bismarck. "Die Deutschen fürchten Gott und sonst nichts..."


Exposé / Rédaction (Scolaire), 1999

8 Pages


Extrait


„Wir Deutschen fürchten Gott, aber sonst nichts!“

Otto von Bismarck-Schönhausen, später Graf Bismarck (1865), 1871 Fürst Bismarck und 1890 Herzog von Lauenburg wird geboren als Sohn des Gutsbesitzers Ferdinand von Bismarck, aus uradligem, altmärkischem Geschlecht, und seiner ,aus dem höherem Bürgertum entstammenden, Frau Wilhelmine, geborene Menkken.

Nach dem Wunsch seiner ehrgeizigen Mutter, deren Vater Staatsbeamter in Berlin ist, soll Bismarck auch eine Laufbahn im Staatsdienst einschlagen, weswegen er im Alter von 6 Jahren ein Internat besucht. Mit 17 schließt er seine Schullaufbahn mit einem mittelmäßigen Abitur ab. Nach einem Jurastudium in Göttingen und Berlin und einem Referendariat in Aachen macht er 1836 sein 2. Staatsexamen.

Als seine Mutter am 1.1.1839 stirbt und ihm das Gut Kniephof in Pommern vererbt, verläßt Bismarck den von ihm stets ungeliebten Staatsdienst, um das Gut zu bewirtschaften. 1845 stirbt auch sein Vater und hinterläßt Bismarck Gut Schönhausen, das schon seit 500 Jahren in Familienbesitz ist. Dort wird Bismarck daraufhin zu einem leidenschaftlichen und auch erfolgreichen Landwirt.

1846 wird er Deichhauptmann in Schönhausen und Abgeordneter des sächsischen Provinziallandtages. Im selben Jahr lernt Bismarck seine zukünftige Frau Johanna Puttkamer kennen, die ihm in seinem weiteren Leben immer eine Stütze sein wird.

Seine eigentliche politische Laufbahn beginnt Bismarck auf dem äußerst rechten Flügel des preußischen Landtages. Hier profiliert er sich durch seine Religiosität, seinem Konservativismus und seinem Mißtrauen allen liberalen Bestrebungen gegenüber. Bei dem Revolutionsversuch von 1848 versucht Bismarck König Wilhelm IV für die Gegenrevolution zu gewinnen.

1849/50 ist er Mitglied der 2. Kammer des preußischen Landtages und des Erfurter Parlaments, 1851-59 preußischer Gesandter beim Bundestag in Frankfurt. In den frühen 50er Jahren bildet sich unter Preisgabe konservativer Prinzipienpolitik seine Auffassung von Realpolitik heraus: Leitlinie soll das Interesse der preußischen Großmacht bei Respektierung der Interessen derb übrigen Großmächte sein. Zunehmend bekämpft er die führende Rolle Österreichs im Deutschen Bund, er entwickelt Pläne, den Deutschen Bund zu sprengen und dafür die Nationalbewegung als Verbündete zu nutzen.1859-62 ist er Gesandter in Leningrad und 1862 kurzfristig Botschafter in Paris, bis er von König Wilhelm I zum Ministerpräsident und Außenminister berufen wird.

Seit 1858 scheint sich noch einmal die Chance zu bieten , daß der preußische Staat auch den politischen Wünschen des liberalen Bürgertums entgegenkommt: die Ablösung des geisteskranken Friedrich Wilhelm IV durch Prinz Wilhelm, dem späteren Kaiser Wilhelm I, leitet eine „Neue Ära“ in Preußen ein. Das reaktionäre Ministerium wird entlassen und das Abgeordnetenhaus aufgelöst. Bei den diesmal nicht von der Regierung kontrollierten Wahlen gewinnen die Liberalen eine überwältigende Mehrheit. Der Prinzregent Wilhelm beruft ein konservativ-liberales Ministerium ein und kündigt weitreichende Reformen an. Doch schon bald kommt es über die Frage der Heeresreform zu einem Konflikt zwischen dem Parlament und der Exekutive: die Weigerung der Liberalen Mehrheit die Mittel zur Reorganisation des Heeres zu bewilligen, läßt den Heereskonflikt zum Verfassungskonflikt werden. Ziel der Krone ist es, die bis dato existierende Heeresform, der Landwehr und dem bei den Liberalen sehr populären Bürgerwehr, bei dem die militärische Laufbahn einer breiten Bevölkerungsschicht theoretisch offensteht, faktisch zu beseitigen, zugunsten einer Wehrverfassung, die im Sinne absolutistischer Staatstradition das Heer zu einem reinen Instrument der Krone macht.

Mit diesem Konflikt schlägt die Stunde Bismarcks, er wird zum preußischen Ministerpräsidenten und Außenminister ernannt. Als großer Gegenspieler der liberalen Bewegung steuert er einen schroff antiparlamentarischen Kurs und regiert ohne einen vom Parlament verabschiedeten Haushalt praktisch außerhalb der Verfassung. Er tritt als der politisch überlegene Verteidiger des monarchischen Obrigkeitsstaates der Fortschrittspartei entgegen: „Das preußische Königtum hat seine Mission noch nicht erfüllt, es ist noch nicht reif dazu, einen rein ornamentalen Schmuck ihres Verfassungsgebäudes zu bilden , noch nicht reif, als ein toter Maschinenteil dem Mechanismus des parlamentarischen Regiments eingefügt zu werden.“

Bismarck, innenpolitisch als „Konfliktminister“ scheinbar hoffnungslos isoliert, gelingt es, dank seines überragenden diplomatischen Geschickes eine Reihe von außenpolitischen Erfolgen zu verbuchen. Sie führen, da sie als Schritte in Richtung Lösung der nationalen Frage interpretiert werden können , zu einem allmählichen Stimmungsumschwung in der Bevölkerung.

Bismarcks außenpolitisches Ziel, die Hegemonie Preußens in Deutschland bleibt den damaligen Zeitgenossen natürlich nicht verborgen. Die machthabenden Gewalten in Europa wollen den Status einer ausgewogenen Pentarchie, das Mächtegleichgewicht in Europa, erhalten und streben gegen Bismarcks Pläne. Gerade Österreich verstärkt seine Bemühungen um eine großdeutsche Lösung, mit dem Ziel die Zentralgewalt des Deutschen Bundes gegen die Vormachtsstellung Preußens zu stärken.

Deswegen beginnt Bismarck 1863 mit einer planvollen, intensiven Isolierungspolitik Österreichs.

Das wirtschaftliche Ausgliedern Österreichs wird dadurch ermöglicht, daß Preußen die Führung des deutschen Zollvereins besitzt, welches auch als Druckmittel (Androhung der Auflösung des Zollvereins) gegen kleinere, süddeutsche Staaten benutzt wird, die sich für eine Aufnahme Österreichs in den Zollverein aussprechen. Darüber hinaus erlebt Preußen einen wirtschaftlichen Aufschwung und alle Verkehrslinien, vor allem die Eisenbahn, sind nach Norddeutschland ausgerichtet, was dem preußischen Handel einen großen Vorteil erbringt.

Österreichs Vorschlag, über eine Bundesreform zu beratschlagen, um einen Exekutivrat, bestehend aus 5 Mitgliedern, ins Leben zu rufen, in dem Preußen, Österreich und Bayern vertreten seien, wird von Bismarck als Gefahr erkannt, daß Preußens Politik so von der Zustimmung anderer Staaten abhängig wäre und empfiehlt seinem König, erst gar nicht an denVerhandlungen teilzunehmen, so daß Österreichs Initiative scheitert.

Ein weiterer wichtiger und entscheidender Schritt zur politischen Isolation Österreichs ist der aus der Schleswig-Holstein Krise resultierende Krieg.

Nachdem Dänemark Schleswig in sein Königreich einverleibt und König Kristian ein Ultimatum verstreichen läßt, besetzen Preußen und Österreich, das durch ein diplomatisches Meisterstück Bismarcks an Preußens Seite gezwungen zu Kämpfen ist und sich von seinen bisherigen Bundesgenossen, den Klein- und Mittelstaaten trennen muß, die beiden Herzogtümer Schleswig und Holstein.

Nach dem Sieg über Dänemark wird im Vertrag von Gastein zunächst Schleswig unter preußischer und Holstein unter österreichischer Verwaltung gestellt. Es gelingt Bismarck einen Bündnisvertrag mit Italien zu erwirken und sich die Neutralität Frankreichs zu sichern. Als nun Österreich ankündigt, es wolle die Erbfolge in Holstein, den Entscheidungen des Deutschen Bundes unterwerfen, wo es sich einer Mehrheit sicher sein kann, bewertet Bismarck dies als Bruch des Abkommens und läßt somit Truppen in Holstein einmarschieren, worauf hin Österreich die Mobilmachung des Deutschen Bundes fordert. Wirtschaftlich sind alle großen Staaten des Bundes auf eine Kooperation mit Preußen angewiesen, aber dessen politische Hegemonie wollen sie nicht akzeptieren. Das preußische Militär besitzt seit der Heeresreform das überlegene Potenzial, die Gefechte verliefen hart, aber äußerst kurz. Mit dem Sieg Preußens endete der Krieg am 3. Juli 1866 bei Königgrätz in Böhmen.

Österreich war somit endgültig aus Deutschland verdrängt. Gegen den Willen Wilhelms I geht Bismarck maßvoll mit den besiegten Österreichern um, um eine andauernde Feindschaft zu vermeiden und nicht die anderen europäischen Mächte und süddeutsche Staaten gegen sich zu haben. Mit der Annexion Schleswig-Holsteins, Hannover, Kurhessen, Nassau und Frankfurt beherrscht Preußen nun das Gebiet bis zum Main. Österreich muß nach dem Prager Frieden diesen Annexionen zustimmen und endgültig auf die Herstellung des Deutschen Bundes verzichten und die Errichtung des Norddeutschen Bundes billigen.

Bismarck nutzt den Sieg über Österreich auch innenpolitisch. Er ersucht jetzt das preußische Abgeordnetenhaus um Aussöhnung nach dem Verfassungsbruch in der Frage der Heeresreform (Indemnitätsgesetz). Unter dem Eindruck seines Erfolgs beugt sich die Mehrheit des Parlaments und die Liberalen spalten sich: die Mehrheit gibt ihre Opposition gegen Bismarck zugunsten seiner Machtpolitik, obgleich sie allen liberalen Traditionen widerspricht, mit Hoffnung auf einen Nationalstaat, auf.

Noch im Herbst ´66 entsteht die national-liberale Fraktion, auf die Bismarck seine Politik für mehr als zehn Jahre bauen kann.

Die Verfassung des am 16.04.67 Norddeutschen Bundes ist weitestgehend Bismarcks Werk, der nun Bundeskanzler und Außenminister ist. Sie sichert Preußen die Hegemonialstellung zu und wird größtenteils 1871 bei der Reichsgründung übernommen.

Bismarcks Ziel ist es nun, die restlichen süddeutschen Einzelstaaten vollständig zu integrieren, durch militärische Geheimbündnisse waren sie schon locker verbunden.

Frankreich sieht sich in seiner europäischen Vormachtsstellung durch den Sieg Preußens und den daraus resultierenden Norddeutschen Bund und dessen neue Macht gefährdet. Darüber hinaus fühlt sich Napoleon III betrogen, da Preußen sich die Neutralität Frankreichs während des „Bruderkrieges“ gegen Österreich durch Gebietsversprechungen erkauft, noch aber nicht bezahlt hat.

Der Streit um die spanische Erbfolge bot beiden Staaten Anlaß zu einer militärischen Auseinandersetzung.

Leopold, einem entfernten Vetter von Wilhelm I, wurde der spanische Thron angeboten, was Wilhelm sehr begrüßte, da sich so die Möglichkeit einer deutsch-spanischen Allianz bot, doch er lehnte, sehr zur Freude Napoleons, der schon mit militärischen Eingriffen drohte, ab, der sogleich eine Garantie für das Unterlassen weiterer preußischer Kandidaturen von Wilhelm I, zu der Zeit gerade zur Kur in Bad Ems, erhalten wollte. Der König antwortet lediglich, daß Leopold seine Kandidatur zurückgezogen hat, was schon bekannt ist, doch die Presse erhält das als Emser Depesche bezeichnete Protokoll in von Bismarck manipulierter Form. Frankreich empfindet dessen Inhalt als Beleidigung und erklärt Preußen am 19.Juli den Krieg. Dabei stößt es bei den übrigen europäischen Großmächten, die sich neutral verhalten auf Unverständnis. Ganz Deutschland reagiert mit Empörung auf die franz. Kriegserklärung, die süddeutschen Truppen eilen zur Hilfe und stellten ihre Truppen unter preußischem Oberbefehl. In unerwarteter Schnelligkeit vollzieht sich durch die Hilfe der neuen Eisenbahn der Aufmarsch an der französischen Grenze. In der Schlacht von Sedan wird der entscheidende Sieg über die kaiserliche, französische Armee erzielt. Napoleon III selbst zählt zu den Gefangenen.

Die Waffenbrüderschaft der deutschen Staaten wird als Zeichen der Berufung der Deutschen zur Einheit verstanden.

Napoleon kapituliert zwar schon am 1. September 1870, doch in Paris wird die Republik ausgerufen und Léon Gambetta organisert den Volkskrieg. Aber am 28.1.´71 kapituliert auch Paris. Elsaß und Lothringen werden annektiert, Bismarck und die meißten politischen, Gruppen, außer der Arbeiterbewegung, sprechen sich dafür aus, und in den entstehenden Nationalstaat einbezogen. Mit der Annexion wird das Verhältnis zu Frankreich in der Tat auf Jahrzehnte vergiftet, die Folge ist, daß sich Deutschland außenpolitisch Fesseln anlegt.

Der Krieg ist ein wichtiger Schritt zur deutschen Einheit, denn er wird von einer nationalen Gemeinsamkeit getragen. Diplomatische Verhandlungen und die militärische Stärke Preußens ermöglichen die Reichsgründung „von Oben“. Nicht aus den Beschlüssen einer Nationalversammlung, sondern aus Verträgen zwischen den einzelnen Monarchen und Regierungen.

Am 18.1.1871 wird die Reichsgründung vollzogen. Im Spiegelsaal zu Versailles läßt sich Wilhelm I vor den deutschen Fürsten zum Kaiser krönen.

Gemessen an den Zielen der ´48 Revolte bedeutet die Reichsgründung zugleich eine Niederlage des Liberalismus. Nach den Forderungen der Liberalen sollte das Reich auf breiter Basis regiert werden, in Wirklichkeit wird es regiert von einem einzigen Mann, der zudem allein vom Vertrauen des Kaisers abhängt. Die komplizierte Reichsverfassung ist auf die Person Bismarcks zugeschnitten, der in der Schlüsselposition als Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident den Regierungs- und Verwaltungsapparat beherrscht: die Reichsbehörden, an deren Spitzen Staatssekretäre und nicht Minister stehen, der Bundesrat, in dem die preußische Führungsschicht ausschlaggebend ist und das preußische

Staatsministerium, in dem Bismarck den Vorsitz führt. Die Einführung des allgemeinen, geheimen, direkten und gleichen Wahlrechts bedeuten praktisch nicht viel, da der Reichstag keinen Einfluß auf die Regierungsbildung nimmt, er beschränkt sich lediglich auf das Gebiet der Gesetzgebung.

Das Reich von 1871 ist ein nationalmonarchischer Obgikeitsstaat, schon damals kam das Schlagwort „Kanzlerdiktatur“ auf.

Das erste Jahrzehnt des Kaiserreichs ist erfüllt von tiefen gesellschafts- und parteipolitischen Spannungen. Das Reich ist nicht auf Veränderungen eingestellt, sondern auf die Bewahrung der altpreußischen Gesellschaftsordnung. Die oppositionellen Parteien werden bekämpft: die Fortschrittspartei, das katholische Zentrum, die Sozialdemokratie.

Das Zentrum verspürt als erste den „inneren Präventivkrieg“. Die katholische Bewegung wird aufgrund ihrer Verbindung zum Papst des Internationalismus und der Konspiration mit nationalen Minderheiten wie Polen und Welfen, die auch katholischen Glaubens sind, verdächtigt. Mit Ausnahme- und Verbotsgesetzen wird die Kirche und der Klerus unter staatliche Aufsicht gestellt.

Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung mit dem Zentrum läßt Bismarck den Reichstag seine Macht spüren. Er legt 1874 den Entwurf eines Militärgesetzes vor, in dem die Präsenzstärke des deutschen Heeres auf 402000 Mann festgelegt werden soll. Dies hätte aber dem Reichstag 4/5 des Haushalts entzogen, angesichts der starken französischen Aufrüstung sieht der Reichstag allerdings keine andere Wahl als dem Gesetzesentwurf in abgeschwächter Form (begrenzt auf 7 Jahre) zuzustimmen. Somit besitzt nur noch jeder 2. Reichstag das volle Budgetrecht, die stärkste Waffe des Parlaments gegenüber dem Kanzler.

Stärker noch wird die innere Struktur des Reiches allerdings durch den Kampf gegen die aufstrebende Sozialdemokratie erschüttert. Das Sozialistengesetz verhindert die Integration der Arbeiterschaft in den Nationalstaat. Wegen ihrer Überzeugung wird die Partei unter ein Sonderstrafrecht gestellt. Trotz der Verletzung des liberalen Rechtsempfindens gewinnt Bismarck die Zustimmung der bürgerlichen Schichten, die seit langem die „rote Anarchie“ fürchtet. 2 Attentate auf Kaiser Wilhelm I im Frühjahr 1878 geben Anlaß zur Auflösung des Reichstages und zu Neuwahlen, obgleich eine Verbindung des Attentats zur Sozialdemokratie nicht nachgewiesen werden kann. Damit beschafft sich Bismarck eine gefügige Parlamentsmehrheit. Auch die Nationalliberale Partei stimmt aus Rücksicht auf die Revolutionsfurcht ihrer Wähler dem Sozialistengesetz zu. Die Frage um das Gesetz spaltet die nationalliberale Fraktion innerlich, zur Freude Bismarcks.

Alle sozialistischen und kommunistischen Vereine und Versammlungen werden aufgelöst, ihre Druckschriften verboten, auf „Agitatoren“ Jagd gemacht.

Gegenstück zu dem Sozialistengesetz ist die von Bismarck initiierte Sozialpolitik (Kranken-, Invaliden-, und Altersversicherung), die nicht zuletzt das Ziel hat, die Arbeiterschaft mit dem bestehenden gesellschaftlichen und politischen System zu versöhnen. Sachlich sicherlich ein sozialer Fortschritt, wird von Bismarck allerdings nicht im Sinne des Arbeiterschutzes und der Humanisierung der industriellen Arbeitswelt konzipiert, sondern als reine Zähmungspolitik.

Doch die Versöhnung in Bismarcks Sinne schlägt fehl, mit sehr gegensätzlichen Positionen stehen sich nach 1873 die Organisationen der Interessenverbände der Arbeiterschaft und der Industriellen gegenüber. Der Nationalstaat nimmt nunmehr die Züge eines Klassenstaates an.

1878/79 bricht Bismarck mit der Mehrheit der Nationalliberalen und vollzieht eine grundlegende konservative Wende in der deutschen Innenpolitik.

Bismarck geht ein politisches Zweckbündnis mit den konservativen Parteien ein, die eine Abkehr vom liberalen Wirtschaftssystem fordern. Die Konservativen, die aus der Schwerindustrie und Landwirtschaft kommen, fordern ein Schutzzollsystem, das billige Importe abwehren und überteuerte Inlandspreise aufrecht halten kann. An der Schutzzollvorlage bricht die nationalliberale Fraktion auseinander, nur eine Minderheit bleibt im Lager Bismarcks. Damit geht die „liberale“ Ära zu Ende, die Beamtenschaft in Regierung und Verwaltung wird weitestgehend durch Konservative ersetzt, die liberalen Minister treten zurück. Die Spätbismarckzeit steht im Zeichen der Interessenseinheit von von „Junkern“ beherrschter Landwirtschaft, Schwerindustrie und konservativer Staatsführung. Damit haben die konservativen Führungsschichten des Reiches einen großen Erfolg errungen, die Hoffnung auf Parlamentisierung ist zerschlagen.

Das vom Wiener Kongress geschaffene Gleichgewicht in Europa, ist durch die Reichsgründung empfindlich gestört worden. Die anderen europäischen Großmächte, vor allem das gedemütigte Frankreich fürchten den neu entstandenen Machtfaktor.

Doch im folgendem war Bismarcks wichtigstes außenpolitisches Ziel die Sicherung des Friedens in Europa und die damit verbundene Sicherheit der deutschen Grenzen.

Er erklärt, Deutschland habe keine weiteren Gebietsansprüche. Nur in einem Außnahmefall unterwarf er einige Kolonien dem Einfluß des Deutschen Reiches. Vorwiegend war seine Außenpolitik europäisch orientiert. Zunächst einmal wollte er Deutschland vor den Revanchegelüsten Frankreichs schützen. Vorläufig bot das mehr informelle Dreikaiserbündnis von1873 zwischen Deutschland und Österreich und Rußland eine erste Perspektive. Aufstände und Unruhen auf dem Balkan führen zum türkisch-russischem Krieg. Die Furcht vor einem gebietsmäßig zu starkem Rußland führte jedoch -auch seitens Englands- zur Gefahr eines allgemeinen europäischen Krieges. Auf dem Berliner Kongress 1878 erreicht Bismarck eine Einigung, bei der weniger die nationalen Wünsche der Balkanvölker, als vielmehr die Staatsraison der Großmächte im Vordergrund stehen, auch die Einigung zwischen Rußland und England, an das die Türkei ein Hilfeersuchen gerichtet hat, gelang. Doch Rußland ist verstimmt, da es die Vorherrschaft auf dem Balkan nicht erreicht hat. Um das Deutsche Reich gegen Rußland zu sichern, schloß Bismarck1879 einen Zweibund mit Österreich. Dieser beinhaltet gegenseitige Hilfe beim angriff Rußlands und Neutralität bei einem Angriff seitens eines dritten Staates.

Bald nach dem Tod Alexander II war es jedoch möglich, 1881 einen formellen Dreikaiservertrag zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn und Rußland zu schließen. Dieser beinhaltete im Angriffsfall seitens einer vierten Macht auf einen der Vertragspartner, eine Neutralitätsverpflichtung der beiden anderen Partner. Damit hatte Bismarck die deutsche Grenze nach Osten gesichert. Doch als es 1885 wiederum zu Konflikten auf dem Balkan kam, wogen die Gegensätze zwischen Österreich-Ungarn und Rußland schwerer als der Vertrag. Die Verlängerung des Dreikaiservertrags 1887 ist dadurch unmöglich geworden. Um die deutschen Interessen zu sichern , schloß Bismarck einen Rückversicherungsvertrag mit Rußland, der auf die Dauer von 3 Jahren befristet war und ein geheimes Neutralitätsabkommen zum Inhalt hat. Die Pflicht der Neutralität entfiehle jedoch für Deutschland im Falle eines Angriffs Rußlands auf Österreich-Ungarn und für Rußland im Falle eines deutschen Angriffs auf Frankreich. Dies sollte die Vertragspartner davon abhalten, mit den Konfliktgegnern eine kriegerische Auseinandersetzung zu beginnen. Auch, wenn es immer wieder zu Reibungen mit Rußland kam, bei denen Bismarck die deutsche Stärke demonstrierte, so wußten doch beide Teile die vertraglich vereinbarte Grenzsicherung zu schätzen.

Eine neuerliche Belastung für den europäischen Frieden besteht jedoch in einer sich abzeichnenden Annäherung Rußlands an Frankreich, das gezielt aufzurüsten begann. Doch Bismarck sprach sich gegen den Rat der Militärs gegen jeden Präventivschlag aus und vermied bei jeder Gelegenheit die Gefahr einer kriegerischen Auseinandersetzung mit Frankreich.

Bismarcks geschickte Diplomatie war möglich vor dem Hintergrund einer Bündislage , die 1882 durch den Beitritt Italiens den Zweibund zum Dreibund erweiterte. Dieser beinhaltete ein kompliziertes Beistands- und Verteidigungsbündnis. Um diesen Dreibund herum wurden viele Zusatzabkommen mit anderen Staaten getroffen. So war das Deutsche Reich vertraglich an den Ost- und Westgrenzen abgesichert.

Eine weitere diplomatische Leistung Bismarcks war die Vermittlung der Mittelmeerentente 1887 zwischen Österreich-Ungarn, Italien und England. Sie sollte sowohl ein Vordringen Rußlands in den Mittelmeerraum verhindern, als auch Frankreichs Bewegung in diesem Gebiet einschränken.

Eine völlig neue Situation entstand durch den Wechsel in der Person des Kaisers. Am 18.3.1890 wird Bismarck von Wilhelm II wegen gegensätzlichen Auffassungen entlassen.

Nach seiner Entlassung bekämpft Bismarck den „neuen Kurs“ des jungen Kaisers. 1894 folgt eine äußerliche Aussöhnung mit Wilhelm II. 1895 lehnt der Reichstag einen Glückwunsch zum 80. Geburtstag ab, bei seinen Gegnern gilt er immer noch als „Blut und Eisen“ Politiker. Doch noch zu seinen Lebzeiten setzt eine lange anhaltende, nahezu mystische Verehrung des „Eisernen Kanzlers“ ein.

Am 30.7.1898 stirbt Bismarck in Friedrichsruh.

Quelle: Fragen an die deutsche Geschichte

Fin de l'extrait de 8 pages

Résumé des informations

Titre
bismarck. "Die Deutschen fürchten Gott und sonst nichts..."
Auteur
Année
1999
Pages
8
N° de catalogue
V97295
ISBN (ebook)
9783638099707
Taille d'un fichier
341 KB
Langue
allemand
Mots clés
Bismark, deutsches Reich
Citation du texte
David Hoyer (Auteur), 1999, bismarck. "Die Deutschen fürchten Gott und sonst nichts...", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97295

Commentaires

  • invité le 8/12/2001

    Respekt.

    Als erstes möchte ich sagen Respekt vor dieser Ausführung von Bismarcks Leben und die Erläuterungen über die Geschichte.Es fehlt mir persönlich die stärkere Auseinandersetzung mit Bismarck Gedanken.Was er z.Bsp. mit Elsaß-Lothringen bezweckte,oder welche Alternativen er in Betracht zog bei seinen oft Banhbrechenden Entscheidungen.

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