Einfluss der Kundenbeteiligung bei der Service Recovery via Social Media. Eine empirische Analyse


Thèse de Master, 2020

113 Pages


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Unhöflichkeiten, Social Media und die Service Recovery
1.1 Unhöflichkeiten über Social Media als neue Herausforderung der Service Recovery
1.2 Gang der Arbeit

2 Die Service Recovery und ihre Einflussgrößen
2.1 Der Einfluss unhöflicher virtueller Präsenz auf die Service Recovery
2.2 Die Justice Theorie als Mediator zwischen Unhöflichkeiten und der Beschwerdezufriedenheit und der Wiederkaufabsicht
2.3 Unterschiedliche Kundenwahrnehmungen bei Low und High Involvement Käufen

3 Empirische Untersuchung
3.1 Forschungsdesign und Stichprobe
3.2 Operationalisierung der Variablen
3.3 Ergebnisse

4 Diskussion der Ergebnisse
4.1 Interpretation der Ergebnisse
4.2 Implikationen für Wissenschaft und Praxis
4.3 Limitationen

Anhang

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Beispiel einer Infragestellung

Abb. 2: Beispiel einer Herabwürdigung

Abb. 3: Mediationsmodell für die Zufriedenheit

Abb. 4: Mediationsmodell für die Wiederkaufabsicht

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Einordnung der Studie in die bestehende Literatur

Tab. 2: Analyse verschiedener Beschwerden über Social Media

Tab. 3: Beispiele der festgestellten unhöflichen virtuellen Präsenz

Tab. 4: Tests der Zwischensubjekteffekten für die Zufriedenheit und Wiederkaufabsicht

Tab. 5: Parameterschätzer der Zufriedenheit und Wiederkaufabsicht

Tab. 6: Ergebnisse MANCOVA zu den Gerechtigkeitsperspektiven

Tab. 7: Parameterschätzer der Gerechtigkeitsperspektiven

Tab. 8: Moderationseffekte auf die Gerechtigkeitswahrnehmungen

Tab. 9: Index der moderierten Mediation

1 Unhöflichkeiten, Social Media und die Service Recovery

1.1 Unhöflichkeiten über Social Media als neue Herausforderung der Service Recovery

Die Bereitstellung von qualitativ hochwertigem Service gilt für Unternehmen als Erfolgs­strategie, um im Wettbewerb bestehen zu können (Zeithaml, Berry & Parasuraman, 1996, S.31). Können die Erwartungen von Kunden erfüllt oder sogar übertroffen werden, ist dies die effektivste Art Kunden zu binden. Solch wiederkehrende Kunden stellen da­bei ein wesentliches Kapital für Unternehmen dar (Miller, Craighead & Karwan, 2000, S. 387). Untersuchungen in diesem Zusammenhang haben festgestellt, dass die Senkung der Kundenabwanderungsrate eine profitablere Strategie als die Erschließung neuer Marktanteile oder die Senkung der Kosten sein kann (Zeithaml et al., 1996, S. 32). Die Gründe dafür liegen vor allem darin, dass für jeden verlorenen Kunden ein neuer ge­wonnen werden muss. Die damit verbundenen Werbekosten für die Neukundenakquise sind teurer als das Halten von Bestandskunden (Stauss & Friege, 1999, S. 347). Außer­dem steigt die Rentabilität eines Kunden mit der Dauer der Geschäftsbeziehung. Wäh­rend auf der einen Seite die Betriebskosten sinken, nimmt auf der anderen Seite die Kaufintensität über die Zeit für gewöhnlich zu und positives Word of Mouth führt zu zusätzlichen Verkäufen (Reichheld & Sasser, 1990, S. 106). In der Realität ist es Unter­nehmen jedoch unmöglich konsistent einen fehlerfreien Service anzubieten (Miller et al., 2000, S. 387), da Service Begegnungen immaterielle Aspekte enthalten, die Quali­tätsschwankungen hervorrufen können (Zeithaml, Parasuraman & Berry, 1985, S. 34). So kann die Qualität der Dienstleistungserbringung von dem Verhalten der Mitarbeiter oder sogar von dem Verhalten anderer Kunden abhängen. Generell unterscheiden sich die Erwartungen an eine Leistung von Kunde zu Kunde, was eine fehlerfreie Bereitstel­lung erschwert (Patterson, Cowley & Prasongsukam, 2006, S. 263). Werden die Erwar­tungen eines Kunden nicht erfüllt, hat dies meist negative Folgen. So kann die entstan­dene Unzufriedenheit mit einem Service, zu negativem Word of Mouth oder einer Be­schwerde führen (Kim, Kim & Kim, 2009, S. 51). Die Maßnahmen, die ein Unternehmen als Antwort auf eben solche ergreift, werden unter dem Begriff Service Recovery zusam­mengefasst (Grönroos, 1988, S. 13). Die Reaktion hat dabei das Potential, die Kunden­zufriedenheit wieder zu verbessern und die Loyalität zu stärken oder die Situation weiter zu verschlechtern und den Kunden an die Konkurrenz zu verlieren (Smith, Bolton & Wag­ner, 1999, S. 356). Verschiedene Studien haben in diesem Zusammenhang belegt, dass eine effektive Service Recovery ausschlaggebend ist, um die Zufriedenheit wiederherzu­stellen, nachdem ein Kunde durch einen Servicefehler enttäuscht wurde (z.B. Miller et al., 2000, S. 392; McCollough, Berry & Yadav, 2000, S. 132). Entsprechend existiert eine Vielzahl an Forschungsarbeiten, die die Service Recovery untersuchten (de Ruyter & Wetzels, 2000, S. 92).

Die voranschreitende Digitalisierung hat jedoch zwei Onlinephänomene hervorge­bracht, deren Auswirkungen aufeinander noch weitestgehend unerforscht sind und problematisch für die Praxis sein können (Bacile, Wolter, Allen & Xu, 2018, S. 60). Zum einen ist die verstärkte Nutzung von Social Media als Beschwerdekanal aufzuführen. Die dort veröffentlichen Beschwerden sind nicht nur für ein breites Publikum öffentlich sichtbar, sondern ermöglichen es auch, dass sich andere Personen am Beschwerdepro­zess beteiligen (Schaefers & Schamari, 2016, S. 192). Eine Erklärung für den Einfluss, den andere Social Media Nutzer auf den Beschwerdeverfasser ausüben können, lässt sich in der Social Impact Theorie (SIT) finden. Nach dieser kann die soziale Präsenz einen Ein­fluss auf Kunden ausüben (ebd.). Interaktionen erzeugen dabei eine stärkere Erregung, was eine weitere Förderung emotionaler und verhaltensbezogener Reaktionen bewirkt (Latane, 1981, zit. in Schaefers & Schamari, 2016, S. 195). Als zweites Phänomen kann die Vielzahl an unhöflichen Kommentaren und Nachrichten genannt werden, welche on­line verfasst werden (Suler, 2004, S. 321). Es wird argumentiert, dass unsoziales Verhal­ten im Internet verstärkt auftritt, da dort keine sozialen Signale wahrgenommen werden (Coe, Kenski & Rains, 2014, S. 662). Zudem ermöglicht der offene Zugang zu Social Media Portalen den Nutzern, Informationen zu manipulieren oder anonymisieren, wodurch Verhalten wie Trolling gefördert wird (Craker & March, 2016, S. 79). Unter diesem wird eine sinnlose Störung von Konversationen verstanden, die emotional provoziert und an­dere Nutzer verärgern soll (Hardaker, 2010, S. 237).

Zusammen schaffen diese beiden Phänomene neue Herausforderungen für Unterneh­men, die Social Media als Kontaktpunkt mit Ihren Kunden nutzen. Durch die mögliche Partizipation Dritter in den Beschwerdedialog entsteht ein Risiko, dass andere Nutzer unhöfliche Inhalte gegenüber dem Beschwerdeführer verfassen (Bacile et al., 2018, S. 60). Im Offlinekontext sind die negativen Auswirkungen von unhöflichen Kunden bereits belegt. So verspüren Kunden, die während einer Dienstleistung auf unhöfliche andere Verbraucher treffen, Unzufriedenheit mit einem Unternehmen und sind diesem gegen­über weniger loyal (Harris & Reynolds, 2003, S. 155). Im Onlinekontext hingegen sind die Auswirkungen von Unhöflichkeiten noch nicht hinreichend untersucht. Dies gilt beson­ders für den Einfluss auf die Evaluation der Service Recovery. Bacile et al. (2018) haben hier die Grundlage gebildet, indem sie gezeigt haben, dass unhöfliche Kommentare ei­nen negativen Einfluss auf die wahrgenommenen Gerechtigkeitsperspektiven ausüben (S. 74). Gemäß der Justice Theorie wird die Wahrnehmung der distributiven, der proze­duralen sowie der interaktionalen Gerechtigkeit als theoretischer Rahmen genutzt, um die Effektivität der Service Recovery zu beurteilen (Blodgett, Granbois & Walters, 1993, S. 404). Der Grundgedanke liegt darin, dass die Wahrnehmung der Gerechtigkeitsper­spektiven hinsichtlich der Bemühungen einer Service Recovery, die Zufriedenheit mit der Beschwerdebearbeitung beeinflusst (Ha & Jang, 2009, S. 319). Diese spielt eine wich­tige Rollte im genannten Kontext, da sie die direkte Reaktion eines Kunden auf die Ser­vice Recovery darstellt und in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der generellen Kundenzufriedenheit steht (Gilbert, Harrell & Mackoy, 1995, S. 18). Außerdem werden zukünftige Verhaltensabsichten wie die Wiederkaufabsicht von der Zufriedenheit ge­lenkt (Smith & Bolton, 1999, S. 73). Nachgewiesen wurde der negative Effekt von unhöf­lichen Kommentaren auf die Gerechtigkeitswahrnehmungen mittels laborbasierter Sze­narien (Bacile et al., 2018, S. 77). Diese haben jedoch den Nachteil, dass die Ergebnisse nicht zwangsläufig auf ein natürliches Umfeld übertragbar sind, da die kontrollierte Um­gebung die Probanden beeinflusst haben kann (Döring & Bortz, 2016, S. 206). Die bisher erlangten Erkenntnisse über die Auswirkungen von Unhöflichkeiten auf die Gerechtig­keitswahrnehmung während einer Service Recovery zeigen die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen. Außerdem blieben die direkten und indirekten Effekte auf die Zufrie­denheit und die Verhaltensabsichten von Kunden in der Forschung bisher unberücksich­tigt. Entsprechend soll in dieser Arbeit der Einfluss von unhöflichen Kommentaren auf die Zufriedenheit mit der Beschwerdebearbeitung sowie die damit zusammenhängende Wiederkaufabsicht untersucht werden. Die Wahrnehmung der Gerechtigkeit wird dabei als Mediator des Effekts betrachtet.

Zudem können die Erwartungen an die Service Recovery nach dem Grad des Kundenin- volvements variieren (Lai & Chou, 2015, S. 453). Dieses beschreibt die persönliche Be­ziehung, die ein Kunde zu einem Produkt oder einer Dienstleistung hat. Die Beziehung wird dabei von internen Faktoren, wie den inneren Werten oder der Einstellung, und von externen Faktoren, wie der Umwelt oder der Leistung, bestimmt (Guthrie & Kim, 2008, S. 116). Das Maß, in welchem ein Service letztendlich mit den persönlichen Zielen und Werten eines Kunden verbunden ist, kann die Stärke der damit zusammenhängen­den Gefühle beeinflussen (ebd.). Folglich kann unterschiedliches Involvement die ver­schiedenen Reaktionen von Verbraucher während einer Service Recovery erklären (Cambra-Fierro, Melero-Polo & Sese, 2015, S. 298). Darüber hinaus wurden in bisherigen Studien, die die wahrgenommene Gerechtigkeit in Bezug auf die Service Recovery un­tersucht haben, unterschiedliche Ergebnisse der einzelnen Wirkungsstärken festgestellt (z.B. Blodgett, Hill & Tax, 1997, S. 201; del Rio-Lanza, Vasquez-Casielles & Diaz-Martin, 2009, S. 779). Zumeist wurden in diesen Studien einzelne Branchen betrachtet, die sich entweder in Low oder High Involvement Services einteilen lassen können (Bloemer & de Ruyter, 1999, S. 322). Darauf aufbauend soll in dieser Arbeit zudem untersucht werden, ob die Stärke des Involvements die Auswirkungen von unhöflichen Kommentaren be­einflusst. So werden Fast Food Unternehmen als Low Involvement Umfeld (ebd.) und Fluggesellschaften als High Involvement Umfeld in die Betrachtung mit einbezogen (Mit­tal, 1989, S. 157).

Die in Tabelle 1 abgebildeten Studien stellen die wesentlichen Artikel dar, die für die Ausarbeitung dieser Arbeit herangezogen wurden. In der letzten Zeile ist die vorliegende Studie abgebildet, um diese in den thematischen Kontext einzuordnen und die wesent­lichen Unterschiedliche herauszustellen.

Tab. 1: Einordnung der Studie in die bestehende Literatur (Quelle: Eigene Darstellung) Studie

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1.2 Gang der Arbeit

Das Ziel dieser Arbeit ist es, den Einfluss unhöflicher Kommentare auf die Beschwerde­zufriedenheit und die Wiederkaufabsicht zu untersuchen. Dazu werden bisherigen Er­kenntnisse der Forschung als Grundlage genutzt und miteinander in Verbindung ge­bracht. Zudem wird die Datenerhebung im Feld durchgeführt, um die eingangs erwähn­ten Einschränkungen existierender Studien in Bezug auf ihre externe Validität zu umge­hen (Bacile et al., 2018, S. 77). Zugleich soll so überprüft werden, in welchem Maß sich die bisherigen Kenntnisse auf die Realität übertragen lassen.

Zu Beginn des Hauptteils werden die theoretischen Grundlagen der relevanten For­schungsfelder Service Recovery via Social Media, Justice Theorie und Involvement vor­gestellt. Diese Vorstellung umfasst die begriffliche Definition und eine Darstellung des aktuellen Forschungsstandes. Außerdem werden in diesem Kapitel die zu untersuchen­den Hypothesen hergeleitet. Das grundlegende Forschungsmodell, welches den Einfluss unhöflicher Kommentare auf die Zufriedenheit und die Wiederkaufabsicht messen soll, wird so sukzessive um weitere Einflussfaktoren erweitert. In Kapitel 3 wird zunächst das Design der Untersuchung vorgestellt. Im ersten Schritt werden im Rahmen der Feldstu­die Beschwerden auf den Facebook Kanälen verschiedener Fast Food Unternehmen und Fluggesellschaften analysiert. Im nächsten Schritt wird ein Onlinefragebogen entwickelt, mithilfe dessen die Verfasser der analysierten Beschwerden befragt werden. Nach der Vorstellung des Fragebogens und der Stichprobe werden die verschiedenen Variablen des Forschungsmodells operationalisiert und auf ihre Güte getestet. Die empirische Ana­lyse zeigt zunächst die Ergebnisse der multivariaten Kovarianzanalysen, die den Einfluss unhöflicher Kommentare auf die Beschwerdezufriedenheit und die Wiederkaufabsicht sowie auf die drei dargestellten Gerechtigkeitsperspektiven untersucht. Darauf aufbau­end, werden Mediatoren- und Moderatorenanalysen durchgeführt, die weitere Zusam­menhänge aufdecken sollen. Auf Grundlage der Ergebnisse werden die aufgestellten Hy­pothesen folglich angenommen oder abgelehnt. Eine Diskussion der Ergebnisse, die diese mit den Erkenntnissen aus der Literatur abgleicht, erfolgt im nächsten Kapitel. Auf dieser Grundlage werden letztlich Implikationen für die Wissenschaft und Praxis abge­leitet, ehe die Limitationen der Studie aufgezeigt werden.

2 Die Service Recovery und ihre Einflussgrößen

2.1 Der Einfluss unhöflicher virtueller Präsenz auf die Service Recovery

Die Service Recovery umfasst alle Maßnahmen, die ein Unternehmen als Reaktion auf einen Servicefehler ergreift (Grönroos, 1988, S. 13). Ein solcher Fehler entsteht, wenn die Erwartungen eines Kunden an ein Produkt oder eine Dienstleistung nicht erfüllt wer­den (Michel, Bowen & Johnston, 2007, S. 1). Besonders im Dienstleistungsumfeld, wel­ches die Leistungserbringung durch ein hohes Maß an menschlicher Beteiligung und sich differenzierenden Kundenerwartungen erschwert, sind Fehler unvermeidlich. Entspre­chend zielen die gewählten Recovery Maßnahmen darauf ab, Probleme zu lösen und negative Einstellungen unzufriedener Kunden zu ändern (Miller et al., 2000, S. 388).

Ein erfolgreiches Beschwerdemanagement kann zu einer höheren Zufriedenheit führen als dies bei einer fehlerfreien Begegnung der Fall gewesen wäre (Hart, Heskett & Sasser, 1990, S. 148). Dies beruht auf der Annahme, dass Kunden während des Beschwerdepro­zesses emotionaler eingebunden sind und den Verlauf aufmerksamer verfolgen (Smith, Bolton & Wagner, 1999, S. 356). In der Literatur ist ein solches Phänomen als Service Recovery Paradoxon bekannt. Studien, die dazu durchgeführt wurden, erzielten jedoch unterschiedliche Ergebnisse. So existieren Studien, die das Vorhandensein des Para­doxons belegen, wohingegen andere keine Beweise für das Phänomen gefunden haben (de Matos, Henrique & Rossi, 2007, S. 61). Auch wenn das Service Recovery Paradoxon umstritten ist, sind die positiven Effekte eines erfolgreichen Beschwerdemanagements in der Literatur eindeutig belegt. So identifizierten Fix, Brown und Bitner die Service Recovery bereits 1993 als grundlegendes Forschungsfeld des Service Marketings (S. 89). In den vergangenen Jahren ist die Service Recovery zunehmend in den Fokus der For­schung gerückt, da schlechte Kundenerfahrungen oft zu einem Anbieterwechsel und so­mit zu einem Verlust des Customer Lifetime Values führen (Michel et al., 2007, S. 1). Ist der Beschwerdeprozess hingegen erfolgreich, kann die Kundenzufriedenheit nach ei­nem Servicefehler wiederhergestellt werden (Smith et al., 1999, S. 356). Auch weisen Kunden eine stärkere Loyalität gegenüber einem Unternehmen auf, wenn ihre Be­schwerde erfolgreich bearbeitet wurde, als wenn das Problem ungelöst bleibt (Zeithaml et al., 1996, S. 42). Unternehmen bietet sich durch die Service Recovery somit eine zweite Chance, ihren Kunden eine positive Erfahrung zu schaffen (Miller et al., 2000, S. 388). Die Maßnahmen, die dazu ergriffen werden können, lassen sich in materielle und immaterielle Komponenten einteilen (Bambauer-Sachse & Rabeson, 2015, S. 331). Ers­tere umfassen dabei Entschädigungen wie zum Beispiel Ermäßigungen oder Rückerstat­tungen, die der Kunde erhält. Bisherige Forschung stellte fest, dass Kunden eine größere Zufriedenheit aufweisen, wenn sie neben der reinen Entschädigung eine zusätzliche Kompensation erhalten (Clark, Kaminski & Rink, 1992, S. 12). Psychologische Reaktionen wie Erklärungen oder Entschuldigungen für einen aufgetretenen Servicefehler lassen sich hingegen den immateriellen Maßnahmen zuordnen (Levesque & McDougall, 2000, S. 34).

Vor dem Aufkommen des Internets und der sozialen Medien empfanden Kunden den Beschwerdeprozess eher zeitaufwendig und umständlich. Zudem wussten Kunden oft nicht, wo sie sich beschweren sollen und nahmen an, dass Unternehmen nicht auf Be­schwerden reagieren würden (Mitchell, 1993, S. 23). Durch die Verbreitung von Social Media hat sich diese Verbraucherwahrnehmung jedoch geändert. Kunden können nut­zergenerierte Inhalte, einschließlich Beschwerden, recht mühelos und schnell erstellen und veröffentlichen (Einwiller & Steilen, 2015, S. 197). Die Unternehmenskommunika­tion wurde folglich demokratisiert, sodass die Kontrolle der Kommunikation nicht mehr einseitig bei den Unternehmen liegt (Kietzman, Hermkens, McCarthy & Silvestre, 2011, S. 242). Außerdem sind die dort veröffentlichten Beiträge transparent und somit für an­dere uneingeschränkt einsehbar. Kunden können fremdes Beschwerdeverhalten be­obachten und adaptieren, was etwa zu einer Senkung der Beschwerdeschwelle führen kann (Einwiller & Steilen, 2015, S. 197). Gleichzeitig übt die Transparenz Druck gegen­über den betroffenen Unternehmen aus, auf Beschwerden zu reagieren, da diese nega­tive Qualitätsinformationen darstellen (Hogreve, Bilstein & Hoerner, 2019, S. 421). Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu klassischen Beschwerden per Telefon, Brief oder E­Mail, bei welchen andere Konsumenten keine Kenntnis von dem Servicefehler erlangen (Einwiller & Steilen, 2015, S. 196). Durch den öffentlichen Charakter von Social Media hingegen, kann sich die Unzufriedenheit eines Kunden verbreiten und andere Verbrau­cher polarisieren, was letztendlich der Reputation des Unternehmens schadet (ebd.).

Eine positive Service Recovery kann in diesem Zusammenhang die negative Außenwir­kung aufheben und unerwünschte Nebenwirkungen einschränken (Hogreve et al., 2019, S. 421). Ein weiterer Unterschied zu traditionellen Beschwerdekanälen liegt in der mög­lichen Interaktion von Außenstehenden. Social Media ist charakterisiert durch ein hohes Maß an Interaktivität der verschiedenen Nutzer. Entsprechend ist es in einem solchen Umfeld wahrscheinlich, dass sich andere Personen auch an Beschwerdedialogen betei­ligen (Schaefers & Schamari, 2016, S. 195). Die SIT stellt dabei eine Erklärung dar, wie sich Kunden durch solche interaktive virtuelle Präsenz beeinflussen lassen. Definiert wird interaktive virtuelle Präsenz in dieser Arbeit als aktive Kommunikation fremder Social Media Nutzer mit dem Beschwerdeverfasser und tritt in Form von Kommentaren auf (ebd., S. 192).

Nach der SIT bestehen drei Determinanten für den Einfluss der sozialen Präsenz auf ein Individuum - die Stärke, die Unmittelbarkeit und die Größe der Gruppe (Latané & Wolf, 1981, S. 440f). Zudem erzeugen soziale Interaktionen Reize, die zu einer emotionalen und verhaltensbezogenen Reaktion führen (Latané, 1981, zit. in Schaefers & Schamari, 2016, S. 195). So kann die Interaktion mit anderen Verbrauchern die Kundenwahrneh­mung der Servicequalität beeinflussen (Bitner, Booms & Tetreault, 1990, S. 79). Im Off­line-Kontext sind die Effekte der sozialen Präsenz und ihre Determinanten bereits zahl­reich belegt (Dahl, Manchanda & Argo, 2001; Kinard, Capella & Kinard, 2009; Argo, Dahl & Manchanda, 2005). So stellten beispielsweise He, Chen & Alden (2012) fest, dass die Kundenzufriedenheit nach einer erfolgreichen Service Recovery höher ist, wenn andere Personen anwesend sind. Die Auswirkungen der virtuellen Präsenz hingegen wurden in der Forschung erst kürzlich berücksichtigt (Schaefers & Schamari, 2016, S. 193). Die Stu­die von Naylor, Lamberton und West (2012) stellte in diesem Zusammenhang fest, dass eine größere Anzahl (Stärke) ähnlicher Nutzer (Unmittelbarkeit) einen positiven Einfluss auf die Kaufabsicht hat (S. 114). In Bezug auf das Beschwerdemanagement wurden in der Literatur ebenfalls Belege für die Anwendbarkeit der SIT im Social Media Kontext gefunden. So erhöhen positive Kommentare gegenüber einem betroffenen Unterneh­men die Zufriedenheit des Beschwerdeverfassers, sofern die Service Recovery erfolg­reich war. Im gleichen Maße erhöhen negative Kommentare die schädlichen Folgen ei­ner gescheiterten Service Recovery (Schaefers & Schamari, 2016, S. 198).

Einen weiteren Unterschied zu traditionellen Beschwerdekanälen weist das Social Me­dia Umfeld hinsichtlich der Häufigkeit unhöflicher Kommentare auf. So hat die Mehrheit der Nutzer unhöfliches Verhalten bereits beobachtet oder erlebt (Pew Research Center, 2014). Das häufige Auftreten von Unhöflichkeiten im Internet kann durch eine Locke­rung der sozial-normativen Erwartungen und Hemmungen, die bei persönlichen Inter­aktionen vorhanden sind, erklärt werden. In der Literatur ist dieses Phänomen als Online Disinhibitions Effekt bekannt (Suler, 2004, S. 321). Die Wahrnehmung von Internetnut­zern hinsichtlich Recht und Unrecht wird vorübergehend außer Kraft gesetzt, was es ihnen erlaubt, frei und unhöflich zu kommentieren (Bacile et al., 2018, S. 61). Solche Kommentare können verschiedene Formen annehmen, die von beleidigenden Worten bis hin zu illegaler Belästigung wie Drohungen oder Verleumdungen reichen. Die Inhalte greifen dabei das soziale Schamgefühl durch öffentliche Bloßstellung an (Social Sha­ming) oder zielen direkt darauf ab, eine andere Person zu erniedrigen (Cybermobbing) (Ransbotham, Fichmann, Gopal & Gupta, 2016, S. 838). Einen wesentlichen Grund für einen solchen Enthemmungseffekt stellt dabei die dissoziative Anonymität dar. Nutzer können ihre Identität teilweise oder ganz verheimlichen oder sogar ändern. Somit wird es als schwierig empfunden, für Fehlverhalten zur Verantwortung gezogen zu werden (Suler, 2004, S. 322). Die Asynchronität der Kommunikation wirkt zugleich enthemmend auf die Verfasser von unhöflichen Inhalten. Da zwischen den Antworten verschiedene Zeitspannen liegen können, werden die Nutzer nicht mit direkten Reaktionen konfron­tiert. Auch können unangemessene Inhalte veröffentlicht und der Dialog anschließend verlassen werden (ebd., S. 323). Auf der anderen Seite können Nutzer unsoziales Ver­halten nutzen, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Durch unangebrachte Kommentare er­hoffen sich Personen, einen Einfluss auf andere ausüben zu können. Sie entscheiden sich für eine negative Beziehung als überhaupt keine Verbindung zu der Community zu ha­ben, auch wenn dieses anderen schadet (Suler & Phillips, 1998, S. 277). Durch störende Kommentare wird versucht, wütende oder verzweifelte Reaktionen zu provozieren (Trolling) (Ransbotham, Fichmann, Gopal & Gupta, 2016, S. 838). Bacile et al. (2018) ord­nen unhöfliche Kommentare im Service Recovery Umfeld in zwei Kategorien ein. Zu ers­terer zählen etwa persönliche Angriffe, Beleidigungen und angreifender Sarkasmus. Zu- sammengefasst beinhalten solche Beiträge die Herabwürdigung des Beschwerdefüh­rers. Kommentare, die den Grund der Beschwerde verspottend angreifen und suggerie­ren, dass das Problem nicht beschwerde- oder erstattungswürdig sei, werden der zwei­ten Kategorie zugeordnet. Solche Inhalte zielen darauf ab, den Beschwerdeführer in Frage zu stellen (S. 64). Die dargestellten Inhalte werden in dieser Arbeit fortlaufend als unhöfliche virtuelle Präsenz definiert. Nachstehend sind zwei Beispiele unhöflicher virtueller Präsenz abgebildet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Beispiel einer Infragestellung (Quelle: Eigene Darstellung)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Beispiel einer Herabwürdigung (Quelle: Eigene Darstellung)

Bestehende Forschung zu der Anwendbarkeit der SIT auf die Service Recovery im Social Media Umfeld belegt, dass fremde Kommentare einen Einfluss auf die Einstellung und die Verhaltensabsichten eines Beschwerdeführers haben können (Schaefers & Scha- mari, 2016, S. 203). Entsprechend wird auch in dieser Arbeit angenommen, dass unhöf­liche virtuelle Präsenz einen Einfluss auf den Beschwerdeführer ausübt. Zudem erwar- ten Kunden während der Service Recovery Fairness bei der Wiedergutmachung des ent­standenen Schadens (Ha & Jang, 2009, S. 320). Unhöfliche virtuelle Präsenz hat in die­sem Zusammenhang das Potential, die Effektivität der Beschwerdebearbeitung zu be­einträchtigen (Bacile et al., 2018, S. 63). Diese Annahme wird von der Forschung zu dys­funktionalem Kundenverhalten unterstützt. Danach wirkt sich unhöfliches Verhalten an­derer Verbraucher negativ auf Kunden aus (Grove & Fisk, 1997, S. 74f). Auf dargestellter Grundlage wird die erste Hypothese dieser Arbeit aufgestellt:

H1 : Unhöfliche virtuelle Präsenz hat einen signifikant negativen Effekt auf a) die Zufrie­denheit mit der Beschwerdebearbeitung und b) die Wiederkaufabsicht.

Die Effektivität der Service Recovery und die damit verbundenen Einstellungen und Emotionen werden von Konsumenten nach der empfundenen Gerechtigkeit bewertet (Hoffman & Kelley, 2000, S. 422). Die Justice Theory bietet sich daher als theoretischer Rahmen für die Erklärung der aufgestellten Hypothese an.

2.2 Die Justice Theorie als Mediator zwischen Unhöflichkeiten und der Beschwerdezu­friedenheit und der Wiederkaufabsicht

Die Justice Theory ist ein gängiges Forschungsmodell, welches in der Erforschung der wahrgenommenen Gerechtigkeit Anwendung findet (z.B. McCollough et al., 2000, S. 124; Tax, Brown & Chandrashekaran, 1998, S. 62; Schoefer 2010, S. 55). Als theoreti­scher Rahmen kann sie für die Service Recovery genutzt werden, um Reaktionen und Empfindungen von Menschen zu erklären (del Rio-Lanza et al., 2013, S. 776). Nach der Justice Theory evaluieren Kunden ihre Zufriedenheit anhand der Wahrnehmung der aus­geübten Gerechtigkeit. Auch hängen die zukünftigen Verhaltensabsichten davon ab, in­wiefern sich Kunden als fair behandelt fühlen (McColl-Kennedy & Sparks, 2003, S. 262). Drei verschiedenen Perspektiven werden dazu bei der Bewertung mit einbezogen - die distributive, die prozedurale und die interaktionale Gerechtigkeit (Tax et al., 1998, S. 62). Die distributive Gerechtigkeit bezieht sich auf die materielle Entschädigung, die ein Un­ternehmen leistet, um einen Servicefehler zu beheben. Zum Ausgleich kann einem Kun­den etwa Geld erstattet oder Rabatte für zukünftige Käufe eingeräumt werden (del Rio- Lanza et al., S. 776). Das Konzept hat seinen Ursprung in der Equity Theorie von Adams (1965). Danach wird ein Austausch, bei dem jede beteiligte Partei ein Ergebnis erhält, welches im Verhältnis zu der jeweils aufgebrachten Aufwendung steht, als fair definiert (Cook & Hegtvedt, 1983, S. 218). Die Wahrnehmung einer solchen Verteilungsgerechtig­keit unterscheidet sich dabei zwischen den einzelnen Beschwerdeführern, da diese un­terschiedliche Erwartungen an die Kompensation haben können (Blodgett et al., 1997, S. 188). Die prozedurale Gerechtigkeit bezieht sich hingegen auf die wahrgenommene Fairness der Verfahren und Richtlinien, die von einem Unternehmen während der Be­schwerdebearbeitung genutzt werden (McColl-Kennedy & Sparks, 2003, S. 253). Diese Form der Gerechtigkeit umfasst zum Beispiel die Wartezeit, die Reaktionsfähigkeit und die Flexibilität sich den Bedürfnissen des Kunden anzupassen (Tax, Brown & Chan- drashekaran, 1998, S. 62). Als gerecht werden solche Richtlinien eingestuft, wenn sie konsistent, unvoreingenommen und repräsentativ für die Interessen aller Beteiligten sind. Außerdem müssen sie auf korrekten Informationen und ethischen Standards beru­hen (ebd.). Abschließend ist die interaktionale Gerechtigkeit anzuführen. Diese bezieht sich auf das Ausmaß, wie weit sich ein Kunde von einem Unternehmen gerecht behan­delt fühlt (Blodgett et al., 1997, S. 189). Diese Konzeptualisierung beinhaltet Komponen­ten wie Höflichkeit und Ehrlichkeit während der Interaktion, Erklärungsbereitschaft für den Fehler und die Wahrnehmung der Bemühungen um eine Lösung der Situation (Scho- efer & Ennew, 2005, S. 265). Speziell im Service Recovery Umfeld werden zwei weitere Faktoren genannt, die eine wichtige Rolle spielen - die Schuldanerkennung und die Ent­schuldigung für den Servicefehler (Goodwin & Ross, 1992, S. 160).

Die Justice Theory hat in der Wissenschaft als theoretischer Rahmen für die Service Recovery viel Aufmerksamkeit erhalten (z.B. Sparks & McColl-Kennedy, 2003; Tax et al., 1998). Verschiedene Studien haben mithilfe von Szenariotechniken die Auswirkungen der wahrgenommenen Gerechtigkeit auf die Kundenzufriedenheit und das Nachbe­schwerdeverhalten untersucht. So haben Chen und Kim (2019) in der Systemgastrono­mie einen positiven Zusammenhang zwischen der wahrgenommenen Gerechtigkeit und der Kundenzufriedenheit sowie der Empfehlungsabsicht belegt (S. 108). Gleiche Ergeb­nisse wurden auch in anderen Branchen, wie etwa in der Hotellerie (Karatepe, 2006, S. 85), im Mobilfunksektor (del Rio-Lanza et al., 2009, S. 779) oder bei Fluggesellschaften (Schoefer & Ennew, 2005, S. 267), festgestellt. Nach Schoefer und Ennew (2005) stellt die wahrgenommene Gerechtigkeit außerdem eine kognitive Beurteilungsdimension dar, welche das Entstehen von Emotionen antreibt und lenkt (S. 267). Dies bedeutet, dass sich die wahrgenommene Gerechtigkeit nicht nur direkt, sondern auch indirekt über die entstehenden Emotionen auf die Zufriedenheit auswirkt (del Rio-Lanza et al., 2013, S. 779).

Dass alle drei Gerechtigkeitsperspektiven dabei einen positiven Einfluss auf die Be­schwerdezufriedenheit haben, hat die Meta-Analyse von Gelbrich und Roschk (2011) gezeigt (S. 36). Hinsichtlich der einzelnen Effektstärken kamen bisherige Studien jedoch zu unterschiedlichen Befunden. So belegten Smith et al. (1999) sowie Kim, Kim und Kim (2009), dass die distributive Gerechtigkeit den stärksten Einfluss auf die Beschwerdezu­friedenheit hat (S. 366/S. 60). Auf der anderen Seite zeigten etwa Blodgett et al. (1997) oder Chang und Chang (2010), dass die interaktionale Gerechtigkeit den größten Einfluss ausübt (S. 201/S. 342). Die prozedurale Gerechtigkeit hat hingegen zum Beispiel nach del Rio-Lanza et al. (2009) und Ok, Back und Shanklin (2005) den stärksten Effekt (S. 779/S. 499).

Die Justice Theory findet ihre Anwendung nicht nur im Offlinekontext, sondern lässt sich auch auf die Onlineumgebung übertragen. Alle drei Gerechtigkeitsdimensionen sind auch dort präsent (Holloway & Beatty, 2003, S. 102). Wie dargelegt, konzentriert sich die Forschung zur Justice Theory im Service Recovery Kontext typischerweise auf die Gerechtigkeitswahrnehmung von Verbrauchern gegenüber Unternehmen (z.B. Blodgett et al., 1997; Blodgett et al., 1993). In jüngerer Zeit wurde diese Sichtweise jedoch aus­geweitet. Im Social Media Kontext, in welchem die Service Recovery öffentlich be­obachtbar ist und andere Nutzer dem Dialog beitreten können, wird auch die Interaktion unter den Nutzern mit in die Betrachtung einbezogen (Bacile et al., 2018, S. 67). Diese zusätzliche Dimension beruht auf der traditionellen Perspektive der interaktionalen Ge­rechtigkeit, welche die Fairness der zwischenmenschlichen Kommunikation bewertet (Blodgett et al., 1993, S. 189). So wird der Grad der fairen, höflichen und ethischen Kom­munikation zwischen den Nutzern als interaktionale Verbraucher-zu-Verbraucher (C2C) Gerechtigkeit definiert (Bacile et al., 2018, S. 67). In Verbindung mit den im vorherigen Kapitel geschaffenen Grundlagen kann die zweite Hypothese dieser Arbeit aufgestellt werden:

H2 : Unhöfliche virtuelle Präsenz hat einen signifikant negativen Effekt auf die wahrge­nommene interaktionale C2C Gerechtigkeit.

Die traditionelle interaktionale Gerechtigkeit bezieht sich auf die Art und Weise, wie Menschen behandelt werden (Blodgett et al., 1997, S. 189). In diesem Zusammenhang erwarten Kunden während einer Service Recovery eine gerechte Behandlung (Seiders & Berry, 1998, S. 8). Stößt ein Beschwerdeführer während der Interaktion auf unhöfliche Präsenz, kann sich dies auch auf die Gerechtigkeitswahrnehmung gegenüber dem Un­ternehmen auswirken. So haben Bacile et al. (2018) herausgefunden, dass Social Media Nutzer Unternehmen eine gewisse Verantwortung zuweisen, auf Unhöflichkeiten zu re­agieren (S.74). Das Versäumnis, solche zu unterbinden, deuten Verbraucher als Hinweis darauf, dass ein Unternehmen die erwarteten Maßstäbe einer fairen Kommunikation nicht einhält (Fullerton & Punj, 2004, S. 1241). Zusätzlich fordert die interaktionale Ge­rechtigkeit im Onlinekontext aufgrund des Mangels an zwischenmenschlicher Interak­tion, dass spezifisch auf die jeweiligen Beschwerden geantwortet wird (Holloway & Beatty, 2003, S. 102). Durch eine Anpassung der Kommunikation an die Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden, kann diesen ein Gefühl der fairen Behandlung gegeben wer­den (Abney, Pelletier, Ford & Horky, 2017, S. 290). Die hohe Transparenz der Inhalte, die in der Natur von Social Media liegt, umfasst sämtliche Beiträge - sowohl die der Kunden als auch die der Unternehmen (Hogreve et al., 2019, S. 421). Entsprechend kann bei auftretender unhöflicher virtueller Präsenz angenommen werden, dass diese auch von Unternehmen wahrgenommen wurde. Die Untätigkeit eines Unternehmens in Hinblick auf die Behebung eines solchen Problems ist für den Verbraucher dabei als schwache Anstrengung spürbar (Mohr & Bitner, 1995, S. 250). Kunden erwarten, dass Unterneh­men in solchen Situationen eingreifen, sofern das Umfeld unter dessen Kontrolle steht (Huang, 2008, S. 529). Durch ein Adressieren der Unhöflichkeit - also eine Anpassung an die Erwartungen des Kunden - ist ein Unternehmen in der Lage, Ehrlichkeit und Respekt zu zeigen, was sich positiv auf den Beschwerdeführer auswirken kann (Xia, 2013, S. 93).

Kunden scheinen einen solchen zusätzlichen Aufwand im Vergleich zu einer unangepass­ten Antwort zu erkennen, was ihnen das Gefühl gibt, ernst genommen zu werden (Ab­ney et al., 2017, S. 290).

Die Erwartungen hinsichtlich der zwischenmenschlichen Behandlung angesichts eines Servicefehlers sind wesentlich höher als bei einer anderen Servicebegegnung (Tax, Brown & Chandrashekaran, 1998, S. 72). Obwohl die menschliche Interaktion in einem Onlineumfeld wie Social Media weitestgehend fehlt, stellten Holloway und Beatty (2003) fest, dass diese Gerechtigkeitsperspektive auch bei den dort veröffentlichten Be­schwerden eine überraschend große Rolle spielt (S. 102). Entsprechend wird folgende Hypothese aufgestellt, um die Auswirkungen einer potentiellen Einflussgröße auf die wahrgenommene interaktionale Gerechtigkeit gegenüber einem Unternehmen zu un­tersuchen:

H3 : Unhöfliche virtuelle Präsenz hat einen signifikant negativen Effekt auf die wahrge­nommene interaktionale Gerechtigkeit.

Wie bereits erwähnt, erwarten Kunden, dass Unternehmen bei Fehlverhalten von ande­ren eingreifen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Verbraucher Unternehmen in der Verantwortung für die Geschehnisse in einem von ihnen kontrollierten Umfeld sehen (Huang, 2008, S. 529). Der Social Media Kanal eines Unternehmens wird als ein solches Umfeld von Kunden wahrgenommen (Bacile et al., 2018, S. 65). Entsprechend können die Forschungsergebnisse im Offlinekontext auf die Service Recovery via Social Media übertragen werden. So wird angenommen, dass Kunden von Unternehmen erwarten, dass diese die dort veröffentlichen Inhalte unter ihrer Kontrolle halten. Eine solche Er­wartung spiegelt das Vertrauen wider, dass die Handlungen der einzelnen Verbraucher innerhalb der zwischenmenschlichen Grenzen bleiben (Fullerton & Punj, 2004, S.1241). Werden solche Grenzen überschritten und die angewandten Verfahren als unfair einge­stuft, führt dies oft zu destruktivem Verhalten (Skarlicki & Folger, 1997, S. 435). Begeg­net ein Kunde unhöflicher virtueller Präsenz, erwartet dieser folglich, dass ein Unterneh­men eine solche Art der Kommunikation unterbindet. Bleibt die Unhöflichkeit unbeach­tet, kann dies als Entscheidung des Unternehmens gewertet werden, sich der Autori­tätsrolle bewusst zu entziehen (Bacile et al., 2018, S. 69). Solche Entscheidungen, die ein Unternehmen während der Service Recovery trifft und die damit zusammenhängenden Versuche, den Konflikt zu lösen, sind Inhalte des Beschwerdebearbeitungsprozesses (Smith et al., 1999, S. 357). Die Bewertung dieses Prozesses durch einen Kunden stellt dabei die Wahrnehmung der prozeduralen Gerechtigkeit dar. Auf dieser Grundlage kann eine weitere Hypothese dieser Arbeit abgeleitet werden:

H4 : Unhöfliche virtuelle Präsenz hat einen signifikant negativen Effekt auf die wahrge­nommene prozedurale Gerechtigkeit.

Nach Blodgett et al. (1997) kann eine stärker wahrgenommene interaktionale Gerech­tigkeit eine geringere distributive Gerechtigkeit kompensieren. Dies bedeutet, dass wenn Kunden höflich und respektvoll behandelt werden, auch eine prozentuale Rücker­stattung zu denselben Ergebnissen führen kann wie eine vollständige (S. 201). Auf der anderen Seite reicht eine vollständige Kompensation nicht aus, um die entstandene Un­zufriedenheit nach einer als ungerecht wahrgenommenen Kommunikation, auszuglei­chen. Kunden, die von einem Unternehmen unhöflich behandelt wurden, neigen dazu den Anbieter zu wechseln und anderen potentiellen Kunden davon abzuraten, mit dem Unternehmen in Kontakt zu treten (ebd.). Ebenfalls wurden Belege dafür gefunden, dass materielle Entschädigungen in Bezug auf die Beschwerdezufriedenheit keinen Mehr­wert bringen, sofern die interaktionale und die prozedurale Gerechtigkeit als stark aus­geprägt wahrgenommen werden (Wirtz & Mattila, 2004, S. 162). Unter gewissen Um­ständen kann folglich eine hohe Beschwerdezufriedenheit auch ganz ohne Kompensa­tion erreicht werden (ebd.). Choi und Choi (2014) stellten fest, dass die distributive Ge­rechtigkeit nur dann einen signifikanten Einfluss ausübt, sofern der Servicefehler als schwerwiegend empfunden wird (S. 125). Daraus lässt sich ableiten, dass Kunden den Prozess, wie das Ergebnis der Service Recovery zustande kam, und die zwischenmensch­liche Behandlung für wichtiger empfinden können, als das tatsächliche Ergebnis an sich. Somit zeigt sich, dass die prozedurale sowie interaktionale Gerechtigkeit im Service Recovery Kontext von besonderer Bedeutung sind (McColl-Kennedy & Sparks, 2003, S. 253). Zudem steht die Kommunikation im Mittelpunkt von Social Media, sodass die dis­tributive Gerechtigkeit im Onlineumfeld oft nicht anwendbar ist (Olson & Ro, 2020, S.

2). Unternehmen vermeiden es, ihre finanziellen Vergütungsstrategien öffentlich auf ei­ner Social Media Plattform bekannt zu geben (S. 116). Die dargelegten Aspekte begrün­den, warum der Einfluss unhöflicher virtueller Präsenz auf die distributive Gerechtigkeit in dieser Arbeit nicht untersucht wird. Darüber hinaus wird angenommen, dass Kunden immaterielle Aspekte von materiellen Kompensationen differenziert betrachten (Bam- bauer-Sachse & Rabeson, 2015, S. 331).

Wie zuvor erwähnt, hat die Wahrnehmung von Gerechtigkeit einen direkten Einfluss auf psychologische Resultate wie die Zufriedenheit und auf zukünftiges Verhalten wie der Wiederkaufabsicht (Blodgett et al., 1997, S. 188). Entsprechend können die bisher auf­gestellten Hypothesen zusammengeführt und eine weitere Annahme dieser Arbeit ab­geleitet werden.

H5 : Der Zusammenhang zwischen unhöflicher virtuellen Präsenz und a) der Zufriedenheit mit der Beschwerde sowie b) der Wiederkaufabsicht wird durch die vorgestellten Gerech­tigkeitswahrnehmungen mediiert.

Die Erwartungen an die Service Recovery und die damit verbundene Wahrnehmung der Gerechtigkeit können zudem nach der Stärke des Involvements variieren (Lai & Chou, 2015, S. 453).

2.3 Unterschiedliche Kundenwahrnehmungen bei Low und High Involvement Käufen

Der Ausdruck Involvement und die dazugehörigen Einflussgrößen sind in der Vergangen­heit unterschiedlich definiert worden. So wurde der Begriff 1947 von Sharif und Cantril als der Prozess, durch welchen die Einstellungen von Menschen in täglichen Interaktio­nen provoziert werden, definiert (zit. in Hamzelu, Gohary, Nia & Hanzaee, 2017, S. 285). 23 Jahre später wurde die Behauptung aufgestellt, dass Involvement das allgemeine In­teresse an einem Objekt für die Egostruktur einer Person widerspiegelt (Day, 1970, S. 45). Zaichkowsky (1985) wiederum definierte Involvement als die von einer Person wahrgenommene Relevanz eines Objekts auf der Grundlage inhärenter Bedürfnisse, Werte und Interessen (S. 342). Dies zeigt, dass es keinen festen Konsens über eine all­gemeingültige Definition von Involvement gibt (McQuarrie & Munson, 1992, S. 109). Trotz der dargelegten Unterschiede in der genauen Auslegung des Begriffs, lässt sich in diesem jedoch ein einheitlicher Aspekt finden. Das Involvement gilt als wahrgenomme­ner Wert eines „Zielobjekts", welcher sich durch das Interesse an diesem manifestiert (Mittal & Lee, 1989, S. 365). Somit gilt es als ein wichtiger Faktor im Prozess der Auswahl- und Kaufentscheidung von Kunden, welchen Forscher zu entschlüsseln versuchen (Bru- wer & Huang, 2012, S. 462). Im Allgemeinen ist das Involvement ein Prozess, der vor dem Kauf eingeleitet wird - einschließlich der Suche vor dem Kauf, der Informationsver­arbeitung, der Wirkungshierarchie, der Bewertung von Attributen und der Wahrneh­mung von Markenunterschieden (O'Cass, 2000, S. 547). In diesem Zusammenhang kann das Zielobjekt entweder ein Produkt (Produktinvolvement) oder die Kaufentscheidung (Kaufinvolvement) selbst sein (Mittal, 1989, S. 148). Das Produktinvolvement stellt das Interesse eines Kunden an einer Produktklasse dar. Ist diese wichtig für die Werte und Ziele eines Verbrauchers, ist das Interesse und folglich auch das Produktinvolvement stark ausgeprägt (Mittal & Lee, 1989, S. 365). Im Gegensatz dazu bezieht sich das Kaufin­volvement auf die Markenauswahl (ebd.). Obwohl diese beiden Konzepte stark mitei­nander verbunden sind, können sie zeitgleich in unterschiedlichen Ausprägungen auf­treten (Mittal, 1989, S. 148). So kann das Kaufinvolvement stark ausgeprägt sein, obwohl ein Kunde kaum Interesse an der entsprechenden Produktklasse hat. Beispielsweise deckt sich eine Waschmaschine für gewöhnlich nicht mit den Zielen und Werten eines Verbrauchers, wohingegen der Kauf einer solchen jedoch mit einem starken Kaufinvol­vement einhergeht (ebd.). Ist das Produktinvolvement hingegen stark ausgeprägt, führt dies auch automatisch zu einer komplexeren Kaufentscheidung. Das Produktinvolve­ment kann folglich als Vorläufer des Kaufinvolvements verstanden werden (ebd.).

Darüber hinaus kann das Involvement als eine ein- oder mehrdimensionale Struktur be­trachtet werden. In ersterer lassen sich die Faktoren, die den Grad des Involvements beeinflussen können, in drei Kategorien einteilen. Zu den persönlichen Faktoren zählen die individuellen Werte, Bedürfnisse und Interessen der Kunden (Zaichkowsky, 1985, S. 342). Diese bewirken, dass der Grad des Involvements von Mensch zu Mensch unter­schiedlich stark ausgeprägt ist, obwohl es sich um dasselbe Produkt handelt (ebd.). Ei­genschaften, die eine Differenzierung des Objekts schaffen, sind hingegen den physi­schen Faktoren zuzuordnen. Der situative Faktor bezieht sich auf spezifische Situatio­nen. So haben Clarke und Belk (1978) festgestellt, dass verschiedene Situationen für den Kauf desselben Produktes zu unterschiedlichem Involvement führen (S. 316). Dem ge­genüber wurde in verhaltensbezogenen Bereichen eine mehrdimensionale Struktur etabliert und popularisiert. Die Ausprägungen des Involvements werden dazu mit emo­tionalen und rationalen Entscheidungen verknüpft, sodass ein Raster aus vier Zuständen entsteht (Hamzelu et al., 2017, S. 286). Bei rationalen Käufen mit starkem Involvement sammeln Personen zunächst Informationen und werten dann ihre Gefühle aus. Im Ver­gleich dazu wird bei einem schwachen Involvement zuerst das Produkt gekauft, ehe In­formation gesammelt und anschließend die Gefühle überprüft werden. Bei emotionalen Kaufentscheidungen berücksichtigen Menschen zuerst ihre Gefühle und sammeln auf dieser Grundlage Informationen (Vaughn, 1986, S. 57f).

Um die Stärke des Kaufinvolvements von Verbrauchern zu definieren, kann das Konzept des wahrgenommenen Risikos verwendet werden. Umso wichtiger ein Kauf für einen Kunden ist, desto mehr Informationen wird dieser vor dem Kauf sammeln, um das Risiko zu verringern (Clarke & Belk, 1978, S. 314). Das Risiko ist in diesem Zusammenhang die Unsicherheit, mit der ein Verbraucher konfrontiert wird, wenn er die möglichen Konse­quenzen seiner Kaufentscheidung nicht vorhersehen kann (Dowling & Staelin, 1994, S. 120). Ist ein Kunde besorgt, dass ein Service sein Geld nicht wert sein könnte, stellt dies ein finanzielles Risiko dar (Sridhar, 2007, S. 53). Weiter sind das Leistungs- und das Zeit­risiko zu nennen. Ersteres bezieht sich dabei auf die Erwartungen an die Leistung eines Unternehmens, wohingegen sich letzteres auf die Zeit bezieht, die aufgewendet wurde, um sich über diese vor dem Kauf zu informieren (ebd.) Die Produktklasse muss dabei bestimmte Ziele eines Kunden erfüllen, um als wichtig betrachtet zu werden (Celsi & Olson, 1988, S. 211). Der eigentliche Nutzen eines Produkts oder Services verkörpert das utilitaristische Ziel, welches produktübergreifende Unterschiede im funktionalen Wert erfasst (Mittal & Lee, 1989, S. 366). Zudem sind hedonistische Ziele, wie Vergnügen oder Emotionen, und Selbstverwirklichungsziele zu nennen (Laurent & Kapferer, 1985, S. 43). Dies verdeutlicht noch einmal, dass das Involvement das inhärente Interesse eines Kun­den widerspiegelt (Bloemer & de Ruyter, 1999, S. 319).

In der Marketingforschung ist der Preis der am häufigsten verwendete Indikator für das Involvement, da das Risiko eines Fehlkaufs groß ist, wenn der Preis hoch ist (Laurent & Kapferer, 1985, S. 42). Die Studien von Mittal (1989) sowie von Bloemer und de Ruyter (1999) haben das Involvement in verschiedenen Branchen untersucht. So sind etwa Fast Food, Stifte oder Salz Beispiele für Käufe, bei denen das Involvement schwach ausge­prägt ist. Flugtickets oder Restaurantbesuche sind hingegen Beispiele für starkes Invol­vement (S. 157/S. 322).

Eine starke Ausprägung des Involvements kann zu einer höheren Erregung (Mitchell, 1980, S. 172), einer höheren Motivation (Bloch, Sherrell & Ridgway, 1986, S. 125) und zu einer Zunahme der kognitiven Aufarbeitung führen (Petty, Cacioppo & Schumann, 1983, S. 137). Die einzelnen Prozesse interagieren dabei miteinander (Mano & Oliver, 1993, S. 452). So sind Menschen bei starkem Involvement stärker motiviert, kognitive Anstrengungen für die Bewertung eines Produktes oder Problems auf sich zu nehmen. Die höhere Motivation führt folglich auch zu einer Zunahme der kognitiven Aufarbeitung (Petty et al., 1983, S. 137). Dies impliziert, dass Kunden sich bei starkem Involvement gewöhnlich mehr über ihre tatsächlichen Bedürfnisse und den Nutzen eines Service be­wusst sind als bei schwachem Involvement. Entsprechend können auch die Erwartungen an eine angemessene und zufriedenstellende Service Recovery größer sein, nachdem ein Service-Fehler aufgetreten ist (Lai & Chou, 2015, S. 452). Bei geringem Involvement hingegen legen die Verbraucher weniger Wert auf etwas, das auf ihren eigenen Bedürf­nissen, Werten und Interessen basiert (Chang et al., 2008, S. 65). Auf dieser Grundlage wird die letzte Hypothese dieser Arbeit abgeleitet:

H6 : Der Zusammenhang zwischen unhöflicher virtueller Präsenz und a) der Beschwerde­zufriedenheit und b) der Wiederkaufabsicht wird durch das Involvement moderiert.

3 Empirische Untersuchung

3.1 Forschungsdesign und Stichprobe

Um die aufgestellten Hypothesen zu überprüfen, wurde eine Feldstudie durchgeführt. Mithilfe dieser sollen die Einschränkungen in der externen Validität bisheriger Studien überwunden werden (Bacile et al., 2018, S. 77). Da die Feldstudie im natürlichen Umfeld stattfindet, ähneln die Untersuchungsbedingungen denen des Alltags und sind daher möglichst gut auf diesen übertragbar (Döring & Bortz, 2016, S. 206). Sie gilt folglich als extern valide und die Ergebnisse können über die Untersuchung hinaus verallgemeinert werden (Baur & Blasius, 2014, S. 140). Durch die Natürlichkeit der Bedingungen wird jedoch die Anwendung von experimentellen Kontrolltechniken erschwert, was zu Beein­trächtigungen der internen Validität führen kann (ebd., S. 206). Da es sich zudem um eine nicht-experimentelle Forschung handelt, ist es umso wichtiger, potentielle Störva­riablen möglichst vollständig als Kontrollvariablen zu erfassen (Döring & Bortz, 2016, S. 205). Als nicht-experimentell ist diese Studie einzustufen, da auf vorgefundene Gruppen zurückgegriffen und die unabhängige Variable nicht aktiv manipuliert wurde. Entspre­chend ist von einer Konfundierung der unabhängigen Variable mit anderen Merkmalen auszugehen (ebd., S. 194). Da die empirischen Daten selbst erhoben und analysiert wur­den, handelt es sich um eine Primärforschung (vgl. Wöhe, 2005, S. 464).

Im ersten Schritt der Studie wurden die Beschwerdebeiträge auf offiziellen Facebook- Kanälen von verschiedenen Unternehmen analysiert. Ausgewählte Unternehmen waren internationale Fast-Food-Ketten oder Fluggesellschaften. Diese Branchen wurden aus­gewählt, da Fast-Food einen typischen Low Involvement und Flugtickets einen typischen High Involvement Kauf darstellen (Bloemer & de Ruyter, 1999, S. 322). Zusätzlich konnte dort eine hohe Anzahl an öffentlichen Beschwerden festgestellt werden, die von weite­ren Personen kommentiert wurden. Die Erfassung beschränkte sich zunächst auf die deutschen Facebook-Kanäle ausgewählter Unternehmen. Da Im Laufe der Analyse je­doch festgestellt wurde, dass insbesondere bei den deutschen Kanälen von Fluggesell­schaften nur wenig unhöfliche virtuelle Präsenz sichtbar war, wurden auch englischspra­chige Kanäle mit in die Analyse einbezogen. Insgesamt wurden so 448 öffentliche, von Verbrauchern erstellte Beschwerdenachrichten sowie die dazugehörigen Antworten von anderen Verbrauchern und/oder dem jeweiligen Unternehmen betrachtet. Alle in die Betrachtung mit einbezogenen Beiträge waren vor weniger als einem Jahr verfasst worden. In der nachstehenden Tabelle sind die Ergebnisse quantitativ zusammenge­fasst.

Tab. 2: Analyse verschiedener Beschwerden über Social Media (Quelle: Eigene Darstellung)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In Anlehnung an die Klassifizierungen von Bacile et al. (2018, S. 64) wurde unhöfliche virtuelle Präsenz bei 244 der betrachteten Inhalte festgestellt. 36,88% dieser Beschwer­den wurden von Beiträgen kommentiert, die einer Herabwürdigung des Beschwerde­führers zugeordnet werden können. Darauf bezugnehmend wurden Inhalte gefunden, die bloße Beleidigungen, persönliche Angriffe, beleidigenden Sarkasmus oder Unterstel­lungen fehlender Intelligenz darstellen. Ebenfalls solche, die dem Beschwerdeführer vermitteln, dass er nicht länger willkommen sei. Infrage gestellt wurde die Beschwerde beziehungsweise der Beschwerdeführer in 79,91% der Fälle. Neben dem Runterspielen der Beschwerde und den Vorwürfen, dass der Beschwerdeführer überreagiere oder selbst schuld an dem Problem sei, konnte ein zusätzlicher Inhaltsblock identifiziert wer­den, der sich in die zuvor genannte Klassifikation einordnen lässt. Besonders Beschwer­deführern auf Social Media Kanälen von Fast-Food-Unternehmen wurde unterstellt, dass die Beschwerde nur ein Vorwand sei, um Gutscheine zu erhalten. Anzumerken ist außerdem, dass bei 16,80% der Beschwerden beide Formen der Unhöflichkeiten aufge­treten sind. In Tabelle 3 sind den verschiedenen Inhalten der beiden Arten unhöflicher virtueller Präsenz jeweils ein Beispiel aus der Analyse der Beschwerden zugeordnet. Ein weiteres Merkmal, das festgestellt wurde, betraf die Gesamtanzahl der Kommentare. Bei fast allen Beschwerden, die mit unhöflicher virtueller Präsenz konfrontiert wurden, traten mehrere Personen dem Dialog bei, sodass die durchschnittliche Kommentaran­zahl bei 6,13 lag. Im Vergleich betrug der Durchschnitt der Kommentare ohne unhöfliche virtuelle Präsenz 2,35. Insgesamt schwankte die Gesamtanzahl der Kommentare unter den einzelnen Beschwerden zwischen eins und 20. In der Analyse wurde dabei die An­zahl der unhöflichen und der nicht unhöflichen Kommentare sowie die des Beschwer­deführers und des Unternehmens separat erfasst. Auf diese Weise konnten die spezifi­schen Eigenschaften einer Beschwerde in den weiteren Untersuchungen als Kontrollva­riablen eingesetzt werden, um der eingangs erwähnten Problematik der internen Vali­dität entgegen zu wirken. Dabei ist aufgefallen, dass obwohl die Unternehmen in 88,52% der Fälle auf eine Beschwerde geantwortet haben, nur insgesamt zweimal auch auf eine Unhöflichkeit reagiert haben.

Tab. 3: Beispiele der festgestellten unhöflichen virtuellen Präsenz (Quelle: Eigene Darstellung)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Beschwerdeführer der analysierten Beschwerden stellten gleichzeitig die Auswahl­population der empirischen Studie dar (Döring & Bortz, 2016, 295). Dazu wurde für die weitere Datenerhebung ein Onlinefragebogen entwickelt. Durch eine solche Befra­gungstechnik ist es möglich, Aspekte des subjektiven Erlebens oder des geplanten Ver­haltens zu erfassen, welche ansonsten nicht direkt beobachtbar sind (Döring & Bortz, 2016, S. 398). Da in dieser Studie die individuellen Gerechtigkeitswahrnehmungen sowie die Zufriedenheit und die Wiederkaufabsicht untersucht wurden, ist diese Vorgehens­weise hier besonders geeignet. Zudem kann mithilfe eines Fragebogens in kürzester Zeit eine große Datenmenge erhoben werden (ebd.). Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass die Teilnahme aus Sicht der Probanden diskreter und anonymer ist als etwa in einer Inter­viewsituation, wodurch die Teilnahmebereitschaft größer ausfällt (ebd.). Es ist jedoch ebenfalls anzumerken, dass die generierten Daten maßgeblich von den Eigenschaften des Fragebogens und der Situation, in welcher dieser bearbeitet wird, abhängig sind, was die Aussagekraft der Ergebnisse einschränken kann (ebd., S. 399). Die Umfrage die­ser Studie wurde über die Erhebungsplattform Unipark erstellt und war in deutscher sowie englischer Fassung verfügbar. Das Datenerhebungsverfahren erfolgte dabei quan­titativ und der Fragebogen bestand aus geschlossenen Aussagen mit Antwortvorgaben (ebd., S. 405). Durch die vereinheitlichten Durchführungsbedingungen wurde versucht, die grundsätzliche Objektivität des Forschungsdesigns zu gewährleisten (ebd., S. 442). Außerdem erhielten alle Teilnehmer denselben Fragebogen.

[...]

Fin de l'extrait de 113 pages

Résumé des informations

Titre
Einfluss der Kundenbeteiligung bei der Service Recovery via Social Media. Eine empirische Analyse
Auteur
Année
2020
Pages
113
N° de catalogue
V975651
ISBN (ebook)
9783346327079
ISBN (Livre)
9783346327086
Langue
allemand
Mots clés
Masterarbeit, analyse, Service Recovery, service, Social Media, CRM, Customer Relationship Management, einfluss, Kundenbeteilung, Facebook, Unhöflichkeiten, Dienstleistungsmanagement, BWL, Involvement, Wiederkaufabsicht, Beschwerdemanagement, Kundenzufriedenheit, Zufriedenheit, Gerechtigkeitsdimensionen, Justice Theory
Citation du texte
Norman Bockwoldt (Auteur), 2020, Einfluss der Kundenbeteiligung bei der Service Recovery via Social Media. Eine empirische Analyse, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/975651

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