Chronobiologie und essen im Takt der "Inneren Uhr". Ein sinnvoller Ansatz zur Gewichtsreduktion bei der Erwerbsbevölkerung?


Tesis (Bachelor), 2020

59 Páginas, Calificación: 1,9

Anónimo


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1 EINLEITUNG UND PROBLEMSTELLUNG

2 ZIELSETZUNG

3 GEGENWÄRTIGERKENNTNISSTAND
3.1 Chronobiologie und Ernährung
3.1.1 Definition Chronobiologie
3.1.2 Entstehung der Chronobiologie
3.1.3 Zirkadianer Rhythmus
3.1.4 Die Hauptzeitgeber
3.1.5 Wesentliche Hormone des zirkadianenRhythmus
3.1.5.1 Melatonin
3.1.5.2 Kortisol
3.1.5.3 Leptin und Ghrelin
3.1.5.4 Insulin
3.1.6 Chronotypen und Typisierungsmethoden
3.1.7 Einfluss des modernen Lebensstils auf den zirkadianen Rhythmus
3.1.7.1 SozialerJetlag
3.1.7.2 Schichtarbeit und Jetlag
3.2 Übergewicht und Adipositas
3.3 Ursachen
3.3.1 Familiäre Disposition, genetische Ursachen
3.3.2 Lebensstil (z. B. Bewegungsmangel, Fehlernährung)
3.3.3 StändigeVerfügbarkeitvonNahrung
3.3.4 Schlafmangel
3.3.5 Stress
3.3.6 Depressive Erkrankungen
3.3.7 NiedrigerSozialstatus
3.3.8 Essstörungen (z. B. Binge-Eating-Disorder)
3.3.9 EndokrineFaktoren
3.3.10 Medikamente
3.4 Folgen
3.4.1 Gesundheitliche Folgen
3.4.2 Ökonomische Folgen
3.5 Gewichtsreduktion
3.5.1 Definition Gewichtsreduktion
3.5.2 Klassische Bestandteile von Emährungsinterventionen zur Gewichtsreduktion

4 METHODIK
4.1 Allgemeine Literaturrecherche
4.2 Identifikation von relevanten Studien
4.3 Qualität der Studien

5 ERGEBNISSE

6 DISKUSSION
6.1 EvidenzderStudien
6.2 Interpretation der Ergebnisse
6.2.1 ZeitpunktderMahlzeiten
6.2.2 Schlaf
6.2.3 Regelmäßigkeit der Mahlzeiten
6.3 . GRENZEN DER FORSCHUNGSMETHODEN
6.4 . EMPFEHLUNGEN FÜR ZUKÜNFTIGE FORSCHUNG

7 ZUSAMMENFASSUNG

8 LITERATURVERZEICHNIS

9 LITERATURVERZEICHNIS

10 ABBILDUNGS-, TABELLEN-, ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
10.1 Abbildungsverzeichnis
10.2 Tabellenverzeichnis
10.3 Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung und Problemstellung

Die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas ist ein ernstzunehmendes Gesundheits­problem. Allein in Deutschland sind 54,0 % der Erwachsenen übergewichtig. Männer ha­ben mit 43,3 % häufiger Übergewicht als Frauen (28,8 %) (Robert Koch-Institut, 2017, S.21).

Durch die erhöhte Anzahl von adipösen Personen entstehen erhebliche finanzielle Kos­ten. Im Jahr 2015 wurden insgesamt 338.207 Euro Krankheitskosten verursacht (Statistisches Bundesamt, 2020). Demgegenüber steht eine Vielzahl an populären Diät­konzepten und wissenschaftlichen Gewichtsreduktionsprogrammen.

Sechsundzwanzig Prozent der Deutschen haben bereits eine Diät ausprobiert; 15 % haben sich mindestens einmal an bestimmte Diätregeln gehalten (Techniker Krankenkasse, 2017, S.50). Dreiundvierzig Prozent der Diäterfahrenen konntenjedoch langfristig keinen Erfolg erzielen (Techniker Krankenkasse, 2017, S.51)

Gewichtsreduktionsansätze wie ,Low Fat‘ und ,Low Carb‘ sind dabei in der westlichen Welt besonders populär. Allerdings liegt deren Fokus überwiegend auf der Umsetzung eines optimalen Nährstoffverhältnisses, indem der Verzehr eines der Makronährstoffe Fett oder Kohlenhydrate deutlich eingeschränkt und somit ein Kaloriendefizit erreicht wird(Flögel, 2011,S. 282).

Die Berücksichtigung eines zeitlich geordneten, d. h. an der Chronobiologie ausgerichte­ten Essverhaltens zur Wiedererlangung eines normalen Körpergewichts, findet jedoch oftmals nur geringe Berücksichtigung. Die Mahlzeiten erfolgen oftmals unregelmäßig und häufig wird spät abends noch etwas gegessen (Gill & Panda, 2015, S. 789-798), was nicht dem zirkadianen Rhythmus entspricht. Das zirkadiane System bereitet Organismen darauf vor, sich zu bestimmten Zeiten zu ernähren, werden diese zeitlichen Beschränkung der Nahrungszufuhr nicht eingehalten, können viele schädliche Folgen für die Gesundheit auftreten. Z.B. produzieren Fruchtfliegen, die zur "falschen" Zeit gefüttert werden weni­ger Eier (Xu, DiAngelo, Hughes, Hogenesch, & Sehgal, 2011, S. 639). Des Weiteren wird angenommen, dass insbesondere die Desorganisation des zirkadianen Systems und der Verlust der zeitlichen Beziehungen zwischen den zirkadianen Rhythmen zur Entwicklung bestimmter chronischer Erkrankungen beitragen (Mukherji, et al., 2015, S. E6692). Au­ßerdem wurde in einer Studie an Mäusen berichteten, dass im Vergleich zu Tieren, die die gleiche Diät nur in der dunklen, aktiven Phase gefüttert bekamen, nur eine Woche einer fettreichen, zuckerreichen Diät, die auf die helle oder inaktive Phase beschränkt war, zu einem höheren Nahrungsmittelkonsum, weniger Körperliche Aktivität und einer erhöhten Fettansammlung in der Leber führte (Yasumoto, et al., 2016, S. 714-727).

Somit stellt sich die Frage: Liefert die Chronobiologie Hinweise darauf, dass der Lebens­mittelauswahl sowie der Nahrungsaufnahme zu bestimmten Zeiten zur Aufrechterhaltung und Wiedererlangung eines gesunden Körpergewichts eine entscheidende Bedeutung bei­gemessen werden sollte? Wie lautet somit die zeitliche Empfehlung für die Nahrungsauf­nahme? Ein Sprichwort welches bis heute diskutiert wird lautet: „Morgens essen wie ein Kaiser, mittags wie ein König, abends wie ein Bettler“. Dieses Konzept spiegelt den Grundgedanken wieder, dass neben der Menge und dem Inhalt der Nahrung auch der Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme entscheidend für das Wohlbefinden eines Organismus ist. Im Rahmen dieser Bachelor-Thesis soll auf Grundlage der Ernährung, der zirkadianen Rhythmik und Chronobiologie ein Überblick in Form einer Literaturrecherche gegeben werden.

2 Zielsetzung

Das Ziel dieser Bachelorarbeit ist es, darzustellen, inwiefern die Chronobiologie Einfluss auf die Gewichtsreduktion haben kann. Hierbei werden aktuelle Studien betrachtet und die Relevanz des Essensrhythmus im Hinblick auf die Gewichtsreduktion geprüft. Am Ende steht die Beantwortung der Frage, ob die Chronobiologie ein sinnvoller Ansatz für Gewichtsreduktionsprogramme sein kann.

Im ersten Teil dieser Arbeit wird der theoretische Hintergrund der Chronobiologie, das zirkadiane System, erarbeitet, um ein Grundverständnis für die Thematik zu herzustellen. Im weiteren Verlauf wird auf Ernährungs- und Lebensstilfaktoren eingegangen, um die Entstehung von Adipositas und Interventionsansätze veranschaulichen zu können. Ab­schließend wird ein Überblick über die derzeitige Studienlage zur zirkadianen Ernährung als mögliches Diätverfahren gegeben und daraufhin resümierend die Hypothese beant­wortet.

3 Gegenwärtiger Kenntnisstand

3.1 ChronobiologieundErnährung

Es gibt immer mehr Hinweise und Daten darüber, dass die menschliche Ernährungsweise einen wesentlichen Einfluss auf den zirkadianen Rhythmus ausübt. In den nachfolgenden Abschnitten werden dazu einzelne Aspekte genauer betrachtet.

3.1.1 Definition Chronobiologie

Unter dem Begriff Chronobiologie (griech. chronos: Zeit, Biologie: Lehre von der beleb­ten Natur) wird die zeitliche Organisation biologischer Prozesse eines Lebewesens ver­standen. Hierbei werden sowohl die natürlichen exogenen (äußeren) Rhythmen (Tag/Nacht, Ebbe/Flut, Sommer/Winter) als auch die endogenen (inneren) Rhythmen (Hormone wie Melatonin) berücksichtigt, abgebildet und in Verhaltensweisen und biolo­gischen Prozessen erfasst. Die Chronomedizin wurde entwickelt, um den veränderten physiologischen Zustand des Körpers im Verlauf unterschiedlicher Rhythmen therapeu­tisch besser einbeziehen zu können (Harder & Oster, 2019, S. 1015).

3.1.2 Entstehung der Chronobiologie

Der Forschungszweig der Chronobiologie wurde im 20. Jahrhundert gegründet. Zu dieser Zeit entdeckte der Verhaltensphysiologe Gustav Kramer, dass Zugvögel eine Art ,innere Uhr‘ besitzen. Sie konnten durch die Orientierung an der Sonne ihre optimale Flugrich­tung bestimmen. Des Weiteren stellte der Mediziner und Physiologe Jürgen Aschoff fest, dass der zirkadiane Rhythmus eines Organismus durch die Lichtintensität beeinflusst werden kann. Somit initiierte Aschoff I960 gemeinsam mit zwei weiteren Forschern das erste ,Cold Spring Harbor Symposium for Biological Clocks‘, was als Geburtsstunde der Chronobiologie gesehen werden kann (Abbruzzese, 2011, S. 133).

Die Forscher entwickelten eine Basis aus Regeln, Prüfsteinen und Konzepten, mit deren Hilfe sie in Zukunft die Mechanismen der biologischen Rhythmen und deren Verbreitung analysieren wollten.

3.1.3 Zirkadianer Rhythmus

Aufgrund der Rotation der Erde um ihre eigene Achse verändern sich Umweltbedingun­gen und es gibt den Wechsel von Tag und Nacht. Gleichzeitig kreist die Erde auch um die Sonne und somit entstehen die Jahreszeiten. Für viele Lebewesen ist es entscheidend, bestimmte Veränderungen schon im Vorhinein zu kennen, um das eigene Überleben zu sichern. Äußere Gegebenheiten wie Temperatur, Lichtmenge, Nahrungsangebot und Schutz vor Fressfeinden ändern sich über den Tag hinweg; die Anpassung daran bringt somit revolutionäre Vorteile (Podbregar, 2012, S.100). Allerdings beeinflussen den Or­ganismus nicht nur äußere, sondern auch innere Gegebenheiten. Dabei wurde schon im 18. Jahrhundert das Bestehen eines endogenen Zeitsystems entdeckt: Der französische Astronom Jean Jacques Ortous de Mairan beobachtete, dass die Pflanze Mimosa ihre Blätter trotz fehlenden Sonnenlichts tagesrhythmisch öffnete und wieder schloss. Des Weiteren konnten Aschoff et al. durch ein Bunkerexperiment, bei dem Versuchspersonen drei bis vier Wochen ohnejegliche Tageszeitorientierung leben mussten, beweisen, dass der Mensch ebenfalls über einen endogenen zirkadianen Rhythmus verfügt und dass der interne Tag-Nacht-Rhythmus bei den meisten Menschen nicht genau 24 Stunden, sondern zwischen 24,7 und 25,2 Stunden andauert (Abbruzzese, 2011, S. 133). Somit wurde der zirkadiane Rhythmus (lat. circa: ungefähr, lat. dies: der Tag) ungefähr so lang wie ein Tag entdeckt.

Der Organismus verfügt über unterschiedlichen Rhythmen: der zirkadiane Rhythmus, die Periode des ultradianen Rhythmus (lat. ultra: über) ist kürzer als 24 Stunden; das Ereignis findet dabei mehrmals täglich statt. Beispiele für den ultradianen Rhythmus sind der Herzschlag, die Atmung und die Ausschüttung von Hormonen bei Tier und Mensch. Schließlich die Periode des infradianen Rhythmus (lat. infra: unter) dauert länger als 24 Stunden. Ein Beispiel ist hier der Menstruationszyklus der Frau (Grundbegriffe der Chrono­biologie, 2009, S. 282).

3.1.4 Die Hauptzeitgeber

Das zirkadiane Synchronisationssystem des Menschen misst die äußere Zeit und besitzt außerdem einen endogenen Rhythmus. Der äußere Tag beeinflusst den endogenen Rhyth­mus, und die Zeitinformation muss an alle weiteren, nichtzentralen zirkadianen Systeme des Körpers weitergegeben werden.

Die zirkadianen Rhythmen sind zum Großteil Ausdruck der Aktivität organismusinterner Oszillatoren (,Uhren‘) mit definierten Oszillationsperioden. Der Rhythmus dieser Oszil­latoren liegt nicht genau bei 24 h und wird von ,Zeitgebem‘ der Umgebung synchroni­siert. Hierbei werden Zeitinformationen der inneren Uhr verarbeitet.

Der wichtigste Zeitgeber ist dabei der Tag-Nacht-Wechsel. Ohne den äußeren Licht­Zeitgeber würde die innere mit ihrer eigenen, internen Zyklendauer ticken (Czeisler et al., 1999, S. 2178). Blinde Menschen können sich deshalb nicht mit dem 24-Stunden- Rhythmus des Tages synchronisieren (Allen, 2019, S. 73-79), denn der sonnenbedingte Hell-Dunkel-Wechsel spielt beim Stellen der inneren Uhr eine entscheidende Rolle. Dies wird u. a. ersichtlich durch die natürliche durchschnittliche Aufwachzeit (ohne äußere Zwänge) innerhalb einer Zeitzone von Ost nach West, die um fast genau vier Minuten pro Längengrad später wird. Dieses Phänomen entspricht dem Ost-West-Lauf der Sonne (Roenneberg, Kumar, & Merrow, The human circadian clock entrains to sun time, 2007, S. 44-45). Im Winter sind die inneren Uhren der meisten Menschen oftmals später eingestellt als im Sommer (Hadlow, Brown, Wardrop, & Henley, 2014, S. 246).

Die wichtigsten endogenen Oszillatoren, die unabhängig von externen Zeitgebern einen zirkadianen Rhythmus generieren, befinden sich im Zentralennervensystem (ZNS), spe­ziell im suprachiasmatic nucleus (SCN) des Hypothalamus (Born & Birbaumer, 2019, S. 805). Der SCN enthält 15-20.000 Neuronen, die die Eigenschaft haben, mit einem auf 24 Stunden basierenden Rhythmus zu schwingen.

Eine Wechselwirkung zwischen verschiedenen Proteinen beeinflusst die innere Uhr. Von Bedeutung ist insbesondere die Interaktion zwischen den Proteinen PER (Period) und CRY (Cryptochrome). Der PER/CRY-Proteinkomplex wird im Bindungsbereich durch ein Zinkion entscheidend stabilisiert. Dieses ist vermutlich nur unter bestimmten physio­logischen Bedingungen präsent, sodass dieser Regulationsmechanismus die äußeren Fak­toren, wie bspw. der Tag-Nacht-Wechsel, die innere verstellen können (Schmalen et al., 2014, S. 1203-1215). Wahrscheinlich tickt injeder Zelle des Körpers eine eigene zirka­diane Uhr (Mohawk, Green, & Takahashi, 2012) in Form von spezifischen Genen, die ihre Genexpression gegenseitig über Rückkopplungsschleifen steuern. So konnten in Tierstudien zirkadiane Uhren im Verdauungssystem nachgewiesen werden (Sadacca, Lamia, deLemos, Blum, & Weitz, 2010, S. 120-124). Diese Gene werden Clock-Gene genannt und vom SCN synchronisiert (Stenvers, Jonkers, Fliers, Bischop, & Kaisbeek, 2012, S. 359-376).

Im Jahr 2017 erhielten die Wissenschaftler Jeffrey C. Hall, Michael Rosbash und Michael W. Young für die Identifizierung der Uhrengene und das grundlegende Verständnis von Mechanismen für die Erzeugung und Aufrechterhaltung zirkadianer Rhythmen den No­belpreis für Physiologie und Medizin. Sie entdeckten, dass ein wichtiges Uhrenprotein der Fliege seine eigene Genexpression in einer Art Rückkopplungsschleife beeinflusst. Auch beim Menschen spielen diese entdeckten PERIOD-Gene und -Proteine (PER1-3) eine herausragende Rolle in der Regulation der zirkadianen Uhr (Riddle, Mezias, Foley, LeSauter, & Silver, 2017, S. 1357-1367). Des Weiteren erhält der SCN regelmäßig Rück­meldung über die Uhrzeit des Körpers und seiner einzelnen Gewebe, indem alle Stoff­wechselaktivitäten des Körpers einander Rückkopplung über die innere Zeit geben. Dabei finden auch Rückkopplungen an den SCN statt (Remi, 2019).

Diese Rückkopplungen erfolgen außerdem sowohl durch die Zirbeldrüse als auch durch soziale Faktoren. Dadurch kann eine zirkadiane Rhythmik auch ohne direkte Lichtinfor­mation aufrechterhalten werden. Ohne einen Zeitgeber stellt sich ein freilaufender Rhyth­mus mit einer Periodendauer von etwa 25 Stunden ein. Dabei bleibt zunächst die Syn­chronisation der untergeordneten zirkadianen Systeme mit dem SCN erhalten. Erst nach einigen Wochen kann diese nicht mehr gewahrt werden und es kommt zu einer fortschrei­tenden Störung zwischen der Rhythmik des SCN und den anderen Rhythmusoszillatoren, die in einer Desynchronisation endet (Rodenbeck, Chronobiologie, 2010, S. 1-5).

3.1.5 Wesentliche Hormone des zirkadianen Rhythmus

Auch endokrmologische Prozesse zeigen einen zirkadianen Rhythmus auf. Die Ausschüt­tung aller Hormone erfolgt dabei zeitlich getaktet. Im folgenden Abschnitt werden rele­vante Botenstoffe erläutert.

3.1.5.1 Melatonin

Ein wichtiger Botenstoff für den zirkadianen Rhythmus ist Melatonin. Die Netzhaut des Auges nimmt Lichtimpulse auf, die über Nervenzellen von der Retina an den SCN wei­tergegeben werden. Anschließend wird in der Zirbeldrüse, im Darm und in der Netzhaut des Auges Melatonin gebildet und unter dem Einfluss von Dunkelheit freigesetzt (Pail et al., 2011, S. 152-162). Die Melatoninkonzentration erreicht gegen drei Uhr morgens das Maximum, wobei die Ausschüttung durch Tageslicht gebremst wird. Melatonin übersetzt die äußere Information Tag = Licht und Nacht = Dunkelheit in ein endogenes Signal und steuert somit den Tag-Nacht-Rhythmus des menschlichen Körpers (Grundbegriffe der Chronobiologie, 2009, S. 284-285). Ein Mangel an Melatonin wird mit Schlafstörungen, Störungen der allgemeinen Befindlichkeit sowie Depressionen in Verbindung gebracht (Obayashi, Saeki, Kataoka, & Morikawa, 2015, S. 3090 -3096). Des Weiteren kann die Melatonin sublimentierung ein schnelleres Einschlafen begünstigen (Kräuchi, Cajochen, Werth, & Wirz-Justice, 1999, S. 36-37). Es reichen sehr geringe Dosen aus (~1 mg), um die oben erwähnten Wirkungen von Melatonin zu erzielen. Häufig wird Melatonin auf­grund der Zeitgeberwirkung bei Jetlag eingesetzt, auch bei blinden Personen mit zirkadi­anen Schlafstörungen, wo gewöhnliche Schlafmittel kaum Wirkung zeigen und Licht als Zeitgeber nicht wirken kann (Arendt & Rajaratnam, 2008, S. 267-269).

3.1.5.2 Kortisol

Auch Kortisol scheint einen eindeutigen zirkadianen Rhythmus aufzuweisen.

Es handelt sich dabei um ein Nebennierenrindenhormon, das aus Cholesterin gebildet wird. Kortisol zählt zu den Stresshormonen und ist in der Lage, Glukose bereitzustellen. Des Weiteren beeinflusst Kortisol die Glukoseproduktion in der Leber und den Proteinab­bau in der Skelettmuskulatur. Im Normalfall liegt der Kortisolspiegel am Morgen am höchsten, am Abend bei etwa 50 % und fällt nachts auf ca. 20 % des Morgenwertes ab (Hubl, 2019, S. 1394). Auch der Spiegel dieses Hormons kann durch Licht, Schlaf und Nahrungsaufnahme moduliert werden; durch die Einnahme einer Mahlzeit kann der Kor­tisolspiegel bspw. ansteigen (Dodt, Hansen, Uthgenannt, Born, & Fehrn, 2009, S. 460­466). . ..

3.1.5.3 Leptin und Ghrelin

Leptin und Ghrelin sind im Gehirn an der Regulation der Nahrungsaufnahme beteiligt und werden im Hypothalamus und im Hypophysenzwischenlappen gebildet.

Die Leptinkonzentration im Blut weist einen zirkadianen Rhythmus auf; hierbei sind die Maximalwerte während der Nacht zu messen und die minimalen Werte während des Ta­ges (Sinha et al., 1996, S. 1344-1347). Leptin weist eine appetithemmende Wirkung auf, wobei der nächtliche Anstieg das Hungergefühl bremst und somit einen ungestörten Schlaf ermöglicht (Bodosi et al., 2004, S. R1071-R1079). Bei chronischem Schlafmangel ist die Serumkonzentration des Leptins deutlich vermindert und führt zu vermehrtem Hungergefühl (Keller, Hader, Zeeuw, & Rasche, 2007, S. 313-318). Ghrelin ist das Ge­genstück zum Leptin und führt zu einer Steigerung des Hungergefühls (Dzaja et al., 2004, S. E963-E967). Bereits kurz nach der Nahrungsaufnahme fällt der Ghrelinspiegeljedoch rasch wieder ab.

3.1.5.4 Insulin

Die Bauchspeicheldrüse stellt Insulin in den sogenannten Beta-Zellen her. Nach einer Kohlenhydratzufuhr steigt der Blutzuckerspiegel an und das Insulin transportiert das über die Nahrung aufgenommene Glukose aus dem Blut in die Zellen.

Für die Regulation der Glykogenspeicherung spielt das Insulin eine entscheidende Rolle, denn es aktiviert den Glukose-Transport durch die Membran der Muskel- und Fettgewe­bezellen. Neben dem Transport des Zuckers aus dem Blutkreislauf in die Zellen reguliert Insulin außerdem den Fett- und Eiweißhaushalt.

Je nachdem, was und wann der Mensch isst, steigt und sinkt sein Blutzuckerspiegel über den Tag verteilt. Sowohl der Insulin- als auch der Blutzuckerspiegel unterliegen demnach ständigen Schwankungen (Dr. Lütke, Dr. Neufang-Sahr, Erdmann, Prof. Scherbaum, & Abratis, 2018). Damit der Blutzucker nicht zu schnell und zu stark abfällt, wird das Hor­mon Glukagon ausgeschüttet. Dieses sorgt dafür, dass der Blutzucker rasch wieder steigt. Auch bei mangelnder Nahrungsaufnahme wird Glukagon freigesetzt und setzt Energie aus dem Depot in der Leber frei, um Unterzuckerungen zu vermeiden (Die Bauchspei­cheldrüse - die Blutzucker-Zentrale, 2020). Des Weiteren liefern Zwischenmahlzeiten nicht nur zusätzliche Kalorien, sondern verhindern auch das Absinken des Insulinspiegels und somit einen Fettabbau zwischen den Mahlzeiten. Ein hoher Insulinspiegel gilt dabei als stärkster Hemmfaktor des Fettabbaus. Bei Essenspausen von bis zu fünf Stunden sinkt der Insulinspiegel, und Fett aus den Depots kann verbrannt werden (Semler, 2010, S. 296).

3.1.6 Chronotypen und Typisierungsmethoden

Der Zeitpunkt der zirkadianen Rhythmik ist individuell verschieden. Der sogenannte ,Chronotyp‘ oder die Tagespräferenz hängt von Verhaltensmustem ab, die auf zirkadian gesteuerte biologische Prozesse hinweisen (Roenneberg et al., 2007, S. 44-45).

Dabei wird zwischen dem Morgenchronotyp (Lerche), der früher aufsteht und früher zu Bett geht, und dem Abendchronotyp (Eule) unterschieden.

Beim Morgenchronotyp ist im Vergleich zum Abendchronotyp hinsichtlich der Höchst­werte von Kortisol sowie der Körpertemperatur eine Vorverschiebung von ca. einer Stunde festzustellen (Abbruzzese, Chronobiologie des Hormon- und des Immunsystems, 2011, zitiert nach Bailey & Heitkemper, 2001, S.135). Des Weiteren findet die Melato­ninausschüttung beim Morgenchronotyp früher statt als bei Abendtypen und seine Kör­pertemperatur sinkt im Vergleich während der Nacht stärker (Abbruzzese, Chronobiolo­gie des Hormon- und des Immunsystems, 2011, zitiert nach Duffy, Rimmer, & Czeisler, 2001, S. 135). In der Gesamtbevölkerung ist der Morgenchronotyp am häufigsten vertre- tenjedoch übt das Lebensalter Einfluss auf das zirkadiane System aus. Während Jugend­liche und Adoleszente überdurchschnittlich häufig dem Abendtypus zugeordnet werden können (Rodenbeck, 2020, S. 4), ist bei zunehmendem Alter der Morgentypus häufiger anzutreffen (Fischer, Lombardi, Marucci-Wellman, & Roenneberg, 2017, S. e0178782). Der Zeitpunkt von Ereignissen oder die Planung von Arbeit, Schule oder Prüfungen kann bestimmte Chronotypen begünstigen oder beeinflussen (Rae, Stephenson, & Roden, 2015, S. 1339-1349).

Der Chronotyp wird durch den genetischen Hintergrund, das Alter, das Geschlecht und die Umgebung (z. B. Lichtexposition) bestimmt (Roenneberg et al., Epidemiology of the human circadian clock, 2007 S. 429).

Die individuellen Chronotypen können dabei leicht zugeordnet werden, z. B. mit Hilfe von Fragebögen, die einfache Fragen zu Schlaf- und Wachzeiten stellen.

Insbesondere der Fragebogen zur Bestimmung der individuellen zirkadianen Phasenlage von Home und Östberg, der ,Morningness-Eveningness-Questionnaire‘ (MEQ), konnte sich hier durchsetzen (Horne & Österberg, 1976). Seine Validierung erfolgte durch 48 Probanden, die über drei Wochen ihre Schlafzeiten dokumentierten und tagsüber in einem halbstündigen Abstand ihre Mundtemperatur prüften.

Der aus 19 Items bestehende Fragebogen wurde anhand der Rhythmen von Körpertem­peratur, Aktivität, Kortisol, Melatonin, Leistungsfähigkeit und Wachheit erstellt und weist eine hohe Reliabilität auf (Milia, Adan, Natale, & Randler, 2013, S. 1261-1271). Er wurde in mehrere Sprachen übersetzt und wird heute weltweit am häufigsten zur Ermitt­lung des Chronotyps verwendet. Hierbei werden die Befragten gebeten, anzugeben, wann sie z. B. das Aufwachen oder Einschlafen präferieren. 2003 wurde ein neuer Fragebogen entwickelt, um Informationen über die tatsächliche zeitliche Planung des täglichen Schlafs und der Aktivität zu sammelmder Munich Chro­noType Questionnaire (MCTQ) (Roenneberg, Wirz-Justice, & Merrow, Life between Clocks: Daily Temporal Patterns of Human Chronotypes, 2003, S. 80-90). Die aus 19 Fragen bestehende Skala untersucht die Wach- und Schlafzeiten sowohl an Arbeits- als auch an freien Tagen, die Energieniveaus während des Tages, die Schlaflatenz und -träg­heit sowie die Tageslichteinwirkung. Die einzelnen Teilnehmer werden gebeten, sich selbst subjektiv als einen der möglichen Chronotypen zu bewerten, die von extrem früh (diese ziehen es vor, viel früher aufzustehen als andere) bis extrem spät reichen. Diese Informationen werden kombiniert, um die Tageszeit zu bestimmen, zu der sich der Be­fragte wahrscheinlich am wachsten fühlen wird, wonach er objektiv in eine Chronotypen- kategorie eingeordnet wird (Zavada, Beersma, Beersma, Daan, & Roenneberg, 2005, S. 267-278).

3.1.7 Einfluss des modernen Lebensstils auf den zirkadianen Rhythmus

3.1.7.1 Sozialer Jetlag

Das Phänomen der regelmäßigen, wöchentlichen Änderungen der Schlafzeit wird als so­zialer Jetlag bezeichnet (Wittman, Dinich, Merrow, & Roenneberg, 2006, S. 497-509).

Der menschliche Schlaf wird oftmals von der sozialen Zeit, vor allem vom Arbeitsplan, beeinflusst. Dies wird offensichtlich, wenn die Schlafdauer getrennt von Arbeits- und freien Tagen analysiert wird; hierbei ist der Schlaf an freien Tagen signifikant länger als in der Arbeitswoche. Diese Abweichung istbeijungen Erwachsenen am ausgeprägtesten und nimmt mit zunehmendem Alter stetig ab.

Die vorzeitige Unterbrechung des Schlafens, z. B. durch einen Wecker, führt insbeson­dere bei späteren Chronotypen zu Schlafverlusten, da die zirkadiane das Einschlafen be­einflusst. Um diese Schlafverschuldungen auszugleichen, verschlafen diese Menschen in der Regel an freien Tagen (Roenneberg, Allebrandt, & Merrow, 2012, S. 939-943).

In der folgenden Abbildung ist ein beispielhaftes Schlaftagebuch einer Person mit star­kem sozialem Jetlag abgebildet. An Werktagen ist die Schlafzeit dieser Person (dunkel­grau) an den Wochenenden ist die Schlafzeit (hellgrau). An Werktagen wird der Schlaf an beiden Enden verkürzt: Die innere der Person erlaubt es ihr nicht zur optimalen Zeit einzuschlafen und am Morgen wird der Schlaf durch den Wecker vorzeitig abgebrochen. Die Folge: chronischer Schlafmangel, der nur zum Teil am Wochenende aufgeholt wer­den kann.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Chronotyp wird im Laufe der Pubertät und der Adoleszenz progressiv später (Roden­beck, 2020); diese Entwicklungsveränderungen im zirkadianen Zeitablauf führen in Kombination mit der Tatsache, dass die Schulzeiten nicht auf den allgemein späten Chro­notyp von Teenagern abgestimmt sind (Roenneberg, Allebrandt, & Merrow, 2012, S. 939-943), zu einem Höhepunkt des sozialen Jetlags gegen Ende der Adoleszenz. Deshalb weisen Teenager im Vergleich zu allen anderen Altersgruppen die größte Abweichung in der Schlafdauer zwischen freien und Arbeits- bzw. Schultagen auf. Obwohl der soziale Jetlag während der Adoleszenz am akutesten ist, hält er typischerweise während des ge­samten aktiven Arbeitslebens bis zur Pensionierung an (Roenneberg, Allebrandt, & Mer­row, 2012, S. 939-943).

3.1.7.2 Schichtarbeit und Jetlag

Durch den Einfluss des modernen Lebensstils nimmt die Zuverlässigkeit externer Zeitge­ber immer weiter ab. Künstliche Beleuchtung, Ernährung, Klimatisierung, Wechsel von Jahreszeit und Zeitzonen, Nachtarbeit, Weck- und Schlafmittel, hormonale Ausschaltung des Menstruationsrhythmus sind Beispiele von Veränderungen der naturgegebenen Zeit­ordnung. Mit der Entwicklung von künstlichem Licht hat sich nicht nur die effektiv nutz­bare Zeit eines Tages und damit die menschliche Aktivitätsphase verlängert, es wird so­gar eine komplette Umkehrung von Schlaf- und Wachphasen möglich - z. B. bei Schicht­arbeit - was auch als Chronodisruption betitelt wird (Harder & Oster, Zirkadiane Rhyth­men -Wie beeinflussen sie unserLeben? 2019, S. 1014-1017).

In vielen Bereichen sind wechselnde Arbeitsschichten heute aus wirtschaftlichen, tech­nologischen und versorgungstechnischen Gründen unvermeidbar. Im Jahr 2018 haben 5,0 % der Erwerbstätigen nachts gearbeitet (Statistisches Bundesamt, 2020).

Wechselschichten, Früh- und Nachtschichten erfordern Wachheit und Aktivität zu Tages­zeiten, zu denen die innere den Organen Ruhephasen vorgibt und die Umwelt ,Nacht‘ anzeigt; bei Nachtarbeit ist es zudem erforderlich, zu einer Zeit zu schlafen, in der die äußeren Zeitgeber ,Tag‘ signalisieren. Nachtschichtarbeiter schlafen und arbeiten somit gegen ihre innere und gegen den natürlichen Hell-Dunkel-Rhythmus des 24-Stunden-Ta- ges. Auf lange Sicht kann dies zu einer Desynchronisation zwischen dem zirkadianen System des Organismus und den Zeitgebern in der Umwelt führen (Schichtarbeit in der modernen Industriegesellschaft und gesundheitliche Folgen, 2010, S. 88-89). Bei einer andauernden Chronodisruption, z.B. durch Schichtarbeit, ist mit schwerwiegenden Fol­gen zu rechnen: Es entsteht ein erhöhtes Risiko für zahlreiche chronische Erkrankungen (Kecklund & Axelsson, 2016, S. 1-13). Studien belegen bspw., dass die Störung des zir­kadianen Rhythmus durch Schichtarbeit zu einem metabolischen Syndrom führen kann (Puttonen, Viitasalo, & Härma, 2012, S. 343-348). Des Weiteren konnte ein Zusammen­hang zwischen verminderter Schlafdauer und Gewichtszunahme belegt werden. Eine durchschnittliche Schlafdauer von weniger als sechs im Vergleich zu sieben bis acht Stun­den pro Nacht geht dabei mit einem um etwa 60 % erhöhten Adipositasrisiko einher (Hall etal.,2008, S. 635-643)

Die gleiche Problematik tritt bei einem Jetlag auf. Nach einem Flug in eine andere Zeit­zone stimmen Lebensrhythmus und äußere Signale plötzlich nicht mehr mit der inneren überein. Somit geraten die körperlichen Rhythmen durcheinander.

Jedoch kann sich die ,innere Uhr‘ nach einer gewissen Zeit erneut an die äußeren Bedin­gungen anpassen, aber immer nur um wenige Stunden auf einmal. Einige der vielen un­terschiedlichen Zyklen und Rhythmen im menschlichen Körper benötigen mehr Zeit, um sich komplett anpassen zu können. Bei einem Jetlag kann es somit zwischen wenigen Tagen und einigen Wochen dauern, bis Umwelt und Körper wieder synchron sind (Pod- bregar, 2012, S. 107).

3.2 Übergewicht und Adipositas

Übergewicht und Adipositas sind definiert als eine über das Normalmaß hinausgehende Vermehrung des Körperfetts nach den Leitlinien der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (2020) und werden von der WHO als eigenständige Krankheiten eingestuft (World Health Organization, 2000). Weltweit ist die Prävalenzrate für Übergewicht und Adipositas zwi­schen 1980 und 2012 bei Erwachsenen um 27,5% und bei Kindern um 47,1% gestiegen, bei insgesamt 2,1 Milliarden Menschen, die als übergewichtig oder adipös gelten (Ng, et al., 2014, S. 766-781 ). Dieser Anstieg war sowohl in Industrie- als auch in Entwicklungs­ländern zu beobachten. Allerdings ist die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas in allen Altersgruppen in den Industrieländern höher als in den Entwicklungsländern (Ng, etal.,2014, S. 766-781).

Indikator (BMI) Das am häufigsten verwendeten Maß zur Definition von Übergewicht und Adipositas ist der Body-Mass-Index (BMI), der mit dem Verhältnis von Körpergewicht zum Quadrat der Körpergröße (kg/m2) berechnet wird.

Untergewicht ist unterhalb des Wertes von 18,5 einzuordnen. Als Normalgewicht ist der Wert zwischen 18,5 und 24,9 kg/m2 definiert. Ab einem BMI von 25 kg/m2 wird von Übergewicht gesprochen. Ein BMI von 30 kg/m2 kennzeichnet die Grenze zur Adipositas, die weiter in drei Schweregrade unterteilt wird. Mit der nachfolgenden Tabelle kann ein Ergebnis beurteilt werden.

Tabelle 1: Gewichtsklassifikation anhand des BMI für Erwachsene (Weltgesundheitsorganisa­tion, 1998)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Aussagekraft des BMI istjedoch bezüglich der Bewertung des Gesundheitszustandes begrenzt. Denn bei Betrachtung der Risikofaktoren ist nicht nur die Menge des Körper­fettes zu berücksichtigen, sondern auch die Fettverteilung (Donahue, Bloom, Abbott, Reed, & Yano, 1987, S. 821-824). Des Weiteren deutet ein erhöhter BMI nicht immer auf eine erhöhte Körperfettmenge hin. Kraftsportler erreichen bei geringem Körperfettanteil und erhöhter Muskelmasse ebenfalls einen erhöhten BMI (Ode, Pivamik, Reeves, & Knous, 2007, S. 403-409). Ohne erhöhte körperliche Aktivität ändert sich die Fettvertei­lung im Körper mit zunehmendem Alter. Vor allem Muskel- und Knochenmasse nehmen über die Jahre kontinuierlich ab, während sich die Menge der abdominalen Fettreserven erhöht (Gallagher et al., 1996). Der BMI bleibt hiervonjedoch unbeeinflusst. Zusätzlich unterscheidet sich die Körperfettmasse der unterschiedlichen Ethnien (Deurenberg-Yap, Schmidt, van Staveren, & Deurenberg, 2000, S. 1011-1017), sodass diese Klassifikation nur für die weiße europäische Bevölkerung gilt. Deshalb ist ein weiteres Messverfahren wie die Messung des Taillenumfangs empfehlenswert. Hierbei wird durch die umfangs­messung der Taillie ebenfalls der Körperbau miteinbezogen.

Der Taillenumfang wird zwischen dem unteren Ende der Rippen und dem oberen Ende des Beckens gemessen. Liegt der Wert bei Frauen bei > 88 cm bzw. bei Männern bei > 102 cm, handelt es sich um eine abdominale Adipositas (Weltgesundheitsorganisation, 2000).

3.3 Ursachen

Adipositas entsteht durch ein Energieungleichgewicht zwischen konsumierten und ver­brannten Kalorien, was einen Energieüberschuss und somit eine positive Energiebilanz bedeutet, die zu Übergewicht führt. Ein solches Energieungleichgewicht kann dabei das Ergebnis tiefgreifender sozialer und wirtschaftlicher Veränderungen sein (Hubry & Hu, 2014, S. 673-689). Die genaue Ursache der Adipositas erkrankung ist unbekannt; es scheintjedoch eine Beziehung zwischen biologischen, psychosozialen und verhaltensbe­zogenen Faktoren zu bestehen, zu denen die genetische Beschaffenheit, der sozioökono­mische Status und kulturelle Einflüsse gehören (Deutsche Adipositas Gesellschaft, 2019 - 2020).

Nach den Leitlinien der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (2020) sind vor allem fol­gende Punkte als ursächlich anzusehen:

3.3.1 Familiäre Disposition, genetische Ursachen

Hierbei stellt Adipositas eine neuroendokrinologische Störung dar, die entsteht, wenn be­stimmte Umweltfaktoren auf eine genetische Prädisposition treffen. Es wird angenom­men, dass diese Prädisposition sowohl den Metabolismus als auch das Verhalten beein­flusst (Hebebrand & Hinney, 2009 zitiert nach Hebebrand, Bamman, & Hinney, Geneti­sche Ursachen der Adipositas, Zum Stand der Forschung, 2010, S. 674). In Familien-, Adoptions- und Zwillingsstudien wurde belegt, dass die Vererbung vorwiegend beim Energieverbrauch sowie bei der Hunger- und Sättigungsregulation eine Rolle spielt (Wirth, 2015, S. 362). Zum Beispiel wurde bei Zwillingsstudien eine Heritabilitätsrate (Maßzahl für den vererbbaren Anteil eines Erscheinungsbildes) von 80 % bewiesen (Hjelmborg et al., 2012). Des Weiteren gibt es einzelne monogenetische Syndrome oder Erkrankungen, die unter anderem zu Adipositas führen können (Xia & Grant, 2013, S. 178-190).

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Final del extracto de 59 páginas

Detalles

Título
Chronobiologie und essen im Takt der "Inneren Uhr". Ein sinnvoller Ansatz zur Gewichtsreduktion bei der Erwerbsbevölkerung?
Universidad
Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement GmbH
Calificación
1,9
Año
2020
Páginas
59
No. de catálogo
V966165
ISBN (Ebook)
9783346314871
ISBN (Libro)
9783346314888
Idioma
Alemán
Palabras clave
essen, takt, inneren, chronobiologie, ansatz, gewichtsreduktion, erwerbsbevölkerung
Citar trabajo
Anónimo, 2020, Chronobiologie und essen im Takt der "Inneren Uhr". Ein sinnvoller Ansatz zur Gewichtsreduktion bei der Erwerbsbevölkerung?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/966165

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