Beschleunigte Bodenabtragung und Massenbewegungen im Bereich des Nationalparks Berchtesgaden


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 1995

27 Pages, Note: 2


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Historische Geologie

3. Naturräumlicher Überblick

4. Untersuchungsgebiet Jenner

5. Untersuchungsgebiet Wimbachtal

6. Untersuchungsgebiet Königssee und St. Bartholomä

7. Nationalpark Berchtesgaden

8. Schriftenverzeichnis

1. Einleitung

Beginnend mit der geologischen Geschichte des Gebietes Nationalpark Berchtesgaden und einem naturräumlichen Überblick soll das Arbeitsgebiet in groben Zügen vorgestellt werden.

In drei Untersuchungsgebieten (Jenner, Wimbachtal und Königssee und St. Bartholomä) wird dem Schwerpunktthema "Beschleunigte Bodenabtragung und Massenbewegungen im Bereich des Nationalparks Berchtesgaden" unter Einbeziehung sämtlicher Geofaktoren und der Einflußnahme durch den Menschen nachgegangen. Entscheidend ist hierbei die Auswirkung auf den Landschaftshaushalt. Auf den beiliegenden topographischen Karten im Anhang ist die Lage der Untersuchungsgebiete nachzuvollziehen.

Darüber hinaus wird eingehend die Methode der Dendrologie (Jahrringanalyse) beschrieben und ihre Möglichkeiten bei der Erfassung von Deformationsereignissen aufgezeigt. Auf die einzelnen Deformationsprozesse und deren Folgen für den Naturraum wird an der jeweiligen Stelle eingegangen.

Zum Abschluß fällt der Blick auf die Ziele und Grundsätze eines Nationalparks sowie die Flächennutzungskonkurrenz, die auch im Nationalpark Berchtesgaden den alten Gegensatz zwischen Ökonomie und Ökologie verdeutlicht.

2. Historische Geologie

Die geologische Geschichte des Berchtesgadener Landes beginnt in der Trias vor ca. 248 Millionen Jahren, mit dem Zerbrechen des im Paläozoikum entstandenen Großkontinents Pangäa. Von E drang die Tethys in das Gebiet des heutigen Berchtesgadener Landes ein und breitete sich nach W aus. Dabei geriet das heutige Berchtesgadener Land unter vollmarine Bedingungen, was durch die Werfener Schichten (Sandsteine), die aber auch noch landnahe Einflüsse aufzeigen, dokumentiert ist. Durch weiteres Auseinanderdriften der Kontinente, und die damit verbundene Ausdehnung des Meeres, war Kalk- und Dolomitbildung die Folge (Gutensteiner Kalke bis Ramsaudolomit). Anhand der Kalk- und Dolomitbildungen lassen sich warme klimatische Bedingungen erkennen. Terrestrische Einflüsse verschwanden vollständig. Damit war der erste Karbonatentwicklungszyklus abgeschlossen.

Anhand der Raibler Schichten (Sandsteinen) läßt sich nochmals eine kurzfristige terrigene Phase erkennen, die allerdings nur eine geringe Mächtigkeit aufweist.

Der Karnisch-Norische Dolomit führt nach dieser Unterbrechung die Fazies des Ramsau- dolomites fort, um schließlich zu den lagunären Verhältnissen des Dachsteinkalkes überzu- leiten. Damit war in der Trias die Entwicklung der über 1000 m mächtigen Karbonatplattform in zwei Zyklen abgeschlossen. Die große Mächtigkeit des Dachsteinkalkes bei den herrschen- den lagunären Verhältnissen ist durch die enorme organische Karbonatproduktion zu erklären, die die Absenkung des Schelfrandes, infolge der Entwicklungen in der Tethys, kompensiert hat.

Die Lagunen sind in sich gegliedert, d.h., sie haben Bereiche mit weniger Wasserbewegung und welche mit höherer. Dazwischen können einzelne kleine Riffe entstehen. Diese gruppieren sich vorzugsweise an den Rändern zu den tieferen Meeresbereichen. An den Kanten der Karbonatplattformen zum offenen Meer hin ist ein ausgeprägtes Riffwachstum zu erkennen. Um die Riffe herum bilden sich Schuttgürtel, die ihr Material vom Riff erhalten. Mit Beginn der Jura (vor 213 Millionen Jahren) zerbrach die Karbonatplattform in einzelne Blöcke. Ursache dafür war die Zunahme der Absenkungsrate des Untergrundes, die auch mit der Entstehung des penninischen Ozeans und der Öffnung des Atlantiks in Verbindung zu bringen ist, die zu einer differenzierten Absenkung einzelner Blöcke führte und damit zu unterschiedlichen, kleinen Sedimentationsräumen. Es bildeten sich die Roten Liaskalke, der Fleckenmergel und der Radiolarit. In dieser tektonisch sehr bewegten Phase des Lias traten tektonisch-sedimentär bedingte Erscheinungen wie Gleitschollen, synsedimentäre Faltungen und gekippte Blöcke auf. Während der Zeit der Manganschieferung trat auch Vulkanismus auf. In der Kreide (144 Millionen Jahre) wurde die eurasische Platte in N-S-Richtung unter die afrikanische Platte subdukziert. Dabei wurde das heutige Ostalpin, ursprünglich der nördliche Schelfrand Afrikas, aufgestapelt und in Form großer Decken nach N transportiert. Die heutigen Nördlichen Kalkalpen wurden bei diesen tektonischen Prozessen zusammen mit ihrer paläozoischen Unterlage von ihrem kristallinen Untergrund abgeschert.

Die Nordverlagerung der großen Decken von Afrika aus, hatte im Alttertiär zur Folge, daß das Ostalpin auf die vorgelagerten Zonen des Flysches und des Helvetikums aufgeschoben wurden. Im weiteren überfuhren die Nördlichen Kalkalpen, der Flysch und das Helvetikum zusammen einen Teil der nordalpinen Molasse. Im Alttertiär wurde die Ablagerung von Meeressedimenten im Berchtesgadener Raum abgeschlossen. Dies steht im engen Zusammenhang mit der Hebung des Gebirges im Jungtertiär, nach Abschluß der deckentektonischen Prozesse, die zum größten Teil submarin abliefen. Das Meer wurde in den Bereich nördlich der Alpen zurückgedrängt. Das Land fiel trocken und die eigentliche Landschaftsentwicklung konnte beginnen. Die Abtragungsprodukte des neu entstandenen Festlandes wurden in die Molasse sedimentiert. Diese Prozesse verliefen in mehreren Hebungsphasen und sind durch Verebnungsflächen gekennzeichnet. Die Flüsse schnitten sich meist entlang tektonischer Störungszonen in das Relief ein (Langenscheidt 1994). Die beherrschende tektonische Großstruktur im Berchtesgadener Raum ist wie folgt gegliedert:

In einer vom Tirolikum gebildeten Großmulde (Südrand: Steinernes Meer, Watzmann und Hochkalter; Nordrand: Hochstaufen, Rauschenberg und Zwiesel) liegt schüsselförmig die Hallstätter Zone des Tiefjuvavikums, die einen lückenhaften, schmalen Saum um das Hochjuvavikum mit Reiteralm, Lattengebirge und Untersberg bildet.

Im Berchtesgadener Land herrschen zwei regionale Störungssysteme vor. Die eine Störung ist in Richtung des Königssees angelegt (Torrener-Joch-Zone streicht in SW-NE-Richtung südlich des Jenners) und die andere Störung streicht senkrecht dazu in Richtung des Obersees. Das Landtal und der Abwärtsgraben im Hagengebirge folgen dieser zweiten Störung ebenso wie das Wimbachtal und das Klausbachtal.

Die heutigen Reliefformen und die rezenten geomorphologischen Prozesse sind auf ein polygenetisches Vorzeitrelief bezogen. Nach dem Relieftypus ist die alte Gebirgsoberfläche als Kuppen- und Mittelgebirgslandschaft zu bezeichnen. Durch Verkarstung wurden alte Formen nur geringfügig modifiziert. Wesentlich größeren Einfluß auf die Landschaftsentwicklung hatte dagegen die Glazialerosion. Beachtliche Ausmaße nahm die Glazialerosion im Tal vom Königssee, Wimbach und Klausbach ein, die durch enorme Ein- und Übertiefungsbeträge gekennzeichnet ist. Die Täler erfuhren eine trogförmige Ausgestaltung. Es entstanden Trog- und Hängetäler. Der Hauptbetrag des Eisschurfs ist in die präwürmzeitliche Vergletscherung gefallen. Auf der Nordseite der Hochkalter- und Watzmanngruppe existieren Moränenwälle in 1370 bis 1390 m Höhe (Langenscheidt 1994).

3. Naturräumlicher Überblick

Wie bereits erwähnt ist der Nationalpark Berchtesgaden ein Teil der Nördlichen Kalkalpen, der durch mächtige mesozoische Karbonatentwicklung gekennzeichnet ist. In N-S-Richtung erstrecken drei wesentliche Gebirgszüge mit dazwischengeschalteten

Tälern. Von W nach E sind das die Hochkaltergruppe mit dem 2607 m hohen

Hochkalter, dem Watzmann mit 2713 m ü. NN und dem Hohen Göll mit 2522 m ü. NN, der wie im SW des Hohen Göll vorgelagerte Jenner, mit einer absoluten Höhe von 1802 m ü. NN, Teil des Hagengebirges ist. Ebenfalls in N-S-Richtung erstrecken sich, wieder von W nach E betrachtet, das Klausbachtal, das Wimbachtal, der Königssee und der Obersee und, daß sich daran anschließende Gotzengebiet als ein weniger stark gehobener Teil des Hagengebirges. Im S erscheint das Steinerne Meer, in dem die Karstphänomene am ausgeprägtesten zu finden sind.

Charakteristisch in diesem Gebiet sind die großen absoluten und relativen Höhen- unterschiede auf kurzer Distanz und damit die enorme Reliefenergie. So besteht zwischen dem Königssee (Seespiegel bei 603 m ü. NN) und dem Watzmann (2713 m ü. NN) auf einer Distanz von nur 3300 m ein Höhenunterschied von 2100 m. Dies verdeutlicht das ausgeprägte Skulpturrelief, in dem die vertikale Komponente eine besondere Bedeutung erlangt.

Um den Köigssee sind zwei Grundtypen der Nördlichen Kalkalpen ausgebildet. Zum einen das Gratgebirge (z.B. Watzmann und Hochkaltergruppe) und zum anderen das Plateaugebirge (z.B. Steinernes Meer). Letzteres besitzt mächtige, schwach einfallende, verkarstungsfähige Schichtfolgen, die zu einer intensiven Verkarstung mit ausgedehnten Karrenfelder, Dolinen, Uvalas, geriffelten Wandstufen, Karstschloten und Höhlensystemen führten.

Glaziale Erosions- und Akkumulationsformen sind in diesem Hochgebirgsabschnitt weit verbreitet. Sie wurden von lokalen Vergletscherungen geschaffen. Eine stärkere Eigenvergletscherung der einzelnen Gebirgsgruppen verhinderte das Eindringen von Ferneis des Saalach- und des Saltachgletschers. Besonders kräftige glaziale Formungen sind in den Tälern zu erkennen (Tal des Königs- und Obersees). Die Talhänge im N gegen die Ramsauer Ache und im W des Königssees sind moränenüberdeckt, in den kleineren Nebentäler haben sich Stadialmoränen abgelagert, und die größeren Karstformen sind häufig mit Moränen ausgekleidet. Ein besondere Bedeutung im Berchtesgadener Land ist die Vergletscherung und Verfirnung. Das Einmalige an den Gletschern und an der Firnanhäufung liegt darin, daß sie alle erheblich unter der mittleren Gleichgewichtslinie (zwischen 2700 und 2800 m) der Alpengletscher liegen. Das Vorhandensein von Eis und ganzjährigem Firn ist nur aus den Expositionsverhältnissen, den hohen Bergumrahmungen mit der gewaltigen Lieferung von Lawinenseen, und den großen Verlusten an extraterrestrischer Strahlung durch Horizontüberhöhung zu erklären.

Das Aufragen über die obere Waldgrenze und die Steilheit des Geländes bedingen insbesondere gravitative Prozesse wie Bergstürze, Lawinen, aber auch Gelisolifluktion und Translationsrutschungen.

Die Höhenstufen der Vegetation lassen sich am besten durch die typischen Waldgesellschaften charakterisieren. In den tiefen Tallagen bis etwa 800 m ü. NN befinden sich buchenreiche Wälder sowie Laubmischwälder. In montaner Lage (bis etwa 1400 m) stehen Buchen-Tannnen-Fichtenwälder die an Steilhängen von Fichten- Lärchenwäldern ersetzt werden. In den subalpinen Plateaulagen (1300 bis 2100 m) dominieren Fichten-Lärchenwälder und Zirbenwälder sowie Krummholz- und Zwergstrauchgesellschaften. Die obere Waldgrenze erreicht maximal 1900 bis 2100 m. Eine alpine Mattenstufe ist nur sehr lückenhaft ausgebildet.

Die vorzufindenden Böden entwickeln sich auf fast reinen Karbonaten (Kalken und Dolomiten) als Ausgangsgestein. Sie sind meist geringmächtig, skelettreich und tonmineralarm und gehören zum überwiegenden Teil dem Bodentyp Rendzina (mit dem typischen A-C-Profil) an. Ihre Subtypen reichen von Mullrendzina über Tangelrendzina bis zu Polster- und Pechrendzinen. Sie sind humusreich, aber arm an Feinmaterial in der Tonfraktion. Diese Böden gehen durch voranschreitende Humusakkumulation und Gesteinsverwitterung aus dem Syrosem hervor und sind gerade, wegen ihrer geringen Wasserkapazität gegenüber Abtragungsprozessen, besonders anfällig. Auf den Almen, mit einem tonig-mergeligem Material bilden sich dagegen Pararendzinen und Braunerden mit mäßiger Entwicklungstiefe. Die Nähe zum Alpenrand, und die beträchtlichen Höhe der einzelnen Gebirgsgruppen bewirken ein kalt-feuchtes Klima und sind dafür verantwortlich, daß das Berchtesgadener Land der niederschlagreichste Teil der Bayrischen Alpen ist. Die Niederschlagsverteilung zeigt ein ausgesprochenes Sommermaximum (Juli und August sind die niederschlagsreichsten Monate). Die hohen Niederschlagswerte über das gesamte Jahr verteilt, bedingen eine häufigere Durchfeuchtung des Substrates bzw. Benetzung der Gesteinsoberfläche, das bei Kalken zu einer ständigen Korrosion führt. In Lockermaterialanhäufungen stellen sich Abtragungsvorgänge mit beachtlichem Massentransport ein. Dabei kann es vor allem bei längerem Starkregen zum Aufschwimmen von Griesflächen oder Murgängen kommen. Im Berchtesgadener Land treten relativ niedrige Jahresmitteltemperaturen auf. Berchtesgaden hat 26,3 Eistage, 122,3 Frosttage, aber nur 16,3 Sommertage (Tagesmaximum von 25 °C und mehr) und 167 frostfreie Tage aufzuweisen. Mit einem Temperaturgradienten von 0,47 °C pro 100 m läßt sich die Zunahme von Eisund Frosttagen mit zunehmender Höhe berechnen.

Der ständige Wechsel von Gefrieren und Wiederauftauen führt bei einer entsprechenden Klüftigkeit des Gesteins oder einer lockeren Lagerung des Substrates zur Frostverwitterung (oftmals verbunden mit Temperaturverwitterung), die den Vorläuferprozeß bei der Entstehung von Feststoffherden darstellt. Hydrographisch gehören die Berchtesgadener Alpen dem Einzugsgebiet der Salzach und damit dem danubischen Flußsystem an. Die größeren Flußeinzugsgebiete sind der Klausbach, der Wimbach und die Königsseer Ache mit dem Königssee und dem Obersee. Kleinere Ent-wässerungsgebiete sind der Dießbach und der Weißbach, die beide der Saalach zufließen. Charakteristisch für das Gesamtgebiet um den Königssee ist infolge der Verkarstung das Zurücktreten der Oberflächenentwässerung zugunsten der subterranen Abflußbahnen. In den sehr mächtigen Lockermaterialablagerungen versickert das Schmelz- und Niederschlagswasser und ergänzt damit den Grundwasserkörper (Fischer 1978).

4. Untersuchungsgebiet Jenner

Am Jenner (H 5271 R 4577) sind zwei Räume betrachtet worden. Als Erstes an der Wald-Weide-Grenze in der Nähe der Mittelstation auf 1180 m ü. NN und als Zweites, das Gebiet um die Jennerstation (1802 m ü. NN), in dem mehrere Standorte um das Schneibsteinhaus (1688 m ü. NN) und am SW-Hang der Königstalalm (1540 m ü. NN) aufgenommen wurden.

Standort ca. 100 m nach dem Parkplatz Hinterbrand und 100-200 m vor der Mittelstadion der Jennerbahn (Höhe 1180-1190 m ü. NN).

Der Hang hat eine Neigung von ungefähr 20°-22° (entspricht ca. 35 % Gefälle). Es sind mehrere vegetationsfreie Stelle zu erkennen, sog. Blaike oder Erdbruch (schweiz.). Die Hangneigung ist im alpinen Raum ein wesentlicher Parameter für die Reliefprozesse. Bei einer Hangneigung ab 20° beginnt die Entstehung von Blaiken, ab 30° entstehen Lawinen und bei Hangneigungen > 45° beginnen gravitative Prozesse wie z.B. der freie Sturz.

Die geologische Gesamtsituation am Jenner ist die Folgende: Am Westfuß erstreckt sich eine breite, aus Juragesteinen bestehende, Zone, die nördlich vom Jenner bis an den Fuß des Hohen Bretts reicht. Nach E geht der Dachsteinkalk des Jenners in Dachsteindolomit und schließlich in Ramsaudolomit über. Die SE-Begrenzung des Jenners bildet die Störungszone des Torrener Joches.

Es treten folgende Gesteine auf:

Dachsteinkalk:

Der Dachsteinkalk (reiner Kalk mit einem 70 bis 80 % CaCO3-Anteil) erreicht Mächtigkeiten bis zu 1000 m und ist nahezu vollständig biogenen Ursprungs. Der Ablagerungsraum muß im Schelf- oder Flachmeerbereich gewesen sein (Korallensedimentation). Er bildet zahlreiche Steilwände und fällt am Jenner gegen den Königssee ein. Zwei unterschiedliche Aus- bildungsarten des Dachsteinkalkes werden unterschieden: zum Einen der massige und zum Anderen der bankige Dachsteinkalk.

Der massige Dachsteinkalk enthält viele Fossilien und Fossilienreste von Muscheln, Schnecken, Korallen, Schwämmen, Foraminiferen, Bryozoen und Algen.

Die Bankung beim gebankten Dachsteinkalk wird hervorgerufen durch eine Wechsellagerung von bis zu 20 m mächtigen Kalkbänken mit dm-mächtigen Ton- und feingeschichteten Dolomitlagen, die durch Algenmatten entstanden sind. Die durch das Gewicht der Kalkbänke bedingte Absenkung des Untergrundes in dem flachmarinen Ablagerungsraum wird durch stetige Organismentätigkeit kompensiert. Der massige und der gebankte Dachsteinkalk ergeben so zusammen in ihrer räumlichen Verteilung das Bild einer ausgedehnten und differenzierten Lagune, an deren Rändern Riffe lagern. Teilbereiche des Jenners standen unter dem Einfluß von Wellen aufgearbeitetem Riffschutt, der die mächtigen fossilen Riffe umgibt und zahlreiche und vor allem vielfältige Organismenbruchstücke enthält. Karnisch-Norischer Dolomit und Ramsaudolomit:

Der Karnisch-Norische Dolomit wird auch als "Oberer Ramsaudolomit" bezeichnet. Dieses Gestein kommt, mit Mächtigkeiten von 150 bis 200 m, an der S- und E-Seite des Jenners vor. Es besteht aus grau-gelblichen, teilweise bituminösen und in den oberen Partien sehr fossil- reichen Kalken und Dolomiten. Der Karnisch-Norische Dolomit entwickelt sich aus dem Ramsaudolomit; im Idealprofil sind die beiden Dolomitgesteine durch das Band der Raibler Schichten (tonige Sandsteine, die wenige Meter mächtig sind und auf terrigene Einflüsse schließen lassen) getrennt. Gegen das Hangende schalten sich Kalkbänke ein, die Fossilführung wird deutlicher (Muscheln, Algen Foraminiferen usw.) bis es zum Übergang in den Dachsteinkalk kommt.

Die Dolomite sind spröder und splittriger im Vergleich zum Dachsteinkalk, der viel biegsamer ist. Dadurch ist die Verwitterung des Dolomits auch größer und es entstehen

Rinnen oder Verschneidungen, die eine enorme Schuttbildung bedingen.

Rote Kalke (Liaskalke), Fleckenmergel, Knollenkalke, Kieselkalke (Radiolarit):

Es handelt sich hierbei um jurassische Kalke, die geomorphologisch weich sind, leicht verwittern und auf denen sich tiefgründige Böden entwickeln können (siehe Almen). Die rote Farbe kommt durch geringe Gehalte an Eisen zu stande.

Die Roten Liaskalke lagern dem Dachsteinkalk in geringer Mächtigkeit auf. Oft treten sie auch in den Spalten des Dachsteinkalkes auf. Sie verkarsten ähnlich wie der Dachsteinkalk. Aufgrund ihres höheren Gehaltes an Tonmineralen bilden sie das Ausgangsgestein der Boden- bildung. Die Knollenkalke kennzeichnen neben der roten Farbe die lagig angeordneten Knollen und Flasern. Das Charakteristikum der Fleckenmergel ist der Wechsel von dünnen Mergellagen mit gut gebankten Kalken, die gelegentlich Hornsteine führen können. Die namengebenden Flecken werden mehrere cm groß und können längliche bis ovale, selten aber gerundete Form annehmen. Die Radiolarien mit ihren Kieselketten werden diagenetisch zu Radiolarit verfestigt. Es wird zwischen zwei Ausbildungsformen unterschieden: dem grauen und dem roten Radiolarit. Der graue Radiolarit entsteht durch das fein verteilte Pyrit. Es ist eine Bankung im cm- bis dm-Bereich festzustellen, wobei die Schichtflächen glatt oder wellig ausgebildet sind. Einzelne Mergellagen können eingeschaltet sein. Die Farbe des roten Radiolarits ist auf das Pigment Hämatit zurückzuführen. Die Schichtflächen sind im Allgemeinen wellig.

Die Liaskalke sind Tiefseesedimente, die geologisch jünger sind als der Dachsteinkalk und die den Kontinentalsockel der Tethys gebildet haben (Ganss 1974, Langenscheidt 1994).

An diesem Standort stellt sich die Frage, ob es sich bei dem vorgefundenen Schutt um Hangschutt oder um Moränenmaterial handelt. Moränenmaterial ist in aller Regel etwas runder als der eckige Schutt. Als Schuttproduzenten kommen die Jennergrate in Frage, die während der Vereisung eisfrei waren (Nunatak). Der Schutt fiel auf die Gletscher und wurde auf diese Weise weiter transportiert. Die würmzeitliche Vergletscherungsgrenze lag bei 1400-1500 m. Oberhalb dieser Grenze kann es kein Moränenmaterial gegeben haben. Auf der anderen Seite treten in diesem pleistozän überformten Hangbereich mehr oder weniger mächtige Schuttdecken auf. Diese Schuttdecken im alpinen Raum sind allerdings nicht vergleichbar mit denen, die im Mittelgebirge auftreten und die sich in Deck-, Mittel- und Basisschutt gliedern lassen.

Für beide Annahmen gibt es gute Gründe, so daß davon ausgegangen werden muß, daß an diesem Standort sowohl Hangschutt als auch Moränenmaterial vorkommen.

Der Hang weist ein deutliches Mikrorelief auf. Es sind kleinräumig Abtragungs- und Akkumulationsformen erkennbar. Außerdem treten verschiedene Formen der Massen- bewegung an diesem Hang auf, die als Schadindikatoren verwandt werden können.

Die sichtbaren, offenen, vegetationslosen Stellen im Boden werden als Blaiken bezeichnet. Sie sind meist Folge von beschleunigten Bodenabtrag im alpinen Raum. Im Nationalpark Berchtesgaden haben vor allem Dommermuth & Stahr (1992) erforscht wie der beschleunigte Bodenabtrag durch Blaikenbildung mit Änderung der traditionellen Almwirtschaft und natürlicher Einflußfaktoren (insbesondere des Bodens) zusammenhängen. Fast alle im Nationalpark vorkommenden Blaiken finden sich auf heute noch bewirtschafteten oder brachliegenden Almen unterhalb der natürlichen Waldgrenze von 1300 bis 1900 m.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1 Translationsbodenrutschung

(aus Bunza 1982: 26)

Die Almen sind auf mergelig-tonigem Ausgangsgestein (hier Dolomit) errichtet worden. Die Böden sind vornehmlich Braunerden, die tiefgründig, wenig steinig sind und eine gute Wasserversorgung besitzen. Diese spezielle Umwandlung eines Naturraumes in eine Kulturlandschaft, ein-hergehend mit der Rodung der Wälder, verlangt einen nicht un- erheblichen Pflegeaufwand, um die Hänge vor Erosion zu schützen.

Da die Tiere stets horizontal oder schwach ansteigend zum Hang weiden, kommt es in den steilen Almbereichen zur Ausbildung parallel zueinander verlaufender Trittpfade, den sog. Viehgangeln. Betritt das Vieh die Gangeln bei feuchter Witterung, wird der aufgeweichte Boden plastisch verformt oder sogar abgetreten. Dadurch brechen einzelne Bodenstücke aus (Narbenversatz), und es bilden sich Erosionsansatzpunkte bei der Bewegung von Schneemassen und bei starken, sommerlichen Regenfällen. Die Tiere sind im wahrsten Sinne des Wortes als "Feinschmecker" zu bezeichnen. Der gelbblütige giftige Germer wird von den Tieren gemieden. An dessen Stelle konzentrieren sich die Tiere nur auf einige wenige Arten (z.B. Hahnenfußgewächs), was zur Folge hat, daß sie auch nicht den ganzen Hang gleichmäßig abweiden, sondern vornehmlich mehrere Stunden auf eine Stelle fixiert sind. Dadurch wird der nasse Boden zertreten und homogenisiert, d.h. die groben Poren und Gänge werden zerstört. Als Folge davon bekommen die Pflanzenwurzeln zu wenig Luft, das erschwert die Wiederbesiedlung durch die Vegetation, der Boden ist nicht mehr in der Lage viel Wasser aufzunehmen und verliert seine Stabilität gegenüber fluvialen Abtragungsprozessen sowie mechanischen Belastungen.

Früher, als die Almen und Weiden noch gepflegt wurden, wurden die Tiere von Hüttenbuben auseinandergetrieben. Diese rissen damals auch die giftigen Pflanzen aus dem Boden und nahmen die Steine beiseite. Heute mit dem Rückgang der Landwirtschaft, fehlen die Hüttenbuben, und dadurch verstärken sich die Folgen von Viehtritt auf den Almen im Berchtesgadener Land enorm. Ein weiterer Hinweis für eine unpflegliche Almbewirtschaftung sind die Horstgräser. Das sind Pflanzenbüschel, die eine Erhebung ergeben - einen Grashorst - an dem sich eine bewegende Schneedecke am Weiterkommen gehindert wird und durch den dabei entstehenden Druck des Schnees auf den Grashorst, diesen anschließend aushebelt. Der gleiche Prozeß kann auch bei größeren Steinen erfolgen, die danach weit hangabwärts transportiert werden und auf lehmigen Böden tiefe Schurfrinnen hinterlassen. Es entstehen dadurch Blaiken durch Schneeschurf.

Prozesse, die für Schnee- oder Lawinenschurf verantwortlich sind werden als Nivation bezeichnet, also schneebedingte Abtragungsvoränge. In der Geomorphologie versteht man unter Nivation die Schurfarbeit von bewegten Schneemassen. Die Schneemassen verursachen beim Abgleiten eine Abtragungswirkung auf ihre Unterlage. Abtragungswirksame Schneebewegungen sind:

- Schneekriechen (was allerdings sehr umstritten ist),
- Schneegleiten,
- Schneerutsche,
- Lawinenabgänge.

Schneekriechen ist ein Setzungsvorgang innerhalb der Schneedecke. Dadurch kann ein Versatz von einigen mm bis dm pro Tag erreicht werden. Dabei bewegt sich die Schneedecke nicht auf dem Untergrund.

Beim Schneegleiten gleitet die Schneedecke auf der Unterlage und erreicht einen Versatz von einigen mm bis m pro Tag.

Unter Lawinenabgängen versteht man ein stark anhaltendes Gleiten, das zum Aufreißen der Schneedecke führt. Die Schurfleistung des Schnees wird durch mitgerissene Materialien zusätzlich erhöht.

Bei einer Sturzbahn bis 50 m Länge spricht man von Schneerutschen, ist die Sturzbahn dagegen länger kommt es zu Lawinen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2 Translationsrutschungen

Ein weiterer Abtragungsprozeß, der an diesem Standort vorkommt, ist die Translationsrutschung. Das sind Rutschungen von Schollen an einer präformierten Gleitfläche. Die Gleitschollen bestehen an diesem Standort aus Schluff der aufquillt und auf dem darunter liegenden Ton abgleitet, der ein Verwitterungsprodukt des mergeligen Dolomits ist.

Auch entlang der vorgegebenen Wege treten offene Flächen auf, die durch das Abkürzen der Hauptwege durch die Wanderer entstehen. Besonders gefährdete Bereiche sind Wandersteige mit steilen Serpentinen, die immer wieder abgekürzt werden. Das Wegenetz ist im geo-morphologisch weichem Gestein angelegt. Bei Regen kommt es dann zu Bodenabtrag durch direktes Lostreten oder Abspülung des freigelegten Materials. Gerade die Trittbelastung ist enorm groß, weil der wassergesättigte Boden nach Regen plastisch reagiert und sich leicht verformt. Die Folge der Trittbelastung ist, daß die Wege verwildern und der Boden zwischen den Serpentinen völlig abgetragen wird. Diese Wegschäden können als ein Indiz für die überproportionale Zunahme des Sommertourismus herangezogen werden.

Aufschluß am Weg

Ah 0-20 cm uL, swbn, c, x, h, W4 MBv -60 cm uL, bnoc,c., x, h.,W2

daneben ein II Cv grbn, x, Hangschutt aus Rotem Lias- oder Dachsteinkalk

Bodentyp: Kolluvium-Braunerde aus holozänem Hangsedimenten über Dachsteinkalk oder Rotem Liaskalk.

Dieser Bodentyp ist prädestiniert für die Translationsbodenrutschung. Der MBv-Horizont ist der Gleithorizont und der Ah-Horizont mit seinem schluffigem Lehm, ist gut durchlockert, so daß er einen optimalen Rutschkörper ausmacht.

Routenverlauf:

Die folgenden Standorte beginnen an der Jenner Bergstation in 1802 m ü. NN und folgen einem Wanderweg zum Schneibsteinhaus in 1668 m ü. NN. Von dort aus geht es über einen Riedel zum Höhenpunkt 1657 m ü. NN, von wo aus man einen Überblick über den NW- und den SW-exponierten Hang der Königstalalm besitzt. Bei der Königstalalm wurde der SW-exponierte Hang genauer untersucht.

Erster Abschnitt: Von der Jenner Bergstation zum Schneibsteinhaus.

An der Jenner Bergstation sind die Folgen des Wintertourismus deutlich erkennbar. Mit Pistenwalzen werden die Hänge planiert, um gutbefahrbare Skipisten zu präparieren und somit die Wintersaison zu verlängern. Eine Folge dieses Vorgehens ist die Bodenverdichtung und der dadurch verstärkte Oberflächenabfluß, der wiederum einen erhöhten Bodenabtrag zur Folge hat.

Der hier angesäte Rasen ist augenscheinlich nicht standorttypisch. Die Hangneigung beträgt 18° und das Anstehende kommt an mehreren Stellen an die Oberfläche.

Bei der Artenzusammensetzung dominiert die Latschenkiefer. Ihr Verzweigungssystem ist talabwärts ausgerichtet. Das ist ein Indiz für die Schneedynamik, weil die Latschen die Lawinenbahnen anzeigen. Darüber hinaus wird durch die Vegetation auch auf eine Hanglabilität hingedeutet. Weitere Pflanzen sind die Schneeheid, der Silberwurz und die Grünerle, die allerdings an unserem Standortrundgang fehlt, weil sie bevorzugt auf sauren Standorten wächst. Auf dem Kalkgestein wächst desweiteren die Alpenrose (Rhododenrum hirsutum). Der an manchen Stellen vorkommende Wachholder ist eine Zierpflanze für hohe Einstrahlung und wächst vornehmlich an S-exponierten Hängen. Keine Vegetation ist hingegen in immerwiederkehrenden Lawinenbahnen zu beobachten. Diese Lawinenbahnen und Lawinen-anrisse (Lawinenschurf) treten innerhalb des Latschenkiefernbestandes auf. An diesen Stellen ist der Lawinenschurf durch intensive Viehgangeln ausgelöst und durch anthropogene Erscheinungen, wie dem Wintertourismus, noch weiter verstärkt worden. Folgeerscheinungen sind die Schneeschurfblaiken.

Die Wege sind breit für Wanderer angelegt worden, wobei der seitliche Abtrag beachtlich ist. Am Wegrand wurde folgendes Bodenprofil aufgenommen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bodentyp: Syrosem aus Dachsteinkalk.

Die Humusauflage ist ein feinhumusreicher Rohhumus, der schwarz und sehr gut durchwurzelt ist und stellenweise einen mittleren Steingehalt aufweist.

Zweiter Abschnitt: Schneibsteinhaus.

Das Schneibsteinhaus befindet sich in der Störungszone Torrener Joch. Es gekennzeichnet den Wechsel vom Dachsteinkalk zu den Dolomiten der unteren und mittleren Trias. Das Mikrorelief weist unterschiedliche Formen auf, wobei deren Genese allerdings noch nicht voll-ständig geklärt ist. Die Dolomite sind das Ausgangsgestein für die Braunerde und das Kolluvium, auf denen Almwirtschaft betrieben wird. Folgende Pflanzen treten an diesem Standort auf: stengelloser Enzian, Frühlingsenzian, Wundklee und Trollblume. Nicht unweit des Schneibsteinhauses besitzt eine Lärche den charakteristischen Säbelwuchs, der die Hangbewegung anzeigt. Der Säbelwuchs ist die Folge von Schneebruch oder -druck oder vielleicht auch von Rutschungsvorgängen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3 Schneeschurfblaike

(aus Dommermuth & Stahr 1992: 18)

Eine Methode mit der solche Phänomene genauer untersucht werden können ist die Dendrologie (Jahrringanalyse), die sich die saisonale Produktion vom Holzstoff eines Baumes (ausgedrückt in Jahresringe) zu nutzen macht. Bei dieser Methode ist die Fragestellung ganz entscheidend. Es ist also zu Beginn der Bohrung eine bestimmte Fragestellung festzulegen. Die Bohrung erfolgt dann, mit Hilfe eines Zuwachsbohrers an den Baumstellen, die aller Voraussicht nach hinreichende Antwort auf die festgelegte Fragestellung geben können. Auch ist es wichtig in welche Richtung gebohrt wird. Dazu ist es sinnvoll die Topographische Karte hinzuzuziehen. Das Bohrgut ist ein längliches Profil durch den Baum von ca. 40-50 cm Länge. Nun können die Jahresringe gezählt sowie die Jahrringbreite betrachtet werden, um anschließend weitere Erkenntnisse über die Deformation im Jahrringmuster zu erlangen. So ist z.B. bei Laubbäumen die Ausbildung von Zugholz (zum Hang hin) und bei Nadelbäumen von Druckholz (vom Hang weg) zu beobachten. Vornehmlich werden im alpinen Raum, wegen der Vegetationsgrenzen, die Nadelbäume untersucht. Dabei sind die Druckholzringe breiter, d.h. zu diesem Zeitpunkt muß ein Ereignis stattgefunden haben, das einen enormen Einfluß, infolge von Materialverlagerungen am Hang, auf den Geotropismus (das Bestreben eines Baumes senkrecht zu wachsen) des Baumes ausgeübt hat. Anhand des Jahrringmusters bzw. durch Abzählen der Jahresringe, kann der Zeitpunkt der Materialverlagerung recht genau datiert werden. Im Folgenden sollen unterschiedliche Stamm- und Kronenformen, die im alpinen Raum vorkommen, vorgestellt werden. Die Wuchsstoffe (Pflanzenhormone in den Knospen und Trieben) bewirken, daß Stämme senkrecht und Äste schräg wachsen. Der Gipfeltrieb und die Spitzentriebe der Äste dominieren über die untergeordneten Triebe. Diese Steuerung ist besonders stark ausgeprägt bei den Nadelbäumen und speziell bei den Fichten. Abweichende Wuchsformen entstehen durch eine Vielzahl gewaltsamer Eingriffe von außen, wie Frost, Lawinen oder Krankheiten. Dadurch werden Knospen geschädigt, Stämme schief gedrückt oder ganze Baumteile getötet.

Gerade an Hängen mittlerer Neigung sind Bäume sehr oft einer starken mechanischen Belastung ausgesetzt. An diesen Hängen ist die Schneedecke besonders dick und hangparallele Schneebewegungen (Schneekriechen, Schneegleiten oder Lawinen) üben sehr große Kräfte auf die Stämme aus und drücken sie zu Boden oder entwurzeln sie. Auf der belasteten Seite des Nadelholzbaumes teilen sich die Kambiumzellen schneller und die Zellwände dehnen sich stärker aus als auf der entlasteten Gegenseite. Die Zelle reagiert auf die höhere Belastung mit der Bildung einer sehr dicken Zellwand. Diese Reaktionszone wird als Druckholz bezeichnet (Mattheck & Schönenberger & Schweingruber 1994).

Die folgenden Abbildungen 4 bis 11 sind aus Mattheck & Schönenberger & Schweingruber 1994.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4 Säbelwuchs

Der Säbelwuchs ist eine Reaktion auf Schneebewegungen, vorwiegend auf den schneereichen S-Hängen von 35° bis 40° Neigung mit glatter Oberfläche. Jüngere Stämme werden dadurch schief gedrückt. Die Folge sind exzentrische Stämme mit Druckholz auf der Talseite. Einige Meter über dem Boden sind die Stämme nahezu zentrisch, weil hier die Kräfte kaum mehr einseitig wirken.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5 Permanente Schief- oder Schrägstellung (Bogenwuchs)

Bogenwuchs entsteht auf instabilen, sich langsam und über Jahre hinweg bewegenden Böden. An der Bodenoberfläche wird der Stamm stetig schiefer gestellt, der Baumwipfel wächst jedoch stets vertikal. Da der Stamm sich nicht aufrichten kann, entsteht mit der Zeit - der Intensität der Bodenbewegung entsprechend - eine gebogene Stammachse. Sowohl an der Stammbasis als auch in den Kronen befindet sich Druckholz auf der Talseite des Stammes.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6 und 7 Kniewuchs und Harvenwuchs

Am Rand von Lawinenbahnen werden Bäume oft teilweise entwurzelt und können dann ihre Lage in liegender Position stabilisieren. Der Gipfeltrieb richtet sich auf, wodurch der Stamm eine knieförmige Biegung erfährt. Der stark belastete horizontale Stamm wächst extrem exzentrisch und bildet sehr starkes Druckholz aus. Das vertikale Stammstück ist zentrisch gewachsen.

Bei annähernd horizontaler Stammrichtung werden die Äste auf der Stammoberseite zu Gipfeln umgestimmt. Mit dem Beginn des exzentrischen Wuchses und der Bildung von Druckholz weist der Stamm auf den Zeitpunkt des Umstürzens hin. Das Alter der zentrisch gewachsenen "Harvenseiten" auf der Oberseite des liegenden Stammes gibt an, wann die neuen Knospen ausgetrieben sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 8 Kandelaberform

Wird der Stamm immer wieder in größeren Höhen gebrochen, richtet sich oft der Leittrieb des höchsten Astes an der Spitze bogenförmig auf und bildet eine Ersatzkrone. Im Jahresringbild äußert sich jeder Kronenbruch als abrupte Zuwachsreduktion.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 9 Viehverbißform

Werden die Gipfel- und Astspitzenknospen immer wieder durch Verbiß oder Frost zerstört, treiben viele Ersatzknospen aus. Die Triebe verzweigen sich sehr fein. Die Baumgestalt wird dadurch gedrungen, die Benadelung mantelartig und sehr dicht. Die Jahrringbreite im zentrisch gewachsenen kurzen Hauptstamm ist sehr unregelmäßig.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 10 Fichtenkolonie

Eine Kolonie ist eine aus mehreren eng beieinanderstehenden Stämmen bestehende Lebensgemeinschaft mit gemeinsamer Krone, die sich von der Umgebung deutlich abhebt. Die Stämme sind durch Bewurzelung und Aufrichtung von Ästen entstanden. Alle Stämme einer Kolonie sind erblich identisch (Klone). An vielen schneearmen und windexponierten Steillagen, in höchsten Lagen, ist ein Überleben nur noch im Verband der Kolonie möglich.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 11 Kompensationswuchs (Rückbiegung)

Manchmal wird die Rückkrümmung in die vertikale Lage überkompensiert, was eine erneute Richtungskorrektur zur anderen Seite zur Folge hat. An der Stammbasis befindet sich das Druckholz auf der Talseite, in der Kronenregion auf der Bergseite.

Dritter Abschnitt: Auf Höhenpunkt 1657 m ü. NN .

Mit Blick auf den NW-exponierten Hang der Königstalalm sind im oberen, steileren Hangbereich lang-gestreckte Abrißformen (Blaiken) erkennbar. Im Gegensatz dazu haben die Blaiken im unteren, flacheren Hangbereich des SW-exponierten Hanges der Königstalalm eine breite, ovale Form. Aus der Form der Blaike lassen sich auch Rückschlüsse über ihre Entstehung ziehen. So ist bei Blaiken, deren Längen-Breiten- Verhältnis ca. 6:1 beträgt, von Hangneigungen um die 45° und einsetzendem Lawinenschurf auszugehen. Übertrifft dagegen die Breite die Länge kann nicht auf nivationsbedingten Abtragungsformen geschlossen werden. Es ist also auch hier Narbenversatz infolge von Viehtritt wahrscheinlich.

Die sichtbaren Geländekanten sind eventuell das Ergebnis von Translationsbodenrutschungen oder -gleitungen.

Die permanente Verlagerung von Hangmaterial führt zur Bildung von Hangschutt am Hang- fuß. Der Hangschutt steht als Ausgangsmaterial für bodenbildende Prozesse (Kolluvium) zur Verfügung.

Wie auch schon am Standort nahe der Jenner Mittelstation wird auch hier die unpflegliche Almwirtschaft und deren Folgen deutlich sichtbar. Die Zunahme der Blaiken, und die daraus folgende Degradation der Landschaft infolge nachlassender Intensität der Almbewirtschaftung, macht sich bemerkbar. Es kommt zur Verbuschung der Almen, was wiederum auch für den Sommertourismus unvorteilhaft ist (Stichwort: Landschaftsesthetik im Zusammenhang des sozioökonomischen Strukturwandels von der Landwirtschaft zum Tourismus).

Am Fuß des NW-exponierten Hanges erstreckt sich ein Niedermoor auf ca. 1500 m ü. NN. Zum Moorwachstum in gemäßigten Breiten läßt sich folgende Faustregel anwenden:

1 mm pro Jahr bzw. 1 m pro 1000 Jahre. Anhand dieses Moores läßt sich die Klima- und Vegetationsgeschichte dieses Hanges rekonstruieren.

Bohrungen haben ergeben, daß das Niedermoor mindestens 2 m tief ist, also folglich mindestens 2000 Jahre Klima- und Vegetationsgeschichte in diesem stecken. Die Frage die sich stellt ist, gibt es einen terrestrischen Eintrag (Hangeintrag)? Untersuchungen haben gezeigt, daß ab 1985 es sehr wohl terrestrische Einträge gegeben haben muß, davor allerdings keine. Beispielhaft für diese Behauptung ist eine Lärche die ins Moor hineingerutscht ist. Luftbilder zeigen, daß 1985 der Baum noch oberhalb des Moores am Hang stand. Die Lärche weist den schon beschriebenen Säbelwuchs auf. Methodisch wurde das Alter des Deformationsprozesses mittels der Dendrologie bestimmt.

Der SW-Hang der Königstalalm (1530 m ü. NN) zeigt die stärksten Schäden in Folge von Blattanbrüchen im Nationalpark Berchtesgaden. Die größeren Blattanbrüche haben eine ovale Grundrißform mit deutlich bogenförmig ausgebildeten Abrißkanten an den oberen Rändern. Das untere Hangdrittel (32° Neigung) ist durch Tritteinfluß, der noch weidenden Tiere, gekennzeichnet. Dadurch kommt es zur Ausbildung mehrerer übereinander folgender Viehgangeln, die allerdings eine deutliche Tendenz zu Narbenversatzschäden zeigen. Dementsprechend fehlen auch größere Trittblaiken.

Geologisch ist der Hang durch eine Serie einfallender mergeliger bis kieseliger Kalkgesteine des Oberlias bis Untermalm aufgebaut. Es ergibt sich ein häufiger Wechsel kalkiger, mergeliger oder kieseliger Faziesausbildungen. Die Mächtigkeiten der Kalkbänke liegen im dm-Bereich, die der Mergellagen im cm-Bereich. Die Basis wird von Fleckenkalken und - mergel gebildet, die im Bereich des Hangfußes diskordant den Rot- bzw. Dachsteinkalken auflagern. Darüber folgen Filamentkalke, Dogger-Kieselkalke (Chiemgauer Schichten) und schließlich die Radiolariten des Malm. Mit Ausnahme einer großen Dellenblaike treten die Gesteine nicht an die Oberfläche, sondern sind durch mächtige Hangschuttkörper, sowie kolluviale Akkumulation verkleidet.

Die vorkommenden Böden sind teilweise sehr tiefgründig mit Solummächtigkeiten bis zu 150 cm. Die Braunerde ist der verbreitete Bodentyp auf dem SW-Hang. In den Mittel- bis Unter- hanglagen gehen die Braunerden vermehrt in Pseudogleybraunerden über. Das deutet auf das hohe Wasserangebot in der Folge hoher Niederschlagsmengen hin. Die hohe Morphodynamik auf dem SW-Hang bedingt die kolluviale Akkumulation. Unter bodenkundlichen Gesichts- punkten entwickeln sich auf diesem Ausgangssubstrat MBv- oder BvM-Horizonte.

Die Ausbildung bis zu zwei übereinandergelagerten Schuttdecken auf dem SW-Hang ist das Ergebnis der morphodynamischen Verhältnisse zu Zeiten des Spät- und Postglazials. Extreme Temperaturschwankungen, eisfreie Flächen, die keine Vegetationsbedeckung aufwiesen und ein weitverzweigtes, lokales Eisstromnetz bilden gute Voraussetzungen, die zu periglazial bedingten Umlagerungen (Schuttdecken) geführt haben.

Die von der Blaikenbildung nicht betroffenen Flächen des Mittel- und Oberhanges tragen blumreiches Nardetum alpigenum (Dommermuth 1995).

5. Untersuchungsgebiet Wimbachtal

Das Wimbachtal (H 5273500 R 4571) ist das mittlere der drei Haupttäler des Nationalparks Berchtesgaden. Es erstreckt sich in N-S-Richtung zwischen Watzmann im E und dem Hoch-kalter im W. Gegen S schließt das Steinerne Meer an.

Neben der Wimbachklamm am Ausgang des Tales ist der z.T. über 300 m mächtige und mehr als 10 km lange Schuttstrom im Talgrund ein prägendes Landschaftselement. Bei starken Niederschlägen fließt das Wasser oberflächlich ab, weil die Infiltrationskapazität erschöpft ist. Abtragung und Massentransport sind die Folge. Es entstehen Eintiefungen, Rinnen, Böschungen und Akkumulationsformen.

Die Wimbachklamm hat sich erst mit dem Abschmelzen des Talgletschers vor etwa 10.000 Jahren eingeschnitten. Eine Störung (Bruch), die die Anlage der Klamm begünstigt hätte, ist nicht zu erkennen. Zunächst war das Tal durch eine Schwelle nach N begrenzt, hinter der sich das Schmelzwasser des Gletschers staute. Als der aufgestaute See über die Schwelle abfließen konnte, kam es unterhalb davon zum Einschneiden des Wimbaches in den Untergrund und somit zur Herausbildung der heutigen Klamm.

Das Wimbachtal ist ein Grabenbruch. Der Scheitel des ehemaligen Gewölbes war über dem Wimbachtal denkbar. Die heutigen Gipfel von Watzmann und Hochkalter an den jeweiligen Bergflanken. Mit dem Grabenbruch ist der Scheitelbereich eingestürzt. Die Gletscher der vergangenen Eiszeiten haben dann dem Tal seine heutige Form gegeben.

Die Grenze des Tirolikums zum Tiefjuvavikum verläuft im Wimbachtal etwa am Beginn der Wimbachschlucht. Die Deckengrenze des Tiefjuvavikums zum Hochjuvavikum, ist in der Umgebung der Ramsauer Ache zu suchen.

Bedingt durch die gekippte Lagerung, stehen nach S in das Tal hinein immer ältere Ge-steinsformationen an. Die Schichtenfolge beginnt in der Klamm mit Radiolarit. Es folgen Rotkalke und ohne scharfe Grenze Knollen- oder Flaserkalke, schließlich Hornsteinkalke. Am oberen Ende der Klamm erfolgt der Übergang in den Dachsteinkalk und somit der Wechsel vom Jura in die Trias. Weiter talaufwärts sind rechts des Weges in der Böschungsverbauung Moränenblöcke aus Dachsteinkalk verwendet worden, die zahlreiche Megalodonten in verschiedenen Schnittlagen zeigen. Weiterhin befinden sich südlich der Klamm auf der Watzmannseite helle Streifen aus Seetonen (Quartär), bei denen es sich um Ablagerungen des ehemaligen Gletschersees handelt. In der Höhe der Wimbachquelle ist es möglich auf den quartären Schuttstrom des Talgrundes hinauszugehen, der stellenweise eine Mächtigkeit bis zu 300 m erreichen kann. Das Tal besitzt die typische Form eines glazialen Trogtales. Oberhalb des Wimbachschlosses markiert eine Schuttrinne in etwa die Grenze zwischen Dachsteinkalk und Ramsaudolomit bzw. Karnisch- Norischer Dolomit. Von dieser Grenze an treten Steilhänge deutlich zurück, was auf die Verwitterungseigenschaften des Dolomits zurückzuführen ist. Statt dessen zeigen die Talflanken charakteristische Schroffenbildungen sowie ausgedehnte Schuttrinnen, Schuttreißen und -fächer. In diesem Schutt versickert das Niederschlagswasser und fließt als Grundwasserstrom talwärts. Knapp 2 km vor der Wimbachklamm tritt das Wasser an der Wimbachquelle an die Oberfläche. Gerade die Schuttfächer sind für diesen Landschaftsbereich namensgebend: Wimbachgries (von Gries = Grus, Schutt). Das Untersuchungsgebiet erstreckt sich vom Eingang Wimbachklamm bis zu den Murgängen hinter dem Wimbachschloß.

Am Eingang in die Wimbachklamm (700 m ü. NN) tauchen die Schichten des Tiroloikums nach N hin ab unter das Hochjuvavikum. Einfach ausgedrückt: der Deckenstapel von jurasischen und triasischen Schichten ist tektonisch verstellt worden. Dieser tektonische Vorgang ist eine Auswirkung der von N nach S folgenden Subduktion der eurasischen Platte unter die afrikanische Platte. Dabei wurden die zwischen Europa und Afrika liegende Tethys zusammengepreßt und das Material, das durch die Subduktion vom kristallinen Sockel abgeschert wurde, als Sediment spanartig über die eurasische Platte nach N transportiert. Das Sediment wurde weit über 1.000 km nach N bewegt. In der Klamm sind Rotkalke, Hornsteinkalke und Radiolarit (Tiefseesediment) zu finden.

Die Vegetation besteht aus einem Buchen-Fichten-Wald. Daneben wachsen der Bergahorn, die Esche und die Lärche (sog. Schluchtwaldassoziation). Die Buche tritt gegenüber der Fichte ab 1.000 m zurück. Ansonsten sei noch angemerkt, daß an diesem Standort eine relativ gute Verjüngung stattfindet und daß die Wasserversorgung aufgrund des Hangzugwassers als gut zu bewerten ist. Nach der Klamm (bei etwa 766 m ü. NN) beginnt der Dachsteinkalk. In dem Dachsteinkalk sind Muschelabdrücke (Megalodonten) erkennbar. Des weiteren sind Mikrorillen und -rinnen zu sehen, die auf beginnende Verkarstungserscheinungen des Dachsteinkalkes schließen lassen. Die Gebirgswände sind schroff. Oberhalb des Vorfluters (Wimbach) liefern Ufer- und Feilenanbrüche als sog. Feststoffherde Geschiebematerial für den Vorfluter.

Die Böden zeigen ein deutliches A-C-Profil und sind als Mull-Moder Rendzina auf holozänem Hangschutt aus Dachsteinkalk anzusprechen. Der Ah-Horizont ist 10 cm mächtig, schwarz und besitzt die Korngröße lT. Der Cv-Horizont ist grau-weiß und ein guter Wasserleiter.

Auf dem Weg liegt ein Konglomerat, dessen Genese nicht abschließend geklärt ist. Zum einen kann das Konglomerat in einer marinen Serie abgelagert worden sein, die kurzzeitig von einer terrestrischen Situation unterbrochen wurde. Ein solches terrestrisches Ereignis trat in der Trias zwischen der Sedimentationsphase des Dachsteinkalkes und des Ramsaudolomites auf. Einen Hinweis geben die kantengerundeten Gesteine.

Zum anderen kann das vorliegende Konglomerat auch aus dem Tertiär stammen und ist als Zeuge des hydrographischen Systems, dessen Entwässerung nach N ausgerichtet ist, zu deuten. Damit wäre das Konglomerat postorogen, d.h. nach der Heraushebung der Alpen entstanden.

Auf genau 780 m ü. NN entspringt die Wimbachquelle aus dem mächtigen Schuttkörper, dem Wimbachgries. Vorher fließt der Wimbach unterirdisch auf dem Anstehenden (Rote Kalke, Hornsteinkalk, Dachsteinkalk). Grus sind scherbenartige Gesteinsfragmente mit einer Korngröße von 2 bis 63 mm (Bodenkundliche Kartieranleitung 1982). Der Schuttkörper ist ca. 10 km lang und 300 m mächtig. Bei sehr starken Niederschlägen, wenn nicht das ganze Wasser versickern kann, setzt der Schutttransport ein.

Die Vegetation in 880-900 m ü. NN zeigt deutlich, daß es sich hierbei um die eutrophe Buchenwaldstufe handelt. Hingegen an den Hängen dominiert die Fichte. Die Böden besitzen das typische A-C-Profil einer Rendzina. Im Bereich außerhalb des Wimbachgrieses steht der Hangschutt direkt über dem Anstehenden. Drei Faktoren sind unter forst-ökologischen Gesichtspunkten relevant für die Bewertung von Standorten:

a) die mechanische Durchwurzelbarkeit des Untergrundes,
b) die Bodenfeuchte,
c) die Trophie.

Diese drei Faktoren für diesen Standort, an dem geologisch gesehen die Grenze Dachsteinkalk und Ramsaudolomit verläuft, angewandt, ergibt folgendes Bild:

a) solange sich die Bäume im Hangschuttbereich befinden, ist die Durchwurzelung, im Gegensatz zum Anstehenden, gut,
b) der Wasserhaushalt ist ebenfalls als gut zu bewerten, aufgrund des mächtigen AhHorizontes der vorliegenden Mullrendzina,
c) an der vorherrschenden Krautschicht ist der Standort als ein eutropher Standort einzustufen.

Hinter dem Wimbachschloß, auf 941 m ü. NN, sind mehrere Murgänge vorhanden, an denen eine entscheidende Form des Massentransportes im alpinen Raum zu untersuchen ist.

Muren sind primäre Gesteinsströme, auch Schlammströme genannt. Lineare Vorformen (Tobel, Rinnen etc. ) von ihnen werden als Abflußbahnen genutzt. Voraussetzung für die Bildungen von Muren sind oberhalb der Murengänge gelegene Feststoffherde, die entsprechendes Material für den Massentransport zur Verfügung stellen. Das Vorhandensein von Wasser, als Transportmedium, und ein geringes Gefälle sind daneben weitere wichtige Voraussetzungen für die Entstehung von Murgängen. Dennoch sind die Muren keine fluvialen Abtragungsformen! Die untersuchten Muren weisen den Transport, in Murrinnen, von Material aus dem Bereich des Ramsaudolomits nach.

Bei genauerer Betrachtung des Mikroreliefs, ist ein Wechsel von vegetationsfreier und vegetationsbestandener Flächen zu erkennen. Der Murfächer ist durch viele einzelne Rinnen zergliedert. Als Faustformel kann man sagen: je tiefer eine Rinne ist, desto älter ist sie auch. Auf den Rippeln wachsen einige Pflanzen. In den tiefen Rinnen dagegen, kann wegen des rezenten Abflusses keine Vegetation erwartet werden. Pflanzensoziologisch kann bei diesem Standort auch von der Besiedlung von Pionierpflanzen auf Lockersubstrat gesprochen werden.

Der Zeitpunkt, wann sich der Murzuschub ereignet hat, läßt sich auch hier mit Hilfe der Dendrologie ermitteln. Vorzufinden sind eine Esche und eine Birke, die seitlich Adventiv-wurzeln ausbilden, weil ihre ursprünglichen Wurzeln nicht mehr in der Lage sind den Baum zu halten. Bis zu sechs Adventivwurzelsysteme innerhalb von 300 Jahren sind bisher nachgewiesen worden. Anhand der Annahme, daß es sich bei den Deformationsereignissen um Murzuschübe handelt, kann man die Nivation ausschließen; es handelt sich also um ein typisches sommerliches Ereignis!

Des weiteren ist an diesem Standort der Bergahorn im Freistand zu sehen, der sich dadurch auszeichnet, daß er in die Breite wächst. Im Murmaterial wachsen darüber hinaus auch noch Fichten.

Am Rand eines Murstromes ist ein Bodenprofil aufgeschlossen, daß einen IIfAhHorizont von ca. 10 cm Mächtigkeit besitzt. Über diesem fossilen Mineralhorizont liegt entweder der Murstrom oder wiederum ein 10 cm mächtiger Ai-Horizont, aus dem sich eine typische Rendzina entwickeln kann.

6. Untersuchungsgebiet Königssee und St. Bartholomä

St. Bartholomä (H 5262 R 4573500) liegt auf einem flachen Schwemmfächer, dessen Material (Ramsaudolomit und Karnisch-Norischer Dolomit) von der E Wand des Watzmannes durch Frostprengungen mechanisch aufbereitet und durch den Eisbach in den See transportiert wurde.

Der Königssee ist ein 8 km langer und 1,3 km breiter See, der in Dachsteinkalk eingetieft ist. Der Seespiegel des Königssees liegt 603 m ü. NN. Die tiefste Stelle beträgt 190 m. Der Königssee liegt zwischen dem Hagengebirge im E und dem Watzmann im W und wird nach S durch die Steilabstürze des Steinernen Meeres begrenzt. Gespeist wird der Königssee im Wesentlichen durch den Zufluß des im SE gelegenen Obersees und durch mehrere Flüsse, die meist in Form von Wasserfällen dem Königssee zu fließen (Königsbach, Kesselbach, Schrainbach etc.). Darüber hinaus werden unterirdische Zuflüsse vermutet. Den Abfluß bildet die Königsseer Ache.

Der Königssee entstand durch die abschmelzenden Gletscher vor etwa 10.000 Jahren, die auch das Becken des Königssees trogförmig ausgehobelt haben. Die tektonischen Störungszonen am Königssee erfolgten bereits im oberen Jura. Flüsse im Tertiär und die Gletscher im Quartär haben die vorgezeichneten Schwächezonen benutzt. Der Königssee ist durch eine Sohlschwelle vom Obersee getrennt, auf der Moränenwälle von mehreren Eisrückzugsstadien lagern.

Im Einzugsgebiet des Königssees dominiert der Dachsteinkalk als Anstehendes, der für die Reinheit und Sauberkeit des Sees und die geringe Sedimentbildung mitverantwortlich ist, weil er nahezu rückstandslos verkarstet.

Der Eisgraben bildet die Grenze von Tirolikum und Torrener Joch Zone.

Das Untersuchungsgebiet erstreckt sich in E-W-Richtung von St. Bartholomä (603 m ü. NN) bis zum Rand der Eiskapelle (834 m ü. NN). Auf diesem Weg wurden verschiedene Standortereignisse angesprochen:

Der Forst ist in einem naturnahen Zustand erhalten worden, d.h. es ist kein forstlicher Einschlag geplant und der Wald wird demzufolge sich selbst überlassen. Dieser Waldtyp wird als naturnaher Wald bezeichnet, im Gegensatz zum Plennterwald, (bei dem nur das Totholz herausgeholt wird) und dem Wirtschaftswald. Der Baumbestand weist Fichten, Bergahorn und jüngere Bäume (Buchen) auf. Der Wuchs ist sehr dicht, was zu einer besonders großen Mineralisierung und Humifizierung führt.

Der dominierende Bodentyp hat ein A-C-Profil mit unterschiedlichen Humusformen (Mull, Moder oder Rohhumus).

Der Eisbach ist ein Fluß, der neben St. Bartholomä einen weiteren großen Schuttkegel auf der Halbinsel bildet. Der Eisbach ist ansatzweise ein verwildeter Fluß, der auf dem gesamten Schuttkörper hin und her pendelt bis er sein permanentes Gerinne gefunden hat. Erst dann setzt die Unterschneidung durch den Eisbach ein, der eventuell eine Terrassenbildung folgt. Mit Hilfe eines Wehrs wird stellenweise versucht das Flußbett zu kanalisieren. Die Flußversickerung in den Schuttkörper ist so enorm, daß der Eisgraben nicht mehr in den Königssee münden kann. An dem Teil des Schuttkörpers, wo der Fluß noch nicht versickert ist, bilden sich Pionierpflanzen auf dem lockeren Karbonatgestein. Die Dryas besitzt ein ausgedehntes Wurzelwerk und ist daher ein typischer Zeiger als Standortbefestiger.

Auf dem Weg zur Eiskapelle treten einige Vermurungen auf. Auch hier haben die Bäume Adventivwurzeln ausgebildet, um dem Druck Widerstand zu leisten. Das in Mitteleuropa herrschende Cbf-Klima (nach Köppen) stellt notwendige Wasser für die Murenbildung in ausreichendem Maße zur Verfügung. Oberhalb des Murenstroms liegt der Feststoffherd. Im, von Muren beeinflußten, Wald dominieren der Bergahorn, die Esche (Schluchtwaldvertreter) und die Lärche.

Vom Rande der Eiskapelle aus sind Lawinenschurf und Pflanzenreste auf der Lawine zu sehen. Diese Pflanzenreste wurden von der Lawine mitgerissen und dann von neuem Schnee oder einer weiteren Lawine überdeckt. Erst durch das Abtauen der winterlichen Schneedecke (Aperung) kamen die Pflanzenreste wieder zum Vorschein.

Die Schneemassen vor dem Eingang zur Eiskapelle müssen bei genauerer Betrachtung als Firnfelder oder permanente Schneefelder bezeichnet werden. Für einen Gletscher fehlt ihnen ein entsprechender Massenhaushalt (Zehr- und Nährgebiet).

7. Nationalpark Berchtesgaden

Auch im Nationalpark Berchtesgaden treffen unterschiedliche Interessengegensätze, schlagwortartig ausgedrückt durch "Ökonomie versus Ökologie, aufeinander. Zum Abschluß soll kurz die Bedeutung der Ausweisung einer Fläche zum Nationalpark und die sich daraus ergbende Flächennutzungskonkurrenz beschrieben werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 12 Bayerischer Alpenpark (aus Heller 1979: 450)

In der Bundesrepublik Deutschland löste erst 1976 das Bundesnaturschutzgesetz

(BNatSchG) das Reichsnaturschutzgesetz aus dem Jahre 1935 ab. Im Einklang mit den Bundesnaturschutzgesetz befindet sich das Bayerische Naturschutzgesetz, das bereits im Jahre 1973 verabschiedet worden ist und seither mehrfach geändert wurde. Das Bundes-naturschutzgesetz unterscheidet sieben Formen von Schutzobjekten, bei denen in den Kategorien Naturschutzgebieten und Nationalpark die höchste Form des Naturschutzes realisiert wird.

Nationalparks sind großräumige Naturschutzgebiete, die eine Mindestfläche von 100 km² haben sollen. Nach Art. 8 BNatSchG dienen solche ausgewiesenen Flächen "der Erhaltung und wissenschaftlicher Beobachtung natürlicher und naturnaher Lebensgemeinschaften sowie eines artenreichen heimischen Tier- und Pflanzenbestandes. Sie bezwecken keine wirtschaftsbestimmte Nutzung. Nationalparks sind der Bevölkerung zu Bildungs- und Erholungszwecken zu erschließen, soweit es der Schutzzweck erlaubt".

Der Nationalpark Berchtesgaden besitzt eine Fläche von 208 km². In diesem Gebiet liegt ein Naturschutzgebiet (NSG), acht Landschaftsschutzgebiete und 55 Naturdenkmäler. Das NSG wurde mit Inkrafttreten der Gesetzesverordnung über den Alpen- und den Nationalpark Berchtesgaden am 1. August 1978 etwas vergrößert und zum Nationalpark erklärt. Die Landschaftsschutzgebiete wurden in die neu geschaffene Erholungszone des Alpenparks einbezogen und bildet zusammen mit der Erschließungszone, nämlich der Siedlungszone des Alpenparks, das Vorfeld des Nationalparks. Nationalpark und Vorfeld werden zusammen Alpenpark genannt. Von seiner Fläche von etwa 446 km² entfallen 45 % auf den Nationalpark und 40 % auf die Erholungszone und der Rest auf die Erschließungszone. Die Fläche des Nationalparks Berchtesgaden ist vollständig in staatlichem Besitz.

Der größte Flächennutzungskonkurrent des Nationalparks ist die Tourismusbranche. Mehrere Millionen Fremdenübernachtungen, Sommer wie Winter, sind für das Hotel- und Gaststättengewerbe sowie für die Betreiber von Berg- und Tal-Bahnen, Skiartikelhersteller, Ausrüster für Bergsteiger u.v.m. die einzige und wichtigste Einnahmequelle. Auch ist die Tatsache nicht zu übersehen, daß in diesen Industrien die Beschäftigungslage entscheidend vom Urlaubsverhalten der Touristen abhängt. Weitere Flächennutzungskonkurrenz liegt in der Ausweisung von Skipisten und Wanderwegen, in dem Bau von Seilbahnen, in der Ausgrenzung von Wirtschaftswald, in der Erweiterung von Siedlungsflächen, in der Ausweisung von Fischereibeständen und in der landwirtschaftlichen Nutzungen der Almen (Heller 1979).

8. Schriftenverzeichnis

AG Bodenkunde (1982): Bodenkundliche Kartieranleitung.- 3. Aufl.: 331 S., 19 Abb., 98 Tab., 1 Beil.; Hannover.

Bunza, G. (1982): Geologisch-morphologische Grundlagen der Wildbachkunde.-

Schriftenreihe des Bayer. Landesamtes für Wasserwirtschaft 17: VIII+128 S., Abb. 86, Tab. 18, Taf. 1; München.

Dommermuth, C. & Stahr, A. (1992): Beschleunigter Bodenabtrag auf Almen.- 12-22, Abb. 12.

Dommermuth, C. (1994): Beschleunigte Bodenabtragung und Massenbewegungen in den

Alpen (am Beispiel des Nationalparks Berchtesgaden).- Dissertation; Frankfurt am Main.

Fischer, K. (1984): Erläuterungen zur Geomorphologischen Karte 1:25000 der Bundesrepublik Deutschland, Bl. 8443 Königssee; Berlin.

Ganss, O. (1974): Geologie der Berchtesgadener und Reichenhaller Alpen.- 110-123, Abb. 7; Berchtesgaden.

Heller, W. (1979): Flächennutzungskonkurrenzen.- Geogr. Rdsch. 31, 11: 450-464, Abb. 1; Göttingen.

Langenscheidt, E. (1994): Geologie der Berchtesgadener Berge.- 160 S., Abb. 20, Bild 77; Berchtesgaden.

Mattheck, C. & Schönenberger, W. & Schweingruber, F. (1994): Bauformen an der oberen Waldgrenze.- Bündnerwald 1: 35-42, Abb. 19; Zürich.

Fin de l'extrait de 27 pages

Résumé des informations

Titre
Beschleunigte Bodenabtragung und Massenbewegungen im Bereich des Nationalparks Berchtesgaden
Université
University of Frankfurt (Main)
Cours
Seminar zum Landschaftshaushaltes
Note
2
Auteur
Année
1995
Pages
27
N° de catalogue
V96224
ISBN (ebook)
9783638089005
Taille d'un fichier
506 KB
Langue
allemand
Mots clés
Beschleunigte, Bodenabtragung, Massenbewegungen, Bereich, Nationalparks, Berchtesgaden, Seminar, Landschaftshaushaltes
Citation du texte
Michael Pachmajer (Auteur), 1995, Beschleunigte Bodenabtragung und Massenbewegungen im Bereich des Nationalparks Berchtesgaden, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96224

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