Soziale Ungleichheit und Bildungschancen in Ostdeutschland


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2000

19 Pages


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Historischer Überblick
2.1 Auch der Sozialismus siebte aus
2.2 Die Wende - ein Neubeginn

3 Schulische Bildung
3.1 Neue Länder - neue Schulen
3.2 Familiäre Herkunft entscheidet über den Besuch der gymnasialen Oberstufe
3.2.1 Bildung der Eltern
3.2.2 Einkommen der Eltern
3.2.3 Beruf der Eltern
3.2.4 Soziale Herkunft (Grob-Indikator)

4 Hochschulbildung
4.1 Allgemeine Bildungsbeteiligung
4.2 Familiäre Herkunft als Einfluss auf Bildungsbeteiligung und Bildungschancen
4.2.1 Bildung der Eltern
4.2.2 Einkommen der Eltern
4.2.3 Beruf der Eltern
4.2.4 Soziale Herkunft (Grob-Indikator)

5 Geschlecht und Bildungsbeteiligung
5.1 Chancengleichheit in der Schule
5.2 Frauen erobern die Hochschulen
5.3 Berufliche Bildung

6 Ursachen der sozialen Auslese
6.1 Vorsprung durch Sozialisation
6.2 Urteil der Lehrer
6.3 Macht der Eltern

7 Zusammenfassung

8 Anhang

9 Abkürzungsverzeichnis

10 Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Chancengleichheit ist ein grundsätzliches gesellschaftliches Ideal in Deutschland und damit auch ein konkretes bildungspolitisches Ziel. Im engeren Sinne bedeutet das, dass der Erwerb eines Bildungsgrades sich ausschließlich an der individuellen Leistung bemessen sollte. Da es sehr schwierig ist, Leistung zu definieren und zu messen, macht sich diese Arbeit vor allem das sogenannte proportionale Modell der Chancengleichheit zunutze. Bei diesem Modell richtet sich der Blick darauf, ob die Herkunft (Geschlecht, Religion, Staatsangehörigkeit, Beruf, usw.) einen messbaren Einfluss auf die Bildungsergebnisse hat oder nicht. Untersuchungen belegen allerdings, dass die Auslese des Bildungssystems nie nur auf Leistung basiert, sondern immer auch soziale Auslese ist.

Die Frage nach Chancengleichheit wird in der bildungspolitischen und bildungssoziologischen Diskussion heute kaum noch gestellt. Lediglich einige spezifische Aspekte werden thematisiert - schichtspezifische Benachteiligungen rücken nur noch selten ins Zentrum des Interesses. Diese Tatsache spiegelt sich auch in der Literaturlage zu Fragen dieser Arbeit wider: Lediglich die regelmäßigen Sozialerhebungen des Deutschen Studentenwerkes liefern über mehrere Jahre kontinuierlich brauchbare Daten. Doch die beschreiben hauptsächlich die Bildungsbeteiligung an Hochschulen und nebenbei auch die in der gymnasialen Oberstufe. Der Blick in die Klassen 1 bis 10 bleibt meist verwehrt. Einen Einblick in die Sekundarstufe I macht die Studie von Büchner und Krüger möglich. Diese Studie beschränkt sich aber auf nur eines der neuen Bundesländer (Sachsen-Anhalt) und auf nur ein Jahr (1993). Ansonsten streift noch Hauser von der "Kommission für die Erforschung des sozialen und politischen Wandels in den neuen Bundesländern" die Frage der Bildungschancen. Die offiziellen Bildungsstatistiken beinhalten kaum Daten, die zum Messen der Chancengleichheit brauchbar sind. Außerdem werden die neuen Länder in den offiziellen Statistiken immer seltener ausgewiesen, so dass für diese Arbeit zum Teil die Daten aus Landeszahlen selbst berechnet werden mussten, was wiederum das Problem aufwarf, wie Berlin bzw. Ost-Berlin berücksichtigt werden kann.

Um die Bildungsbeteiligung an Gymnasien und Hochschulen verschiedener gesellschaftlicher Schichten zu skizzieren, werden in dieser Arbeit vor allem drei Bereiche betrachtet: Bildung, Einkommen und berufliche Stellung der Eltern, da diese drei Faktoren die schichtspezifische Zuordnung weitgehend umfassen. Ein weiterer Vorteil beim Heranziehen dieser Faktoren ist, dass für sie vergleichsweise umfangreiches Daten-Material vorliegt. Über diese Faktoren hinaus steht teilweise der Grob-Indikator "Soziale Herkunft" zur Verfügung, der vor allem Bildung und Beruf zu einem einfachen Schichtmodell verarbeitet.

Grundsätzlich stößt man immer wieder, wenn man sich mit Bildungschancen beschäftigt, auf zwei unterschiedliche Arten von statistischen Daten: Mal liegen Angaben zur sozialen Zusammensetzung von Schüler- und Studierendenschaft vor, mal sind es Bildungsbeteiligungsquoten. Die soziale Zusammensetzung richtet den Blick auf diejenigen, die bereits eine Schule bzw. Hochschule besuchen, und misst, aus welchen Gruppen die Personen stammen. Dagegen zeigen Bildungsbeteiligungsquoten, welcher Anteil einer gesellschaftlichen Gruppe den Weg zu einer bestimmten Schulform bzw. zur Hochschule geschafft hat. Leider liegen gerade Bildungsbeteiligungsquoten, die für die Beantwortung der Fragestellung dieser Arbeit nützlicher wären, seltener vor.

Beim Blick in die neuen Länder ist vor allem die Entwicklung seit der Wiedervereinigung 1990 interessant. Einerseits wurde damals das Bildungssystem neu strukturiert. Andererseits waren bis zum Mauerfall der Zugang zu Abitur und Hochschule politisch reglementiert und die soziale Auslese sehr scharf, so dass jetzt zu überprüfen ist, ob der Wegfall der staatlichen Lenkung und das neue Schulsystem sich positiv oder negativ auf die Chancengleichheit ausgewirkt haben. Um die Entwicklungen nach der Wende besser einordnen zu können, ist der Arbeit ein kurzer historischer Überblick vorangestellt (siehe Kapitel 2).

Zwar beginnt die soziale Auslese schon in der Grundschule, doch liegt Daten-Material im fast ausschließlich erst für die gymnasiale Oberstufe vor. So lässt sich nun an (nur) zwei markanten Schwellen betrachten, wie scharf die soziale Auslese ist: Wer schafft den Sprung in die gymnasiale Oberstufe (siehe Kapitel 3), und wer schafft den Sprung an die Hochschule (siehe Kapitel 4)? Es ist daher zu beobachten, in welchem Umfang "die verschiedenen sozialen Bevölkerungsgruppen die Schwellen im Bildungssystem passieren. Im Zentrum einer solchen Betrachtung steht die Frage, ob es einerseits geschlechtsspezifische Unterschiede in der Bildungsbeteiligung gibt, und andererseits, ob durch das Elternhaus Bildungsentscheidungen vorgegeben werden". Der Situation von Frauen im Bildungssystem wurde ein eigener Abschnitt gewidmet (siehe Kapitel 5). Kapitel 6 gibt dann noch einen groben Überblick, über die Ursachen und das Entstehen von Chancen-Ungleichheit. Dabei beschränkt sich diese Arbeit auf lediglich drei Gesichtspunkte, zu denen entsprechende Forschungsergebnisse vorlagen. Auch um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, wurde eine Auswahl getroffen.

2. Historischer Überblick

1. Auch der Sozialismus siebte aus

Nach dem Krieg setzte sich die Politik in der SBZ bzw. in der DDR zum Ziel, breite Bevölkerungsschichten in den Genuss von Bildung kommen zu lassen. Insbesondere dem Proletariat sollte der Weg zur tertiären Bildung geebnet werden. Das bürgerliche Bildungsmonopol sollte gebrochen werden. Ein einheitliches System mit der Polytechnischen Oberschule (POS) ersetzte das alte gegliederte Modell. Bewerber für Studienplätze aus Arbeiter- und Bauern- Kreisen wurden bevorzugt zugelassen. Bis 1962 entstanden an 16 Hochschulen sogenannte Arbeiter- und Bauern-Fakultäten (ABF), die auf das Studium vorbereiten sollten. So setzte die Bildungsexpansion in der DDR sehr viel früher ein als in der BRD. Bereits in den 50er Jahren erreichte der Anteil von Arbeiter-Kindern an wissenschaftlichen Hochschulen die 50-Prozent-Marke, während die Zahlen im Westen Deutschlands sich bei fünf bis sieben Prozent bewegten. Doch die expansive Entwicklung in der DDR kehrte sich schon in den 60er Jahren in ihr Gegenteil. Die neu entstandene Schicht der "sozialistischen Intelligenz" begann, sich selbst zu reproduzieren. Nicht zuletzt die politisch installierten Zugangsbeschränkungen zu Abitur und Hochschule waren eine Ursache dafür. "In der DDR wurde der Hochschulzugang im Rhythmus der Fünfjahrespläne zentral geplant." Während die Bundesrepublik ihr Bildungssystem immer weiter sozial öffnete, fiel Ostdeutschland deutlich hinter den Westen zurück. Das einheitliche Schulsystem der DDR verschaffte breiten Bevölkerungsschichten eine umfangreiche Grundbildung, doch "höhere Bildung" war nur wenigen vorbehalten.

2. Die Wende - ein Neubeginn

Zum Zeitpunkt der Wende war festzustellen, dass es im Osten Deutschlands keine Chancengleichheit auf dem Bildungssektor gab. Gerade einmal 7,7 von 100 ArbeiterKindern nahmen 1990 ein Hochschulstudium auf. 1989 waren noch 47 Prozent aller Studienanfänger weiblichen Geschlechts. Im Jahr der Wiedervereinigung sackte diese Quote auf 39 Prozent ab. Die Bildungsbeteiligung an Hochschulen lag 1990 insgesamt (verglichen mit dem Westen) sehr niedrig: 19 Prozent der Männer und 12,5 Prozent der Frauen gemessen an der altersgleichen Bevölkerung nahmen ein Hochschulstudium auf (Gesamt-Quote: 16 Prozent). Im Westen waren es immerhin 36,4 (männlich) und 23,9 Prozent (weiblich). Die niedrigen Bildungsbeteiligungsquoten in den neuen Ländern zeigen aber für 1990 schon eine Öffnung. Denn noch im Juli 1989 legte die DDR-Führung eine restriktive Zulassungskonzeption für die Hochschulen vor. In der DDR lagen die Studienanfängerquoten in den 80er Jahren gemäß der zentralen Planung immer zwischen zehn und zwölf Prozent. Außerdem ist die niedrige Bildungsbeteiligung an Hochschulen auch auf die noch niedrigen Abiturienten-Zahlen zurückzuführen.

1990 begannen die neuen Bundesländer auch damit, ein neues Schulsystem aufzubauen. Das einheitliche System der DDR wurde überall durch ein gegliedertes ersetzt. Je nach Bundesland entstand ein zwei- oder dreigliedriges System mit unterschiedlich starkem Anteil von Gesamtschulen.

3. Schulische Bildung

1. Neue Länder - neue Schulen

Das aus dem Westen importierte und teilweise modifizierte mehr-gliedrige Schul-System ersetzte nach der Wiedervereinigung die einheitliche POS. Damit setzte sofort das Streben ein, eine möglichst "hohe" Schule zu besuchen - das Gymnasium erlangte in einer vom Sozialismus geprägten Gesellschaft quasi über Nacht hohes Ansehen. Noch 1990 äußerten nur etwa 17 Prozent der sächsischen Neunt- und Zehnt-Klässler den Wunsch, ein Gymnasium zu besuchen. Bereits im folgenden Frühjahr hegten 42 Prozent der Leipziger Achtklässler diesen Wunsch. Ähnlich entwickelten sich auch die Wünsche der Eltern: 44 Prozent der Eltern, deren Kinder 1994 Schüler waren, wünschten sich damals das Abitur für ihre Kinder. Damit liegt Ost-Deutschland im gesamtdeutschen Trend: "1991 besuchten in der alten Bundesrepublik fast ein Drittel aller 14-Jährigen ein Gymnasium, und nach der Wiedervereinigung hat sich diese Entwicklungstendenz auch in den neuen Bundesländern durchgesetzt." Nur eine Minderheit besucht in den neuen Ländern die Hauptschule. Das hängt damit zusammen, dass bei der Neustrukturierung des Schulsystems 1991 nur in Mecklenburg-Vorpommern das reine drei-gliedrige System sowie in Sachsen-Anhalt Teile davon übernommen wurden. Ansonsten steht den Gymnasien meist eine Art "kleine Gesamtschule" gegenüber, die Haupt- und Realschule in unterschiedlichen Formen zusammenfasst und je nach Bundesland mal Mittelschule, Sekundarschule oder Regelschule heißt. Dort werden meist ein Realschul- und ein Hauptschul-Bildungsgang parallel angeboten, worin Büchner und Krüger eine Abwertung des Hauptschul- Zweiges sehen, was wiederum die Schüler nach dem mittleren Abschluss streben lasse. Betrachtet man die Anteile der erreichten Abschlüsse, so liegt der Realschul-Abschluss (wie auch in ganz Deutschland) klar vorn. Je nach Bundesland macht er zwischen 42 und 57 Prozent aller Abschlüsse im Osten aus - Bundesquote: ca. 40 Prozent. Letztlich wirkt sich das starke Favorisieren der mittleren Abschlüsse in den neuen Ländern auch auf die Bildungsbeteiligungsquoten für die gymnasiale Oberstufe aus. 43 Prozent aller 17- bis 18-Jährigen besuchten 1996 die Klassenstufen 11 bis 13. In den alten Ländern lag diese Quote im selben Jahr deutlich darüber bei 50 Prozent.

2. Familiäre Herkunft entscheidet über den Besuch der gymnasialen Oberstufe

1. Bildung der Eltern

Mit welcher Wahrscheinlichkeit ein 17- bis 18-Jähriger in den neuen Ländern die gymnasiale Oberstufe besucht, hängt stark vom Bildungsstand der Eltern ab. 72 Prozent aller 17- bis 18-Jährigen, deren Väter die allgemeine Hochschulreife besitzen, besuchten 1996 die Jahrgangsstufen 11 bis 13. Konnte der Vater aber höchstens einen Hauptschul-Abschluss nachweisen, so lag die Bildungsbeteiligungsquote bei nur 30 Prozent, bei einem mittleren Abschluss des Vaters bei 37 Prozent. Damit stellt sich die Situation in den neuen Ländern genauso dar wie in den alten Ländern - nur auf niedrigerem Niveau: Im Westen besuchen 33 Prozent der 17- bis 18- Jährigen aus bildungsfernen Familien die Oberstufe - aus Familien, in denen der Vater die Hochschulereife besitzt, sogar 89 Prozent.

2. Einkommen der Eltern

Grob kann man sagen: Je höher das Familien-Einkommen ist, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder die gymnasiale Oberstufe besuchen. Bei einem Familien-Nettoeinkommen unter 2.200 D-Mark lag die Bildungsbeteiligung der 17- bis 18-Jährigen 1996 bei 34 Prozent. Diese Quote stieg mit einem höheren Einkommen immer weiter an bis auf 56 Prozent bei einem über 7.000 D-Mark liegenden Familien-Nettoeinkommen. Auch hier wieder sieht man beim Blick in den Westen das gleiche Bild auf einem höheren Niveau: Aus der niedrigsten Einkommensgruppe nahmen 41 Prozent, aus der höchsten Gruppe 68 Prozent der 17- bis 18-Jährigen die Bildungsmöglichkeiten der Klassen 11 bis 13 wahr.

3. Beruf der Eltern

Die vier Berufsgruppen Arbeiter, Angestellte, Selbständige und Beamte tauchen in fast allen Statistiken auf. Allerdings hat diese Einteilung einen ganz entscheidenden Nachteil: Die Gruppen sind - bis auf die Arbeiter - sehr heterogen. So schwankt zum Beispiel die Bildungsbeteiligung von Selbständigen-Kindern in der gymnasialen Oberstufe zwischen 33 und 82 Prozent - je nachdem ob der Vater höchstens einen Hauptschul-Abschluss oder aber die Hochschulreife besitzt. Aber immerhin lassen sich Aussagen für die "traditionell im bildungspolitischen Interesse stehende Gruppe der Arbeiter-Kinder treffen".

Obwohl die allgemeine Bildungsbeteiligung in den neuen Ländern niedriger ist als im Westen (vgl. Absatz 3.1) schaffen im Osten mehr Arbeiter-Kinder den Sprung in die Oberstufe als in den alten Ländern. 1996 lag die Quote im Osten bei 33 Prozent - im Westen bei nur 28 Prozent.

4. Soziale Herkunft (Grob-Indikator)

Je höher der soziale Status der Herkunftsfamilie, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder die gymnasiale Oberstufe besuchen. Nach dem Indikator "soziale Herkunft" der 15. Sozialerhebung, er fasst in vier Gruppen die genaue berufliche Stellung sowie den Bildungsstand zusammen, besuchten 1996 35 Prozent der 17- bis 18-Jährigen aus der Gruppe "niedrig" die Oberstufe. Die Bildungsbeteiligungsquoten der drei höheren Gruppen lagen bei 46, 64 und 71 Prozent. Allerdings wiesen 1996 immerhin 62 Prozent aller 17- bis 18-Jährigen eine niedrige soziale Herkunft auf. Damit ist diese Gruppe im Osten deutlich größer als im Westen, wo sie lediglich 49 Prozent ausmacht.

Die Schärfe der sozialen Auslese ist in der Sekundarstufe I offensichtlich noch höher. Beim Blick auf die Altersgruppe der Siebt- bis Neunt-Klässler 1993 in Sachsen-Anhalt fand man in der Gruppe "niedrige soziale Stellung der Herkunftsfamilie" lediglich eine Bildungsbeteiligungsquote an Gymnasien von 2,5 Prozent. Mit steigender sozialer Stellung stiegen die Quoten auf 20, 61 und 83 Prozent.

Bei den beiden niedrigen sozialen Herkunftsgruppen fällt auf, dass die Bildungsbeteiligungsquoten in der Sekundarstufe II deutlich höher sind als in der Sekundarstufe I. Das ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass einige Schüler, die nach der Grundschule nicht auf ein Gymnasium wechseln konnten, nach dem Besuch einer Realschule (oder vergleichbaren Schule) dann doch den Sprung in die gymnasiale Oberstufe schafften. Allerdings birgt dieser Schluss einige Gefahren in sich, da die Daten nur sehr bedingt miteinander vergleichbar sind. So ist der von Büchner/Krüger verwendete Grob-Indikator "soziale Herkunft" nicht derselbe, den DSW/HIS entwickelt haben.

4. Hochschulbildung

1. Allgemeine Bildungsbeteiligung

Die allgemeine Bildungsbeteiligung an Hochschulen steigt seit der Wiedervereinigung in den neuen Ländern kontinuierlich an. 1992 zählen die Statistiker noch 17 Prozent Studienanfänger unter der 18- bis 21-jährigen deutschen Bevölkerung. Bis 1996 hat sich die Zahl auf 25 Prozent erhöht. Auffällig ist, dass seit 1993 der Fachhochschul-Anteil bei neun Prozent gleich geblieben ist - die Steigerungen wurden seitdem nur im Bereich "Universität" erzielt. Inwieweit diese Studienanfänger-Quote noch steigt, lässt sich vielleicht in Anbetracht der westdeutschen Zahlen vermuten. Im Westen steht die Quote seit 1992 konstant bei 33 Prozent, wobei ein Drittel der Studierenden Fachhochschulen besucht und zwei Drittel Universitäten.

Abbildung 1

Anteil deutscher Studienanfänger an der gleichaltrigen deutschen Bevölkerung an Universitäten und Fachhochschulen in den neuen Ländern

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: DSW/HIS (1998)

2. Familiäre Herkunft als Einfluss auf Bildungsbeteiligung und Bildungschancen

1. Bildung der Eltern

Die Bildung der Eltern hat einen großen Einfluss auf die Bildungskarriere der Kinder - und dieser Einfluss ist in den letzten Jahren noch leicht gestiegen. Schon in der DDR verschärfte sich die soziale Auslese, so dass vor allem Akademiker-Kinder den Weg zur Hochschule fanden (vgl. Kap. 2.1). In den Nachwende-Jahren (bis 1993) stagnierte diese Entwicklung jedoch. Der Anteil der Studierenden, deren Eltern eine Hochschule absolviert hatten, lag dann bei 52 bis 53 Prozent. Bis 1997 erhöhte sich dieser Anteil dann doch noch einmal leicht - bis auf 55 Prozent. Zum Vergleich: Im selben Zeitraum (1991 bis 1997) stiegen in den alten Ländern diese Quoten von 31 auf 36 Prozent an. Entsprechend noch größer sind in den neuen Ländern die Anteile von Studierenden, deren Eltern eine Hochschulzugangsberechtigung besitzen. 1991 waren das noch 56 Prozent der Studierenden, 1997 waren es schon 62 Prozent. Wieder der Vergleich zu den alten Ländern, wo eine Zunahme auf niedrigerem Niveau stattgefunden hat: Von 41 bis auf 45 Prozent (1991 bis 1997).

Die Selbstrekrutierung von Akademikern lässt sich besonders deutlich aus den Bildungsbeteiligungsquoten ablesen. Nur 19 Prozent aller 18- bis 21-Jährigen in den neuen Ländern hatten 1996 einen Vater mit Hochschulreife. Immerhin zwei Drittel dieser Gruppe studierten an Hochschulen. Deutlich niedriger fallen die Quoten bei den darunter liegenden Bildungsabschlüssen aus. 61 Prozent der 18- bis 21-Jährigen hatten einen Vater mit mittlerer Reife, aber aus dieser Gruppe besuchten nur 15 Prozent eine Hochschule. Erstaunlicherweise ist die Bildungsbeteiligung an Hochschulen in der Kategorie "Vater mit Hauptschul-Abschluss" etwas höher. 18 Prozent dieser jungen Frauen und Männer studierten. Der Anteil der gesamten Gruppe an der Gesellschaft macht hingegen nur 20 Prozent aus. Beim Blick in den Westen Deutschlands fällt auf, dass dort die Bildungsbeteiligung insgesamt höher ist. In den Kategorien "Vater mit Hauptschul- Abschluss" bzw. "Vater mit Hochschulreife" sind zwar kaum Unterschiede zu den neuen Ländern festzustellen - die Quoten liegen bei 17 bzw. 70 Prozent. Bei mittleren Bildungsabschlüssen (Realschule) ist die Bildungsbeteiligung an Hochschulen aber dreimal so hoch (46 Prozent).

2. Einkommen der Eltern

Noch 1993 beeinflusste das Einkommen der Eltern eine sehr entscheidend, ob jemand in den neuen Ländern ein Hochschulstudium aufnahm. Um die Bildungsbeteiligung in Abhängigkeit zum Familien- Nettoeinkommen zu messen, haben DSW und HIS die Bevölkerung in vier gleich große Einkommensgruppen unterteilt: niedrig, niedrig bis mittel, mittel bis hoch sowie hoch. Kinder aus der Gruppe "niedriges Einkommen" nahmen 1993 nur zu 5,9 Prozent ein Studium auf. Die nächsten beiden Gruppen verbuchten 13,4 und 16,6 Prozent. Dann kommt ein gewaltiger Sprung: 40,1 Prozent betrug die Studienanfänger-Quote bei Familien mit hohem Einkommen.

Inzwischen haben sich diese Unterschiede etwas geglättet. Die ersten drei Einkommensgruppen lagen 1996 schon bei 20, 23 und 20 Prozent Bildungsbeteiligungsquote an Hochschulen. Weiterhin bleibt die Gruppe "hohes Einkommen" deutlich an der Spitze: Wer aus einer Familie mit hohem Einkommen stammt, wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 38 Prozent ein Hochschulstudium aufnehmen (siehe Abbildung 2).

Ein ähnlicher Unterschied zwischen den vier Einkommensgruppen war 1996 auch in den alten Ländern festzustellen - aber auf höherem Niveau. Dort betrugen die Quoten 28, 28, 33 und 45 Prozent.

Abbildung 2

Bildungsbeteiligung der 18- bis 21-Jährigen an Hochschulen nach Einkommensgruppe der Herkunftsfamilie (neue Länder)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: DSW/HIS (1995) und DSW/HIS (1998)

3. Beruf der Eltern

Differenziert man die Studienanfänger in den neuen Ländern nach der beruflichen Stellung des Vaters, ergibt sich ein relativ konstantes Bild für die letzten Jahre. Fast die Hälfte aller neuen Studierenden haben einen Vater, der als Angestellter arbeitet. Knapp 20 Prozent fallen in die Kategorie "Arbeiter" und ebenfalls 20 Prozent unter "Selbständige". Beamten-Kinder sind nur knapp zehn Prozent der Studienanfänger. Vor allem in diesem Punkt findet sich ein deutlicher Unterschied zu den alten Ländern, wo immer deutlich über 20 Prozent der Studierenden einen Beamten als Vater hatten.

Abbildung 3

Deutsche Studienanfänger im 1. Hochschulsemester

nach beruflicher Stellung des Vaters neue Länder einschl. Berlin-Ost (in Prozent)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: bmb+f, Grund- und Strukturdaten 1998/99

Allerdings sind - bis auf die Arbeiter, die man auch als gesellschaftliche Schicht betrachten kann - die Berufsgruppen in sich sehr heterogen. Daher richtet sich der Blick besonders auf die ArbeiterKinder (vgl. auch Absatz 3.2.3).

Betrachtet man nun die Bildungskarrieren von Arbeiter-Kindern, so muss man feststellen, dass sie nur marginale Chancen haben, einmal eine Hochschule zu besuchen. Nur jedes zehnte Arbeiter-Kind nahm 1996 ein Hochschul-Studium auf. Dabei gaben in diesem Jahr immerhin 51 Prozent aller 18- bis 21-Jährigen an, ihr Vater sei Arbeiter. In den Jahren zuvor, lag die Bildungsbeteiligungsquote von Arbeiter-Kindern noch deutlich niedriger: 1993 betrug sie 8,1 Prozent und 1990 lediglich 7,7 Prozent. Ein großer Teil der Arbeiter-Kinder, die einmal die gymnasiale Oberstufe besucht haben

(Bildungsbeteiligungsquote ca. 33 Prozent), macht dann doch nicht den Schritt an die Hochschule (Quote etwa zehn Prozent).

4. Soziale Herkunft (Grob-Indikator)

Nimmt man den von DSW und HIS entwickelten Grob-Indikator der "Sozialen Herkunft", der vor allem Bildung und Beruf zu einem einfachen Schichtmodell verarbeitet, zur Hand, fällt sofort ins Auge, wie dramatisch die Ungleichheit bei den Hochschul-Bildungschancen in den neuen Ländern ist. 61 Prozent aller 18- bis 21- Jährigen haben Väter, die der Gruppe "niedrige soziale Herkunft" zugeordnet werden können. Aus dieser Gruppe schaffen gerade einmal vier Prozent den Sprung an die Hochschule. Aus den Gruppen "mittel" und "gehoben", denen zwölf und 14 Prozent der Väter der 18- bis 21-Jährigen angehören, besuchen immerhin jeweils 52 Prozent eine Hochschule. Die Gruppe "hoch" weist eine Bildungsbeteiligungsquote von sogar 73 Prozent auf - nur 13 Prozent aller 18- bis 21-Jährigen haben einen Vater, der zur "hohen soziale Gruppe" zählt (siehe Abbildung 4).

Abbildung 4

Bildungsbeteiligung der 18- bis 21-Jährigen an Hochschulen

nach sozialer Herkunft 1996 (neue Länder)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: DSW/HIS (1998)

Erst mit der aktuellen 15. Sozialerhebung waren DSW und HIS in der Lage, Bildungsbeteiligungsquoten in den Kategorien der sozialen Herkunft zu bilden. Zuvor war lediglich die soziale Zusammensetzung der Studierendenschaft messbar. Während 1991 nur 35 Prozent der Studierenden eine hohe soziale Herkunft aufweisen konnten, waren es 1997 schon 42 Prozent. Alle anderen drei Gruppen haben dementsprechend abgenommen. Eine niedrige soziale Herkunft wiesen schon 1991 nur zehn Prozent aller Studierenden auf - 1997 sank diese Zahl auf neun ab (sieheAbbildung 5).

Abbildung 5

Zusammensetzung der Studierenden nach sozialer Herkunft

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

in den neuen Ländern

Quelle: DSW/HIS (1998)

5. Geschlecht und Bildungsbeteiligung

1. Chancengleichheit in der Schule

Seit Jahren schon erwerben mehr Frauen als Männer die Hochschulreife - Tendenz steigend. 1992 lag die "Frauen-Quote" in den neuen Ländern (ohne Berlin-Ost) bereits bei 53,8 Prozent. Fünf Jahre später (1997) war der Anteil auf 58,9 Prozent gestiegen. Bei der mittleren Reife halten Männer und Frauen sich mehr oder weniger die Waage - ein Bild, das in den letzten Jahren kaum anders war. Hier schwankte der Frauen-Anteil im selben Zeitraum innerhalb einer Bandbreite zwischen 49,5 und 51,9 Prozent. Allerdings vermag man auch hier, einen leicht steigenden Trend zugunsten der Frauen abzulesen. Deutlich unterrepräsentiert sind Frauen in den Gruppen "mit Hauptschul-Abschluss" (ca. 37 Prozent) bzw. "ohne Abschluss" (ca. 30 Prozent). In beiden Kategorien gab es in den Jahren 1992 bis 1997 kaum Schwankungen. "Von einer Benachteiligung der Mädchen im Schulsystem der neuen Länder kann also keine Rede sein - eher haben sie die Jungen überholt."

Abbildung 6

Schulabgängerinnen in den neuen Ländern (ohne Berlin-Ost) in Prozent an der altersgleichen Bevölkerung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: bmb+f

* eigene Berechnungen nach bmb+f

2. Frauen erobern die Hochschulen

Immer mehr junge Frauen nehmen in den neuen Ländern ein Hochschul- Studium auf. Im Jahr der Wiedervereinigung (1990) wies die Statistik gerade einmal 38,6 Prozent Frauen unter den Studienanfängern aus. Zwischen 1994 (47,2 Prozent) und 1995 (52,9 Prozent) überholten sie die Männer. Die Frauen- Quote scheint, sich knapp über der Hälfte zu stabilisieren. 1997 lag sie bei 51,5 Prozent. Bezogen auf alle Studierenden haben die Frauen noch nicht die 50- Prozent-Marke erreicht, sie sind aber auf dem Weg dahin. 1990 betrug der Frauen-Anteil an der Studierendenschaft noch 45,3 Prozent. Sieben Jahre später (1997) war er immerhin auf 48,8 Prozent angewachsen.

Abbildung 7

Frauen-Anteil unter den Studienanfängern bzw. an der Studierendenschaft in den neuen Ländern in Prozent*)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

*) 1990 bis 1995 einschließlich Berlin-Ost

für 1997 eigene Berechnungen ohne Berlin-Ost auf Basis von bmb+f Quelle: bmb+f

3. Berufliche Bildung

Im Bereich der beruflichen Ausbildung hat sich der Frauen-Anteil praktisch überhaupt nicht verändert. Abgesehen von minimalen Schwankungen sind von 1990 bis 1997 jedes Jahr 38 Prozent aller Ost-Azubis Frauen gewesen.

Abbildung 8

Auszubildende in den neuen Ländern einschließlich Berlin-Ost

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 ) Quelle: bmb+f

2 ) eigene Berechnungen

6. Ursachen der sozialen Auslese

1. Vorsprung durch Sozialisation

Kinder aus Mittel- und Oberschicht haben schon bei der Einschulung in die erste Klasse einen "Milieuvorsprung". Schon bei der Feststellung der Schulreife fallen Arbeiter-Kinder in der Statistik auf: Sie werden wesentlich häufiger ein Jahr zurückgestellt oder in den Schulkindergarten geschickt als Kinder von höheren Angestellten, Akademikern und Beamten. So findet bereits mit dem Tag der Einschulung eine Stigmatisierung statt - Lehrern, Eltern und Mitschülern wird vermittelt: Dieser Schüler/diese Schülerin ist schwach. Im Verlauf der Grundschuljahre stellt sich dann auch heraus, dass einst zurückgestellte Kinder schlechtere Schul-Erfolge haben und öfter sitzenbleiben. Ob es sich aber tatsächlich um "schlechte" Schüler (weniger begabte) oder lediglich vom sozialen Umfeld "schlecht gemachte" Schüler handelt, bleibt offen.

Jedenfalls bringen Arbeiter-Kinder kognitive Defizite mit in die Grundschule, die aus der primären Sozialisation stammen. Sie haben seltener ein individuelles Leistungsstreben, sind mit der Qualität symbolischer Belohnung (Lob) wenig vetraut und sind nicht daran gewöhnt, Befriedigungen aufzuschieben. Außerdem vermitteln Arbeiter ihren Kindern, dass Sie Chancen im Leben durch kollektives Handeln haben, während in der Schule jedoch die individuelle Leistung im Vordergrund steht.

2. Urteil der Lehrer

Welchen Bildungsweg ein Kind nimmt, hängt wesentlich davon ab, welche (Leistungs-)Urteile seine Lehrer über das Kind fällen. Allerdings beurteilen Lehrer die Schüler nicht in erster Linie nach Leistung, sondern legen so "schwer fassbare Kriterien wie Arbeitshaltung und charakterliche Eigenschaften" an. Dabei ist das Eignungsurteil des Lehrers stark verknüpft mit der sozialen Lage der Herkunftsfamilie des Schülers. Diese Tatsache ist vielen Lehrern sogar bewusst und wird in Umfragen und Studien auch ausdrücklich mit verschiedenen Begründungen gerechtfertigt.

Den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Lehrer-Urteil weisen auch Lehmann und Peek in einer 1996 an 13.000 Hamburger Fünftklässlern durchgeführten Studie nach. Im Rahmen der Studie wurden die Kinder standardisierten Leistungstests unterzogen und die daraus resultierenden Ergebnisse mit den zuvor ausgesprochenen Gymnasial-Empfehlungen und der sozialen Herkunft der Kinder verknüpft. Dabei stellte sich heraus, dass Lehrer mit zweierlei Maß messen: Kinder aus bildungsnahen Familien müssen weniger Leistung erbringen, um eine Gymnasial-Empfehlung zu erhalten, als Kinder aus bildungsfernen Familien.

Der Übergang von der Grund- zur weiterführenden Schule (insbesondere zum Gymnasium) ist entscheidend für die gesamte Bildungskarriere eines Kindes. Schafft ein Arbeiter-Kind den Sprung in die fünfte Klasse des Gymnasiums, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass es Abitur machen und studieren wird, genauso groß wie bei den Mitschülern aus anderen sozialen Schichten.

3. Macht der Eltern

Auch das Verhalten der Eltern beeinflusst maßgeblich die Bildungskarriere der Kinder und entkoppelt teilweise Entscheidungen über den Verlauf der Karriere von tatsächlich erbrachten Leistungen der Kinder. So weist die Hamburger Studie (vgl. Kap. 6.2) nach, dass Eltern aus bildungsnahen Schichten auch bei mittel-mäßiger Grundschul-Leistung ihrer Kinder, diese noch zum Gymnasium schicken. Für die Entscheidung zugunsten des Gymnasiums reicht diesen Eltern eine deutlich geringere Leistung ihrer Kinder aus als den Lehrern für eine entsprechende formale Empfehlung. Diese Differenz zwischen Lehrer- und Eltern-Urteil bei der Entscheidung, ob das Kind nach der vierten Klasse das Gymnasium besuchen soll, wird mit der eigenen Schul-Bildung der Eltern immer kleiner. Erst in der Kategorie "Vater ohne Hauptschul-Abschluss" legen Eltern und Lehrer eine gleich hohe (dafür aber sehr hohe) Mess-Latte für das Kind an.

Es bleibt also festzustellen, dass Eltern aus bildungsnahen Schichten auch bei nicht ganz so guter Leistung der Kinder und auch entgegen der Lehrer-Empfehlungen einen Besuch des Gymnasiums ihrer Kinder durchsetzen. Dem gegenüber stehen die Eltern aus bildungsfernen Schichten, die in ihren Bildungserwartungen für ihr Kind unter der Empfehlung des Lehrers bleiben.

7. Zusammenfassung

"Mehr Schulen, mehr Lehrer, mehr Professoren und mehr Hochschulen haben die ,Bildungstorte ‘ riesenhaft vergr öß ert, aber die dicksten Stücke nehmen sich diejenigen, die sie sich schon immer genommen haben: das akademisch gebildete Besitz- und Bildungsbürgertum."

Die familiäre bzw. soziale Herkunft von Kindern und Jugendlichen ist wesentlich ausschlaggebend für deren Bildungskarrieren. Wer aus einfachen Verhältnissen (niedrige Bildung und einfache berufliche Tätigkeit der Eltern) stammt, hat nur minimale Chancen, einmal an einer Hochschule zu studieren. Im Gegenzug sind die Chancen von Kindern aus höheren bzw. gebildeten sozialen Schichten bestens. Demnach haben Arbeiter-Kinder, die bei der Ungleichheitsforschung immer wieder in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt werden, nach wie vor schlechte Karten. Sie waren schon in der DDR während der letzten Jahrzehnte massiv benachteiligt; Wende und Wiedervereinigung haben daran nichts geändert. Lediglich die allgemeine Bildungsbeteiligung in gymnasialen Oberstufen sowie an Hochschulen hat seit 1990 stark zugenommen. Insgesamt hat sich also das Bildungsniveau in den neuen Ländern stark erhöht (wobei aber noch nicht ganz westdeutschen Niveau erreicht wurde), doch hat sich diese Bildungsexpansion eigentlich nur in mittleren und höheren Schichten abgespielt.

Wirft man einen groben Blick auf den Ursachen-Komplex, so ist in absehbarer Zeit keine Besserung dieser Schieflage zu erwarten. Lehrer geben schon in der Grundschule den Kindern aus höheren Schichten bessere Noten, auch wenn sie weniger leisten. Selbst bei mittelmäßiger Leistung erhalten diese Kinder noch Empfehlungen für das Gymnasium. Und selbst wenn diese Empfehlung fehlt, setzen Eltern aus bildungsnahen Schichten den Gymnasiumsbesuch für ihre Sprösslinge einfach durch. Eltern aus einfacheren Verhältnissen fügen sich eher dem Lehrer- Urteil, obwohl die Noten und Empfehlungen schlechter ausfallen als möglicherweise messbare Leistungen. Arbeiter-Kinder bringen Defizite mit in die Grundschule, die aus ihrer Sozialisation stammen. Die Grundschule gleicht diese nicht aus, sondern stellt vielmehr die Weichen für eine Bildungskarriere, die Abitur und Studium unwahrscheinlich werden lassen.

Die Frauen liegen nach wie vor gut im Rennen. Bei der Zuteilung höherer Bildung in der DDR wurden Frauen planmäßig zu etwa 50 Prozent berücksichtigt. Seit der Wende - und somit seit dem Wegfall dieser Regelmentierung - konnten sich die Frauen in den neuen Ländern einen deutlichen Vorteil gegenüber dem anderen Geschlecht bei Abiturienten- und Studienanfänger-Zahlen erarbeiten.

8. Anhang

1. Zur Bildung sozialer Herkunftsgruppen

"Mit dem Konstrukt der sozialen Herkunftsgruppen ist seit 1982 für die Sozialerhebungen ein Grobindikator geschaffen worden, der Zusammenhänge zwischen ökonomischer Situation und Bildungstradition im Elternhaus und studentischem Verhalten messbar macht. Die Hierarchien innerhalb der Kategorien des Merkmals "Stellung im Beruf", die eine grobe Abstufung der beruflichen Tätigkeit nach den Kriterien Entscheidungsautonomie, Prestige und indirekt auch Einkommen ermöglichen sollen, werden im Herkunftsmodell der Sozialerhebung zu einer einzigen Hierarchie zusammengefasst. Unter der Hypothese, dass der Bildungserfolg der Eltern ebenfalls die Bildungsentscheidungen der Studierenden prägt, ist der höchstmögliche Ausbildungsabschluss der Eltern - der Abschluss einer Hochschule - als Korrekturfaktor berücksichtigt worden (näheres vgl. 10. Sozialerhebung, 1983, 33ff. sowie 11. Sozialerhebung, 106ff). Erstmalig für die 15. Sozialerhebung wurde das Modell der sozialen Herkunftsgruppen auch mit den Daten des Mikrozensus nachgebildet, so dass auch für diesen Indikator Bildungsbeteiligungsquoten berechnet werden können. Diese Nachbildung entspricht weitgehend den Zuordnungen in der Sozialerhebung. Für die insbesondere interessierende untere Herkunftsgruppe sind die Abweichungen marginal."

9. Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

10. Quellen- und Literaturverzeichnis

a)

- bmb+f

Bundesministerium für Bildung und Forschung Grund- und Strukturdaten 1998/99.

- DSW/HIS (1998)

Deutsches Studentenwerk und Hochschul-Informations-System

15. Sozialerhebung des HIS im Auftrag des DSW, 1998

herausgegeben vom Bundesminister für Bildung und Forschung.

- DSW/HIS (1995)

Deutsches Studentenwerk und Hochschul-Informations-System

14. Sozialerhebung des HIS im Auftrag des DSW, 1995

herausgegeben vom Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie.

- DSW/HIS (1992)

Deutsches Studentenwerk und Hochschul-Informations-System

13. Sozialerhebung des HIS im Auftrag des DSW, 1992

herausgegeben vom Bundesminister für Bildung und Wissenschaft.

b)

- Büchner, Peter und Krüger, Heinz-Hermann: "Soziale Ungleichheiten beim Bildungserwerb innerhalb und außerhalb der Schule". In: Aus Politik und Zeitgeschichte, Band 11, 1996, S. 21 - 30.
- Fischer, Andreas: "Das Bildungssystem der DDR", Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1992.
-
- Geißler, Rainer (1999): "Mehr Bildungschancen, aber weniger Bildungsgerechtigkeit
- ein Paradox der Bildungsexpansion". In: Neumann-Schönwetter, M. (Hrsg.): "Anpassen und untergehen", Beiträge zur Hochschulpolitik, Marburg, S. 19-31. · Geißler, Rainer (1996): "Die Sozialstruktur Deutschlands", 2. Auflage, Westdeutscher Verlag, Opladen 1996.
- Hansen, Rolf und Rolff, Hans-Günter: "Abgeschwächte Auslese und verschärfter Wettbewerb - Neuere Entwicklungen in den Sekundarschulen". In: Jahrbuch der Schulentwicklung, Band 6, Juventa Verlag, Weinheim 1990, S. 45-79.
- Hauser, Richard u.a.: "Ungleichheit und Sozialpolitik", Verlag Leske und Budrich, Opladen 1996.
- Hradil, Stefan: "Soziale Ungleichheit in Deutschland", 7. Auflage, Verlag Leske und Budrich, Opladen 1999.
- Krais, Beate: "Bildungsexpansion und soziale Ungleichheit in der Bundesrepublik Deutschland". In: Bolder, Axel und Rodax, Klaus (Hrsg.): "Die Wiederentdeckung der Ungleichheit", Jahrbuch Bildung und Arbeit 1996, Verlag Leske und Budrich, Opladen 1996, S. 118-146.
- Roitsch, Jutta: "Die Illusion der Chancengleichheit". In: Frankfurter Rundschau, 24. Mai 1999.
- Rolff, Hans-Günter: "Sozialisation und Auslese durch die Schule", überarb. Neuausgabe, Juventa Verlag, Weinheim 1997.

Fin de l'extrait de 19 pages

Résumé des informations

Titre
Soziale Ungleichheit und Bildungschancen in Ostdeutschland
Université
University of Siegen
Auteur
Année
2000
Pages
19
N° de catalogue
V96652
ISBN (ebook)
9783638093286
Taille d'un fichier
384 KB
Langue
allemand
Annotations
Einige Abbildungen fehlen.
Mots clés
Soziale, Ungleichheit, Bildungschancen, Ostdeutschland
Citation du texte
Nils Zeino-Mahmalat (Auteur), 2000, Soziale Ungleichheit und Bildungschancen in Ostdeutschland, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96652

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