Probleme und Lage der deutschen Kinobranche


Hausarbeit (Hauptseminar), 2001

31 Seiten, Note: 1


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. VORWORT

2. WIE KOMMT DER FILM INS KINO

3. SITUATION : HISTORISCHER RÜCKBLICK

4. SITUATION : DER HEUTIGE STAND

5. DIE BRANCHENRIESEN

6. MULTIPLEX PHILOSOPHIE

7. PROBLEME

8. DEUTSCHLAND : LAND DER KINOMUFFEL

9. ANHANG
Literatur
Printmedien
Quellen des Zahlenmaterials

1.VORWORT

„ Man geht nicht nur bloß ins Kino, um sich Filme anzusehen. Man geht vielmehr ins Kino, um mit zweihundert Menschen zu lachen und zu weinen“

John Naisbitt, amerikanischer Prognostiker

Kino ist also viel mehr als nur eine Spielstätte für Filme. Es ist Versammlungsort, ein Treffpunkt an dem sich fremde Menschen gemeinsam ihren Emotionen hingeben können. Zusammen kann man um Luke Skywalker zittern, der im Duell gegen Darth Vadder sein Leben riskiert, kann sich einstimmig über E.T´s geglückte Flucht vor amerikanischen Wissenschaftlern und Geheimdienstlern freuen, oder betrauert vereint den Tod des jungen Jakes, der sich für seine geliebte Rose opfert, während im Hintergrund die Titanic untergeht. Der Kinobesuch wird für den Einzelnen besonders durch den zwischenmenschliche Kontakt zum Erlebnis. Viele Kinoerlebnisse sind nicht zuletzt darum in Erinnerung geblieben, weil man vorher bei Freunden den eigenen Filmwunsch durchsetzen mußte, es im Dunkeln der Vorführung vom scheuen Händchenhalten zum ersten flüchtigen Kuß gekommen ist, oder man danach in einer Kneipe noch angeregt über den Film gestritten hat.

Durch den Erlebnischarakter bleiben filmische Erinnerungen auf längere Zeit in unserem Gedächtnis.

Das Kino ist, im Gegensatz zum Fernsehen, auf die volle Aufmerksamkeit seines Publikums ausgerichtet. Der Fernseher ermöglicht es, sich jeder Zeit abzuwenden, umzuschalten oder ihn nur neben einer anderen Haupttätigkeit laufen zu lassen. Daher spricht man beim Fernsehen auch von einem Restmedium, er bekommt die Zeit und die Aufmerksamkeit, die übrig bleibt.

Kino dagegen setzt Bereitschaft voraus: Man muß das Haus verlassen, ein Kino aufsuchen und Eintritt bezahlen. Für seine Mühe und sein Geld will der Kinobesucher etwas geboten bekommen und sitzt während der Vorstellung mit - weitgehend – ungeteiltem Interesse vor der Leinwand.

Kino gilt als perfekter Ort der Filmpräsentation, nicht zuletzt weil er hier erhöhte Aufmerksamkeit erfährt. Kino bietet Film ein Zuhause.

Aber wie geht es denn der heimischen Kinobranche, die dem Film diese Heimat bietet?

In der Presse lesen wir, daß das Kino bei den Freizeitaktivitäten nach wie vor ganz oben steht[1]. Wir hören von Neueröffnungen diverser Filmpaläste, Multiplexe genannt, die der Kinobranche immer wieder neue Besucher- und Umsatzsteigerungen ermöglichen

Deutschland gilt als zweitgrößter Medienmarkt der Welt, der in Sachen Kinoversorgung aber immer noch ein Entwicklungsland ist. Da es im Vergleich zu den USA immer noch nur ein achtel der Anzahl an Leinwänden pro Einwohner gibt, gilt weiteres Wachstum als vorprogrammiert[2]. So gibt der Marktführer, die CinemaxX AG, bekannt, im Vergleich zum Vorjahr den Besucherzustrom um 11,8 % und den Umsatz um nochmals 14% gesteigert haben zu können[3].

Doch gibt es auch hier eine Zweite Seite. Trotz der angegeben Zahlen, brach die CinemaxX Aktie von 1999 bis Ende 2000 von 25 auf 4 Euro zusammen[4].

Und während die CinemaxX AG und ihre Mitbewerber über wirtschaftliche Unwägbarkeiten klagen, sorgen sich andere um die Vielfalt auf dem deutschen Kinomarkt. So beklagt Matthias Elwardt, Geschäftsführer des Hamburger Abaton - Kinos ( eines der erfolgreichsten Programmkinos der BRD) daß, „ seit Deutschland multiplex geworden ist, immer mehr Häuser, einschließlich ihrer Geschichte und Geschichten, verschwinden.“ In dieser melancholischen Aussage, schwingt sicher mit, daß jedes dieser Kinohäuser eine besondere Individualität besaß. Eine Persönlichkeit, die etwa in einem eigenem Programmkonzept oder einer speziellen Aufmachung, sichtbar wurde. Statt dessen kämen nun die „ Kinofabriken der Ketten, die an den Markennamen schnöde immer neue Adressen hängen“.

Gerade wegen des Kettencharakters, bei dem, wie bei Kaufhäusern, oder Fast- Food- Restaurants jede Filiale der Anderen gleiche, befürchte er die „ Einebnung der Kinolandschaft“ in Deutschland[5].

10 Jahre nach der Eröffnung des ersten dieser Multiplexes in Deutschland stellt sich also die Frage, wie es denn nun wirklich um die hiesige Kinolandschaft gestellt ist.

2. WIE KOMMT DER FILM VOM VERLEIH INS KINO

Bevor jetzt die Lage und Probleme der deutschen Kinobranche genauer dargestellt werden sollen, muß vielleicht noch kurz darauf eingegangen werden, wie denn überhaupt der Film vom Verleih ins Kino kommt. Solch Basiswissen über diese Zusammenhänge ist Voraussetzung, um manche Problemlage überhaupt nachvollziehen zu können. Die folgenden Schilderungen beruhen auf einer Kinostudie aus dem Jahr 1998[6] und einem Telefoninterview mit einem Vertreter der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft e.V. ( kurz SPIO).

Die Verleihfirmen werben vor Veröffentlichung für ihr jeweiliges Filmprogramm bei den Kino- Betreibern. Zu diesem Zwecke gibt es z.B. vierteljährlich sogenannte Trade Shows, auf denen Verleihe einige ihrer Filme zeigen, und über andere zumindest informieren können. Dort erhalten die Kinobetreiber einen Eindruck über das Filmangebot des nächsten Quartals. Gegebenenfalls kommt zwischen Kinobetreiber und Verleihfirma ein Filmbestellvertrag zustande, der festgelegt, wie viel Filmmiete zu zahlen ist, wie lange der Film mindestens gezeigt werden soll, und manchmal auch in welchem Saal die Vorführungen stattzufinden haben.

Je nach Film unterscheidet sich die Miethöhe, die das Kino zu zahlen hat. Meistens wird eine prozentuale Umsatzbeteiligung des Verleihs am Kartenverkauf vereinbart. Die genaue Prozentzahl variiert von Film zu Film und von Verleih zu Verleih und beträgt zwischen 40 und 57%. In seltenen Fällen, bei Filmen, denen wenig Vertrauen entgegen gebracht wird, können auch feste Summen ausgehandelt oder eine Mindestsumme von 500 DM festgelegt werden. Diese Summe erhält der Verleih garantiert ausgezahlt, auch wenn sein Anteil an den Einnahmen niedriger gewesen

wäre.

Häufig beinhaltet der Filmbestellvertrag auch eine zeitliche Staffelung der Filmmieten. Nach wenigen Wochen kann der Mietzins auf ein vereinbartes Maß sinken. Das liegt vor allem daran, daß 21% der Besucher einen neuen Film in der ersten Woche sehen, und insgesamt 73 % in den ersten 6 Wochen. Demzufolge erheben die Verleihe in den ersten Wochen höhere Filmmieten.

Bei den deutschen Verleihern ist es allgemein Usus, über jeden Film nach dem dargestellten Verfahren einzeln zu verhandeln. Amerikanische Verleihe, die Filme international vertreiben, versuchen hingegen häufig die Methode des sogenannten Block Bookings, wonach der Interessent eines Filmes, diesen nur erhält, wenn er sich verpflichtet ein ganzes Filmpaket anzunehmen, bei dem auch weniger aussichtsreiche Filme dabei sein können .

3. SITUATION : HISTORISCHER RÜCKBLICK

Auch wenn sich diese Analyse auf die Entwicklungen der letzten 5 Jahre und den Aktuellen Ist- Zustand konzentriert, soll doch ein kleiner Überblick über die bundesdeutsche Kinogeschichte einführen. Diese Daten über Kinosäle, Umsätze und Besucher sollen helfen den heutigen Stand besser einordnen zu können.

In der kriegsgeschädigten und nach Ablenkung lechzenden BRD verteilten sich bereits 1946 über 300 Millionen Besucher auf 2.125 Leinwände, und erbrachten einen Umsatz von 330 Mio. DM.

Um der rasant ansteigenden Nachfrage in der jungen Republik, die ansonsten nur wenig Zerstreuung bot, zu entsprechen, mußten innerhalb kurzer Zeit zahlreiche Filmtheater wiederhergerichtet oder neu gebaut werden. Für ambitionierte Bauprojekte hatte man damals keine Zeit, und so wurden die neuen Kinos eher schlicht gebaut und sollten sich unauffällig in das Stadtbild einfügen.[7]

1951 lockte die Kinobranche rund 554 Mio. Zuschauer in 4.547 Säle und machte damit einen Umsatz von 516 Mio. DM. Auch die europäischen Nachbarn verzeichneten einen starken Andrang an den Kinokassen. So gilt das Jahr 1952 als der Höhepunkt der europäischen Kinoindustrie. In Westeuropa wurden mehr als vier Milliarden Eintrittskarten verkauft, womit umgerechnet auf die Gesamtbevölkerung, jeder Europäer sechzehn Vorstellungen besuchte[8]. In der BRD folgte die Klimax, bedingt durch räumliche Engpässe, erst 1956; 817 Mio. verkaufte Karten und Bruttoeinnahmen von 995 Mio. DM erfreuten die Branche, die es inzwischen auf 6.438 Säle geschafft hatte. Immer noch gab es in Dörfern, kleinen Städten und Industriellen Bezirken oftmals keine Alternativen der öffentlichen Unterhaltung. So daß das Kino nicht nur Ort von Filmvorführungen, sondern vor allem auch gesellschaftlicher Treffpunkt war. Schätzungen zu Folge gingen Mitte der 50er Jahre etwa 60 % der gesamten Unterhaltungsausgaben an Kinos. Von diesen günstigen Bedingungen konnte die europäische Filmindustrie jedoch kaum profitierten, denn obwohl sie Mitte der 50er Jahre jährlich ca. 500 Filme produzierte, belief sich der Anteil an US- Produktionen Westeuropa- weit schon damals auf 40- 50 %. Pierre Sorlin erklärt dieses u.a. damit, daß die Mehrzahl der Kinos, häufig die besten, von amerikanischen Verleihfirmen betrieben wurden. Deren Programmpolitik hatte zu Folge, daß nur ein Viertel der europäischen Kinos heimischen Produktionen überhaupt offen standen. Ein Umstand, den man vielleicht auch in der heutigen Situation nicht außer Acht lassen sollte.

Die erfolgreichsten deutschen Produktionen der 50er Jahre waren überwiegend sogenannte Heimatfilme, die bis Anfang der 60er Jahre ca. ein Viertel der hiesigen Produktionen ausmachten.[9]

Zwar stieg in den beiden folgenden Jahren der Umsatz, den die deutschen Kinos erwirtschafteten, noch mal leicht an, aber die Besucherzahlen gingen langsam zurück. Dies verstärkte sich in den nächsten Jahren. Von 1960 bis 1969 verlor die deutsche Kinobranche rund 400 Mio. Zuschauer ( und 300 Mio. DM Umsatz), die es bevorzugten sich mit dem Fernsehprogramm oder anderen Freizeit- Errungenschaften, die der rasante wirtschaftliche Aufschwung in der zweiten Hälfte der 50er Jahre mit sich brachte, zu beschäftigen. Nach Imbert Schenk war dann das sogenannte Wirtschaftswunder seinerzeit auch das Thema einiger der beliebtesten dt. Filme. Oft waren es komische Filme, etwa mit Heinz Erhardt, die die Modernisierung implizit zum Thema hatten, ein Beispiel wäre IMMER DIE RADFAHRER ( 1958); oder gar explizit im Titel mitführten, wie z.B. MEIN MANN; DAS WIRTSCHAFTSWUNDER ( 1960) mit Marika Rökk[10].

1972 Setzte die neue Entwicklung ein, daß trotz abnehmender Zuschauerzahlen, der Umsatz weiter stieg. Bei gerade mal 149 Mio. Besuchern, konnten nur dank höherer Eintritts- und Werbeeinnahmen 576 Mio. DM eingenommen werden. In den USA und Kanada entstanden Mitte der 70er die ersten Multiplexe, mit denen die Betreiber versuchten verlorengegangene Besuchergruppen zurück zu gewinnen . Von einem Multiplex spricht man bei Kinokomplexen, die mindestens 7 große und gekrümmte Leinwände sowie 1600 Sitzplätze vereinen, deren Ton- und Bildqualität auf dem jeweiligen modernsten Stand der Technik ist und die neben den Kinosälen verschiedene Freizeit- und Gastronomieangebote bieten.

In Deutschland setzte sich hingegen die eingeschlagene Entwicklung weiter fort, und so gab es 1982 den zweiten großen Rückschlag in der Zuschauergunst. Hatte man 1981 noch 141 Mio. Karten verkaufen können, fiel dieser Wert durch verbessertes Video- Angebot und aufkommendes Privatfernsehen 1982 auf 124. Millionen. Obwohl der Umsatz immerhin noch 846 Mio. DM ausmachte, war die Entwicklung äußerst schmerzhaft und besorgniserregend. Da eine Trendwende aber nicht herbeigeführt werden konnte, war 1989 der Tiefpunkt erreicht; Es wurden nur noch 101 Mio. Besuche gezählt, die sich auf durch 3.216 Schachtelkinos verunstalteten Kinocenter verteilten. Damit hatten die bundesdeutschen Kinos zwischen 1980 und 1989 rund 29% ihrer Besucher verloren. Zwar konnte dank höherer Eintrittspreise und Mehreinnahmen aus Werbung und Serviceangeboten ( Verkauf von Getränken, Süßigkeiten, Eis, Popcorn u.ä.) 1989 noch 792 Mio. DM Umsatz erreicht werden, aber der Besucherschwund, der auch im folgenden Jahr nicht umgekehrt werden konnte, war bedrohlich. Anne Peach nahm 1989 diesen Mißstand auf und schrieb

„ Heute beginnen wir uns nach den Kinos selbst umzusehen und stellen fest, daß wir, die Stunden und Tage dort zugebracht haben, allmählich heimatlos werden: Die Filme scheinen die Kinos immer weniger zu benötigen, und die Kinos, die oft nur noch Schachteln, mit viel zu kleinen Leinwänden sind, können ein Film- Erlebnis kaum noch ermöglichen...“[11].

[...]


[1] “ Kinohandbuch 2000” ,Seite 16

[2] “ Kinohandbuch 2000”, Seite 17

[3]CinemaxX ist Marktführer” in “ Blickounkt Film” 2000/38, Seite 3

[4] “ Wir haben uns verrechnet” in “ der Spiegel” 2000/51, Seite 189

[5] “ Kinohandbuch 2000” Seite 20

[6] Thomas Pintzke in “ Kinostandort Deutschland”

[7] Alfons Arns “kein Rokokoschloß für Buster Keaton” in ”Erlebnisort Kino”, Seite 31

[8] Pierre Sorlin “ People´s Choice – sie haben die Wahl” in “ Erlebnisort Kino”, Seite 95

[9] Irmbert Schenk “ Derealisierung oder aufregende Modernisierung” in “ Erlebnisort Kino”, Seite 124

[10] Irmbert Schenk “ Derealisierung oder aufregende Modernisierung” in “ Erlebnisort Kino”, Seite 127

[11] Anne Peach “ Die Geschichte des Kinos” in “ Filmgeschichte schreiben”, Seite 41

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Probleme und Lage der deutschen Kinobranche
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Neuere deutsche Literatur und Medien)
Veranstaltung
Der aktuelle deutsche Film
Note
1
Autor
Jahr
2001
Seiten
31
Katalognummer
V9682
ISBN (eBook)
9783638163156
Dateigröße
628 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
KINO, FILMVERLEIH, FILMINDUSTRIE, FILMVERMARKTUNG, FILMTHEATER, UFA, CINEMAXX, CINESTAR, MULTIPLEX;
Arbeit zitieren
Benjamin Dostal (Autor:in), 2001, Probleme und Lage der deutschen Kinobranche, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/9682

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