoden der Altersbestimmung von Mineralien zu Hilfe genommen werden, doch leider - wer soll das bezahlen? An eine „Tephrochronologie“, wie die Spezialisten die Altersanalyse von Auswurfmaterial nennen, ist in großem Stil vorerst nicht zu denken.

Nehmen wir einmal an, es wäre der Vulkanismus um die Hauptstadt Rom, die auf der Vulkanlinie Ätna/Liparische Inseln/Vesuv liegt, zu untersuchen. Das wäre ein Gebiet bis über den Albaner See (an dessen Hängen sich im vulkanischen Auswurfschutt am Straßenrand die herrlichsten dunklen Augit- Kristalle finden lassen) und den Nemi-See - beides ehemalige Vulkankrater - hinaus nach Norden etwas bis Livorno. Und wie weit man bei den Untersuchungen in die Tiefe, in die vulkanische Vergangenheit zurückgehen müßte, das begreift jeder Tourist, der einmal in die Katakomben hinabstieg und dort, noch in den größten Tiefen, den braun-roten bis orangefarbenen Bimsschutt gesehen hat.

Kann es um Rom wieder zu Vulkanausbrüchen kommen? Unsere Geschichtsbücher erhalten keinen Hinweis auf Ausbrüche, aber was besagen schon 3000 oder 4000 Jahre menschlicher Geschichte gegenüber erdgeschichtlichen Zeitabständen? Da sind selbst 10000 Jahre oder noch längere Zeiträume klein, und deshalb gibt es Forscher, die auch einem Vulkankrater, der mehr als 10000 Jahre als „erloschen“ gelten darf, keineswegs trauen. Verspürt man in Rom nicht alle paar Jahre „Erdstöße“, also Erdbeben? Es gäbe also Grund genug, das Gebiet in einem Großforschungsprojekt mit modernen Mitteln zu untersuchen - aber woher sollte in Italien, das hier nur als ein Beispiel genannt wird, das notwendige Geld kommen?

Um Vulkanausbrüche vorhersagen zu können, muß man also vor allem die Statistik der Ausbrüche studieren und mittels geologischer Kartierung und Altersbestimmung die Eruptionsstatistik für die vorgeschichtliche Zeit rekonstruieren. Zu den Überwachungsprogrammen von aktiven und inaktiven, jedoch noch eruptionsfähigen Vulkanen gehört es, die seismische Aktivität eines Vulkans, Oberflächendeformationen, Veränderungen des magnetischen und elektronischen Feldes sowie die Temperaturen zu messen. Mit geochemischen bestimmt man die Menge und Zusammensetzung der aufgeworfenen Gase, Flüssigkeiten und Feststoffe; und schließlich gibt auch die vi suelle Beobachtung vom Boden oder vom Flugzeug aus wichtige Anhaltspunkte für einen bevorstehenden Vulkanausbruch. Die meisten Vulkane der Erde werden allerdings nicht einmal mit diesen einfachen Methoden überwacht.

Meßgeräte

Wenn ein Vulkangebiet erst einmal Anfänge von „Aktivität“ zeigt, kann die Wissenschaft vielerlei Meßund Kontrollgeräte einsetzen. Da gibt es:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Registrierung von Temperatur und chemischer Zusammensetzung austretender Gase oder Wässer

Am Ätna haben sich solche Methoden zur Voraussage von Ausbrüchen vielfach bewährt. Als ein großartiges Hilfsmittel zur Registrierung vulkanischer Tätigkeit haben sich in den letzten Jahren die Bilder von Wettersatelliten erwiesen. Sie liefern mit ihren Infrarot-Aufnahmen sehr exakte Informationen über die Wärmeverteilung am Erdboden.

Vom Oktober 1969 bis zum September 1970 zeigte sich, daß die Tätigkeit der Fumarolen am Nordostkrater des Ätna Tag für Tag mit der Auswertung des Nimbus-Wettersatellitenbilder übereinstimmte. Die Wettersatellitenbilder erlaubten es sogar, das Gasfackeln der Erdölbohrstellen in der Libyschen Wüste zu erkennen! Noch mehr als das, es gelang sogar, einen Vulkanausbruch nicht nur zu registrieren, sondern sogar im Detail zu verfolgen, der sonst wohl unbemerkt abgelaufen wäre: einen Ausbruch des Vulkans Beerenberg auf der kaum beachteten Insel Jan Mayen, hoch im Nordmeer zwischen Island und Spitzbergen. Das Infrarotbild zeigte

am 23. September 1970 einen schwarzen Wärmepunkt von ca. 30km Länge,

am 24. September war der Punkt kleiner, also die Ausbruchsstärke vermindert,

am 25. September neue Ausbrüche.

Die zweite drängende Frage an die Wissenschaftler ist, wie groß wird der Schaden durch einen Ausbruch des betreffenden Vulkans sein? Wieviel Gelände wird vom Ausbruch betroffen werden, und in welche Richtung wird der Ausbruch gehen?

Vorhersage für Teneriffa:

Tatsächlich gibt es eine derartige Voraussage für die Insel Teneriffa. Für den nächsten großen Ausbruch besagt sie, daß bei Westwind der große Badeort Puerto de la Cruz eine 7%ige Chance hat, von einer mehr als 1m hohen Aschenschicht bedeckt zu werden, daß über den Ort Guimar mit 33%iger Wahrscheinlichkeit 1m Asche fällt und der Ort Fasnia sogar mit 40%iger Wahrscheinlichkeit von 1m Aschenhöhe bedeckt werden wird. Auch die Schäden durch glühendes bzw. flüssiges Material sind abgeschätzt worden. Danach sind die Orte La Laguna und Santa Cruz als sicher anzusehen, aber etliche andere Orte sind so gelegen, dass die Lavaströme sie erreichen können, etwa Puerto de la Cruz und Guimar.

Welche Art von Schäden sind zu erwarten? Diese Frage läßt sich auch nur von Fall zu Fall, keineswegs generell beantworten. Bei den sehr hohen Vulkanen dieser Erde, die mit hohen Eis - und Schneekappen bedeckt sind, stellen diese gefrorenen Wassermengen bereits die erste Gefahrenquelle dar. Sobald auch nur die Bergspitze warm ist, werden riesige Wasserfluten durch die Bergtäler stürzen. Man hat beispielsweise errechnet, dass bei einem Ausbruch des Mount Rainier (im US-Staat Washington) ca. 3,8 Mio. Kubikmeter Wasser den Berg hinunterlaufen, Steine, Felsen und Erdmassen mitreißen und sich als ein gewaltiger Strom durch die Täler ergießen werden.

Was dann geschehen wird, steht dahin. Wir können kaum mehr sagen, als dass vermutlich Bims, Steine, Lavabrocken und Aschen ausgestoßen werden und sich endlich auch Lavaströme bergab ergießen können. Zu hoffen bleibt, daß Feuerwolken, wie sie St. Pierre zerstörten, weiterhin zu den Seltenheiten vulkanischer Ausbrüche gehören werden. Wer in den Tälern wohnt, wird in jedem Fall stärker gefährdet sein als jene, die ihre Häuser auf den höheren Hängen gebaut haben, und wer über eine Rückzugsstraße verfügt, die nach menschlichen Ermessen nicht sogleich überflutet, durch Steinschlag versperrt oder durch Beben zerrissen werden wird, mag sich glücklich schätzen. Es sollte zu den Aufgaben der Behörden gehören, Bauten in gefährdeten Zonen zu untersagen und Straßen so anzulegen, daß sie Evakuierungsmöglichkeiten bieten.

Eine Anmerkung bleibt hier nachzutragen: So seltsam es klingt, es mag sein, daß Tiere Eruptionsgefahren wittern. Da gibt es in der Fachliteratur einen Bericht darüber, daß auf Hawaii Hunde bereits drei Tage vor einem Ausbruch auffallend unruhig waren und in Löchern, die sie in den Boden gekratzt hatten, schnüffelten. In einem anderen Fall heißt es, Kühe seien bereits 14 Tage vor einem Ausbruch von einem Berg (Arenál-Vulkan in Costa Rica) herabgestiegen. In beiden Fällen hatten Seismographen noch keine Beben registriert.

Eine Eruptions - Skala

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zur Stärke 8 gehört der Ausbruch des Krakatau vom Jahre 1883, zur Stärke 7 der klassische VesuvAusbruch des Jahres 79, der Herculaneum, Pompeji und Stabiae zerstörte. In die oberste Reihe wird man den Santorin-Ausbruch einordnen dürfen.

Quelle: „ Golf von Neapel “ / Dumont Richtig Reisen, „ Der Planet Erde - Vulkane “ / Time-Life B ü cher, „ Vulkane - Abbild der Erddynamik “ von Robert Decker und Barbara Decker / Spektrum Akademischer Verlag, „ Die Welt aus Feuer und Wasser “ von Friedrich L. Boschke / Hirzel, „ Vulkanismus “ von Hans Pichler / Spektrum der Wissenschaft, „ Einf ü hrung in die Geomorphologie “ von Frank Ahnert / Ulmer, „ Physische Geographie “ von Andrew Goudie / Spektrum Lehrbuch

Excerpt out of 9 pages

Details

Title
Vulkane im Allgemeinen und der Vesuv im Besonderen
Author
Year
2000
Pages
9
Catalog Number
V96124
ISBN (eBook)
9783638088015
File size
383 KB
Language
German
Keywords
Vulkanismus, Vesuv, Lava, Erdbeben
Quote paper
Carolin Elberg (Author), 2000, Vulkane im Allgemeinen und der Vesuv im Besonderen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96124

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Title: Vulkane im Allgemeinen und der Vesuv im Besonderen



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