Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Autismus-Spektrum-Störung
2.1 Hintergrund
2.2 Definition
2.3 Das Asperger-Syndrom
2.3.1 Hintergrund
2.3.2 Kennzeichen
3 Berufliche Teilhabe am Arbeitsmarkt
3.1 Aktuelle Situation
3.2 Einstieg in die Berufswelt
3.2.1 Hürden
3.2.2 Stärken
3.3 Faktoren zur Inklusionserleichterung
3.3.1 Akzeptanz
3.3.2 Ruhige und stressarme Umgebung
3.3.3 Struktur
3.3.4 Einarbeitung
3.3.5 Zeit geben
3.3.6 Flexibilität zeigen und Inflexibilität zulassen
3.3.7 Weniger Licht
3.3.8 Nachsicht bei Kommunikation
3.3.9 Zeit allein
3.3.10 Allgemeine Rahmenbedingungen
4 Das Unternehmen auticon
4.1 Hintergrund
4.2 Unternehmenskonzept
5 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
- Jede Berufseinstellung ist ein Zwang zur Einseitigkeit, bedeutet ein Aufgeben von Möglichkeiten - was von vielen sehr quälend empfunden wird; manche Jugendliche scheitern ja aus dem Grund an der Berufswahl, weil sie, in verschiedenen Richtungen in gleicher Weise begabt, nicht zur Entscheidung kommen können, nicht die Stoßkraft in eine einzige Richtung aufbringen. Bei den Autistischen Psychopathen jedoch hat man den Eindruck, daß sie mit gesammelter Energie und selbstverständlicher Sicherheit - ja mit Scheuklappen gegenüber den reichen Möglichkeiten des Lebens - ihren Weg gehen, zu dem sie meist schon von Kind an nach ihren Anlagen vorbestimmt erscheinen.
Gerade bei den Autistischen sehen wir, dass sie von frühester Jugend an für einen bestimmten Beruf prädestiniert erscheinen, dass dieser Beruf schicksalhaft aus ihren besonderen Anlagen herauswächst. << (Asperger 1944: S.134f.)
Der Wiener Kinderarzt Hans Asperger hat bereits 1944 das Wichtigste zusammengefasst.1 Die nachfolgende Arbeit beschäftigt sich mit der beruflichen Teilhabe von Menschen mit Asperger-Syndrom am Arbeitsmarkt. Bislang finden die lebenswichtigen Aspekte der Berufstätigkeit viel zu wenig Beachtung.
Die Teilhabe am Arbeitsmarkt bildet einen wichtigen Faktor im Leben aller Menschen, so auch im Leben von Menschen mit Asperger-Syndrom. Sie trägt einen wesentlichen Teil zur Lebenszufriedenheit und zur sozialen Eingliederung bei. Die Beschäftigungssituation von autistischen Menschen ist seit über 20 Jahren als unzufriedenstellend zu bewerten.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, Hürden und Chancen für die Teilhabe am Arbeitsmarkt aufzuzeigen, sowie Möglichkeiten der besseren Eingliederung nahezulegen. Dazu wird im Kapitel 2 zunächst die Autismus-Spektrum-Störung allgemein und die Unterkategorie das Asperger-Syndroms kurz erläutert. Danach werden in Kapitel 3 Fakten zur aktuellen Situation aufgeführt und die Hürden, Stärken sowie Techniken näher analysiert. In Kapitel 4 wird das Unternehmen auticon vorgestellt, welches mit gutem Bespiel voran geht und einen erheblichen Teil zur besseren Eingliederung von Menschen mit Asperger-Syndrom beiträgt und vielen Menschen eine berufliche Zukunft ermöglicht.
2 Autismus-Spektrum-Störung
Im ersten Teil der Arbeit erfolgt, zum besseren Verständnis, ein kleiner Einblick in das Autismus-Spektrum allgemein und dann wird das Asperger-Syndrom fokussiert. Zuerst folgt ein kleiner Einblick in das Störungsbild um dann später unter 3.3 die berufliche Situation mit den vielen Facetten von Menschen mit Asperger-Syndrom genauer zu beleuchten.
2.1 Hintergrund
Der Begriff Autismus kommt aus dem griechischen und leitet sich aus dem Wort „autos“ = „selbst“ ab. Erwähnt wurde der Begriff erstmals 1911 von dem Schweizer Psychiater Eugen Bleuler, der Autismus als eine Art Grundsymptom der Schizophrenie einstufte (Remschmidt 2012: S.9). Geprägt wurde das Störungsbild des Autismus in den Jahren 1943/1944 von dem amerikanischen Kinderpsychiater Leo Kanner und dem österreichischen Kinderarzt Hans Asperger (ebd.). Kanner ging davon aus, dass Menschen mit Autismus bereits von Geburt an nicht fähig seien emotionale Bindungen einzugehen, Defizite in der sozialen und emotionalen Kompetenz aufweisen sowie Entwicklungsverzögerungen damit einhergehen. Auf der Basis von Kanners Untersuchungen entstand der heutige Begriff des frühkindlichen Autismus, auch Kanner-Syndrom genannt (ebd.: S.10ff.). Im Gegensatz dazu schrieb Asperger den Betroffenen außergewöhnliche Fähigkeiten in speziellen Bereichen und eine normale bis hohe Intelligenz zu. Asperger beschrieb die Betroffenen als „autistische Psychopathen“, was gesellschaftlich allerdings negativ assoziiert wurde, weshalb sich fortan der Begriff Asperger-Syndrom durchgesetzt hat (Preißmann 2013: S.13). Heute diagnostiziert man den Autismus als Autismus-Spektrum-Störung. Girsberger (2019), einem Facharzt für Kinder- und Jugendpsychatrie, zufolge ist der Begriff der Autismus-SpektrumStörung im deutschsprachigen Raum noch weitestgehend unbekannt (S.38). Der Begriff wurde zunächst im Mai 2013 im englischsprachigen Raum durch die Veröffentlichung des neuen Diagnosesystems DSM-5 eingeführt und durchgesetzt. Ziel war es alle anderen Bezeichnungen und kategoriale Diagnosen mit diesem zusammen zu fassen (Proft, et al. 2017: S.21). Der Autismus-Spektrum-Störung wird eine Doppeldeutigkeit zugeschrieben, zum einen, dass sich die Erscheinungsformen grundlegend voneinander unterscheiden und zum anderen, dass die Formen selbst verschieden stark ausgeprägt vorkommen können (Girsberger 2019: S.50f.).
2.2 Definition
Die Definition und Beschreibung der Autismus-Spektrum-Störung findet man in der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10) unter F84, den tiefgreifenden Entwicklungsstörungen. In dem Manual ist die Autismus-Spektrum-Störung unterteilt in drei Formen. Unter F84.0 steht der frühkindliche Autismus, F84. 1 der atypische Autismus und F84.5 das Asperger-Syndrom beschrieben (Dilling, Mombour & Schmidt 2018: S.343ff.). Gekennzeichnet ist diese Gruppe von Störungen durch ein eingeschränktes, stereotypes, wiederholendes Repertoire von Aktivitäten und Interessen. Außerdem zeigen sich qualitative Abweichungen in wechselseitigen sozialen Interaktionen und Kommunikationsmustern. Die Kennzeichen treten bei jedem Betroffen auf, jedoch variieren sie in ihrer Ausprägung und Intensität (ebd.)
2.3 Das Asperger-Syndrom
„Am einfachsten versteht man das Asperger-Syndrom, wenn man es als die Beschreibung einer Person betrachtet, die die Welt anders als andere wahrnimmt und begreift.“ (Attwood 2019: S.15)
Im Folgenden wird kurz näher erläutert wie der Begriff des Asperger-Syndroms Beachtung gefunden hat und wodurch die Störung gekennzeichnet ist.
2.3.1 Hintergrund
Das Asperger-Syndrom rückte, im Gegensatz zum frühkindlichen Autismus, erst relativ spät in die Aufmerksamkeit der Gesellschaft. Grund für die genaue Betrachtung des Asperger- Syndroms war eine Veröffentlichung von Lorna Wing im Jahr 1981. Anfang der 1990er Jahre prägte man das Asperger-Syndrom dann als eine Variante des Autismus (Attwood 2016: S.14f.). Das führte dazu, dass es 1992 schließlich in das Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation (ICD-10) aufgenommen und im klinischen Bereich anerkannt wurde (Preißmann 2013: S.13).
2.3.2 Kennzeichen
Menschen mit dem Asperger-Syndrom kann ein ungewöhnliches Fähigkeitsprofil zugeschrieben werden. Zum Teil können die gezeigten Verhaltensweisen, die Betroffenen im Alltag beeinträchtigen, doch bringen sie ebenfalls eine breite Palette einzigartiger und zum Teil überdurchschnittlicher Fähigkeiten mit (Attwood 2019: S.16).
Das Asperger-Syndrom charakterisiert sich durch die Beeinträchtigung sozialer Interaktionen, motorischen Einschränkungen, sowie die wiederholende Fokussierung auf Spezialinteressen und -aktivitäten. Die kognitive, sprachliche und allgemeine Entwicklung weist keine Verzögerungen oder Einschränkungen auf. Vielmehr wird den Menschen mit Asperger-Syndrom eine normale bis hohe Intelligenz zugewiesen. Als entscheidender Faktor, zur Beeinflussung der Entwicklung, gelten die Umwelteinflüsse (Dilling, Mombour & Schmidt 2018: S.351f.).
3 Berufliche Teilhabe am Arbeitsmarkt
Grundsätzlich ist die Teilhabe am Arbeitsmarkt für Menschen mit Asperger-Syndrom keinesfalls auszuschließen. Eher im Gegenteil, denn sie besitzen Fähigkeiten, die Unternehmen stark bereichern können, weshalb sie eher als sehr wertvolle Arbeitskräfte und Experten angesehen werden sollten. Die Realität und die Zahlen der Beschäftigten sehen aber leider immer noch sehr mager aus.
Nachfolgend wird näher darauf eingegangen wie die berufliche Lage zurzeit aussieht, welche Hürden den Einstieg oder die langfristige Beschäftigung erschweren aber auch welche wertvollen Stärken Menschen mit Asperger-Syndrom aufweisen.
3.1 Aktuelle Situation
In Deutschland werden mittlerweile circa 100.000 Menschen in das autistische Spektrum eingeordnet. Die bisherigen empirischen Forschungen zur Beschäftigung variieren extrem, doch lässt sich sagen, dass die Rate von Personen mit dem Asperger-Syndrom höchstens bei 50% liegt (Howlin, et al. 2004: 212ff.). Davon befinden sich lediglich 5-10% auf dem ersten Arbeitsmarkt, obwohl das Potenzial berufsfähiger autistischer Personen bei circa 25% liegt, der restliche Anteil findet sich in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen oder in der Arbeitslosigkeit wieder (Baumgartner, Dalferth & Vogel 2009). Die vorherrschenden beruflichen Perspektiven sind damit als unzureichend zu bewerten.
3.2 Einstieg in die Berufswelt
Um nach der Schule in der Arbeitswelt Fuß zu fassen gibt es eine Reihe vielseitiger Möglichkeiten. Wenn man sich noch nicht sicher ist welches Berufsfeld für die eigenen Fähig- und Fertigkeiten sowie persönlichen Umstände am sinnvollsten ist, sollten zuerst Erfahrungen in verschiedenen Bereichen gesammelten werden. Eine gute Möglichkeit bieten Praktika in unterschiedlichen Feldern für eine bestimmte Zeit. Hier kann man austesten welche Stärken und Schwächen entfaltet werden und ob diese in den jeweiligen Bereichen eine Hürde darstellen oder von Vorteil sind (Blodig, 2016: S.57f.). Bestehen bereits sehr ausgeprägte Interessen in einem Gebiet, sollte ein freiwilliges soziales Jahr oder ein bundesfreiwilliger Dienst in Betracht gezogen werden. So besteht die Möglichkeit, zeitlich erstmal auf ein Jahr begrenzt, herauszufinden ob die Begeisterung für das Berufsfeld bestehen bleibt oder mit der Zeit abnimmt.
Durch diese Möglichkeiten verhindert man das Hin- und Herspringen von einem Arbeitgeber zum nächsten und schafft mehr Strukturen (ebd.: S.61f.). Danach stehen dann die Ausbildung und Festanstellung auf dem Plan. Der Fokus zum Einstieg liegt hier in der genauen und gründlichen Einarbeitung und der Geduld zur Umstellung auf den Arbeitsalltag. In beiden Fällen, ob Ausbildung oder Festanstellung, durchläuft man vorab eine Probezeit, in der eine Kündigungsfrist von 2 Wochen, sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer festgesetzt ist. Bei der Ausbildung darf die Probezeit nicht mehr als vier Monate betragen, in der Festanstellung dauert sie durchschnittlich sechs Monate. Hier gilt es den Arbeitgeber von sich und seinen Fähigkeiten zu überzeugen aber auch von Anfang an ehrlich ihm gegenüber zu sein. Dies kann das Zusammenspiel und Miteinander von Arbeitgeber und Arbeitnehmer wesentlich erleichtern, wenn man dem Arbeitgeber vorher offen und ehrlich einen Einblick in die Welt der Autismus-Spektrum-Störung und in die eigenen individuellen Ausprägungen gewährt (Blodig 2016: S.63f.). Der Einstieg kann von Person zu Person variieren, da Bildungsstand, Vorerfahrungen und berufliche Kenntnisse ausschlaggebende Kriterien und Bedingungen darstellen (ebd.: S.57).
Menschen mit dem Asperger-Syndrom zeichnen sich durch ihr großes Interesse an und ihre starke Fokussierung auf einem bestimmten Spezialgebiet aus. So können die Interessen als wegweisend angesehen werden (Attwood 2019: S.352). Eine kurze beispielhafte Darstellung von Möglichkeiten kann der folgenden Tabelle entnommen werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Berufsorientierung (ebd.)
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1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung personenspezifischer Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl für jedes Geschlecht.