Weibliche Autorenschaft war im 16. Jahrhundert nicht mehr an einen exklusiv höfischen Kontext gebunden. Zu diesem Ergebnis kommt Ulrike Schneider in ihrer Monographie „Der weibliche Petrarkismus im Cinquecento“ (2007). Während zuvor, bedingt durch die historisch-soziale inferiore Stellung der Frau, eine weibliche Perspektive in der Dichtung und Kunst allgemein nahezu inexistent war und dem Diktat männlicher Autorität unterlag, bildete die Mitte des Cinquecento mit dem Emporkommen bedeutender italienischer Autorinnen wie Vittoria Colonna, Tullia d’Aragona, Laura Terracina, Veronica Gambara, Isabella di Morra und Chiara Matraini die Geburtsstunde einer weiblich-literarischen Tradition. Ebenso wie eine Vielzahl männlicher Autoren orientierten sich die Frauen in einem lyrischen Wettstreit an dem Archetyp Petrarcas im Sinne einer Nachahmungsästhetik.
An dem Wettstreit um dichterische Anerkennung und Ruhm nahm auch Gaspara Stampa teil, die nach ihrem Tod aufgrund ihrer imitatio – und aemulatio Petrarcas in Form ihrer Rime, zu einer der berühmtesten italienischen Dichterinnen avancierte. Der Studie Stampas Rime hat sich im deutschsprachigen Raum insbesondere Ulrike Schneider zugewandt. In ihrem Werk „Der
weibliche Petrarkismus im Cinquecento“ untersucht Schneider die Besonderheiten der Dichtungen Vittoria Colonnas und Gaspara Stampas aus einer weiblichen Perspektive im Kontext der zeitgenössischen Petrarca imitatio. Das wohl charakteristischste Merkmal weiblichen Schreibens im Petrarkismus ist die Gender-Umkehrung des Liebeskonzepts Petrarcas: Das stumme weibliche Objekt, das in Form der unnahbaren Geliebte bei Petrarca inszeniert wird, taucht bei den Petrarkistinnen als die aktiv Liebende auf, während das männliche Geschlecht die Rolle des Liebesobjekts annimmt. Durch diesen genderspezifischen Perspektivenwandel eröffnen die Autorinnen einen weiblichen Blickwinkel auf den petrarkistischen Liebesdiskurs, an dem sie zugleich Kritik üben.
Um welche spezifische Situation es sich bei Gaspara Stampa handelt, soll im Folgenden anhand eines Vergleichs mit Petrarcas Canzoniere dargestellt werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Definition: Petrarkismus und weiblicher Petrarkismus
- Gedichtanalyse: Ein Vergleich Petrarcas Canzoniere mit Stampas Rime
- Proömsonett
- Mythologiegebrauch
- Locus Amoenous
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Studie befasst sich mit Gaspara Stampa und ihrem Platz im weiblichen Petrarkismus des 16. Jahrhunderts. Sie untersucht die spezifischen Charakteristika von Stampas Werk im Kontext der zeitgenössischen Petrarca-Imitation und analysiert, wie Stampa das literarische Modell Petrarcas im Zeichen weiblichen Schreibens rekodiert. Zudem wird beleuchtet, wie sie in ihren Gedichten ihre Stellung als Autorin thematisiert und problematisiert.
- Die Besonderheiten des weiblichen Petrarkismus im Vergleich zum klassischen Petrarkismus
- Die Rolle der Gender-Umkehrung in der Liebeskonzeption des weiblichen Petrarkismus
- Die Analyse von Stampas Rime im Vergleich zu Petrarcas Canzoniere
- Die Verwendung von literarischen Elementen wie Proömsonetten, Mythologiegebrauch und dem locus amoenus
- Die Thematisierung der Stellung der Frau im literarischen Diskurs des 16. Jahrhunderts
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel stellt die Forschungsfrage und den Kontext der Studie vor. Es beleuchtet die Entwicklung der weiblichen Autorenschaft im 16. Jahrhundert und die Bedeutung von Gaspara Stampa für die literarische Tradition des weiblichen Petrarkismus. Das zweite Kapitel widmet sich der Definition von Petrarkismus und weiblichen Petrarkismus. Hierbei wird insbesondere auf die unterschiedlichen Definitionen, die historisch-literarischen Phasen und die Gender-spezifische Ausprägung dieser Strömungen eingegangen.
Schlüsselwörter
Weiblicher Petrarkismus, Gaspara Stampa, Petrarca-Imitation, Gender-Umkehrung, Liebeskonzeption, Gedichtanalyse, Proömsonett, Mythologiegebrauch, Locus Amoenous, Stellung der Frau, literarischer Diskurs, 16. Jahrhundert.
- Quote paper
- Anonym (Author), 2019, Gaspara Stampa und der weibliche Petrarkismus im Cinquecento, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/974166