Die politischen Morde in der Weimarer Republik an den Beispielen Matthias Erzbergers und Walter Rathenaus


Trabajo de Seminario, 2000

24 Páginas, Calificación: N.N.


Extracto


Inhaltsverzeichnis

I. Vorwort

II. Der Mord an Matthias Erzberger
1.) Das Leben des Opfers
2.) Das Leben des Haupttäters im Mordfall Erzberger: Heinrich Tillessen
3.) Der Germanenorden
4.) Das Attentat
5.) Die gesellschaftliche Reaktion

III. Der Mord an Walther Rathenau
1.) Das Leben des Opfers
2.) Die Organisation Consul
3.) Das Attentat auf Walther Rathenau am 24. 6. 1922
4.) Die gesellschaftliche Reaktion

IV. Vergleich der beiden Mordtaten

V. Vergleich der Morde in der Weimarer Republik mit den politischen Morden in der BRD
1.) Die RAF
2.) Abschließender Vergleich der RAF mit der O. C.

VI. Quellenverzeichnis

I. Vorwort

Wenn wir uns heute mit der Weimarer Republik befassen, fällt unser Blick meist nur auf einige prägende Schlüsselereignisse wie den Kapp - Putsch, das Jahr 1923, die Weltwirtschaftskrise oder die Machtergreifung Hitlers.

Das Ziel meiner Arbeit ist es, das Leben und die Umstände des Todes zweier Politiker darzustellen, die auf die Entwicklung der Weimarer Republik maßgeblichen Einfluss nahmen. Walther Rathenau war in der Entstehungszeit der Weimarer Republik einer der mächtigsten Wirtschaftsführer Deutschlands. Der Sohn des AEG - Gründers Emil Rathenau war zeitweise in über 100 Aufsichtsräten deutscher Industrieunternehmen tätig. Dass Rathenau auch noch einer der bedeutendsten Literaten seines Landes in dieser Zeit war und sich in der Politik engagierte, lässt ihn auch heute noch als auffallende und außergewöhnliche Gestalt erscheinen. Als er auf der Reparationskonferenz von Spa 1920 zum ersten Mal vor die Weltöffentlichkeit tritt, verändert er die deutsche Politik radikal. Rathenau ist der ,, Erfinder " dessen, was man von rechter Seite als ,,Erfüllungspolitik" bezeichnet hat. Er ist der erste, der die politische Wirklichkeit nach dem Ersten Weltkrieg richtig einschätzt und erkennt, dass Deutschland nur durch die bestmögliche Erfüllung der Forderungen der Alliierten eine Abschwächung des Versailler Vertrages erreichen kann. Durch seinen Politikstil bannt er die Gefahr eines französischen Einmarsches und die damit eventuell verbundene Abtrennung eines Teils des deutschen Staates. Auch gegenüber dem Osten strebt Rathenau eine Öffnung an. Auf der Konferenz von Rapallo am 16. April 1922 zerstört Rathenau durch einen Vertrag mit Rußland den Ring der Isolation, den Frankreich um Deutschland gelegt hatte. Seine Ermordung am 24. Juni 1922 durch die beiden Mitglieder der ,,Organisation Consul" Kern und Fischer bringt Rathenau um die Früchte seiner Politik. Fest steht aber, dass der deutsch - französische Ausgleich zwischen Stresemann und Briand im Vertrag von Locarno ( 5. bis 16. Oktober 1925 ) ohne Rathenaus Einfluss auf die Politik der Weimarer Republik nicht möglich gewesen wäre.

Das Leben Matthias Erzbergers war hingegen ganz anders geartet. Er wurde in Schwaben geboren und entstammt der dortigen erzkatholischen Mittelschicht. Erzberger war ein glühender Verfechter der Demokratie und wurde 1903 Reichstagsabgeordneter. Da zu dieser Zeit noch keine Diäten an Politiker gezahlt wurden, musste er seinen Lebensunterhalt mit Hilfe der Herausgabe einer kleinen Zeitung bestreiten. Durch die Unterzeichnung des Waffenstillstands mit den Westmächten am 11. November 1918 in Compiègne zog Erzberger den Hass der Rechten auf sich. Am 21. Juli 1919 wird er zum Reichsfinanzminister ernannt. Durch die Steuerreform, die er nun durchsetzt, hat sich Erzberger in der Nachwelt einen Ruf als brillantes Finanzgenie erworben. Sie ist in ihren Grundzügen bis in die heutige Zeit gültig, schafft ihm aber in der Weimarer Republik viele einflussreiche Feinde. Als Erzberger am 26. August 1921 in Bad Griesbach ein Spaziergang unternimmt, wird er von Heinrich Tillessen und Heinrich Schulz, beide Mitglieder im Germanenorden, erschossen.

II. Der Mord an Matthias Erzberger

1.) Das Leben des Opfers:

Matthias Erzberger ist am 20. September 1875 in Buttenhausen auf der Schwäbischen Alb geboren worden. Er ist Sohn des Schulmeisters und Postboten Josef Erzberger und seiner Frau Katharina, geborene Flad. Er wächst zusammen mit seinen sechs Geschwistern unter streng katholischer Erziehung auf. Zunächst ergreift er den Beruf des Volksschullehrers, bildet sich dann aber in der Finanz- , Wirtschafts- und Sozialpolitik autodidaktisch weiter. Dieses Engagement trägt 1895 erste Früchte, als Erzberger Redakteur der Stuttgarter Parteizeitung des Zentrums " Deutsches Volksblatt " wird. Kurz darauf verlässt er den Schuldienst, um sich ganz der Parteiarbeit zu widmen. Am 16. Juni gewinnt Erzberger bei der Reichstagswahl für das Zentrum den Wahlkreis Biberach und wird mit 27 Jahren jüngster Abgeordneter Deutschlands. 1904 wird er Mitglied der Budgetkommission des Reichstages und entwickelt sich zum Spezialisten für Haushaltsfragen. In den Jahren 1905/06 widmet Erzberger sich dem Kampf gegen die Missstände in der deutschen Kolonialpolitik, womit er zur Auflösung des Reichstages 1907 erheblich beträgt. Ab diesem Zeitpunkt ist er zum ersten Mal der öffentlichen Kritik ausgesetzt, die ihm vorwirft zur Schädigung des Reichsansehens beizutragen. Hier kommt es auch zur ersten Auseinandersetzung Erzbergers mit Karl Helfferich, der zu jener Zeit im Auswärtigen Amt beschäftigt ist.1 Es war der Beginn einer persönlichen Feindschaft zwischen den beiden, die Erzbergers Leben stark beeinflusste. Im August 1914 wird ihm die Leitung der deutschen Propaganda für das neutrale Ausland übertragen. Erzberger lässt sich von der Kriegsbegeisterung, die in Deutschland herrscht, anstecken und wird ein Verfechter des " Siegfriedens ". Dies geht sogar so weit, dass er in einem Zeitungsartikel am 18.2.1915 eine rücksichtslose Kriegführung gegenüber England und die Bombardierung ziviler Ziele fordert. Erzberger selbst kann in den Jahren 1915 bis 1917 kaum politische Erfolge verbuchen. Außenpolitisch gelingt es ihm nicht, Italien (1915) und Rumänien (1916) vom Kriegseintritt auf Seiten der Entente abzuhalten. Auch ein deutsch - russischer Separatfrieden im April 1917 scheitert. Aber auch innenpolitisch muss Erzberger Rückschläge hinnehmen. Während er, zusammen mit Reichskanzler Bethmann - Hollweg, 1915 den uneingeschränkten U-Boot- Krieg noch verhindern kann, ist er machtlos, als dieser am 1. Februar 1917 dann doch aufgenommen wird. Zu diesem Zeitpunkt ist Erzbergers Kriegsbegeisterung längst verflogen. Durch seine herausgehobene Stellung ist er sich der hoffnungslosen militärischen Situation Deutschlands bewusst. Am 4. und 6. Juli zieht Erzberger hieraus die Konsequenzen und stellt vor dem Hauptausschuss des Reichstages die Aussichtslosigkeit des Krieges dar. Anstelle des bis dahin geforderten Siegfriedens schlägt er nun einen politisch- diplomatischen Verständigungsfrieden vor. Die militärisch kaum unterrichteten Abgeordneten reagieren schockiert und noch am Abend des 6. Juli wird ein interfraktioneller Ausschuss gebildet, der den Wortlaut der Friedensresolution erarbeiten soll. Am 19. Juli nimmt der Reichstag die Resolution mit großer Mehrheit an. Während sie außenpolitisch keine Wirkung hatte2, ruft die Friedensresolution in der Bevölkerung Enttäuschung und Wut hervor. Die durch ihre Uninformiertheit immer noch in Siegesillusion gehaltene Bevölkerung wendet sich gegen Erzberger. Das rechte politische Lager stellt ihn als Landesverräter dar und wirft Erzberger vor, mit der Resolution einen " schmählichen Verzichtsfrieden " anzustreben. Auf Erzbergers politische Karriere hat dies aber keinen Einfluss. Er wird in der Regierung unter Max von Baden Staatssekretär ohne Portefeuille und bleibt weiterhin Leiter der deutschen Kriegspropaganda. Am 6. November 1918 geschieht etwas in der deutschen Geschichte Einzigartiges. Erzberger wird als erster Zivilist in der Militärgeschichte zum Waffenstillstandskommissar ernannt. Mit diesem Schachzug gelang es der Obersten Heeresleitung, die Verantwortung für die Niederlage auf die Politiker abzuwälzen. Als Erzberger am Morgen des 11. November 1918 die Waffenstillstandsurkunde unterzeichnet, ist das gleichzeitig die Geburtsstunde der Dolchstoßlegende. Ab diesem Zeitpunkt ist Erzberger einer der meist gehassten Personen in nationalistischen Kreisen. Am 19. Februar 1919 wird er als Reichsminister ohne Portefeuille in die Regierung Scheidemann berufen und es wird ihm die Kompetenz für alle Waffenstillstandsfragen übertragen. Nach der Zustimmung der Nationalversammlung zum Versailler Vertrag kommt es zu ersten Übergriffen gegen Erzberger. In der Nacht des 23. auf den 24. Juni 1919 versucht eine aufgebrachte Horde von Reichswehrmitgliedern Erzberger in Weimar zu lynchen. Es gelingt ihm jedoch nach Berlin zu flüchten. Am 21. Juni 1919 wird Erzberger das Amt des Reichsfinanzministers und des stellvertretenden Ministerpräsidenten angetragen. Schon in seiner Antrittsrede an 9. Juli kommt es zum Machtkampf mit seinem Widersacher Karl Helfferich, der Staatssekretär des Reichsschatzamtes in Jahren 1915/16 gewesen war. Erzberger kündigt eine grundlegende Finanzreform an und bezeichnet Helfferich als " den liederlichsten und leichtfertigsten aller Finanzminister."3 Die von Erzberger initiierte Steuerreform ist in ihren Grundzügen auch heute noch gültig, schafft ihm aber einflussreiche Feinde, wie zum Beispiel die preussischen Großgrundbesitzer, deren Einkommenssteuersatz sich von 4 auf über 50 Prozent erhöht. Als Erzberger am 14. November eine Rede über den Völkerbund kurzfristig absagt, kommt es zu neuen Übergriffen gegen ihn. Eine Menschenmenge versucht Erzberger aus seinem Haus zu treiben, was erst durch ein Aufgebot der Polizei verhindert werden kann. Im Januar 1920 eskaliert der Streit zwischen Helfferich und Erzberger. Helfferich verfasst eine Broschüre, in der er Erzberger " Verstöße gegen die Wohlanständigkeit, gewohnheitsmäßige Unwahrhaftigkeit und die Verquickung persönlicher Geldinteressen mit dem politischen Amt " vorwirft, was schließlich in die Forderung " Fort mit Erzberger! " 4 mündet. Erzberger strebt daraufhin einen Beleidigungsprozess an, von dessen Ausgang seine politische Existenz abhängt. Auch die Öffentlichkeit nimmt am Strafverfahren regen Anteil. Am 26.Januar 1920 schießt der 20 - jährige Fähnrich Oltwig von Hirschfeld vor dem Berliner Gericht zwei Mal auf Erzberger. Einer der Schüsse durchdringt dessen Schulter und bleibt in seiner Lunge stecken. Es ist bezeichnend für die Haltung der Justiz in der Weimarer Republik, dass Hirschfeld lediglich zu einer Gefängnisstrafe von 18 Monaten verurteilt wurde. Obwohl Erzberger sich recht bald wieder erholt, muss er sich aus dem Amt des Finanzministers zurückziehen, da ihn eine beim Berliner Finanzamt gestohlene Steuererklärung der Steuerhinterziehung zu überführen scheint. Daraufhin beantragt er seine Beurlaubung und leitet eine dienstliche Untersuchung gegen die eigene Person ein. Am 12. März endet der Beleidungsprozess für Erzberger in einem Fiasko. Der Urteilsspruch verurteilt Helfferich zwar zu einer geringen Geldstrafe, bestätigt aber, dass ihm der Beweis seiner Vorwürfe im Wesentlichen gelungen sei. Diese Feststellung kommt für Erzberger einem politischen Todesurteil gleich. Es bleibt ihm keine andere Wahl als alle seine politischen Ämter abzugeben. Erzberger legt Revision gegen das Urteil ein und strengt ein Meineidsverfahren gegen sich selbst an. Als am 13. März 1920 der Kapp-Putsch beginnt, muss er in einem Kloster untertauchen, um sich vor einem Attentat zu schützen. Auf Drängen des Zentrums hin lässt Erzberger ab April auch sein Reichstagsmandat bis zum Urteil des Revisionsverfahrens ruhen. Er zieht sich notgedrungen aus der Reichspolitik zurück und widmet sich der Regionalpolitik. Doch auch jetzt reißt die Serie der Attentate nicht ab. Im Mai 1920 wird auf einer Wahlveranstaltung in Esslingen eine Handgranate auf Erzberger geworfen, dieser wird jedoch nicht verletzt. Am 6. Juni erringt Erzberger an der Spitze der württembergischen Landesliste bei den Reichstagswahlen ein Mandat. Auch der Ausgang des Revisionsverfahrens ist ein Triumph für ihn. Alle gegen Erzberger geäußerten Vorwürfe erweisen sich als unbegründet. Daraufhin kündigt er seine Rückkehr in die Parlamentspolitik für den Herbst des Jahres 1921 an.

2.) Das Leben des Haupttäters im Mordfall Erzberger: Heinrich Tillessen

Heinrich Tillessen wurde am 27. November 1894 in Köln - Lindenthal geboren. Er ist das elfte Kind des Berufsoffiziers Karl Tillessen und seiner holländischen Frau Karoline, geborene von der Moehlen. Als Kind wird Heinrich Tillessen von seiner Umwelt als " unkompliziert, ruhig und leicht zu lenken"5 eingestuft. Zusammen mit drei Brüdern und sieben Schwester wächst er unter behüteten, katholischen Verhältnissen auf. Tillessen besucht in Metz die Domschule, nachdem die Familie mehrmals versetzungsbedingt umziehen musste. Im April des Jahres 1904 quittiert der Vater den militärischen Dienst und die Familie zieht sich nach Koblenz zurück, wo Heinrich Tillessen das humanistische Kaiserin - Augusta - Gymnasium besucht. Als sein Vater am 12. April 1910 und seine Mutter am 17. April 1911 sterben, entschließt sich Tillessen in die Marine einzutreten, da das Geld für ein Studium der Geschichte und der Literatur nicht vorhanden ist. Er verlässt Ende 1911 das Gymnasium mit der Primanerreife und tritt am 1. April 1912 als Seekadett in die Marineschule in Kiel ein. Seine Ausbildungszeit absolviert er auf dem Schulschiff "Hertha", woraufhin er am 1. April 1913 zum Offizierslehrgang nach Flensburg geschickt wird. Am 12. April folgt die Beförderung zum Fähnrich zur See, wobei er den Fahneneid auf Kaiser Willhelm II schwört. Bis zum Kriegsbeginn absolviert er einige Speziallehrgänge, so zum Beispiel vom 19. April bis zum 27. Juni 1914 einen Torpedolehrgang. Während des Krieges dient er als Wach- und Schiffsoffizier auf mehreren kleinen Schiffen in der Ostsee und wird am 22. März 1915 zum Leutnant zur See befördert. Der Krieg verläuft für Tillessen relativ friedlich, da seine Schiffe an keinen größeren Kriegshandlungen teilnehmen. Dann wird er am 13. Juli 1917 zur 17.

Torpedo - Halbflottille versetzt. Dort ist er als Wachoffizier direkt dem Kommandeur der Einheit, Kapitänleutnant Hermann Ehrhardt 6 unterstellt. Dass die Revolution des Jahres 1918 ausgerechnet von der Marine ausgeht, trifft Tillessens Ehrgefühl tief. Als er von den Waffenstillstandsverhandlungen und vor allem von der kampflosen Übergabe der deutschen Kriegsflotte erfährt, bietet sich ihm die Möglichkeit, seiner Wut ein Ventil zu geben. Sein ganzer Hass richtet sich nun gegen den Unterzeichner des Friedensvertrages und vermeintlichen Urheber dieser Bedingungen, Matthias Erzberger. Nach Kriegsende gerät Tillessen in englische Gefangenschaft, wo er bis zum 6.Februar 1920 bleibt. Als er nach Deutschland zurückkehrt, reist er nach einem kurzen Aufenthalt bei seinem Bruder Werner zur Hochzeit seiner Schwester nach Koblenz. Dort erfährt er vom Kapp - Putsch, woraufhin er sich sofort nach Berlin begibt. Auf Anraten seines Bruders Karl tritt er in die Marinebrigade II, ein Wilhelmshavener Freikorps unter der Führung Hermann Ehrhardts, ein. In dieser Einheit, die eine nur aus Offizieren bestehende Eliteformation der Brigade Ehrhardt ist, trifft Tillessen zum ersten Mal auf seinen späteren Mittäter Heinrich Schulz. Nach dem Scheitern des Putsches erhält die Marinebrigarde II am 30. März 1920 ihren Auflösungsbefehl, zu dessen Ausführung sie am 10. April nach Münsterlage abrückt. Tillessen quittiert seinen Dienst bei der Marine mit dem Vorsatz, nun einen Zivilberuf zu ergreifen. Am 30. Juli 1920 wird er als Oberleutnant zur See aus der Marine entlassen. Tillessen will nun eine Banklehre aufnehmen, wird aber von seinem Bruder Karl umgestimmt, der ihn auf ein Angebot Ehrhardts hinweist. Der Landesökonomierat Heim hat in Regensburg eine Genossenschaft gegründet , für die er zuverlässige Leute benötigt. Daraufhin tritt Tillessen am 10. Juni 1920 in Heims Dienst, bei dem noch drei andere ehemalige Brigademitglieder beschäftigt sind. Einer dieser drei ist Heinrich Schulz. Während sie offiziell bei der Regensburger Zentralgenossenschaft arbeiten, fungieren sie inoffiziell als Leibwache Heins. Da Tillessen und Schulz im selben Zimmer wohnen, kommt es zu einer starken Bindung zwischen den beiden. Sie besuchen gemeinsam Veranstaltungen des ,, völkischen Schutz- und Trutzbundes " und beginnen nationalistische Flugblätter zu sammeln. Dass diese Schriften sich sehr oft auf Erzberger beziehen, steigert den Hass beider auf diesen.7 Am 30. April 1921 verlassen sie Regensburg, nachdem sie bei Ehrhardt um Vermittlung einer anderen Arbeit angefragt haben. Von nun an werden sie in der Münchener Parteizentrale der ,, Organisation Consul " ( O.C. ) 8, eingesetzt. Tillessen und Schulz sind nun Mitglieder der militärischen Abteilung (Abteilung B) der O. C, unter Führung von Manfred von Killinger. Während des sog. " dritten Polenaufstandes " halten sie sich vom 11. Mai bis Ende Juni als Kontaktleute der O.C. zum dortigen " Deutschen Selbstschutz " in Breslau auf. Schließlich werden sie Ende Juli / Anfang August des Jahres 1921 in den Germanenorden eingeführt. Nur wenige Tage danach erhalten sie den Auftrag Erzberger zu beseitigen. Hierbei übernimmt Tillessen als dienstältester Offizier die Führung.

3.) Der Germanenorden:

Der Germanenorden ist 1912 zusammen mit dem ,, Hammerbund " gegründet worden. Er ist ein Elitebund zur Wahrung und Veredelung des Germanentums, der die " weiteste Pflege und Verbreitung des nationalen Gedankens "9 zum Ziel hat.

Zur Zeit des Erzberger - Mordes 1921 besteht der Germanenorden aus ungefähr 1500 Mitgliedern und schließt sich mit dem ,, Wälsungenorden " zusammen. Er entwickelt sich zu einer terroristischen Vereinigung und bezeichnet sich von nun an als " Kampfverband" .Der Germanenorden bekämpft vor allen Dingen die " jüdische " Beeinflussung des deutschen Volkes. In Flugblättern empört man sich darüber, " dass ein Fremdvolk es wagt, sein Wirtsvolk im eigenen Lande zu besudeln und in seinen heiligsten Empfindungen zu verletzen". Als Konsequenz wird die Bildung eines ,, Schutz- und Trutzbündnisses [...], um den hypnotischen Einfluss der Hebräer allmählich zu überwinden und auszuschalten " gefordert10 Der Orden gliedert sich in verschiedene Logen und deren Tochterlogen. Die Führung übernimmt eine Großloge, innerhalb der es einen sog. ,, Großlogenkopf " gibt, der die Entscheidungen innerhalb des Germanenordens trifft. Stimmrecht innerhalb der Großloge haben nur die drei Mitglieder des Großlogenkopfes: der ,, Ordenskanzler ", der ,, Schatzkanzler " und der ,, Großsippenwahrer ". Verräter werden mit dem Tod , der" Feme ", bedroht, zu deren Ausführung allein die ,, Femeritter " befugt sind.

4.) Das Attentat :

Wenige Tage nach ihrer Einführung in den Germanenorden Ende Juli 1921 werden Tillessen und Schulz , angeblich per Los, für den Mord an Erzberger ausgewählt. Nachdem man sie in das Büro Manfred von Killingers, der sowohl ein führendes Mitglied des Germanordens als auch Leiter der militärischen Abteilung der ,, Organisation Consul " war, gerufen hatte, wird ihnen ein verschlossener Umschlag ausgehändigt, der einen maschinengeschriebenen Befehl enthält.

,, Gemäß der in der Leitung stattgefundenen Auslosung wurden sie [ ... ] dazu bestimmt, den Reichsfinanzminister Erzberger zu beseitigen. Die Art der Ausführung bleibt ihnen überlassen".11 Schulz und Tillessen machen sich daraufhin auf die Suche nach Erzberger und erreichen am 6. August Berlin. Von hier aus reisen sie weiter nach Stuttgart, wo sie am 14. August ankommen. Tillessen gibt sich bei einem Telefonat mit der württembergischen Zentrale des Zentrums als Verwandter Erzbergers aus und erfährt, dass dieser sich in einem Thermalbad bei Biberach aufhält. Als sie sich dort erkundigen, werden sie nach Beuron verwiesen. Hier treffen sie zufällig eine alte Bekannte, die ihnen mitteilt, dass Erzberger Beuron verlassen hat. Am Nachmittag des 20. August 1921 ruft Tillessen in Beuron an und gibt sich als Zentrumsabgeordneter aus. Er erfährt, dass Erzberger in einem unbekannten Badeort im Renchtal ist. Tillessen und Schulz fahren daraufhin nach Oppenau, wo sie sich unter den Namen ,, stud. jur. Franz Riese aus Düsseldorf " ( Tillessen ) und ,, stud. phil. Knut Bergen aus Jena " ( Schulz ) in einem Gasthaus einbuchen.12 Tillessen hat zur Tarnung seine Haare dunkler gefärbt, Schulz hat sein im Krieg verstümmeltes Ohr mit einem Pflaster überklebt. Am Morgen des 22. August 1921 halten sie sich in Bad Griesbach auf, wo ihnen zufällig ein Kioskbesitzer erzählt, dass der prominente Zentrumsabgeordnete Matthias Erzberger in der Stadt sei. In den nächsten drei Tagen bieten sich für die Mörder zweimal ideale Tatvoraussetzungen, die sie aber verstreichen lassen, um keine unbeteiligten Personen zu gefährden. Am 26. August brechen Erzberger und der Zentrumsabgeordnete Karl Diez um etwa 10 Uhr zu einem Spaziergang über die Kniebisstraße in Richtung Alexanderschanze auf. Gegen 10. 30 Uhr bemerkt Diez, dass sie von zwei Männern verfolgt werden, denen er aber keine größere Beachtung schenkt.

Tillessen und Schulz nähern sich den beiden Abgeordneten immer mehr, haben dann aber Skrupel. Deshalb überholen sie Erzberger und Diez ohne geschossen zu haben. Als diese dann um 11 Uhr an einer Aussichtshütte umkehren, befinden sich Schulz und Tillessen wieder im Rücken der Opfer. Als sie sich den Politikern wieder nähern, reißt Tillessen seine Pistole hoch und feuert mehrmals auf Erzberger. Diez greift den Attentäter mit seinem Regenschirm an, wird aber von Schulz niedergeschossen. Erzberger versucht unterdessen seitlich durch ein Waldstück zu entkommen und stürzt einen Abhang hinunter, wo er am Fuße einer Tanne liegenbleibt. Schulz eilt ihm nach und feuert mehrmals auf Erzbergers Kopf. Über die Tatzeit herrscht in der Fachliteratur Uneinigkeit: Während Cord Gebhardt die Tatzeit auf 11. 30 Uhr beziffert13, gehen alle anderen von mir zu Rate gezogenen Bücher davon aus, das der Mord kurz nach elf Uhr stattfand. Diez überlebt das Attentat und schleppt sich schwer verletzt in die Stadt zurück. Gegen drei Uhr beginnen die polizeilichen Ermittlungen gegen die Mörder Matthias Erzbergers.

5.) Die gesellschaftliche Reaktion ( Parteien/ Medien/ Justiz )

Der Mord an Matthias Erzberger ruft in Deutschland einerseits Bestürzung und Trauer, andererseits aber auch tiefe Befriedigung hervor. An seiner Beisetzung in Biberach ( Schwaben ) nehmen mehr als 30.000 Menschen teil und Reichskanzler Wirth erklärt Erzberger zum Märtyrer für die deutsche Republik und verspricht eine Belohnung von 100.000 Mark für Hinweise, die zur Ergreifung der Mörder führen könnten. Von Seiten der SPD, der USPD und der Gewerkschaften wird die ,, Anwendung aller staatlichen Mittel zur Bekämpfung der rechtsbolschewistischen Mordhetze "14 gefordert. Diese Forderung geht dem linken Flüge der SPD noch nicht weit genug, welcher darauf drängt, der Gegenrevolution mit ,, brutaler Rücksichtslosigkeit "15 zu begegnen. Auf der rechten Seite weist Helfferich alle Vorwürfe, am Tod Erzbergers eine Mitschuld zu tragen, zurück. Der DNVP - Abgeordnete Herzgt protestiert gegen die Vorwürfe gegenüber den rechten Parteien und sagt der Regierung den Kampf an. Die rechte Presse mildert das Verbrechen unter Hinweis auf Erzbergers zerstörerisches Tun ab und weist darauf hin, dass dieser auch von Mitgliedern der eigenen Partei, die ihn beseitigen wollen, ermordet worden sein kann. Die Regierung reagiert auf den Mord am 29. August mit der ,, Republikschutzverordnung ", in welcher die Freiheitsreichte der Menschen massiv eingeschränkt werden. Der Reichsinnenminister ist nun befugt periodisch erscheinende Schriften, die zur Gewalt gegen die Verfassung oder deren Vertreter aufrufen, zu verbieten.16 Auch Versammlungen, auf denen solche Gedanken geäußert wurden, konnten nun verboten werden. Das Vorgeben der Regierung milderte die Wut der Arbeiter über den Mord beträchtlich und führte dazu, dass die Massendemonstrationen des 30. August 1921 weitgehend friedlich blieben.

Die Verordnung aber, die sich vor allen Dingen gegen den Rechtsbolschewismus richten soll, wird von den Richtern der Weimarer Republik meist gegen den Kommunismus angewendet.

III. Der Mord an Walther Rathenau

1.) Das Leben des Opfers

Walther Rathenau wurde am 29. September 1867 als Sohn das AEG - Gründers Emil Rathenau geboren. Nach Abschluss eines Studiums der Philosophie, Physik und Chemie folgt eine einjährige freiwillige Militärdienstzeit bei den Berliner Gardekürassieren. Nachdem er die Leitung der elektrochemischen Werke Bitterfeld übernommen hatte, wechselt er 1899 ins Direktorium der AEG. 1902 wird Rathenau Mitglied der Berliner Handelsgesellschaft, die gleichzeitig auch die Hausbank der AEG ist. 1904 folgt dann der Aufstieg in den AEG - Aufsichtsrat, dessen Vorsitzender er 1912 wird. Seine politische Laufbahn hingegen schien anfangs unter keinem günstigen Stern zu stehen. Er scheitert 1907 als Protégé Reichskanzler Bülows ebenso wie mit seiner Reichtagskandidatur für die Nationalliberalen 1911. Als 1914 der Krieg ausbricht, ist Rathenau der einzige, der erkennt, wie verheerend sich die englische Seeblokade auf die Versorgung Deutschlands mit Rohstoffen auswirkt. Auf sein Anraten hin wird ein Kriegsrohstoffamt gegründet, dass bis 1915 von Rathenau selbst geleitet wird. Im August 1916 steigt er dann zum Berater Ludendorffs auf. Nebenbei ist Rathenau auch literarisch tätig. Er schreibt eine große Anzahl von Aufsätzen, deren erster Teil 1902 als ,, Impressionen " veröffentlicht wird. 1908 folgt der zweite Teil unter dem Namen ,, Reflexionen ". Weitere bekannte Schriften Rathenaus sind ,, Zur Kritik der Zeit " ( 1912 ), ,, Zur Mechanik des Geistes " ( 1913 ). Das Werk, das Rathenaus Ansehen aber am entscheidendsten beeinflusste, war aber ,, Von kommenden Dingen " ( 1917 ). Er fordert die ,, nationale Erhebung des Volkes ", mit deren Hilfe er die Entente zu annehmbareren Friedensbedingungen zwingen will.17 In der liberalen Presse wurde er daraufhin als ,, Kriegsverlängerer" angeprangert. Ein Makel, der ihm bis zum Ende des Jahres 1920 anhaftet. Im April 1920 beruft man Rathenau in die zweite Sozialisierungskommision. Er vertritt Deutschland auf der Konferenz von Spa und prägt hier zum ersten Mal einen Politikstil, der später von der rechten Seite als ,, Erfüllungspolitik " bezeichnet wird. Ein Jahr darauf wird Rathenau Wiederaufbauminister in der Regierung Wirth. Dieses Amt ist ihm so wichtig, dass er sein Amt als Präsident der AEG und alle seine Aufsichtsratsposten niederlegt. Die rechte Presse kritisiert ihn und die von ihm vertretene Politik. So wirft die Neue Preussische Zeitung der Regierung vor, dass sie ,, die deutsche Knechtschaft auf Generationen hinaus " besiegelt habe. Die Ernennung Rathenaus zum Minister wird vielfach als Beweis für die Herrschaft des internationalen Judentums über die Deutschen angesehen. In der Folgezeit wird er von rechts immer schärfer angegriffen. So schrieb zum Beispiel der völkische Schriftsteller Roth im Bezug aus das Wiesbadener Abkommen: ,,Das ist also Rathenaus Meinung. Danach hat er in Wiesbaden gehandelt. Frankreich und das Weltjudentum sind mit ihm zufrieden. Die deutsche Not ist auf dem Marsche. Der Strick ist gedreht, an dem wir Deutsche durch den Judaismus immer tiefer hineingeführt werden. Dank Rathenau.18 Als die Regierung Wirth zurücktritt, scheidet auch Rathenau kurzzeitig aus dem Ministeramt aus. Im Januar 1922 wird er dann aber Reichsaußenminister. Obwohl er nun in der liberalen Presse gefeiert wird, nimmt die Kritik von rechts immer weiter zu. In München verabschieden zehn rechtsgerichtete Organisationen eine ,, Entschließung " gegen die Ernennung Rathenaus, die mit der Forderung endet, " dass auf der Konferenz von Genua [...] das deutsche Volk nicht von Repräsentanten des internationalen Finanzgeistes, sondern von deutschen Männern vertreten werde. "19. Der Vertrag von Rapallo verändert die Bewertungen kurzzeitig vollkommen. Während Rathenau nun vom ,, Vorwärts " als gefährlich eingestuft wird und die Weltbühne ihm ,, Ka- tastrophenpolitik " attestiert, bewertet die Neue Preußische Zeitung den Vertrag immerhin als Versuch Deutschlands, eine stelbstständige Politik zu betreiben. Die antisemitische Presse, wie Hitlers ,, Völkischer Beobachter ", sieht im Vertrag von Rapallo eine jüdische Verschwörung zur Verschacherung des deutschen Volkes. Die Ablehnung Rathenaus aus diesem Spektrum zeigt sich besonders deutlich im ,, Offenen Brief an Dr. Walther Rathenau " der in der ,, Mitteldeutschen Presse " erschien. ,, Denn in Russland ruht die öffentliche Macht in jüdischen Händen. Und Deutschland soll ebenfalls jüdischer Herrschaft unterworfen werden. "20 Diese Angriffe gipfeln sogar in Morddrohungen, wie sie zum Beispiel Alfred Roth in seinem Artikel ,, Deutschlands Bolschewisierung" vorbringt: ,, Wir harren der ,, kommenden Dinge ", erklären aber mit aller Deutlichkeit, [...]. wir sind zum äußersten entschlossen und bereit."21 Obwohl er von diesen Vorgängen weiß, sträubt Rathenau sich gegen Bewachungsmaßnahmen der Polizei.

2.) Die Organisation Consul:

Die Organisation Consul ist die Nachfolgeorganisation der Brigarde Ehrhardt, die nach dem Kapp - Putsch aufgelöst werden musste. Ihr Anführer und Gründer ist Kapitänleutnant Hermann Ehrhardt, der später in München unter dem Decknamen Consul Eichmann lebt. Anfangs besteht die O. C. aus zwei Teilen. In Norddeutschland sammeln sich die Anhänger des O. C. in der ,, Schiffsstammdivision Nordsee ", in Bayern hingegen bilden sich verschiedene Zellen mit Stärken zwischen 35 und 120 Mann. Das ändert sich 1921 als der Norden innerhalb der O. C. an Gewicht verliert. Da Norddeutschland bei einem kommunistischen Aufstand abgeschnitten wäre, wird beschlossen die Aktivitäten in den Süden der Republik zu verlagern. Nun kristallisiert sich München als Hauptstützpunkt der O. C. heraus. Hier wird am 10. Dezember 1920 auch die Bayrische Holzverwertungsgesellschaft m. b. H. gegründet, die von nun an als Tarnorganisation für die Zentrale fungiert. Im Sommer 1921 wird diese Zentrale in vier verschiedene Abteilungen untergliedert: 1.) Die Allgemeine Abteilung ( Abt. a ), die das Sammeln von Nachrichten und die Kontaktaufnahme zu anderen Organisationen zur Aufgabe hat; 2.) Die militärische Abteilung ( Abt. b ) ; 3.) die Presse - Abteilung ( Abt. c ), welche Einfluss auf die Zeitungen ausübt, die Richtlinien für die politische Arbeit an die Mitglieder weitergeben und die Zeitschrift ,, Der Wiking " herausgeben soll. Die vierte Abteilung beschäftigt sich mit den Finanz - und Verwaltungsgeschäften ( Abt. z ) der Organisation.22 Gegen Ende Mai 1921 verabschiedet man eine Satzung, worin sich die Organisation Consul als Geheimorganisation für jeden nationalgesinnten Deutschen sieht, jeden Fremdrassigen und vor allem Juden ausschließt. Als Ziel der Organisation wird die ,, Bekämpfung der antinationalen Weimarer Verfassung mit Wort und Schrift " ausgerufen. Über die militärische Stärke der Organisation Consul ist man sich auch heute noch im Unklaren. Die Schätzungen reichen von mindestens 5. 00023 bis hin zu 25. 000 Mann24. Es ist aber davon auszugehen, dass die O. C. im September 1921 mit samt der ihnen unterstellten Freikorps eine Stärke von 120. 000 Mann besessen hat. Der Plan der Organisation ist es, durch gezielte Aktionen einen Putsch von links zu provozieren, diesen dann niederzuschlagen und die Macht in Deutschland zu übernehmen. ,, Die Führer haben erklärt, einen Misserfolg wie in den Kapp - Tagen ein zweites Mal nicht erleben zu wollen. Darum soll die Gelegenheit eines Linksputsches abgewartet und ergriffen werden. "25 Diese Provokation wird von einer kleinen Eliteeinheit der O. C. übernommen, die durch Morde an politischen Gegnern und durch Terrorakte das politische Klima aufheizen sollen. ,, Wir dürfen nicht zuerst zuschlagen. Die Kommunisten müssen es tun [...] Man muss sie dazu zwingen. Man muss Scheidemann, Rathenau, Zeigner, Lipinski, Cohn, Ebert und die ganzen anderen November - Männer hintereinander killen. Dann wollen wir doch mal sehen, ob sie nicht hochgehen in Corona, die Rote Armee, die USPD, die KPD. "26

3.) Das Attentat auf Walter Rathenau am 24. 6.1922

Gegen halb 11 Uhr verlässt Walther Rathenau am 24. 6. 1922 seine Wohnung um ins Außwärtige Amt zu fahren, wo er Konsularsanwächter prüfen wollte. Er kehrt aber nochmals in sein Büro zurück und besteigt erst um 10. 45 Uhr27 seinen Wagen. Um 10. 50 Uhr sieht ein Augenzeuge ,, das Auto des Herrn Minister Rathenau in Richtung Halensee an mir vorüberfahren. [...] folgte dem ersten ein zweiter Wagen. "28 Ein anderer Augenzeuge sagt später aus: ,, der Wagen des Ministers fuhr scharf rechts, und [...] langsam. In demselben Moment sah ich einen zweiten Kraftwagen in einem schnelleren Tempo ankommen. "29 Am besten dokumentieren aber die Aussagen zweier Bauarbeiter, die sich auf einer Baustelle in der Königsallee befanden, den Ablauf des Geschehens. ,, Als der erste Wagen etwa noch 200 Meter von mir entfernt war, bemerkte ich, wie der hintere Wagen denselben zu überholen versuchte. In meiner Höhe fuhren beide Wagen Seite an Seite ¾ Meter auseinander. [...]Der in Fahrtrichtung links sitzende Mann beugte sich plötzlich nach vorn und erhob sich von seinem Sitz. Dann drehte er sich halbrechts seitwärts, und nun hörte ich plötzlich 8 - 10 Schüsse fallen". ,, Als der eine Mann mit dem Schießen fertig war, stand der andere auf, zog ab - es war eine Eierhandgranate - und warf sie in den anderen Wagen,[...]. Vorher war der Herr schon auf seinem Sitz zusammengesunken, ganz zusammengesunken, und lag auf der Seite. "30 Die erste, die Rathenau zur Hilfe kam war eine Krankenschwester, die nicht weit vom Tatort entfernt auf einer Bank gesessen hatte. ,, Als ich näher kam, sah ich, dass der Herr stark blutete am Gesicht und auch an den unteren Gliedmaßen und in dem Auto eine große Blutlache stand. "31 Während die Krankenschwester sich um den Minister kümmert, gelingt es dem Chauffeur den Wagen wieder zu starten. Da Rathenaus Haus nur 5 Minuten entfernt ist, beschließen sie ihn dorthin zu bringen. Nach Aussage der Krankenschwester starb Walther Rathenau auf dem Rückweg: ,, Ich stützte den Herrn, und auf der Fahrt zur Hundekeule bemerkte ich, dass er in meinen Armen verschied. "32 Der Arzt kann nur noch den Tod feststellen. Laut Obduktionsbericht ist Rathenau von fünf Schüssen getroffen worden, von denen direkt der erste Rückenschuss tödlich gewesen ist. Während die anderen Schüsse nur oberflächliche Verletzungen hervorrufen, durchbohrt dieser Schuss das Schulterblatt und verletzt die Wirbelsäule, die Brusthöhle und einen Lungenflügel. Der letzte Schuss durchdrang den Hals des Ministers und zerschmetterte seinen Unterkiefer. Die Handgranate zertrümmerte Rathenaus rechten Fuß und zerfetzte seine rechte Hand.

4.) Die gesellschaftliche Reaktion

Die Todesnachricht verbreitet sich in rasender Schnelle. Kurz nach 11 Uhr informiert Staatssekretär Haniel seinen Kollegen Ahrends, woraufhin dieser das Auswärtige Amt vom Mord an Rathenau in Kenntnis setzt. Um 11. 25 Uhr informiert der Reichskanzler dann den Reichstag. Gegen zwei Uhr erfährt dann die Öffentlichkeit durch die ersten Extrablätter von dem Attentat. Überall in Deutschland herrscht Entsetzen und Wut über die Bluttat. Sogar die rechte Presse distanziert sich zeitweise von den Mördern, bevor sie sich den Unruhen im Reichstag zuwendet und den Mord verdrängt. Der Regierung ist sofort klar, dass der Mord keine Einzeltat ist, sondern nur den Höhepunkt einer Reihe von Anschlägen aus rechtsradikalen Kreisen bildet. Da man weiß, dass diese Provokation von rechts nicht unbeantwortet bleiben wird, entschließt sich die Regierung zu handeln. So erlässt der Reichspräsident am 26. Juni 1922 die ,, Verordnung zum Schutze der Republik ". Am 21. Juli 1922 folgt dann das ,, Gesetz zum Schutze der Republik ". Hauptkernpunkt dieses Gestzes ist die Bildung eines Staatsgerichtshofes zum Schutze der Republik, vor dem vom 3. bis zum 14. Oktober 1922 die Verfahren gegen dreizehn am Rathenau - Mord Beteiligte geführt werden. Auch auf Grund dieser Maßnahmen kommt es nicht zur Revolte der linken Arbeiterschaft. Die Organisation Consul muss nun einsehen, dass ihre Provokationsstrategie gescheitert ist.

IV. Vergleich der beiden Mordtaten

Es dürfte klar geworden sein, dass die Morde nicht das Werk von Einzeltätern sind, sondern von dubiosen Vereinigungen vorbereitet wurden. Wenn man diese beiden Organisationen näher betrachtet, wird deutlich, dass der Führungszirkel der O. C. überwiegend mit den selben Personen besetzt war wie der des Germanenordens. Es liegt also nahe die Morde nicht isoliert zu betrachten, sondern nach Parallelen zu suchen. Dies erscheint vor allen Dingen deshalb sinnvoll, da Rathenau und Erzberger nicht die einzigen Attentatsopfer der frühen zwanziger Jahre waren. In den Jahren 1921 bis 1923 wurde Deutschland von einer Attentatsserie auf Repräsentanten der Weimarer Verfassung überrollt. Neben den hier behandelten wurden zum Beispiel auch Anschläge auf Phillipp Scheidemann und Maximilian Harden verübt. Das Ziel der Mörder hierbei war klar: Man wollte einen bolschewistischen Aufstand provozieren, um nach dessen Niederschlagung die politische Macht in die Hände einer ,, nationalen " Regierung zu legen.33 Die aus dem nationalistischen Milieu stammenden Täter haben aber durchweg auch persönliche Gründe für die Morde. Alle sind überzeugt, Deutschland einen Dienst erwiesen und einen großen ,, Volksfeind " besiegt zu haben. Die Verknüpfung der beiden Morde wird auch dadurch deutlich, dass Karl Tillessen, der Bruder des Erzberger - Mörders Heinrich Tillessen, bei den Vorbereitungen zum Attentat auf Walther Rathenau eine maßgebliche Rolle spielte. Anhand dieser Umstände lassen sich die erstaunlichen Parallelen der beiden Morde leicht erklären. Sowohl die O. C. als auch der Germanenorden zielen darauf ab, eine arische Herrenelite heranzubilden, die später die Macht übernehmen und das Land regieren soll. Deshalb stehen beide Organisationen nur einem kleinen, priviliegierten Teil der Gesamtbevölkerung offen. Einerseits ist das ein großer Vorteil, da die Mitglieder zu einer kleinen, verschworenen Gemeinschaft geformt werden. Andererseits wird das Mitgliederpotenzial aber so stark limitiert, dass es zwangsläufig zu Überschneidungen in den Mitgliedslisten kommen muss. So besteht zum Beispiel fast die gesamte Führungselite der O. C. aus ehemaligen Seefahrtsoffizieren, da diese den Anforderungen der Organisation am ehesten gerecht werden. Die starke Beteiligung vom Mitgliedern der Marine an den Morden liegt in der Revolution von 1918 begründet. Für die national und königstreu gesinnten Offiziere ist es eine tiefe Schmach, dass der Aufstand, der den König von seinem Thron vertrieb, von der Marine ausging. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass der König die Marine immer als sein besonderes Steckenpferd behandelt und große Hoffnungen in sie gesetzt hatte. Für die Offiziere bestand die einzige Chance diese Schmach zu beseitigen darin, sich dem Kampf gegen die Produkte der Revolution, den Weimarer Staat und die Demokratie, zu verschreiben.

V. Vergleich der Morde in der Weimarer Republik mit den politischen Morden in der BRD

1.) Die RAF

Ein Vergleich des Terrorismus in der Weimarer Zeit mit dem Terrorismus der RAF in der Budesreublik macht die Besonderheiten der Situation in der Weimarer Republik deutlich.

Die RAF - ,, Rote Armee-Fraktion " - entstand 1968 als linksradikale Terrororganisation aus dem radikalen Flügel der APO - ,, Außerparlamentarische Opposition " - und führte zunächst die Bezeichnung ,, Bader-Meinhoff-Gruppe ". Ihre ersten spektakulären Aktionen sind Brandanschläge auf zwei Kaufhäuser in Frankfurt und Banküberfälle. Die Legitimation ihres Handelns legt sie durch die beiden Positionspapiere ,, Das Konzept Stadtguerilla " ( April 1970 ) und ,, Über den bewaffneten Kampf in Westeuropa " ( September 1970 ) dar. Im Jahr 1972 eskaliert die Gewalt zwischen Staat und RAF, welche am 11. Mai 1970 ihre große " Mai - Offensive " startet. Bei mehreren Sprengstoff - und Bombenanschlägen, wie zum Beispiel gegen das europäische Hauptquartier der amerikanischen Armee in Heidelberg oder gegen den Axel - Springer - Konzern, werden insgesamt 4 Menschen getötet und 36 verletzt. Von diesem Zeitpunkt an radikalisert sich die Gruppe immer weiter und wird endgültig zu einer terroristischen Untergrundorganisation. Sie besetzt am 24. April 1975 die deutsche Botschaft in Stockholm und bringt zwölf Geiseln in ihre Gewalt. Als die Bundesregierung nicht auf ihre Forderungen eingeht, werden der Militärattaché Andreas von Mirbach und Botschaftsrat Heinz Hillegart brutal erschossen. Am 7. April 1977 beginnt mit der Ermordung des Generalbundesanwaltes Siegfried Buback und seiner Begleiter die Offensive der RAF gegen die Vertreter des kapitistischen Staates, die als ,, deutscher Herbst " in die Geschichte eingehen sollte. Die Entführung des Bankiers Jürgen Ponto am 30. Juli 1977 misslingt. Ponto wird schwer verletzt in ein Krankenhaus eingeliefert, wo er seinen Schussverletzungen erliegt. Als am 28. April Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan - Carl Raspe zu lebenslänglicher Strafe verurteilt werden, entführt das RAF - Kommando Siegfried Hausner - am 5. September den Arbeitgeberpräsidenten Hanns - Martin Schleyer. Seine drei Begleiter kommen dabei ums Leben. Das Ziel der RAF ist die Freipressung von elf politischen Gefangenen, deren Flugtransport in ein Land ihrer Wahl sowie eine Zahlung von je 100.000 DM an jeden der Häftlinge. Um diesen Anspruch zu untermauern, entführt das palästinensische - Kommando Martyr Halimeh - in Mogadishu / Somalia das deutsche Charterflugzeug ,, Landshut ". Als die GSG 9 das Flugzeug am 17. Oktober stürmt, findet der ,, deutsche Herbst " ein blutiges Ende. Die führenden Köpfe der RAF, Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan - Carl Raspe, begehen am 18. Oktober in ihren Gefängnisszellen Selbstmord. Arbeitgeberpräsident Hans - Martin Schleyer wird einen Tag später tot im Kofferraum eines Autos gefunden. Von diesem Vorgang erholt sich die RAF nie wieder. Sie bleibt jedoch eine terroristische Untergrundorgani-sation und verübt in den 80er Jahren weiterhin Anschläge auf Repräsentanten des Staates. Hierbei kommen zum Beispiel der Siemens - Manager Karl - Heinz Beckurts ( 9. 7. 1986 ), der Abteilungsleiter des Auswärtigen Amtes Gerold von Braunmühl ( 10. 10. 1986 ) und den Chef der Deutschen Bank Alfred Herrhausen ( 30. 11. 1989 ) ums Leben. Im April 1992 erklärt die RAF ihre bisherigen Methoden für überholt und bekräftigt den Verzicht auf ,, tödliche Aktionen ".

2.) Abschließender Vergleich der RAF mit der Organisation Consul:

Sowohl die RAF als auch die O. C. waren Vereinigungen, die auf den Sturz des herrschenden Systems, in beiden Fällen die Demokratie, hinarbeiteten. Die Entstehungsgründe lagen in beiden Fällen in der Vernachlässigung der Vergangenheitsbewältigung begründet. Unter diesem Aspekt ist auch die Ermordung Hanns - Martin Schleyers, dessen Leiche am 19. Oktober 1977 im Kofferraum eines Autos gefunden wird, zu betrachten. Schleyer, der am 1. Mai 1915 geboren wurde, tritt 1931 in die Hitler Jugend ein. Später wird er Mitglied in derßund der NSDAP. Mit der Zeit steigt er in der Nazi - Hierarchie immer weiter auf. Er wird erst ,, Amtsleiter " und 1938 dann Leiter des NS - Reichsstudentenwerks. 1941 wechselt er nach Prag, wo er bis zum Zusammenbruch des Regimes Leiter des Präsidialbüros im ,, Zentralverband der Industrie für Böhmen und Mähren "34 ist. Neben Schleyer nehmen in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik noch einige andere ehemalige Nazis Schlüsselpositionen in der deutschen Wirtschaft ein. Die Aktionen der RAF sind nur zu verstehen, wenn man diesen Hintergrund in seine Betrachtungen mit einbezieht. Auch die Taten der nationalistischen Verbände der Weimarer Republik lassen sich dadurch erklären, dass man die Umstände der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg entweder verdrängt oder, wie zum Beispiel Hindenburg und Ludendorff, vorsetzlich verschleiert hat. Die Dolchstoßlegende, die den Grundstein zur Ablehnung der Demokratie in weiten Teilen der Bevölkerung der Weimarer Republik legte, konnte nur entstehen, weil die Umstände der Revolution nie objektiv aufgearbeitet wurden. Der Hass der ,, Nationalen " gegen Menschen wie Matthias Erzberger wird nur dann ersichtlich, wenn man sich vor Augen hält, dass er für diese Menschen der deutschen Armee mit seinem Friedensangebot in den Rücken gefallen ist und den deutschen Sieg im Weltkrieg durch seine Unterschrift unter den Waffenstill-stand von Compiègne verraten hat. Trotz ihrer völlig unterschiedlichen Ideologien verfolgen RAF und O. C. erstaunlicher Weise die selbe Strategie: Durch eine Kette von Einzeltaten soll der Bürgerkrieg ausgelöst werden.35 Der Kampf der RAF zeichnet durch die geziehlte Ermordung von Repräsentanten des Staates und des Kapitals aus, um die Stabilität der Republik zu erschüttern. Dieses Ziel verfolgt auch die O. C. bei ihren Anschlägen auf Vertreter der Weimarer Republik. Auch innerhalb der Gruppenhierarchie gibt es erstaunliche Übereinstimmungen. Beide Gruppen unterstellen ihre Mitglieder einem starken Gruppenzwang. Die Beseitigung von Verrätern, bei der O. C. ,, Feme " genannt, war nach der Behauptung einiger Zeitungen auch in der RAF üblich. Die Gruppe streitet dies aber im ,,

Konzept Stadtguerilla " ab.36 Im Gegensatz zur O. C., die sich als geheime Eliteorganisation sieht, versucht die RAF hingegen ihre Aktionen in verschiedenen ,, Positionspapieren " vor der Öffentlichkeit zu rechtfertigen. Die Mitglieder der RAF sehen sich zwar auch als Avantgarde, die aber als Berufsrevolutionäre auf die ,, Polititisierung der Massen " hinarbeiten muss, welcher deshalb das Vorgehen der Gruppe nahe gebracht werden muss. Die O. C. hingegen versucht eine Diktatur zu errichten, in der die Politik einer kleinen Gruppe von Menschen vorbehalten ist. Sie nimmt mit der Öffentlichkeit keinen Kontakt auf , da das Verhalten der Massen für sie keine große Rolle spielt.37 Dies zeigt sich unter anderem im Kapp - Putsch, der vollkommen losgelöst von der Bevölkerung und nur mit Hilfe der Freikorps durchgeführt wird.

Wie unterschiedlich die Reaktionen der beiden Staaten auf die Morde waren, zeigt sich gerade in der Ähnlichkeit der Methodik beider Terrororganisationen. Die Regierung in der Weimarer Republik fand, eingekeilt zwischen Einflüssen von linker und rechter Seite, kein Mittel um den Attentaten wirksam zu begegnen. Das ,, Gesetz zum Schutze der Republik ", dass eigentlich gegen Täter von rechts gerichtet ist, wird zum Beispiel durch Druck der rechten Parteien und des Zentrums so verallgemeinert, das es der rechtskonservativen Justiz die Möglichkeit gibt, das Gesetz vor allem auf die Kommunisten anzuwenden. Die Regierung der BRD hingegen scheut sich nicht gegen die Terroristen vorzugehen. Die am 16. 1. 1976 erlassenen Paragraphen § 88a und § 130a , die verfassungsfeindliche Befürwortung von Straftaten und den Besitz von Schriften, die Gewalt befürworten, unter Strafe stellen, sind in ihrem Wesen dem Gesetz zum Schutze des Volkes zwar noch sehr ähnlich. Ein halbes Jahr später jedoch werden die ersten ,, Anti - Terror - Paragraphen " erlassen, in denen auch gegen Sympatisanten von Terrororganisation hart durch gegriffen wird. Der Staat scheut sich in seinem Kampf gegen die RAF auch nicht davor, die Verfassung zu verletzen. So werden die Gefangenen der RAF zum Beispiel streng von den anderen Häftlingen isoliert und vollkommen von der Außenwelt abgeschnitten. Gespräche zwischen den Gefangenen und ihren Anwälten werden abhört.38 Auch in der öffentlichen Meinung wurden die Taten beider Vereinigungen ganz unterschiedlich bewertet. Die Morde der O. C. werden zwar von der liberalen Presse mit Entsetzen aufgenommen und scharf verurteilt, haben aber andererseits eine Menge Befürworter in nationalistischen Zeitungen hinter sich. Die deutschen Zeitungen der 60er / 70er Jahre verdammen alle, mit Ausnahme einiger kleiner linksinterlektueller Zeitungen, den Terror der RAF. Besonders schwer wiegt hierbei, dass man sich, vor allem durch den Anschlag auf das Springer - Hochhaus am 19. Mai 1972, den Springer - Verlag und damit die Bild - Zeitung zum Feind macht39, welche daraufhin eine bis dahin nicht gekannte Hetzjagd gegen die Terroristen inszeniert. Auch die Polizei geht gegen die RAF wesentlich härter vor als gegen die O. C.. Während diese sogar teilweise von der Polizei unterstützt wird40, enden die Auseinandersetzungen zwischen RAF und Polizei schnell tödlich. Die überzogene Reaktion der Polizei zeigt sich schon bei den Studentenprotesten 1967, als der friedlich protestierende Student Benno Ohnesorg von einem Polizisten erschossen wird. Gegen die RAF geht die Polizei schon kurz nach ihrer Gründung sehr hart vor und trägt damit maßgeblich zur Verschärfung des Konfliktes bei. So wird zum Beispiel bei einer Großfahndung in West - Berlin am 4. Dezember 1971 der Student Georg von Rauch durch einen Kopfschuss getötet. Der Tote ist unbewaffnet und unterhällt nur lose Kontakte zu den Terroristen. Auch andere Personen werden von Polizisten überhastet in einer Atmosphäre der Hysterie erschossen. Allein in den Jahren 1970 bis 1972 sterben drei Polizisten und 3 Mitglieder der Terrorgruppe. Die Justiz urteilt alle mit der RAF in Verbindung stehenden Personen ohne Unterschied rigoros ab. Der friedliche Linke Fritz Teufel wird 1975 wegen Mittäterschaft bei der Ermordung des Kammergerichtspräsidenten Günther von Drenkmann, der Entführung des Berliner CDU - Vorsitzenden Peter Lorenz und mehrerer Banküberfälle festgenommen. Als der Staatsanwalt eine Haftstrafe von 15 Jahren Gefängniss fordert, gilt seine Verurteilung als sicher. Nach viereinhalb Jahren in Untersuchungshaft kann Teufel jedoch ein lückenloses Alibi vorweisen, das seine Unschuld eindeutig beweist und muss freigelassen werden.41 Die RAF - Aktivisten Christian Klar und Christiane Mohnhaupt werden von deutschen Gerichten zu jeweils fünfmal lebenslänglich und 15 Jahren Haft verurteilt. Die Einstellung der Justiz in der Weimarer Republik gegenüber Attentätern von rechts ist eine vollkommen andere. Die Richter, von denen ein Großteil schon während der Monarchie im Amt war, attestieren ihnen eine ,, nationale " Einstellung. Das Strafmaß blieb meist weit unter dem linker Aktivisten. So erhält zum Beispiel der der ehemalige Fähnrich Oltwig von Hirschfeld nach seinem Attentat auf Matthias Erzberger vor dem Berliner Gerichtsgebäude ( 26. Januar 1920 ) nur eine Haftstrafe von 18 Monaten. Das Gericht bescheinigt ihm, dass er ,, sonst von idealer Gesinnung "42 sei.

Die RAF sieht sich in den ersten Jahren, im Gegensatz zur O. C., nicht primär als kriminelle Terrororganisation, sondern will die Verbindung zwischen ,, legalem und illegalem, [...], zwischen politischem und bewaffneten Kampf, zwischen der strategischen und der taktischen Bestimmung der internationalen kommunistischen Bewegung sein ".43 Vom Jahr 1972 an wird die Stimmung gegen die RAF so weit aufgeheizt, dass eine neutrale oder gar positive Auseinandersetzung mit der RAF nicht mehr möglich ist. So ergeht es auch den Schriftstellern Erich Fried, Günter Grass und vor allem Heinrich Böll, deren Forderung nach Verständnis und Fairness gegenüber den Terroristen als Sympathiebekundung mit den Morden ausgelegt wird. Die RAF wird durch diese Entwicklung immer weiter in die Rolle einer Geheimorganisation hineingetrieben. Dies erkennt man auch daran, dass die Herausgabe von Positionspapieren 1973 plötzlich eingestellt wird. Da die Öffentlichkeit nicht mehr die Möglichkeit hat zu den Schriften ihre freie Meinung zu äußern, zieht sich die RAF von ihr zurück und kämpft im Untergrund mit noch höherer Brutalität weiter. Festzuhalten bleibt, dass es der O. C., ähnlich wie der RAF, nicht gelungen ist, den Staat zu beseitigen. Ihr Plan war es, die linken Kräfte so lange zu provozieren bis diese einen Bürgerkrieg beginnen. Nach dem Mord an Walther Rathenau muss der Führerungszirkel der Organisation erkennen, dass die gemeinschaftlichen Demonstrationen zehntausender Anhänger aller Parteien vom Zentrum bis zur KPD, sowie der christlichen und sozialdemokratischen Gewerkschaften zum Gedenken des Toten friedlich verlaufen. Der Plan der O. C. ist gescheitert. Diese Erkenntnis ist für die O. C. ein ähnlich schwerer Schlag wie es der ,, deutsche Herbst " für die RAF ist. Die Organisation Consul spielt in der Geschichte der Weimarer Republik keine grosse Rolle mehr, existiert aber weiter. Die Geschichte der Organisation Consul endet am 26. August 1933, als ihr Gründer Herrmann Ehrhardt den inzwischen unbedeutenden Geheimbund an den Reichsführer derßHeinrich Himmler übergibt.

VI. Quellenverzeichnis:

Berglar, Peter: Walther Rathenau, Graz/ Wien / Köln 1987

Epstein, Klaus: Matthias Erzberger und das Dilemma der deutschen Demokratie , BerlinFrankfurt/ Main 1962

Eschenburg, Theodor: Matthias Erzberger, München 1973

Gebhardt, Cord: Der Fall des Erzberger - Mörders Heinrich Tillessen, Tübingen 1995 Grässle - Münscher, Josef: Kriminelle Vereinigungen, Hamburg 1991 Hoffmann, Martin (Hrsg. ID - Verlag ) : Rote Armee Fraktion, 1997 Berlin Jones, Nigel H.: ,,Hitler`s Heralds , London 1987

Krüger, Gabriele: Die Brigarde Ehrhardt , Hamburg 1971

Meyer, Till: Staatsfeind, Hamburg 1996

Plat, Wolfgang: Attentate , Düsseldorf und Wien 1982

Sabrow, Martin: Der Rathenaumord ( Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte: Schriftenreihe; Bd. 69), München 1994

Sabrow, Martin: Mord und Mythos. Das Komplott gegen Walther Rathenau 1922, in: Demandt, Alexander (Hrsg.): Das Attentat in der Geschichte, Köln 1996

Wilde, Harry: Der Politische Mord , Bayreuth 1962

[...]


[1] Genauere Angaben zur Person Karl Helfferichs: Cord Gebhardt, Der Fall des Erzberger- Mörders Heinrich Tillessen, Tübingen 1995, S. 351

[2] Erzberger hatte, um auch den rechten Flügel seiner Partei zu überzeugen, einen Geheimbericht des österreichischen Außenministers an den deutschen Kaiser bekannt gegeben, aus dem hervorging, dass Österreich den Krieg nicht über das Jahr 1917 hinaus fortsetzen könnte. Dieser Bericht wurde wohl auch der Entente bekannt.

[3] Klaus Epstein, Matthias Erzberger und das Dilemma der deutschen Demokratie, Berlin - Frankfurt / Main 1962,

S. 374

[4] Theodor Eschenburg, Matthias Erzberger, München 1973, S. 158

[5] So eine Aussage seiner Tante Maria Tillessen, Mannheim 10.11.1921, zitiert aus : Cord Gebhardt, Der Fall des Erzberger - Mörders Heinrich Tillessen, S. 16

[6] Nähere Angaben zu Hermann Ehrhardt: Ebenda, S. 350 f.

[7] vgl. Klaus Epstein, Matthias Erzberger und das Dilemma der deutschen Demokratie, S. 434

[8] Nähere Informationen zur Organisation Consul finden sich in Kapitel III / 2 meiner Arbeit.

[9],, Satzung des Germanenordens" zitiert aus: Klaus Epstein, Matthias Erzberger und das Dilemma der deutschen Demokratie, S. 435

[10] Zitiert aus dem Flugblatt ,, Gedenke, daß du ein Deutscher bist ", Martin Sabrow, Der Rathenaumord, München 1994 S. 46

[11] Aussage Schulz, Offenburg den 2. 3. 1950, zitiert aus: Cord Gebhardt, Der Fall des Erzberger - Mörders Heinrich Tillessen, S. 38, vgl. Klaus Epstein, Matthias Erzberger und das Dilemma der deutschen Demokratie, S. 435

[12] STAF: STA Offenburg 1984/153 lfd. Nr.1, S. 199 ff ( Aussage Tillessen, Freiburg den 5. 8. 1946 ); zitiert aus: Cord Gebhardt, Der Fall des Erzberger - Mörders Heinrich Tillessen, S. 41

[13] Klaus Epstein, Matthias Erzberger und das Dilemma der deutschen Demokratie, S. 431

[14] Martin Sabrow, Der Rathenaumord, S. 19

[15] Ebenda

[16] Gabriele Krüger, Die Brigade Ehrhardt, Hamburg 1971, S. 90

[17] Peter Berglar, Walther Rathenau, Graz / Wien / Köln 1987

[18] Roth, Gerichtsvollzieheramt der Entente, zitiert aus: Martin Sabrow, Der Rathenaumord, S. 77

[19] Alldeutscher Verband, Hochschulring deutscher Art, Nationalverband deutscher Offiziere, die Thule Gesellschaft, Verband national gesinnter Soldaten, Bayrische Mittelpartei, Bayrischer Ordnungsblock, Bund Oberland und deutscher Schutz- und Trutzbund; zitiert aus: Ebenda, S. 79

[20]Hottenrott, Offener Brief; Ebenda, S. 80

[21] Ebenda, S. 80/81

[22] Gabriele Krüger, Die Brigade Ehrhardt, S. 78

[23] Aussage Hoffmann, 31.10. 1921, Martin Sabrow, Der Rathenaumord, S. 39

[24] Aussage Werber, 3. 12. 1921, Ebenda

[25] Aussage Lauch, 1. 10. 1921, Ebenda, S.40

[26] Gabriele Krüger, Die Birgade Ehrhardt, S. 88

[27] Entnommen aus dem Bericht des Polizeiamtes Willmersdorf, 24. 6 .1922, Martin Sabrow, Der Rathenaumord, S. 86

[28] Bericht des Augenzeugen Polizeiwachtmeister Apelt vom 24. 6. 1922, Ebenda

[29] Aussage der Postschaffners Pradelt, 25. 6.1922, Ebenda, S.87

[30] Aussagen der Bauarbeiter Schneider und Krischbin 25.6. 1922, letztere zitiert aus: Vossische Zeitung, 25. 6. 1922

[31] Aussage Helene Kaiser, 26. 6. 1922, aus: Martin Sabrow, Der Rathenaumord, S.88

[32] Aussage Helene Kaiser, 26. 6. 1922, Ebenda

[33] Siehe auch: Ausführungen zur O. C. auf S.12 meiner Arbeit

[34] vgl. Wolfgang Plat, Attentate, Düsseldorf und Wien 1982, S. 308/ 09

[35] ,, Das Konzept Stadtguerilla " aus: Martin Hoffmann, Rote Armee Fraktion, Berlin 1997, S. 27 ff

[36] Ebenda

[37],, Es könnten Fälle auftreten, wo einige Hundert oder weniger entschlossene Männer vorübergehend gebraucht werden.", zitiert aus: Martin Sabrow, Der Rathenaumord, S. 42

[38] Martin Hoffmann, Rote Armee Fraktion, S. 180

[39],, Enteignet Springer! Enteignet die Feinde des Volkes! " Erklärung der RAF vom 20. Mai 1972

[40] So verhalf der Müchner Polizeichef den Mördern Erzbergers eigenhändig zur Flucht

[41] vgl. Wolfgang Plat, Attentate, S. 299 ff.

[42] Martin Sabrow, Der Rathenaumord, S. 18

[43],, Das Konzept Stadtguerilla " aus: Martin Hoffmann, Rote Armee Fraktion, S. 48

Final del extracto de 24 páginas

Detalles

Título
Die politischen Morde in der Weimarer Republik an den Beispielen Matthias Erzbergers und Walter Rathenaus
Calificación
N.N.
Autor
Año
2000
Páginas
24
No. de catálogo
V97635
ISBN (Ebook)
9783638960878
Tamaño de fichero
483 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Morde, Weimarer, Republik, Beispielen, Matthias, Erzbergers, Walter, Rathenaus
Citar trabajo
Johannes Wolff (Autor), 2000, Die politischen Morde in der Weimarer Republik an den Beispielen Matthias Erzbergers und Walter Rathenaus, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97635

Comentarios

  • No hay comentarios todavía.
Leer eBook
Título: Die politischen Morde in der Weimarer Republik an den Beispielen Matthias Erzbergers und Walter Rathenaus



Cargar textos

Sus trabajos académicos / tesis:

- Publicación como eBook y libro impreso
- Honorarios altos para las ventas
- Totalmente gratuito y con ISBN
- Le llevará solo 5 minutos
- Cada trabajo encuentra lectores

Así es como funciona