Sprachentwicklungsanalyse am Beispiel eines fernsehenden zweijährigen Kindes


Term Paper, 2001

25 Pages


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Spracherwerb
2.1 Der Kontext des Spracherwerbs
2.2 Der Verlauf des Spracherwerbs
2.2.1 Phonetische - phonologische Ebene der Sprachentwicklung
2.2.1 Semantisch - lexikalische Ebene der Sprachentwicklung
2.2.3 Syntaktisch - morphologische Ebene der Sprachentwicklung
2.3 Spracherwerb und Fernsehen

3. Ein praktisches Beispiel
3.1 Einleitung
3.2 CD
3.3 Verschriftung des Hörbeispiels
3.4 Analyse des Hörbeispiels
3.4.1 Analyse der Wortebene
3.4.1.1 Morphologie
3.4.1.2 Syntax
3.4.1.3 Semantik
3.4.2 Analyse der Satzebene
3.4.2.1 Formale Struktur
3.4.2.2 Kommunikative Funktion

1. Einleitung

Immer wieder fragte sich die Menschheit nach dem Ursprung der Sprache - in doppeltem Sinne: Wie erwirbt der einzelne die Sprache? Und woher hat die Gattung Mensch sie? Es entstanden mit der Zeit so viele, teils absurde Theorien über die Entstehung der Sprache mit recht interessanten Spitznamen: Die Wauwau - Theorie, die Aua - Theorie oder die Hauruck - Theorie, um nur einige von ihnen zu nennen.

Das Problem aber blieb: Wie kam der Mensch wirklich zur Sprache? Die Theorien konnten genauso richtig, wie falsch sein. Auf Fakten, die sie stützten, konnte keine verweisen. Das Nachdenken über die Entstehung von Sprache wurde erst in den letzten Jahren erneut aktuell. Die Paläoanthropologie hatte klären können, wo der Prozess der Menschwerdung begann, unter welchen Umständen, in welchen Zeiträumen und Schritten er sich abspielte. Die Neurophysiologie hatte mehr über den Zusammenhang von Gehirn und Sprache in Erfahrung bringen können. Die Erforschung der Kommunikation unter Tieren half wesentlich die besonderen Eigenschaften der menschlichen Sprache genauer zu bestimmen. Auch wenn das Wissen um die Sprachentstehung in der Zeit verloren gegangen ist, so lässt sich eingehender und exakter der Spracherwerb beschreiben und erklären.1

Fest steht, dass die Sprachentwicklung bei kleinen Kindern sich in ganz bestimmten Stufen regelmäßig vollzieht. Allerdings verläuft sie keineswegs bei allen Kindern gleich schnell, der individuelle Spracherwerb zeigt deutliche Variationen.2

Auf die Erklärung von bestehenden Spracherwerbstheorien möchte ich im Folgenden nicht eingehen. Viel mehr interessierte mich die Sprachentwicklung bei kleinen Kindern, worauf ich auf eine Tonbandaufnahme, die vor 14 Jahren von meiner kleinen Schwester gemacht wurde, zurückgreifen konnte.

2. Spracherwerb

2.1 Der Kontext des Spracherwerbs

Wahrscheinlich führen Eltern ihre Kinder in die Sprache ein, ohne es zu merken. Sie unterhalten sich mit ihnen schon sehr früh in sogenannten Protodialogen, den elementarsten Formen von Dialogen. Die Eltern unterbrechen ihre an den Säugling gewandten Sprachäußerungen immer wieder, damit er antworten kann. Sie akzeptieren alles als gültige Antwort, was das Baby in der Sprechpause der Eltern einbringt, sogar Aufstoßen oder Niesen. Unter der Voraussetzung, dass ihnen diese Hilfestellung gegeben wird, kommunizieren Babys weit vor der Zeit, in der sie zu sprechen anfangen oder mit der Zeichensprache beginnen. Bereits Säuglinge setzen Zeigegesten und nicht verbale Äußerungen ein, um ihre Bedürfnisse und Interessen mitzuteilen. Babys sammeln also schon zu der Zeit, in der sie noch nicht über aktive Sprache (Äußern von Wörtern oder Sätzen) verfügen, vielfältige Kommunikationserfahrungen. Im Laufe der weiteren Entwicklung und während der frühen Kindheit, werden die Eltern zu immer anspruchsvolleren Gesprächspartnern. Während sie zunächst noch jede Verbalisierung des Kindes akzeptieren, bestehen sie dann auf irgendwelchen Wörtern und fordern schließlich, dass die geäußerten Wörter mit dem Gesprächsthema zu tun haben.

Die Eltern bemühen sich, ihre Kleinkinder weiterhin für die Sprache zu interessieren und sie in die Sprache einzuführen. Erwachsene benutzen, wenn sie mit Babys und Kleinkindern sprechen, eine Sprechweise, die sich von der Art und Weise, wie Erwachsene normalerweise sprechen, unterscheidet.3 Snow stellte durch eine Versuchsreihe fest, in der sie das Sprechverhalten von Frauen und Müttern in bestimmten Situationen protokollierte, dass diese vereinfachte Sprache zu einem gewissen Grad nur durch die Reaktion des Kindes hervorgerufen wird. Sie wird von Erwachsenen nur an kleine Kinder gerichtet, hauptsächlich an Kinder im Alter zwischen ca. 1;0 und ca. 3;0 Jahren. Diese Sprache hat einen lehrenden Charakter, weil sie dem Kind verständlich ist und durch die häufigen Wiederholungen ihm die Möglichkeit gibt, seine Aufmerksamkeit auf differenziertere sprachliche Ausdrucksformen (Nebensätze, etc.) zu richten, die ihm beim ersten Hören entgangen sind.4 Diese Sprache hat eine übertrieben hohe Intonation und wird gewöhnlich als Ammensprache oder Babysprache bezeichnet. Ansteigende Intonation wird genutzt, wenn die Eltern die Aufmerksamkeit des Babys wecken wollen, fallende, um sie zu beruhigen und ein kurzes Staccato für Verbote. Selbst in anderen Kulturen werden diese Intonationsmuster genutzt. Spielt man Babys Intonationsmuster, die nicht in ihrer Muttersprache sind vor, so verstehen sie diese auch.5

Weitere Charakteristika der Ammensprache sind die langsamere Sprechgeschwindigkeit, die klare Erkennbarkeit der Einzelsegmente, wie Sätze, Satzteile oder Wörter, welche ein besseres Verstehen ermöglichen. 6

Die Ammensprache dient folgenden Funktionen:

- Das Erlangen der Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit des Kindes,
- der Kommunikation affektiver Inhalte (Gefühle),
- und der Markierung eines Sprecherwechsels in Eltern-Kind-Dialogen.7

2.2 Verlauf des Spracherwerbs

2.2.1 Phonetische - phonologische Ebene der Sprachentwicklung

Nach der klassischen Theorie von Jakobson erklärt der schichtenförmige Aufbau der Sprache die Reihenfolge des Lauterwerbs und nicht die motorische Geschicklichkeit der Sprechorgane. Später auftretende Sprachlaute haben als Grundlage den Erwerb eines älteren Sprachlautes. Die Laute, die für das Kind am ehesten und leichtesten gebildet werden, sind das "M" und das "P", sie entstehen durch die gleiche Muskelbewegung wie das Saugen an der Brust oder an der Flasche. Die ersten Konsonanten sind also die, die beim Kauen oder Saugen lautiert werden. Voraussetzung für den Erwerb der Engelaute ist der Erwerb der Verschlusslaute. Vor dem Auftreten der Engelaute können die Gaumenlaute gebildet werden. Voraussetzung für den Erwerb der hinteren Konsonanten ist der Erwerb der vorderen Konsonanten. Diese Theorie ist heute nicht unumstritten, da die Laute nicht isoliert, sondern im Phonemkontext gelernt werden.8

2.2.1 Semantisch - lexikalische Ebene der Sprachentwicklung

Das Kind hört ein Wort in den unterschiedlichsten Situationen. Mit einer anfangs nur groben Differenzierung werden aus den unterschiedlichen Situationen gemeinsame Merkmale gefiltert. Dabei kommt es beim Kind zunächst zu einer Begriffserweiterung (z.B. „Papa“ für alle Männer). Die spezielle Bedeutung eines Wortes wird dann durch immer feinere Differenzierung gelernt. Nach dem Erfassen der Bedeutung des einzelnen Wortes muss das Kind auch lernen, den Sinn von Sätzen zu verstehen. Einzelne Wortbedeutungen sind dem Kind häufig noch nicht bekannt und so verstößt es anfangs noch gegen die inhaltliche Kombination von Wörtern („Der Ball beißt das Mädchen“).9

2.2.3 Syntaktisch - morphologische Ebene der Sprachentwicklung

Erste Einwortsätze werden mit zwölf bis achtzehn Monaten gebildet, der Wortschatz sollte jetzt zirka fünfzig Wörter umfassen.10 Außerdem sollte das Sprachverständnis für Bezeichnungen der unmittelbaren Umgebung vorhanden sein ("Wo Bär?"). Etwa sechs Monate lang sprechen die Kinder in Einwortsätzen. In dieser Phase kann zwischen der Verwendung von Inhalts- und Funktionswörtern unterschieden werden. Aus der Klasse der Substantive in der Erwachsenensprache leiten sich Inhaltswörter her, die sich auf einzelne Gegenstände oder auf Klassen von Gegenständen beziehen (z. B. Auto). Funktionswörter beziehen sich auf Aktionen oder Zustände von Gegenständen (z. B. klein, dies, da).11

Erste Zweiwortsätze können die Kinder ab dem 18. bis 24. Monat bilden, jetzt ist das erste Fragealter. Der Wortschatz umfasst in etwa 200 Wörter.

Zweiwortsätze können bei gleichen Worten und gleichen Strukturen unterschiedliche Sinninhalte haben. So kann z. B. „da Ball“ heißen:

ƒ- da ist ein Ball = Lokalisation
ƒ- bitte gib mir den Ball = Wunsch
ƒ- ist der Ball da = Frage

Zweiwortsätze können bestehen aus:

ƒ- Subjekt und Objekt, (Gunnar Auto)
ƒ- Subjekt und adverbiale Bestimmung (Gunnar lieb),
ƒ - Subjekt und Prädikatsnomen,
ƒ- Subjekt und Verb (Gunnar laufen).

Die Wortfolge ist jetzt bereits festgelegt: Subjekt vor Objekt oder Verb, Negationspartikel vor dem Negierenden, Fragefürwort vor dem Gefragten, u. s. w.12

Mit 2½ bis 3 Jahren beginnt das zweite Fragealter. Nun kann man eine komplexe Satzentwicklung beobachten. Das heißt, es handelt sich nicht mehr bloß um eine Kette von drei Wörtern (z. B. „Hans baut Haus“), sondern um komplexere syntaktische Strukturen, wie Mehrwortsätze, Negationssätze, Fragesätze und Satzketten. Während die Satzreihen anfangs noch bloße Aneinanderreihungen sind, treten zwischen drei und fünf Jahren Sätze mit Nebensätzen (Temporalsatz, Kausalsatz, etc.) auf. Der Wortschatz umfasst mit drei Jahren zirka 900 Worte.13 Wichtige Errungenschaften im 3. Lebensjahr sind: „ich“, „du“, das Wort „noch“ zur Pluralbildung, „wieder“ und „viel“; der Beginn der Vergangenheitsbildung; das Kind kennt den Unterschied zwischen eins und viele; erste Präpositionen werden gebildet, es führt Selbstgespräche und benennt Tätigkeiten im Bild.14 Die morphologisch - syntaktische Entwicklung ist im Wesentlichen mit zirka 4½ Jahren abgeschlossen.15 Spätestens mit fünf Jahren sollten die meisten Regeln der Erwachsenensprache erworben sein. Unsicherheiten bei schwierigeren oder selteneren grammatikalischen Satzkonstruktionen, wie z. B. dem Passiv, den Relativsätzen und den unregelmäßigen Pluralformen treten auch noch nach dem 6. Lebensjahr auf.16

2.3. Spracherwerb und Fernsehen

Führen die neuen Medien bei Kindern dazu, dass sie sich weniger gut konzentrieren können, dass sie an Sprachfähigkeit einbüßen und es ihnen an sozialer Kompetenz mangelt?

Ein befragter Kinderarzt berichtete, dass für einen Rückstand in der Sprache und für die allgemeine Aufnahmefähigkeit der Kinder in weit über 60% der Fälle der hohe Fernsehkonsum die Ursache sein kann. Zu dieser Überlegung kam er u. a. durch die Vorsorgeuntersuchung U9. Diese Kinder sind sprachlich ungewandt, können häufig Vorgänge nicht erklären, Gedanken nicht zusammenbringen oder beenden, beobachteten nur oberflächlich oder sind während der Untersuchung unkonzentriert. Auf Nachfrage bei den Eltern dieser Kinder stellt sich dann häufig heraus, dass ihre Kinder ca. 1 bis 1½ Stunden täglich vor den Fernseher sitzen, womit die Zeit für das nachmittägliche Spielen verloren ist und eine sprachliche Interaktion nicht stattfindet.

Im Alter von fünf Jahren wird die Vorsorgeuntersuchung U9 gemacht, bei der es um den allgemeinen geistigen Entwicklungsstand, wie auch den der Sprachentwicklung geht.

[...]


1 Vgl.: Zimmer, 1986, S.

2 Vgl. Ptok, 1997, S. 300

3 Vgl.: Zimbardo, 2000, S.

4 Vgl.: Szagun, 1996, S. 208

5 Vgl.: Zimbardo, 2000, S.

6 Vgl.: Szagun, 1996, S. 209

7 Vgl.: Zimbardo S.

8 Vgl. : Ptok, 1997, S. 296

9 Vgl. : Ptok, 1997, S. 296, 298

10 Vgl.: Ptok S. 295

11 Vgl.: Ptok, 1997, S. 298

12 a. a. O. S. 298

13 Vgl.: Ptok, 1997, S. 295, 299

14 a. a. O., S. 297

15 a. a. O., S. 295

16 a. a. O., S. 299

Excerpt out of 25 pages

Details

Title
Sprachentwicklungsanalyse am Beispiel eines fernsehenden zweijährigen Kindes
College
University of Hildesheim  (Institut für Deutsche Sprache und ihre Didaktik)
Course
Spracherwerb
Author
Year
2001
Pages
25
Catalog Number
V9711
ISBN (eBook)
9783638163415
ISBN (Book)
9783638641197
File size
441 KB
Language
German
Keywords
Spracherwerb, Sprachentwicklung, Fernsehen und Sprache, Einfluss des Fernsehens auf die Sprache bei Kleinkindern, Sprachentwicklungsstufe, Kommunikation von Kleinkindern mit ihrer Umwelt
Quote paper
Anne Zeller (Author), 2001, Sprachentwicklungsanalyse am Beispiel eines fernsehenden zweijährigen Kindes, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/9711

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