Die arbeitsrechtliche Stellung ausländischer Bewerber und Arbeitnehmer


Trabajo de Seminario, 2019

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Extracto


Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Die arbeitsrechtliche Stellung ausländischer Bewerber und Arbeitnehmer

A. Vorbehalte großer Bevölkerungsteile gegen Ausländer und arbeitsrechtliche Möglichkeiten zur Handhabe von Rassismus für Ausländer

B. Ausgewählte arbeitsrechtliche Problemfelder im Zusammenhang mit Ausländern
I. Forderung „sehr guter Deutschkenntnisse“ in der Stellenausschreibung als Problem vor Beginn des Arbeitsverhältnisses
1. Vermutung einer späteren, unmittelbaren Benachteiligung
2. Analyse des Meinungsstands: Auslegungstendenzen zu Benachteiligung und Rechtfertigung
a) Nationalität als Grund des § 1 AGG
b) Exkurs: Schutz vor Diskriminierungen wegen der Nationalität nach Art. 18, 45 AEUV als Besonderheit für EU-Ausländer
c) Benachteiligung durch Sprachanforderungen
aa) Forderung „sehr guter Deutschkenntnisse“ in der Stellenausschreibung als unmittelbare Benachteiligung von Ausländern
bb) Forderung „sehr guter Deutschkenntnisse“ in der Stellenausschreibung als mittelbare Benachteiligung von Ausländern
cc) Zusammenführung der Auslegungstendenzen in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal „in besonderer Weise benachteiligt“
dd) Bestehen eines typischen Zusammenhangs zwischen ethnischer Herkunft und sehr guten Deutschkenntnissen
d) „Rechtfertigung“ der Benachteiligung nach § 3 II Hs. 2 AGG
aa) § 3 II Hs. 2 AGG als negatives Tatbestandsmerkmal anstatt als Rechtfertigung
bb) Erfüllung der Kundenerwartung „sehr gute Deutschkenntnisse“ als rechtmäßiges und sachlich gerechtfertigtes Ziel i.S.d. § 3 II Hs. 2 AGG
II. Übersicht wichtiger Problemfelder für ausländische Arbeitnehmer während des Arbeitsverhältnisses
1. Überblick über betriebsverfassungsrechtliche Möglichkeiten gegen Rassismus
2. Überblick über individualarbeitsrechtliche Möglichkeiten gegen Rassismus
III. Problem eines abgeschwächten Diskriminierungsschutzes im Bereich der Kündigungen
1. Dogmatik des Diskriminierungsschutzes bei Kündigungen
a) Darstellung einiger wesentlicher Auslegungsrichtungen
b) Gegenüberstellung der Auslegungstendenzen und Zusammenführung zu einer Ansicht
aa) Auslegung 1: Wirksamkeit der Kündigung nach dem KSchG; Schadensersatz nach dem AGG
bb) Auslegung 2: Wirksamkeit der Kündigung nach dem AGG, aber kein Schadensersatzanspruch
cc) Auslegung 3: Vorrang eines spezifischen Kündigungsschutzregimes
dd) Auslegung 4: Europarechtswidrigkeit der Norm und unmittelbare, vollständige Anwendung des AGG
ee) Auslegung 5: Hineinlesen der AGG-Wertungen in § 1 KSchG
ff) Auslegung 6: Hineinlesen der AGG-Wertungen in die zivilrechtlichen Generalklauseln
gg) Gesamtschau: Optimales Ergebnis durch Zusammenspiel der Auslegungstendenzen 1, 3 und
2. Vergleich von Diskriminierungsschutzniveau bei Einstellung und Kündigung

C. Hohes Schutzniveau vor Diskriminierungen für EU- und Nicht-EU-Ausländer

Literaturverzeichnis

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Benecke, Martina. Mobbing. Arbeits- und Haftungsrecht. München, 2005 (zitiert als: Benecke).

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Däubler, Wolfgang/Deinert, Olaf/Zwanziger, Bertram. KSchR. Kündigungsschutzrecht. 10. Auflage. Frankfurt, 2017 (zitiert als: Däubler/Deinert/Zwanziger/ Bearbeiter).

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Düwell, Franz Josef. Betriebsverfassungsgesetz. Handkommentar. 5. Auflage. Baden-Baden, 2018 (zitiert als: Düwell/ Bearbeiter).

Eufinger, Alexander. „Benachteiligung einer Bewerberin wegen Alter, ethnischer Herkunft und Geschlecht“ in: GWR 2018, S. 202 (zitiert als: Eufinger, in: GWR 2018, 202).

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Freckmann, Anke. „Betriebsbedingte Kündigungen und AGG – was ist noch möglich?“ in: BB 2007, S. 1049-1054 (zitiert als: Freckmann, in: BB 2007, 1049).

Fuhlrott, Michael. „Keine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters, der ethnischen Herkunft oder des Geschlechts“ in: NZA-RR 2018, S. 287-295 (zitiert als: Fuhlrott, in: NZA-RR 2018, 287).

Gallner, Inken/Mestwerdt, Wilhelm/Nägele, Stefan. Kündigungsschutzrecht. Handkommentar. 6. Auflage. Baden-Baden, 2018 (zitiert als: Gallner/Mestwerdt/Nägele/ Bearbeiter).

Göbel-Zimmermann, Ralf/Marquardt, Lisa. „Diskriminierung aus Gründen der Rasse und wegen der ethnischen Herkunft im Spiegel der Rechtsprechung zum AGG“ in: ZAR 2012, S. 369-379 (zitiert als: Göbel-Zimmermann/Marquardt, in: ZAR 2012, 369).

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Heusch, Andreas/Kluth, Winfried. Beck’scher Online-Kommentar Ausländerrecht. 21. Edition. München, 2019 (zitiert als: BeckOK Ausländerrecht/ Bearbeiter).

Hinrichs, Lars/Stütze, Sebastian. „Die Sprache im Arbeitsverhältnis nach fünf Jahren AGG: Eine Bestandsaufnahme“ in NZA-RR 2011, S. 113-121 (zitiert als: Hinrichs/Stütze, in: NZA-RR 2011, 113).

Horcher, Michael. „Kontrahierungszwang im Arbeitsrecht – unter besonderer Berücksichtigung von§15Abs.6AGG“ in: RdA 2014, S. 93-102 (zitiert als: Horcher, in: RdA 2014, 93).

V. Hoyningen-Huene, Gerrick/Linck, Rüdiger/Krause, Rüdiger. Kündigungsschutzgesetz. 15. Auflage. München, 2013 (zitiert als: v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause/ Bearbeiter).

Hromadka, Wolfgang/Maschmann, Frank. Arbeitsrecht Band 1. Individualarbeitsrecht. 7. Auflage. Berlin Heidelberg, 2018 (zitiert als: Hromadka/Maschmann).

Köhlert, Sophie. „Die neue Rechtsprechung des BAG zur Anforderung ,sehr guter‘ Deutschkenntnisse in Stellenanzeigen. Ein Einfallstor für die Benachteiligung von Immigrierten auf dem Arbeitsmarkt?“ in NZA 2018, S. 1172-1175 (zitiert als: Köhlert, in: NZA 2018, 1172).

Maties, Martin. Arbeitsrecht. 6. Auflage. München, 2017 (zitiert als: Maties).

Müller, Friedrich/Christensen, Ralph. Juristische Methodik. Band I. Grundlegung für die Arbeitsmethoden der Rechtspraxis. 11. Auflage. Berlin, 2013 (zitiert als: Müller/Christensen).

Möllers, Thomas. Juristische Arbeitstechnik und wissenschaftliches Arbeiten. 9. Auflage. München, 2018 (zitiert als: Möllers, Juristische Arbeitstechnik).

Möllers, Thomas. Juristische Methodenlehre. München, 2017 (zitiert als: Möllers).

Müller-Glöge, Rudi/Preis, Ulrich/Schmidt, Ingrid. Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht. 19. Auflage. München, 2019 (zitiert als: ErfK/ Bearbeiter).

Novara, Fabian. „Bewerberauswahl nach Kundenwünschen?“ in: NZA 2015, S. 142-147 (zitiert als: Novara, in: NZA 2015, 142).

Pechstein, Matthias/Nowak, Carsten/Häde, Ulrich. Frankfurter Kommentar zu EUV, GRC und AEUV. Band II. AEUV. Artikel 1-100. Tübingen, 2017 (zitiert als: Pechstein/Nowak/Häde/ Bearbeiter).

Richardi, Reinhard. Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung. Kommentar. 16. Auflage. München, 2018 (zitiert als: Richardi/ Bearbeiter).

Ring, Gerhard/Vogel, Steffen. Individualarbeitsrecht. Baden-Baden, 2014 (zitiert als: Ring/Vogel).

Rolfs, Christian/Giesen, Richard/ Kreikebohm, Ralf/ Udsching, Peter. Beck’scher Online-Kommentar Arbeitsrecht. 51. Edition. München, 2019 (zitiert als: BeckOK BGB/ Bearbeiter).

Sagan, Adam. „Die Sanktion diskriminierender Kündigungen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz“ in: NZA 2006, S. 1257-1260 (zitiert als: Sagan, in: NZA 2006, 1257).

Säcker, Franz Jürgen/Rixecker, Roland/Oetker, Hartmut/Limperg, Bettina. Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Band 1. 8. Auflage. München, 2018 (zitiert als: MüKoBGB/ Bearbeiter).

Schaub, Günter. Arbeitsrechts-Handbuch. 17. Auflage. München, 2017 (zitiert als: Schaub/ Bearbeiter).

Schiek, Dagmar. „Gleichbehandlungsrichtlinien der EU – Umsetzung im deutschen Arbeitsrecht“ in: NZA 2004, S. 873-884 (zitiert als: Schiek, in: NZA 2004, 873).

Schleusener, Aino/Suckow, Jens/Plum, Martin. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz. Kommentar. 5. Auflage. Köln, 2019 (zitiert als: Schleusener/Suckow/Plum/ Bearbeiter).

Schrader, Peter. „Gestaltungsmöglichkeiten des Arbeitgebers nach Inkrafttreten des AGG“ in DB 2006, S. 2571-2580 (zitiert als: Schrader, in: DB 2006, 2571).

Schwarze, Jürgen/Becker, Ulrich/Hatje, Armin/Schoo, Johann. EU-Kommentar. 4. Auflage. Baden-Baden, 2019 (zitiert als: Schwarze/Becker/Hatje/Schoo/ Bearbeiter).

Stein, Andreas. „Die Beweislast in Diskriminierungsprozessen – ein unbekanntes Wesen?“ in: NZA 2016, S. 849-855 (zitiert als: Stein, in: NZA 2016, 849).

Streinz, Rudolf. EUV/AEUV. 3. Auflage. München, 2018 (zitiert als Streinz/ Bearbeiter).

Thüsing, Gregor. Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz. 2. Auflage. München, 2013 (zitiert als: Thüsing).

Thüsing, Gregor/Rachor, Stephanie/Lembke, Mark. Kündigungsschutzgesetz. Praxiskommentar. 4. Auflage. Freiburg, 2018 (zitiert als: Thüsing/Rachor/Lembke/ Bearbeiter).

Uhl, Kathrin. Anwendbarkeit und Rechtsfolgen des § 15 AGG bei diskriminierenden Kündigungen. Hamburg, 2016 (zugleich Dissertation Universität Augsburg 2015) (zitiert als: Uhl).

Vedder, Christoph/Heintschel von Heinegg, Wolff. Europäisches Unionsrecht. EUV/AEUV/GRCh/EAGV. Handkommentar. 2. Auflage. Baden-Baden, 2018 (zitiert als: Vedder/Heintschel von Heinegg/ Bearbeiter).

Wendeling-Schröder, Ulrike/Stein, Axel. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz. Kommentar. München, 2008 (zitiert als: Wendeling-Schröder/Stein/ Bearbeiter).

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die arbeitsrechtliche Stellung ausländischer Bewerber und Arbeitnehmer

A. Vorbehalte großer Bevölkerungsteile gegen Ausländer und arbeitsrechtliche Möglichkeiten zur Handhabe von Rassismus für Ausländer

Jeder dritte Bundesbürger hat Vorbehalte gegenüber Ausländern. Mit diesem Ergebnis sorgte eine Studie der Universität Leipzig1 Ende 2018 für Aufsehen. Statistisch wohl mehr als wahrscheinlich ist es daher, dass auch (potentielle) Arbeitgeber oder Kollegen von in Deutschland lebenden Ausländern teils mit Vorurteilen belastet sind. Diese Seminararbeit beschäftigt sich daher im Allgemeinen mit der arbeitsrechtlichen Stellung ausländischer Bewerber und Arbeitnehmer. Im Besonderen soll dabei vertieft auf die Möglichkeiten dieser Personen eingegangen werden, sich gegen Diskriminierungen bei der Einstellung, Rassismus während der Beschäftigung2 und ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen bei Kündigungen zur Wehr zu setzen. Hierbei werden nur zivilrechtliche Probleme erörtert und es wird von einer bestehenden Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis ausgegangen. Unterschiede zwischen EU- und Nicht-EU-Ausländern werden an den relevanten Stellen aufgezeigt. Entsprechend der Lebenswirklichkeit wird chronologisch von der Bewerbung über das laufende Arbeitsverhältnis hin zur Beendigung dieser Vertragsbeziehung vorgegangen. Schwerpunkte bilden dabei die Subsumtion der Nationalität unter die ethnische Herkunft, der Nachweis eines Zusammenhangs zwischen Sprachkenntnissen und ethnischer Herkunft und die Entwicklung eines sinnvollen Diskriminierungsschutzes bei Kündigungen.

B. Ausgewählte arbeitsrechtliche Problemfelder im Zusammenhang mit Ausländern

I. Forderung „sehr guter Deutschkenntnisse“ in der Stellenausschreibung als Problem vor Beginn des Arbeitsverhältnisses

Vor Beginn des Arbeitsverhältnisses steht typischerweise die Bewerbung des potentiellen Arbeitnehmers. Ausländerspezifisches juristisches Konfliktpotential bieten dabei nahezu alle Vorgänge der Personalauswahl. Eine spätere Diskriminierung kann schon durch die Stellenausschreibung indiziert sein, wenn diese gegen § 7 I AGG verstößt3 (§ 11 AGG). Bestimmte Fragen im Vorstellungsgespräch können rechtliche Probleme aufwerfen, wenn kein sachlicher Grund für die Frage besteht.4 Schließlich kann die Ablehnung eines ausländischen Bewerbers in jedem Stadium des Auswahlprozesses diskriminierend sein.5 Vertieft soll im Folgenden auf die Frage eingegangen werden, ob ein Ausländer durch eine Stellenausschreibung diskriminiert wird, in der „sehr gute Deutschkenntnisse“ gefordert werden. Diese Thematik ist besonders brisant, weil das BAG seine Rechtsprechung dazu erst Ende 2017 geändert hat.6 Genauer soll zunächst analysiert werden, welche Bedeutung § 11 AGG, der eine Regelung für Stellenausschreibungen enthält, in der Systematik des AGG hat. Anschließend wird die neue Rechtsprechung betrachtet und ergründet, ob in einer solchen Stellenausschreibung eine Benachteiligung i.S.d. § 3 AGG zu erblicken ist. Zuletzt wird untersucht, ob diese Benachteiligung – wenn man eine solche annimmt – nach § 8 AGG oder § 5 AGG gerechtfertigt sein kann.

1. Vermutung einer späteren, unmittelbaren Benachteiligung

Problematisch im Rahmen des § 11 AGG ist insbesondere die Folge eines Zuwiderhandelns gegen das Verbot einer benachteiligenden Ausschreibung. Im Wortlaut finden sich dazu keine Hinweise (sog. lex imperfecta7 ). Die historische Auslegung ergibt, dass § 11 AGG im Vergleich zu § 611b BGB a.F. zwar sprachlich geändert wurde, jedoch – abgesehen von der Erweiterung auf andere Merkmale als das Geschlecht – keine inhaltlichen Veränderungen entstehen sollten.8 Schon § 611b BGB a.F. wurde dahingehend ausgelegt, dass ein Zuwiderhandeln als Indiz für eine spätere Benachteiligung durch Nichteinstellung galt.9 Hätte der Gesetzgeber dieser Auslegung widersprechen wollen, hätte er die Möglichkeit dazu gehabt, als er § 611b BGB a.F. durch § 11 AGG ersetzte. Die Gesetzesmaterialien zeigen aber, dass das gerade nicht gewünscht war. Diese Auslegung entspricht auch der Intention einer der dem AGG zugrundeliegenden Richtlinien10, namentlich RL 2000/78/EG. Zwar ist § 11 AGG „genuin nationales Recht“11, doch hindert dies nicht daran, Europarecht und insbesondere den Grundsatz der effektiven Anwendung des Unionsrechts12 als Konkretisierung des effet-utile-Grundsatzes13, bei der Auslegung zu berücksichtigen. RL 2000/78/EG fordert in Erwägungsgrund Nr. 31 und Art. 10 I eine erleichterte Beweislast für den (potentiell) Diskriminierten. Diesem Ziel wird durch das Verständnis von Verstößen gegen § 11 AGG als Indiz i.S.d. § 22 AGG Rechnung getragen. Rechtsprechung und rechtswissenschaftliche Literatur sind sich daher zurecht einig, dass eine Stellenausschreibung entgegen § 11 AGG ein Indiz i.S.d. § 22 AGG ist, das eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Merkmals vermuten lässt.14 Dies aber nur, wenn die betroffene Person sich tatsächlich bewirbt und abgelehnt wird, denn nur dann ist der persönliche Anwendungsbereich des AGG eröffnet.

2. Analyse des Meinungsstands: Auslegungstendenzen zu Benachteiligung und Rechtfertigung

Die Forderung „sehr guter Deutschkenntnisse“ verstieße gegen § 11 AGG, wenn dadurch ein Arbeitsplatz unter Verstoß gegen § 7 I AGG ausgeschrieben wird. Ein solcher Verstoß liegt wiederum vor, wenn Beschäftigte wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Unstrittig sind Bewerber Beschäftigte i.S.d. AGG (§ 6 I 2 AGG) und der sachliche Anwendungsbereich ist nach § 2 I Nr. 1 AGG eröffnet. Zu klären bleibt daher noch, ob die Forderung „sehr guter Deutschkenntnisse“ eine Benachteiligung von Ausländern wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes darstellt.

a) Nationalität als Grund des § 1 AGG

Ausländer ist, wer die deutsche Staatsangehörigkeit nach Art. 116 I GG nicht besitzt. Die Staatsangehörigkeit oder Nationalität ist nun aber kein in § 1 AGG genannter Grund, das fordert auch die RL 2000/43/EG in Erwägungsgrund Nr. 13 und Art. 3 II explizit nicht.15 Zudem scheidet eine analoge Anwendung des AGG auf Fälle, in denen die Nationalität betroffen ist, aus, weil eine potentielle Regelungslücke jedenfalls nicht planwidrig16 wäre. Die Berücksichtigung der Nationalität ist dem Gesetz nämlich durchaus nicht fremd, wie § 75 I BetrVG zeigt. Das bedeutet freilich noch nicht, dass willkürlich wegen der Nationalität differenziert werden darf. Vielmehr ist zu untersuchen, ob die Nationalität nicht unter ein in § 1 AGG genanntes Merkmal subsumiert werden kann. In Betracht kommt dabei insbesondere eine Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft. Eine bestimmte ethnische Herkunft haben Leute, „die durch gemeinsame Herkunft, Geschichte, Kultur oder Zusammengehörigkeitsgefühl verbunden sind“17. Ein weiteres Kriterium kann neben der gemeinsamen Sprache auch die Staatsangehörigkeit sein, aber beide stellen eben nicht die einzigen Kriterien dar.18 Daraus folgt, dass Menschen trotz gleicher Staatsangehörigkeit zu unterschiedlichen ethnischen Gruppen gehören können19 und dass Menschen einer ethnischen Gruppe umgekehrt verschiedene Staatsangehörigkeiten aufweisen können. Die Staatsangehörigkeit ist nämlich ein rechtliches Gebilde, die Ethnie nach der oben gezeigten Definition hingegen ein tatsächliches. Eine zunächst einheitliche Ethnie kann etwa durch rechtliche Eingriffe wie die Teilung eines Landes im Laufe der Zeit zu zwei unterschiedlichen werden20, muss dies aber wiederum nicht. Zusammenfassend ist also festzustellen, dass eine Benachteiligung von Ausländern häufig eine Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft darstellen wird, dass dies aber nicht zwingend ist. Es bedarf stets einer Beurteilung im Einzelfall. Dabei sind an die Feststellung einer ethnischen Herkunft keine zu strengen Anforderungen zu stellen.21 Zu beachten ist auch, dass eine Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft schon vorliegt, wenn der Benachteiligende den Betroffenen nur subjektiv als fremd oder zu einer anderen Ethnie gehörend einstuft, § 7 I Hs. 2 AGG.22

b) Exkurs: Schutz vor Diskriminierungen wegen der Nationalität nach Art. 18, 45 AEUV als Besonderheit für EU-Ausländer

Lässt sich eine unterschiedliche ethnische Herkunft nicht feststellen, so kann sich ein Schutz von EU-Ausländern dennoch ergeben. Für sie gilt in Fällen mit „Bezug zum Gemeinschaftsrecht“23 ein Schutz vor Diskriminierungen wegen der Staatsangehörigkeit, Art. 18, 45 AEUV. Adressaten des AEUV, und damit daran gebunden, sind jedoch grundsätzlich nur die Mitgliedstaaten, nicht aber deren Bürger. Von diesem Grundsatz gibt es zwar einige Ausnahmen, so etwa in Art. 101, 102, 263, 265 AEUV,24 ob auch Art. 18, 45 AEUV eine solche sind, ist jedoch umstritten. Es gibt hierzu eine Vielzahl unterschiedlicher Ansichten, die teils undifferenziert das eine oder andere vertreten und teils nach Regelungsbefugnis, wirtschaftlicher Macht oder Monopolstellung des betreffenden Privaten unterscheiden.25 Im Sinne der Rechtssicherheit und dogmatischen Richtigkeit26 spricht zwar vieles dafür, dass Art. 18, 45 AEUV nur ausnahmsweise Privatpersonen verpflichten sollte.27 Doch sehen andere, insbesondere der EuGH, das anders.28 Jedenfalls ist der Staat, soweit er als privatrechtlicher Arbeitgeber auftritt an Art. 18 AEUV gebunden. Wegen der Bereichsausnahme29 für die öffentliche Verwaltung gilt das jedoch nicht für den – ansonsten spezielleren – Art. 45 AEUV.

c) Benachteiligung durch Sprachanforderungen

Ob eine Benachteiligung vorliegt, ist an § 3 AGG zu messen, denn § 11 AGG verweist auf § 7 AGG und dieser nimmt durch Verbalverweis („benachteiligt“) § 3 AGG in Bezug. Demnach kann eine Benachteiligung unmittelbar oder mittelbar, durch Belästigung oder sexuelle Belästigung und durch Anweisung zur Benachteiligung erfolgen. Besonders bedeutsam sind in diesem Zusammenhang die unmittelbare und die mittelbare Benachteiligung. Im Folgenden wird daher untersucht, ob eine mittelbare oder unmittelbare Benachteiligung vorliegt. Die Differenzierung hat nicht nur akademische Bedeutung, da die Anforderungen an die „Rechtfertigung“ (zur Problematik des Begriffs später) einer Benachteiligung im Falle der mittelbaren Benachteiligung geringer sind.

aa) Forderung „sehr guter Deutschkenntnisse“ in der Stellenausschreibung als unmittelbare Benachteiligung von Ausländern

Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Merkmals eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde, § 3 I 1 AGG. Voraussetzung ist also, dass die Anforderungen mit einem Merkmal aus § 1 AGG „als ,untrennbar‘ [...] verbunden anzusehen“30 sind. Richtigerweise lehnt das BAG hier eine unmittelbare Benachteiligung ab, weil schon nicht feststeht, ob die deutsche Sprache überhaupt mit einer bestimmten ethnischen Herkunft zusammenhängt und weil Sprachen erlernbar sind.31 Die Sprache ist daher gerade nicht untrennbar mit der ethnischen Herkunft verbunden.

bb) Forderung „sehr guter Deutschkenntnisse“ in der Stellenausschreibung als mittelbare Benachteiligung von Ausländern

Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, § 3 II AGG. Erforderlich ist daher nicht wie bei der unmittelbaren Benachteiligung eine zwingende Betroffenheit.32 Es genügt schon, wenn Menschen einer anderen ethnischen Gruppe typischerweise eher betroffen sind,33 insbesondere,34 aber nicht nur wenn,35 ein statistischer Zusammenhang besteht, der zeigt, dass Menschen einer anderen ethnischen Gruppe die Vorschrift, das Kriterium oder das Verfahren überdurchschnittlich oft nicht erfüllen.36 Nun gibt es zwar Ausländer, die „sehr gute Deutschkenntnisse" aufweisen und Inländer, die das nicht tun. Doch ist der Anteil der Inländer, die diese Anforderung erfüllen erheblich größer, als der Anteil der Ausländer, die das tun. Die Subsumtion des Sachverhalts unter die Legaldefinition scheint daher zunächst für eine mittelbare Benachteiligung von Ausländern durch die Nichteinstellung in Folge einer Ausschreibung mit dem Erfordernis „sehr guter Deutschkenntnisse“ (nicht durch die Ausschreibung selbst, s.o.) zu sprechen. Das entspricht auch der verbreiteten Literaturansicht37 und der Ansicht des BAG bis zur im November 2017 erfolgten Änderung der Rechtsprechung38.

Seither lehnt das BAG39 eine mittelbare Benachteiligung unter anderem mit folgenden Erwägungen ab: Die Forderung „sehr guter Deutschkenntnisse“ kann Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes zwar benachteiligen, doch geschieht das nicht „in besonderer Weise“, wie § 3 II AGG und Art. 2 I lit. b) der RL 2000/43/EG es fordern. Dieses Merkmal legt das BAG in Anlehnung an den EuGH40 neuerdings dahingehend aus, dass eine Benachteiligung in besonderer Weise nur vorliegt, wenn eine bestimmte ethnische Herkunft benachteiligt wird. Ferner führt es aus, dass zwischen „sehr guten Deutschkenntnissen“ und „Deutsch als Muttersprache“ differenziert werden muss. Während für die Anforderung „Deutsch als Muttersprache“ ein typischer statistischer Zusammenhang mit einer deutschsprachigen Ethnie anerkannt wird, wird das für „sehr gute Deutschkenntnisse“ anders gesehen. Diese könnte man unabhängig von seiner ethnischen Herkunft erwerben.

cc) Zusammenführung der Auslegungstendenzen in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal „in besonderer Weise benachteiligt“

BAG und Literatur legen das „in besonderer Weise benachteiligen“ in § 3 II AGG unterschiedlich aus. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine eigenständige Bedeutung des Merkmals „in besonderer Weise benachteiligen“ vor der Entscheidung des BAG im November 2017 nicht ersichtlich ist. Es verdient daher Zustimmung, dass das BAG sich jetzt so genau mit dem Wortlaut des Tatbestands auseinandergesetzt hat. Für ein der Auslegung des BAG entgegenstehendes Verständnis müsste dem Tatbestandsmerkmal nun entweder eine andere Bedeutung entnommen werden oder die Norm müsste analog auf Fälle angewendet werden, in denen eine Benachteiligung nicht in besonderer Weise erfolgt. Eine andere Bedeutung als die, dass eine bestimmte Ethnie benachteiligt sein muss, ist nicht ersichtlich. In Frage kommt aber eine Analogie. Voraussetzungen dafür sind eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage.41 Fälle, in denen mehrere Ethnien benachteiligt werden, sind – die Auslegung des BAG zugrunde gelegt – gesetzlich nicht geregelt. Nun könnte man annehmen, der Gesetzgeber wollte diese Fälle auch nicht regeln und hat daher das einschränkende Merkmal „in besonderer Weise benachteiligt“ in § 3 II AGG aufgenommen. Dagegen spricht aber die Tatsache, dass der deutsche Gesetzgeber diese Formulierung wortwörtlich aus Art. 2 II lit. b) der RL 2000/43/EG übernommen hat, um deren Umsetzung sicherzustellen. Dass diese Formulierung dem Zweck des Gesetzes zuwiderlaufen könnte, hat der Gesetzgeber dabei wohl nicht bedacht. Daraus folgt, dass der Gesetzgeber davon ausging, die mittelbare Benachteiligung mehrerer Ethnien durch § 3 II AGG zu regeln. Diesen Fall schloss er daher nur versehentlich durch die Anforderung „in besonderer Weise benachteiligt“ aus. Die Regelungslücke ist somit auch planwidrig.

Eine vergleichbare Interessenlage liegt vor, wenn der Normzweck auf den nicht geregelten Fall gleichermaßen passt.42 § 3 II AGG soll dazu beitragen, das Maß an Fremdenfeindlichkeit auch im zivilrechtlichen Bereich bestmöglich zu verringern. In den Fällen, in denen nicht eine, sondern zwei oder mehrere Ethnien benachteiligt werden, bezieht sich die Fremdenfeindlichkeit auf eine größere Zahl von Personen. Es käme also, folgt man der Auslegung des BAG, zu der absurden Situation, dass derjenige nicht diskriminiert, der eine möglichst große Zahl von Personen benachteiligt.43 Es ist jedoch kein Grund ersichtlich, warum eine größere Zahl von Menschen einen geringeren Diskriminierungsschutz braucht, vielmehr ist ein Schutz hier erst recht geboten (argumentum a minori ad maius)44, um einen „möglichst lückenlosen Schutz“45 vor Diskriminierungen zu erreichen. Die Interessenlage ist in Fällen der Benachteiligung von Menschen aus mehreren unterschiedlichen Ethnien also vergleichbar mit der in Fällen der Benachteiligung von Menschen aus nur einer Ethnie. Letztlich ist daher eine Analogie geboten. Es lässt sich also festhalten, dass der neuen Auslegung des BAG zwar zu folgen ist, dann jedoch eine analoge Anwendung des § 3 II AGG auf Fälle der Benachteiligung von Menschen aus mehreren Ethnien erfolgen muss. Es kann somit weiter die Rechtsprechung des EuGH zum Merkmal „in besonderer Weise benachteiligt“ berücksichtigt werden46, ohne dass der Zweck des Gesetzes konterkariert würde.

dd) Bestehen eines typischen Zusammenhangs zwischen ethnischer Herkunft und sehr guten Deutschkenntnissen

Wie oben gezeigt, lehnt das BAG neuerdings einen typischen Zusammenhang zwischen sehr guten Deutschkenntnissen und der ethnischen Herkunft ab.47 Ein solcher Zusammenhang bestehe nur für die Forderung von „Deutsch als Muttersprache“.

Tatsächlich wird bei deutschen Ethnien der Anteil der Menschen, die Deutsch als Muttersprache sprechen nahezu 100 % betragen, da die Sprache gerade dazu führt, als deutsche Ethnie bezeichnet zu werden. Parallel dazu liegt der Anteil deutscher Muttersprachler unter nichtdeutschen Ethnien bei 0 %.

Verglichen werden müssen diese Zahlen nun mit den jeweiligen Anteilen bzgl. „sehr guter Deutschkenntnisse“. Unter deutschen Ethnien beläuft sich dieser Wert erneut auf ca. 100 %, da „sehr gute Deutschkenntnisse“ ein Unterfall von „Deutsch als Muttersprache“ sind. Unter nichtdeutschen Ethnien, sind nun aber diejenigen zu berücksichtigen, die Deutsch erlernt haben. Zwar ist hierbei problematisch, ab welchem Sprachniveau von „sehr guten Kenntnissen“ gesprochen werden kann, doch zeichnen sich folgende Zahlen ab: Im Amtssprachgebiet Deutsch leben etwa 8,5 Mio. Zweitsprachler,48 denen an dieser Stelle einmal „sehr gute Deutschkenntnisse“ unterstellt werden. Außerhalb des Amtssprachgebiets Deutsch kommen noch einmal 7,5 Mio. Mutter- und Zweitsprachler hinzu.49 Geht man hierbei einmal von 4 Mio. Zweitsprachlern aus, gibt es weltweit 12,5 Mio. Zweitsprachler. Hinzu kommen etwa 145 Mio. Fremdsprachler.50 Betrachtet man die Anforderungen, die durch das Erfordernis „sehr guter Deutschkenntnisse“ gestellt werden, muss hiervon jedoch ein erheblicher Teil abgezogen werden, der nur grundlegende oder gute Deutschkenntnisse hat. Gesteht man hier – sehr großzügig – 50 Mio. Leuten „sehr gute Deutschkenntnisse“ zu, ergibt sich zusammen mit den oben genannten Zweitsprachlern eine Sprecherzahl von 62,5 Mio. Menschen unter nichtdeutschen Ethnien.

Bei einer Gesamtweltbevölkerung von ca. 7,7 Mrd. Menschen51, von denen etwa 7,55 Mrd. Menschen nichtdeutscher Ethnie sind, machen Menschen mit „sehr guten Deutschkenntnissen“ einen Anteil von 0,8 % aus.

Fordert man in einer Bewerbung daher „Deutsch als Muttersprache“, sind nichtdeutsche Ethnien zu 100 % und deutsche Ethnien zu 0 % betroffen. Fordert man lediglich „sehr gute Deutschkenntnisse“, beträgt die Quote der Betroffenen unter nichtdeutschen Ethnien 99,2 % und unter deutschen Ethnien 0 %. Trotz teils gerundeter und geschätzter Zahlen, darf bezweifelt werden, ob ein so marginaler Unterschied es rechtfertigt, in einem Fall von einem typischen Zusammenhang i.S.d. mittelbaren Benachteiligung zu sprechen und es im anderen Fall nicht zu tun. Es existieren zwar keine festen Prozentwerte als Entscheidungshilfe52, doch gelten 75% regelmäßig als ausreichender Relationsunterschied.53 Da der Relationsunterschied hier wesentlich höher ist, ist hiermit eine statistische Benachteiligung nachgewiesen. Daher besteht eine bloße Möglichkeit der Benachteiligung54 („in besonderer Weise benachteiligen können“) erst recht. Unabhängig davon, ob man also einen statistischen Nachweis weiterhin fordert (s.o.) besteht hier eine mittelbare Benachteiligung von Menschen mit nicht deutschsprachiger ethnischer Herkunft.

[...]


1 Brähler/Decker, unter: https://www.uniklinikum-leipzig.de/presse/Seiten/Pressemitteilung_6624.aspx (zuletzt aufgerufen am: 8.5.19 um 15:54 Uhr).

2 Zur Notwendigkeit rechtlicher Instrumente: BT-Drs. 16/1780 S. 24.

3 Göbel-Zimmermann/Marquardt, in: ZAR 2012, 369, 372; ErfK/ Schlachter, AGG, § 11 Rn. 3.

4 BeckOGK/ Benecke, AGG, § 22 Rn. 44; Maties Kap. 2 Rn. 20.

5 BAG, NZA 2013, 37, 37 ff. (allerdings für das Merkmal „Alter“ bei Ablehnung vor dem Vorstellungsgespräch); BAG, NJW 2018, 1118, 1118 ff. (allerdings für das Merkmal „Schwerbehinderung“ bei Ablehnung nach dem Vorstellungsgespräch).

6 BAG 8. Senat, Urt. v. 23.11.2017 – 8 AZR 372/16; Köhlert, in: NZA 2018, 1172.

7 Schleusener/Suckow/Plum/ Suckow, AGG, § 11 Rn. 51.

8 BT-Drs. 17/1780, S. 36 nach: MüKoBGB/ Thüsing, AGG, § 11 Rn. 1, der irrtümlich auf S. 37 verweist.

9 BVerfG, NZA 2007, 195; BAG, NZA 2004, 540, 543 nach: BeckOGK/ Benecke, AGG § 11 Rn. 28.

10 Übersicht dazu: Wendeling-Schröder/Stein/ Wendeling-Schröder, AGG, Einleitung Rn. 1; Thüsing, Rn. 14.

11 Schleusener/Suckow/Plum/ Suckow, AGG, § 11 Rn. 2.

12 Bieber/Epiney/Haag/Kotzur, § 8 Rn. 18 ff.; Herdegen, § 8 Rn. 48 f.

13 Möllers, § 5 Rn. 113.

14 BVerfG, NZA 2007, 195, 196 (noch für § 611a I 3 BGB a.F.); BAG, NZA 2010, 1412, 1415 f. nach: ErfK/ Schlachter, AGG § 11 Rn. 3; BeckOGK/ Benecke, AGG, § 11 Rn. 28; BeckOK BGB/ Horcher, AGG, § 11 Rn. 8; Schleusener/Suckow/Plum/ Suckow, AGG, § 11 Rn. 70.

15 BAG, Urt. v. 23.11.2017 – 8 AZR 372/16.

16 Müller/Christensen, Rn. 371.

17 BAG, NZA 2012, 1345, 1347 nach: ErfK/ Schlachter, AGG, § 1 Rn. 4a; ähnlich: Däubler/Bertzbach/ Däubler, KSchG, § 1 Rn. 28.

18 EuGH, NJW 2017, 3139, 3139; dem folgend: BAG, Urt. v. 23.11.2017 – 8 AZR 372/16.

19 Missverständlich, aber wohl ebenso: Thüsing, Rn. 181.

20 Für „Ossis“ ablehnend: ArbG Stuttgart, NZA-RR 2010, 344, 344 f.; ArbG Würzburg, Urt. v. 23.1.2009, 3 Ca 664/08; aA: Bauer, in: ArbRAktuell 2010, 228, 228; Däubler/Bertzbach/ Däubler, KSchG, § 1 Rn. 43 f. m.w.N. nach: Arnold, in: GWR 2010, 256, 256.

21 EuGH, NZA 2015, 1247 Rn. 42 nach: BAG, NZA-RR 2018, 287, 291.

22 Göbel-Zimmermann/Marquardt, in: ZAR 2012, 369, 370.

23 Thüsing, Rn. 224.

24 Bieber/Epiney/Haag/Kotzur, § 6 Rn. 56.

25 Übersicht: BeckOK Ausländerrecht/ Rossi, AEUV, Art. 18 Rn. 45.

26 Callies/Ruffert/ Brechmann, AEUV, Art. 45 Rn. 45.

27 Streinz/ Streinz, AEUV, Art. 18 Rn. 43; Schwarze/Becker/Hatje/Schoo/ Holoubek, AEUV, Art. 18 Rn. 45; Vedder/Heintschel von Heinegg/Epiney, AEUV, Art. 45 Rn. 12 (zumindest angedeutet).

28 EuGH, Rs C-281/98, Angonese, Slg. 2000, I-4139; EuGH, Rs C-94/07, Raccanelli, Slg 2008, I-5939; Pechstein/Nowak/Häde/ Kocher, AEUV, Art. 45 Rn. 75 ff.; Calliess/Ruffert/ Brechmann, AEUV, Art. 45 Rn. 56.

29 Streinz/ Franzen, AEUV, Art. 45 Rn. 146 ff.; Grabitz/Hilf/Nettesheim/ Forsthoff, AEUV, Art. 45 Rn. 420 ff.

30 BAG, NZA-RR 2018, 287 Rn. 39.

31 BAG, NZA-RR 2018, 287 Rn. 42, 45.

32 BAG,NZA 2010,222Rn.29; Schaub/ Linck, § 36 Rn. 44; anders wohl: Eufinger, in: GWR 2018, 202, 202.

33 ErfK/ Schlachter, AGG, § 3 Rn. 9.

34 ErfK/ Schlachter, AGG, § 3 Rn. 9.; Maties, Kap. 2 Rn. 10.

35 BeckOK BGB/ Horcher, AGG, § 3 Rn. 46; Schiek, in: NZA 2004, 873, 875.

36 BAG,NZA 2016,897Rn.27.

37 Herbert/Oberrath, in: DB 2009, 2434; Hinrichs/Stütze, in: NZA-RR 2011, 113, 114; ErfK/ Schlachter, AGG, § 1 Rn. 5 nach: Köhlert, in: NZA 2018, 1172, 1172.

38 Vorher: BAGE133,141=NZA 2010,625; BAGE 138, 166 = NZA 2011, 1226, 1230; jetzt: BAG, NZA-RR 2018, 287, 287 ff.

39 BAG 8. Senat, Urt. v. 23.11.2017 – 8 AZR 372/16.

40 EuGH, NJW 2017, 3139 Rn. 27.

41 Müller/Christensen, Rn. 371.

42 Möllers, Juristische Arbeitstechnik, § 3 Rn. 20.

43 Köhlert, in: NZA 2018, 1172, 1173; zum argumentum ad absurdum: Möllers, § 5 Rn. 62 ff.

44 Möllers, Juristische Arbeitstechnik, § 3 Rn. 18.

45 BT-Drs. 16/1780 S. 30.

46 Gegen die Notwendigkeit dessen: Köhlert, in: NZA 2018, 1172, 1174.

47 Köhlert, in: NZA 2018, 1172, 1173.

48 Ammon, Tabelle S. 170.

49 Ammon, Tabelle S. 173.

50 Ammon, S. 178.

51 DSW, unter: https://www.dsw.org/wp-content/uploads/2018/10/SWOP-2018_final_web-50.pdf, S. 85 (zuletzt aufgerufen am 04.06.2019 um 17:15 Uhr).

52 Grabitz/Hilf/Nettesheim/ Langenfeld, AEUV, Art. 157 Rn. 34; anders im US-amerikanischen Rechtsraum: Thüsing, Rn. 252.

53 ErfK/ Schlachter, AGG, § 3 Rn. 10; MüKoBGB/ Thüsing, AGG, § 3 Rn. 31; BeckOK BGB/ Horcher, AGG, § 3 Rn. 46.

54 BAG,NZA 2010,222Rn.29; BeckOK BGB/ Horcher, AGG, § 3 Rn. 48; ErfK/ Schlachter, AGG, § 3 Rn. 12.

Final del extracto de 29 páginas

Detalles

Título
Die arbeitsrechtliche Stellung ausländischer Bewerber und Arbeitnehmer
Calificación
16,00
Autor
Año
2019
Páginas
29
No. de catálogo
V974059
ISBN (Ebook)
9783346319401
ISBN (Libro)
9783346319418
Idioma
Alemán
Palabras clave
AGG, Ausländer, Arbeitsrecht, Bewerbungen, Kündigungen
Citar trabajo
Simon Lösel (Autor), 2019, Die arbeitsrechtliche Stellung ausländischer Bewerber und Arbeitnehmer, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/974059

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