Wie kann das Darknet filmisch inszeniert werden? Bebildern, was kaum sichtbar ist


Hausarbeit, 2019

23 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Verlust der physischen Realität

3. Das Darknet

4. Filmische Inszenierung des Darknets in Who am 1
4.1. Storyline
4.2. Szenenanalyse
4.2.1. Intro
4.2.2. Kindheitsgeschichte
4.2.3. U-Bahn
4.2.4. Einbrüche
4.3. Darknet vs. Clear Web
4.4. Andere Inszenierungsformen
4.4.1. How to Sell Drugs Online (Fast)
4.4.2. Desktopfilme

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

7. Abbildungsverzeichnis

8. Filmografie

1. Einleitung

Es ist dunkel. In einem chaotischen Raum voll Hardware blinken wild kleine Leuchten auf, Bildschirme flackern, die Tasten einer mechanischen Tastatur klappern. Mit einem schwarzen Kapuzenpulli getarnt sitzt ein junger Mann vor einem Rechner und tippt unverständlichen Code, weiße Schrift auf schwarzem Grund.

Wenn es im Kino oder in Serien um Hacker und das Darknet geht, sind solche Bilder nicht unbekannt. Der Thriller Who Am I des deutschen Regisseurs Baran Bo Odar sucht audiovisuelle Darstellungsmöglichkeiten für das Darknet und die ihm immanenten Kommunikationsformen.

Denn digitale Kommunikation im Film darzustellen, ist eine gestalterische Herausforderung. Bildschirme lassen sich schlecht filmen, weil es häufig ungewollt zum Moiré-Effekt kommt, sodass das Abgebildete schlecht lesbar ist. Außerdem sollen Zuschauende nicht angestrengt werden, indem sie fortlaufend mitlesen müssen, was auf der Leinwand oder dem Display passiert. So stehen Filmemachende vor der Frage, wie neue Formen der Kommunikation filmisch inszeniert werden können. Im Falle des Darknets ist die Herausforderung noch größer: Die wenigsten Zuschauenden wissen tatsächlich, wie das Darknet funktioniert und so müssen Filme zusätzliche Erklärarbeit leisten.

In dieser Hausarbeit werde ich anhand von Who am I untersuchen, welche filmischen Darstellungsmöglichkeiten es für das Darknet als Spezialfall digitaler Kommunikation gibt. Welche Bildsprache wird gefunden, wie wird vom und im Darknet gesprochen, wie klingt das Darknet? Die Arbeit soll thematisch in die Problematik eingebettet werden, die bereits angeschnitten wurde. Aus der Analyse des Filmbeispiels erhoffe ich mir, ein Verständnis für verschiedene filmische Inszenierungen und ihr Potenzial zur Visualisierung digitaler Kommunikation zu entwickeln.

Zuerst wird das Darknet vorgestellt und die Handlung von Who Am I kurz zusammengefasst. Darauf folgt die Analyse einzelner Filmszenen, die repräsentativ für die Visualisierung des Darknets sind. Es soll unter anderem die Frage behandelt werden, ob sich die Darstellung des Darknets von der des normalen Internets unterscheidet. Abschließend werden vergleichend andere Film- und Serienbeispiele herangezogen, die die filmische Herausforderung anders lösen.

Meine Hauptquelle ist natürlich der Film beziehungsweise die Filme selbst. Darüber hinaus habe ich mich mit Literatur zur Film- und Fernsehwissenschaft auseinandergesetzt und Fachliteratur über das Darknet verwendet. Bevor dieses als Phänomen vorgestellt wird, soll jedoch noch einmal erklärt werden, inwiefern Filmemachende durch die Digitalisierung unserer Lebenswelt vor gestalterischen Herausforderungen stehen.

2. Der Verlust der physischen Realität

Die Art, wie Menschen kommunizieren, hat sich im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung des Lebens radikal gewandelt. Die Zahl der Briefe und der gedruckten Tageszeitungen geht jährlich zurück1 2 und immer weniger Personen haben einen Festnetzanschluss. Smartphone und PC sind allgegenwärtige Kommunikationsmedien, die sowohl die Arbeitswelt als auch den privaten Alltag durchdringen. Sven von Reden spricht in seinem gleichnamigen Essay vom „Verlust der physischen Realität“3. Der Mensch tritt mit immer weniger physischen Gegenständen in Interaktion und organisiert seine Lebenswelt tippend, wischend und scrollend.

Filmemachende stehen mehr und mehr vor der Herausforderung, diese Kommunikationsformen ansprechend zu visualisieren. Es ist noch nicht so lange her, da wäre es authentisch gewesen, wenn beispielsweise die Protagonistin einen Brief erhält, sich gemütlich in einen Sessel setzt und die Augen über das Papier in ihren Händen gleitet, während die Stimme des Verfassers aus dem Off die Nachricht vorliest. Doch das ist im Jahr 2019 weder zeitgemäß noch besonders kreativ. Der Dokumentarfilme Hajo Schomerus beklagt: „Es gibt eigentlich nur eine Möglichkeit, Monitore zu filmen: frontal. Bei einem Blatt Papier fallen mir dagegen gleich sechs, sieben verschiedene Stilmittel ein, die ich nutzen kann, um das Bild attraktiv zu machen.“4 Wie kann also ein ständiges Hin und Her an Whatsapp-Nachrichten dargestellt, ein Skype-Gespräch gefilmt oder Emailverkehr visualisiert werden? Was ist der richtige Winkel, um einen Bildschirm zu filmen, ohne dass es zum Moiré-Effekt kommt? Und wollen Zuschauende überhaupt den Bildschirm sehen oder strengt konsequentes Mitlesen an? In seinem Essay zitiert Von Reden den Berliner Regisseur Christoph Hochhäusler, der die Problematik in einem noch größeren Rahmen formuliert:

„Überhaupt frage ich mich oft, ob das Zeitalter des Sichtbaren (oder des Glaubens daran) endgültig vorüber ist, wenn man betrachtet, wie algorithmisch die Welt geworden ist, wie unsichtbar die Netzwerke sind, die Aktien steigen oder Länderratings fallen lassen. Die dem Kino inhärente Ideologie, wonach die Welt sichtbar (gemacht) werden kann, stößt jedenfalls immer öfter an ihre Grenzen, scheint mir.“5

Das Kino soll also die Welt sichtbar machen. Die Frage ist folglich, wie sichtbare Formen für etwas gefunden werden können, das eigentlich unsichtbar ist. Was metaphorisch „hinter“ dem Bildschirm oder dem Interface passiert, soll für Zuschauende erfahrbar werden. Das ist bereits bei gewohnten digitalen Phänomen wie Emails herausfordernd, schwerer wird es, wenn das allgemeine Wissen über das behandelte Thema gering ist. So ist es beim Darknet. Es wird viel in den Medien thematisiert und ruft vorwiegend negative Assoziationen hervor. Jedoch wissen die wenigsten, was hinter diesem Begriff steckt. Aus diesem Grund behandelt das nächste Kapitel das Darknet, bevor auf seine Inszenierung in Who Am I eingegangen wird.

3. Das Darknet

Was die Öffentlichkeit über das Darknet weiß, weiß sie meist aus den Medien. Der Begriff weckt eher negative Assoziationen von Drogen- und Waffenverkäufen, Hacking und Kinderpornographie. Diese Dinge passieren zwar tatsächlich im Darknet, es wäre allerdings falsch, es darauf zu begrenzen. Ausschlaggebend ist die Anonymität, die im Gegensatz zum gewöhnlichen Internet gesichert ist. Diese wird auf verschiedene Weisen gewährleistet. Beispielsweise erfolgen Käufe, die über das Darknet abgewickelt werden, in der Kryptowährung Bitcoin, sodass keine persönlichen Daten angegeben werden müssen. In seinem Buch Darknet definiert der Journalist Stefan Mey: „Ein Darknet ist ein digitaler Ort, der sich mit technologischen Mitteln abschirmt und Anonymität bei der Nutzung herstellt. Verbindungsdaten und Standorte von Rechnern werden verschleiert, die Kommunikationsinhalte sind verschlüsselt.“6 Das meist verbreitete Darknet ist das sogenannte To r-Netzwerk. Tor, Akronym von The Onion Router, wurde seit 2000 für die amerikanischen Behörden und das Militär entwickelt, um abhörsichere Internetverbindungen zu ermöglichen.7 8 Es sollte für die Netzwerkbetreiber nicht erkenntlich sein, wer mit wem worüber kommuniziert. Deshalb läuft jeder Datenverkehr über mehrere Server in verschiedenen Ländern, sogenannte Knotenpunkte, die jeweils nur ihren direkten Vorgänger und Nachfolger kennen.9 So ist für den Empfänger nicht ersichtlich, von wo die Nachricht ursprünglich kommt. Später wurde das Potenzial von Tor für die Allgemeinheit erkannt und die Entwicklung einer öffentlichen Software, des To r-Browsers, gefördert.10 Dieser ist auf der offiziellen Website kostenlos erhältlich. Er ist eine abgewandelte Version von Mozilla Firefox, der als zweiter Router auf dem Computer funktioniert. Er verschlüsselt alle Datenpakete und legt eine eigene Route für sie fest. Diese läuft über drei Knotenpunkte, von denen es momentan circa 7300 weltweit gibt.11 Diese „liegen als virtuelle Speicherorte in grauen Schränken, die in großen Server-Hallen [beispielsweise der Deutschen Telekom] stehen, viel Lärm machen und Wärme produzieren.“12 Dieser Aspekt physischer Geräte wird in der Öffentlichkeit jedoch wenig behandelt, weil vor allem die negativen, illegalen Inhalte des Darknets für Schlagzeilen sorgen. Daher kommt es auch, dass umgangssprachlich vom Darknet, dem dunklen Netz, gesprochen wird und nicht vom Tor-Netzwerk. Der Begriff lenke laut 7o r-MitarbeiterInnen von dem ab, was das Darknet eigentlich sei13: ein demokratischer, freier Gegenentwurf zum Internet, in dem kein Raum für Überwachung ist. An der Begriffsproblematik zeigt sich: Der öffentliche Diskurs über ein Phänomen prägt ungemein, wie jeder und jede Einzelne sich die Sache vorstellt und welches Bild sie von ihr haben. Im Zusammenhang mit dem Darknet kursieren beispielsweise verschiedene Metaphern: Es wird von der digitalen Unterwelt14, unsichtbar und böse, den Tiefen des Internets oder von einem Eisberg gesprochen, von dem man nur die Spitze sieht. Diese Metaphern werden häufig

„unhinterfragt verwendet - vielleicht, weil sie so einleuchtend kling[en] und zum gesicherten Wissen über das Darknet zu gehören schein[en], vielleicht auch, weil sich digitale Phänomene schwer bebildern lassen, so dass man lieber nicht fragt, wie valide die Erkenntnis dahinter ist.“15

Die Bebilderung digitaler Phänomene, genauer des Darknets, ist die zentrale Thematik dieser Hausarbeit. Deshalb wird im folgenden Kapitel analysiert, wie das Darknet im Thriller Who am I inszeniert wird.

4. Filmische Inszenierung des Darknets in Who am I

4.1. Storyline

Who Am I ist ein deutscher Heist-Movie des Regisseurs Baran bo Odar, der 2014 in den deutschen Kinos anlief. Das Drehbuch wurde von Baran bo Odar und seiner Frau Jantje Friese geschrieben. Der Film hat auf IMDb eine Bewertung von 7,616 und hat insgesamt 5.644.666 Euro in Deutschland eingespielt.

Who Am I handelt von Benjamin Engel (Tom Schilling), einem schüchternen, unauffälligen Hacker, der von niemandem wahrgenommen wird. Als er dem selbstbewussten und charismatischen Max (Elyas M'Barek) begegnet, ändert sich sein Leben schlagartig. Das gemeinsame Interesse am Hacken verbindet sie und sie gründen mit Max' Freunden Paul (Antoine Monot) und Stephan (Wotan Wilke Möhring) das Hackerkollektiv CLAY, ein Akronym für Clowns Laughing At You. Gemeinsam planen sie immer größer werdende Hacks, um politische Statements zu setzen und sich in der internationalen Hackerszene Gehör zu verschaffen. Um ihr größtes Hackervorbild MRX zu beeindrucken, gehen CLAY immer größere Risiken ein, stehlen Daten beim BND und befördern sich so auf die Fahndungsliste des Bundeskriminalamts und Europols. Es beginnt eine Verfolgungsjagd, die sich sowohl im Cyberspace wie auch in der realen Welt abspielt. Zum Ende des Films stellt sich Benjamin der Polizei und versucht, im Austausch gegen MRX’ Identität ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen zu werden. Wie für Thriller üblich, besteht das narrative Grundmuster aus „Informationsdefiziten, Vorabinformationen, Vor- oder Rückblenden, Handlungsverzögerungen, Konfliktvariationen“17.

Folgend werden einige Szenen des Films analysiert, in denen das Darknet visualisiert und inszeniert wird.

4.2. Szenenanalyse

4.2.1. Intro

Der Film wird mit einigen Worten durch den Protagonisten Benjamin Engel eingeleitet, in denen er die Vorkommnisse der letzten Wochen bedauert. Er stellt sich vor mit den Worten: „Wer bin ich? Ich bin Benjamin und das ist meine Geschichte.“18 Man hört einen tiefen, atmosphärischen Synthesizer im Hintergrund. Dann zoomt die Kamera in Benjamins Auge, welches sich in einen Mikrochip verwandelt - das Intro beginnt.

Schnelle, elektronische Musik setzt ein und der glänzende Mikrochip verwandelt sich in eine künstlich animierte Stadt (Anhang 2), in der zwischen dunklen Hochhäusern maskierte Hacker stehen und ihre Mittelfinger in die Luft recken. Straßen entstehen aus Datenleitungen, die hell aufleuchten (Anhang 3) und der Computer wird zur „Großstadt in Miniaturversion.“19 Es steigen in weißer Schrift auf schwarzem Grund Ströme aus Nullen und Einsen von der Stadt in den Himmel auf, während goldene Leitungen die Hochhäuser umspannen. Die Schnitte sind ebenso rasant wie die Musik und auch die Kameraperspektive wechselt ununterbrochen. Zum Ende des Intro wird die Stadt wieder in viele Einzelteile zerlegt und verschwindet im Mikrochip, auf dem der Titel des Films eingeblendet wird und sich dann auflöst.

Bereits im Intro werden Metaphern genutzt, um das Vorgehen „hinter“ dem Bildschirm verständlich zu machen. Der Computer wird als dunkle Stadt inszeniert, die vorher verborgen war - und das Internet ist ihr Straßennetz. So wie die Stadt das Lebenstempo der Menschen erhöht hat20, tun dies auch Computer und Internet und genauso erhöht sich auch das Filmtempo in der Introsequenz. Die Stadt wird als visuelle und strukturelle Metapher für das Medium Computer gewählt. Sie wird selbst zum Medium, was Friedrich Kittler bereits 1988 konstatierte. Steven Johnson schreibt in Interface Culture: „In einem Informationszeitalter sind die Metaphern, die wir dazu benutzen, alle diese Nullen und Einsen zu verstehen, von ebenso zentraler Bedeutung und ebenso sinnvoll wie die Dome des Mittelalters.“21 Die Nullen und Einsen, von denen er schreibt, steigen im Intro in den Himmel auf, was sakral wirkt wie ein mittelalterlicher Dom(Anhang 4). Die Metapher der Computer-Stadt wird im Laufe des Films noch weiter ausgeführt, wenn das Darknet als das unterirdische Netz dieser Stadt inszeniert wird.

4.2.2. Kindheitsgeschichte

Benjamin erzählt seine Kindheitsgeschichte und berichtet: „Seit ich 14 war, verbrachte ich meine Zeit hinterm Rechner.“22 Man hört das Klacken einer mechanischen Computertastatur, unterlegt mit künstlich generierter Musik. Benjamin sitzt in einem dunklen, spärlich beleuchteten Raum am Schreibtisch und programmiert. Es werden fünf verschiedene Kameraperspektiven gewählt, um das Hacken zu filmen. Zuerst wird über die Schulter von Benjamin hinweg gefilmt. Man sieht seinen Rücken und Hinterkopf, der Bildschirm ist hell und unscharf im Hintergrund zu sehen. Daraufhin sieht man im Close Benjamins Augen, in denen sich hell der Bildschirm spiegelt. Seine Augen werden selbst zum Bildschirm, auf dem man die Handlung verfolgt. In der nächsten Einstellung fährt die Kamera von links an Benjamin und den Monitor heran, bis man erkennt, was auf ihm zu sehen ist: Es sind multiple Fenster geöffnet, alle mit schwarzem Hintergrund und weißer Schrift - sie erinnern an die Computeroptik der frühen 90er Jahre und Benjamin wirkt am chaotischen Schreibtisch wie ein Bastler. Daraufhin filmt die Kamera quasi durch den Bildschirm hindurch. Halbtransparent läuft spiegelverkehrt weißer Code durchs Bild, dahinter Benjamins konzentrierter Blick. Zuletzt werden Benjamins Hände beim Tippen gefilmt, die Quelle des Klackens, das man hören kann (Anhang 5-9) Für Zuschauende werden attraktive Bilder geboten, die einen Einblick in Benjamins Tätigkeit geben, ohne dass der Code tatsächlich gelesen, geschweige denn verstanden werden muss. Es entsteht der Eindruck, dass Hacken etwas ist, dass im dunklen Hinterzimmer geschieht, fern von der Öffentlichkeit, geheim. „In der echten Welt war ich eine Null unter Einsen, ein Außenseiter, ein Verlierer, ein Freak.“23, berichtet Benjamin. Code wird personifiziert und für Zuschauende greifbar gemacht. Es wird ein Werkzeug an die Hand gegeben, sich selbst in der Gesellschaft zu verorten. „Aber im Netz gehörte ich dazu.“24 Das gesamte Bild wird von der Aufnahme eines Bildschirms ausgefüllt. Man sieht den Login-Bereich eines Darknets. (Anhang 10) Es handelt sich eindeutig nicht um einen gefilmten Bildschirm, sondern um eine Bildschirmübertragung, da keine Reflexionen oder Verzerrungen zu erkennen sind. Mit dem Drücken der Enter-Taste öffnet sich metaphorisch die Tür in die digitale Unterwelt. Der Blick geht hinter den Bildschirm und zoomt durch einen Raum aus Zahlenfolgen, Codes und Datenströmen, an dessen Ende sich eine virtuelle U-Bahntür öffnet.

4.2.3. U-Bahn

Angekommen in der U-Bahn erklärt Benjamin, was diese darstellt: „Während alle anderen ihre Zeit im World Wide Web vergeudeten, trafen wir uns in sogenannten Darknets, das Netz im Netz. Hier konnte ich sein, wer ich wollte.“25 Die Stadtmetapher aus dem Intro wird fortgeführt und die U-Bahn als Sinnbild für das Darknet eingeführt. Jeder Wagon steht für ein eigenes Darknet, sei es öffentlich oder passwortgeschützt. Wie auch reale U-Bahnen weitgehend anonym sind, weil man als Individuum zwischen Zehntausenden unbedeutend und unerkannt bleibt (die Videoüberwachung einmal ausgenommen), ist es auch das Darknet. Die Anonymität wird im Film durch Masken dargestellt, die wahren Gesichter sind verdeckt. Niemand weiß, wer tatsächlich hinter ihnen steckt. Dies lässt sich leicht auf die echte U-Bahn übertragen, in der man auch nur das sieht, was Personen von sich zu erkennen geben, es wird nur an der Oberfläche gekratzt. Die Unterhaltungen der Darknet-Nutzenden werden als Sprechblasen dargestellt, die wiederum aussehen wie kleine Chatfenster. (Anhang 11) Es wird ausschließlich Englisch gesprochen. Die Stimmen sind verzerrt, was die Anonymität verstärkt. Anstatt der Anzeige der kommenden Stationen laufen auf den kleinen Bildschirmen nur Zahlenfolgen aus Nullen und Einsen - es gibt keine Bahnhöfe, an denen man ein- oder aussteigen könnte. Wolfgang Kaschuba schreibt in Die Überwindung der Distanz:

„Bahnhöfe werden [...] in hervorragender Weise zu urbanen Gebäuden, die Öffentlichkeit verkörpern. Denn sie sind ausgesprochen soziale Orte: zugänglich für alle, Funktionsraum und Schauort zugleich, Kommunikationsfigur und Treffpunkt..“26

[...]


1 Titel des gleichnamigen Essays von Sven von Reden, 2015.

2 Siedenbiedel: Keiner schreibt mehr Briefe. In: FAZ. Unter: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/ unternehmen/deutsche-post-keiner-schreibt-mehr-briefe-1866777.html [aufgerufen am 29.08.2019].

3 Von Reden: Der Verlust der physischen Realität. In: Vetter: Verband der deutschen Filmkritik e.V.. Unter: https://www.vdfk.de/der-verlust-der-physischen-realitaet-682. [aufgerufen am 29.08.2019].

4 Schomerus zitiert nach ebd.

5 Hochhäusler zitiert nach ebd.

6 Mey: Darknet, S. 11.

7 ebd., S. 184.

8 Die heutige vergesellschaftete Nutzung des Tor -Netzwerks entspricht dadurch dem, was Friedrich Kittler 2013 in Die Wahrheit der technischen Welt als „Missbrauch von Heeresgerät“ bezeichnet.

9 Mey: Darknet, S. 87.

10 The Tor Project Inc: Verlauf. In: The Tor Project Inc.:Tor. Unter: www.torproject.org [aufgerufen am 04.09.2019]

11 vgl. Mey: Darknet, S. 87.

12 Mey: Darknet, S. 84.

13 ebd., S. 135.

14 ebd., S. 7.

15 ebd., S. 13.

16 (Art.) Who Am I. In: IMDb. Unter: https://www.imdb.com/title/tt3042408/ [aufgerufen am 05.09.2019]

17 Faulstich: Grundkurs Filmanalyse, S. 47f.

18 Who Am I. Deutschland 2014, Baran bo Odar, (00:01:25)

19 Von Reden: Der Verlust der physischen Realität. In: Vetter: Verband der deutschen Filmkritik e.V.. Unter: https://www.vdfk.de/der-verlust-der-physischen-realitaet-682. [aufgerufen am 29.08.2019].

20 Kittler: Die Stadt ist ein Medium, In: Fuchs, Moltmann und Prigge (Hrsg.): Mythos Metropole, S. 234.

21 Johnson: Interface Culture, S. 57.

22 Who Am I. Deutschland 2014, Baran bo Odar, (00:04:32)

23 ebd. (00:04:47)

24 Who Am I. Deutschland 2014, Baran bo Odar, (00:04:52)

25 ebd., (00:05:01)

26 Kaschuba: Die Überwindung der Distanz, S. 140.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Wie kann das Darknet filmisch inszeniert werden? Bebildern, was kaum sichtbar ist
Hochschule
Universität Potsdam
Note
1,7
Autor
Jahr
2019
Seiten
23
Katalognummer
V975593
ISBN (eBook)
9783346327017
ISBN (Buch)
9783346327024
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Darknet, Film, Inszenierung, Ästhetik, Kino, Netflix
Arbeit zitieren
Judith Böttger (Autor:in), 2019, Wie kann das Darknet filmisch inszeniert werden? Bebildern, was kaum sichtbar ist, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/975593

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