Ivo von Chartres und der Investiturstreit in Frankreich

Die Interpretation der Investitur in Brief 60


Hausarbeit (Hauptseminar), 2019

27 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Streitschriften als literarische Auseinandersetzung mit der Investitur

2 Ivo von Chartres und der Investiturstreit in Frankreich Die Interpretation der Investitur in Brief
2.1 Hintergrund und Inhalt des Briefes
2.1.1 Hintergrund: Der Streit um die Neubesetzung des Bistums Sens
2.1.2 Inhalt: Die Machtansprüche des Primas Hugo von Lyon und das Investiturproblem
2.2 Stellungnahme zum Investiturproblem
2.2.1 Die concessio als nicht-sakramentaler Akt
2.2.2 Das Investiturverbot als veränderliches Gesetz
2.2.3 Die Irrelevanz von Symbolen

3 Fazit und Ausblick: Ivo von Chartres‘ Wirkung im Investiturstreit

Quellen- und Literaturverzeichnis

1 Streitschriften als literarische Auseinandersetzung mit der Investitur

Der Investiturstreit wurde nicht nur politisch ausgetragen, sondern spielte sich auch auf der literarischen Ebene ab.1 Die sogenannte „Streitschriftenliteratur“ des elften und zwölften Jahrhunderts nahm Stellung zu den wichtigen zeitgenössischen Fragen wie zur Simonie, Häresie, Priesterehe oder zur Symbolik von Ring und Stab, wobei das Investiturproblem als solches erst um die Jahrtausendwende in den Mittelpunkt der Diskussion rückte.2 Die äußere Form der Streitschriften war sehr vielseitig (z.B. Traktat, Brief, Gedicht), sodass nicht von einer einheitlichen Quellengattung gesprochen werden kann. Vielmehr lässt sich „die Subsumierung unter einen Oberbegriff“3 zurückführen auf die allen Schriften gemeinsame diskursive Zielsetzung der richtungsgebenden Stellungnahme, die man grob in drei Positionen einteilen kann: Königstreue, papsttreue und zwischen den Standpunkten vermittelnde Autoren. Zu den Letzteren zählt beispielsweise der Erzbischof Ivo von Chartres, der sich bemühte, grundsätzlich bei allen Problemfragen einen Kompromiss zwischen den Parteien zu erreichen – so auch im Investiturstreit.4

Die vorliegende Hausarbeit geht der Frage nach, wie Ivo in seinem berühmten Brief 60 – „perhaps the one letter Ivo was, and is, best known for“5 – die Investitur interpretiert und seine Stellungnahme begründet. Dabei lassen sich seine Ausführungen im Wesentlichen in drei Aspekte einteilen: Erstens definiert Ivo die königliche Investitur als concessio ohne sakramentalen Charakter. Zweitens seien Investiturgebote oder -verbote Teil des veränderlichen Menschenrechts. Und drittens käme der Anwendung von Symbolen keine Bedeutung zu. Bei der Bearbeitung der Fragestellung liegt der Fokus stets auf Brief 60, doch es werden für eine umfassende Interpretation ebenfalls andere Briefe vergleichend oder ergänzend herangezogen sowie intertextuelle Bezüge zu Ivos anderen Werken (Decretum, Prologus) hergestellt. Um außerdem die grundlegende Problematik um die Deutung der Investitur zu veranschaulichen, sollen beispielhaft Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Ivos Aussagen und denen anderer Publizisten aufgezeigt werden. Bevor es aber im zweiten Teil der Arbeit um die „théorie chartraine“6 geht, gilt es den Brief zunächst in den geschichtlichen Gesamtzusammenhang einzuordnen, indem dessen Hintergrund und Inhalt näher erläutert werden. Ivo schreibt nämlich nicht nur über das Investiturproblem, sondern kritisiert auch die primatialen Machtansprüche seines Adressaten Hugo von Lyon, die den Konflikt um die Neubesetzung des Bistums Sens erst auslösten. Den Abschluss der Arbeit bildet eine Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse mit einem kurzen Ausblick auf Ivos Wirkungskraft im Investiturstreit.

Was den aktuellen Forschungsstand betrifft, lässt sich zwar sagen, dass die Erforschung der Investitur ein „Klassiker“ der deutschen Mediävistik darstellt, allerdings gilt dies hauptsächlich in Bezug auf den deutschen Investiturstreit.7 Das wissenschaftliche Interesse am französischen Investiturproblem, geschweige denn an Ivo von Chartres‘ Investiturtheorie, scheint während der letzten 40 Jahre in der deutschsprachigen Forschung tendenziell abgenommen zu haben, sodass Forschungsarbeiten aus dem späten 19. und aus dem 20. Jahrhundert wie die von Carl Mirbt (1894), Anton Scharnagl (1908), Alfons Becker (1955), Hartmut Hoffmann (1959) und Rolf Sprandel (1962) noch immer eine wichtige literarische Grundlage bilden.8 Abgesehen von der englischsprachigen Monographie von Christof Rolker (2010) kann man zurzeit keine im Hinblick auf die Fragestellung relevante größere Publikation finden.9 Genauso schwierig gestaltet sich die Suche nach neueren Quelleneditionen, weshalb Ivos Briefe 58-60 nach der Edition von Leclercq (1949) und weitere für die Hausarbeit herangezogene Schreiben nach der zweiten Juret-Ausgabe (1610) zitiert werden. Schließlich basiert die Quellenanalyse der Schreitschriftenliteratur im zweiten Teil der Arbeit auf dem zweiten MGH-Band der als Libelli de lite bekannten Sammlung.10

2 Ivo von Chartres und der Investiturstreit in Frankreich Die Interpretation der Investitur in Brief 60

2.1 Hintergrund und Inhalt des Briefes

Der Brief ist, wie man dem Präskript entnehmen kann, an den päpstlichen Legaten Hugo, den Erzbischof von Lyon, gerichtet (Hugoni Lugdunensi archiepiscopo sedis apostolicae legato) und verrät gleich zu Beginn den Grund für die Kontaktaufnahme: Die von Hugo untersagte Weihe des Daimbert, die Ivo nach dessen Wahl zum Nachfolger des verstorbenen Erzbischofs Richer von Sens durchführen sollte (vgl. manus a consecratione Senonensis electi continuimus)11. Bevor näher auf den Inhalt des Briefes eingegangen wird, soll dessen Hintergrund, der Streit um die Bistumsbesetzung von Sens, erläutert werden.

2.1.1 Hintergrund: Der Streit um die Neubesetzung des Bistums Sens

In der Forschung herrscht Einigkeit darüber, dass es in Frankreich keinen „klassischen“ Investiturstreit gab.12 Dieser äußerte sich hingegen in den vielen Streitigkeiten um Bistumsbesetzungen des späten elften und frühen zwölften Jahrhunderts, die vielmehr regionale, teils persönliche Auseinandersetzungen der Beteiligten im Kontext kirchenpolitischer Fragen wie der Simonie, Laieninvestitur oder des Lehnseids darstellten als einen existentiellen Machtkampf zwischen dem Papst und dem französischen König um ihre Vormachtstellung.13 Der Konflikt um Sens entwickelte sich in erster Linie aus den Primatsansprüchen des Hugo von Lyon14, der anfangs 1074 von Papst Gregor VII. zum Legaten für Frankreich und Burgund ernannt, aber nach seiner kurzeitigen Exkommunikation unter Viktor II. und seiner entzogenen Legatenwürde von Urban II. im Jahr 1094 als Primas von Lyon wiedereingesetzt wurde.15 Hugos radikale und kompromisslose Reformansichten hatten zahlreiche Absetzungen, Suspendierungen sowie Exkommunikationen von Geistlichen zur Folge, wovon ebenso Richer von Sens betroffen war. Er wies Hugos vom Primatialrecht abgeleiteten Anspruch auf Unterordnung der Kirchenprovinzen Rouen, Tours und Sens unter die Vormacht der Kirche von Lyon entschieden zurück. Von einer solchen Verweigerung hatte Ivo allerdings, als Richer trotz vergangener Feindseligkeiten zwischen ihnen sich ratsuchend an ihn wendete,16 zumindest fürs Erste abgeraten, falls die Unabhängigkeit von Sens nicht mit Hilfe schriftlicher Sonderrechte des Apostolischen Stuhls bewiesen werden könne.17 Auf Richers Suspendierung hin wurde er gemäß einem alten Privileg von Chartres zum geistigen Verwalter der Provinz Sens und setzte sich als Hugos Gegenspieler für ihre Freiheit ein. Die beiden Erzbischöfe waren zuvor bereits im Rahmen der Bistumsbesetzungen Paris, Beauvais und Orléans in Konflikt geraten. Die Fronten verschärften sich schließlich, als kurz nach dem Tod des suspendierten Erzbischofs der Diakon Daimbert zu dessen Nachfolger gewählt wurde.18

Der Klerus von Sens bat daraufhin Ivo als zuständigen Erzbischof, Daimbert an dem Sonntag nach der Mariä Lichtmess (2. Februar) zu weihen, was er allerdings laut kanonischen Vorschriften (vgl. apostolica institutio et paterni canones) nicht als legitima tempora bewertete.19 Außerdem müssten aufgrund gewisser Hindernisse vor dessen Weihe Unterredungen über das weitere Vorgehen gehalten werden. Damit bezog sich Ivo sicherlich auf die notwendige Berücksichtigung der königlichen Interessen (vgl. colloquium regis) sowie auf das von Hugo eingeforderte Primat von Lyon.20 Aus diesem Grund wollte sich Ivo in seinem Brief über den Besetzungsstreit in Orléans21 Hugos offizielle Zustimmung zur Weihe einholen, indem er ihn über die Wahl in Sens benachrichtigte und gleichzeitig die Eignung des gewählten Daimbert hervorhob:

De caetero itaque consulo sollicitudinem vestram ut mihi rescribatis quid nobis agendum sit de Daimberto Senonensis ecclesiae electo, quem, licet nobis inconsultis electum, Senonenses clerici offerunt in initio quadragesimae ordinandum, ac denuo in episcopum consecrandum. Commendant enim eum satis accurate electores eius et generis nobilitate, et morum honestate, et publicarum actionum strenuitate. Cuius electio si iuxta vobis videtur, petimus ut nullas moras innectatis; si iniusta, qua lege differenda vel cassanda me et suffraganeos meos sic litteris vestris instruatis, ut nec uni nec alteri, sed omnibus hoc onus imponatis. 22

Jedoch erteilte Hugo seine Einwilligung nicht und beharrte weiterhin auf seine Amtsbefugnisse als Primas. Obwohl Urban II. über die Kompetenzüberschreitung seines Legaten informiert wurde,23 konnte Hugo sich zunächst auf seine volle Unterstützung verlassen. Weil Ivo angeblich beim Papst in Ungnade gefallen war, sah er es für notwendig an, sich in einem weiteren Schreiben zu rechtfertigen und sogar seinen Rücktritt zu verlangen.24 Aber dazu kam es nicht. Denn um durch eine Amtsniederlegung des Ivo ausgelöste Streitigkeiten zu vermeiden, bekam Daimbert seine Bischofsweihe letztlich von Urban II. selbst erteilt, ohne dass er das Primat von Lyon anerkannte.25 Hugo musste sich also geschlagen geben, nachdem er sich dem Daimbert lange widersetzt hatte. Die Begründung seiner ablehnenden Haltung lässt sich aus Ivos Brief 60 herauslesen, dessen Inhalt es im anschließenden Gliederungspunkt zu analysieren gilt.

2.1.2 Inhalt: Die Machtansprüche des Primas Hugo von Lyon und das Investiturproblem

Anhand von Ivos Aussagen kann man darauf schließen, dass Hugo die Bischofswahl von Sens aus zweierlei Gründen verneinte: Zum einen solle Daimbert vor seiner Weihe sein Primat über Sens anerkennen (vgl. praecipiendo ut Senonensis electus ante consecrationem suam vobis praesentetur et iure primatus vestri subiectionem et obedientiam profiteatur)26, zum anderen sei er aufgrund seiner vom König erhaltenen Investitur ohnehin als Bischof inakzeptabel (vgl. scripsisti praedictum electum investituram episcopatus de manu regis accepisse)27. Diese Begründung löste eine lange Erörterung sowohl über die legitimen Ansprüche eines Primas‘ als auch über das Wesen der Investitur aus.

Zu Beginn seines Briefes kritisiert Ivo die Hartnäckigkeit (vgl. ea […] tam obnixe servanda sancitis) sowie Willkürlichkeit (vgl. prout vultis) des Hugo, die ihn zum Ungehorsam zwängen (vgl. in inobedientiam labi), wenn er von seinen Forderungen abweiche, um die antiken Vorschriften zu berücksichtigen.28 Denn diese stünden über Hugos Ansprüchen, wie er anhand der rhetorischen Frage verdeutlicht: attendere debet prudentia vestra […] quorum institutio sit potius tenenda, vel quibus obedientia potius sit exhibenda: qui adhuc nobis in scriptis suis loquuntur, an vobis quibus nihil est aliud propositum, nisi priorum sequi et honorare vestigia 29. Ferner konkretisiert Ivo seine Kritik, indem er dem Primas direkt vorwirft, den sancti patres eben nicht Folge zu leisten, sondern „die alten Traditionen und Bräuche (veteres traditiones et consuetudines) durch private Gesetze und neue Traditionen (privatae leges et novae traditiones) zu ersetzen“. Zudem stellt er klar, dass es zwar generell möglich sei „gegen neue Missbräuche neue Verordnungen zu erlassen“ (contra novos excessus […] nova promulgare mandata), doch nur im kanonisch vorgegebenen Rahmen.30 Folglich lehnte der Erzbischof von Chartres nicht die primatialen Befugnisse des Hugo an sich ab, sondern das unrechtmäßige Ausmaß seiner Forderungen. Dies lässt sich ebenso an seinem Entgegenkommen festmachen, Daimbert von der Anerkennung des Primats von Lyon überzeugen zu wollen, allerdings erst nach der Weihe und gemäß der traditiones Patrum.31

Um seine Behauptung gegen Hugo zu beweisen, zitiert Ivo hauptsächlich aus mehreren Briefen und Bestimmungen verschiedener Päpste, namentlich des Zozimus, Gregor I., Leo IV., Nicolaus I., Gelasius I. und Leo I., die auch in seiner Kirchenrechtsammlung Decretum angeführt werden.32 In Form einer „additiven Argumentation“33 bringt er insgesamt zehn solcher Zitate vor und macht auf weitere allgemeine Verordnungen aufmerksam, die Hugos Kompetenzüberschreitung belegen könnten.34 Dabei tauchen in allen Textstellen Schlagworte wie consuetudo, traditio, antiquitas oder patres auf, wodurch ihre gemeinsame Kernaussage nur noch mehr veranschaulicht wird: Die Gebote der Heiligen Väter dürtfen von niemandem, nicht einmal vom Papst selbst, missachtet werden.35 Dies gelte deshalb nach Nikolaus I. ebenfalls für Primasse, die „keine Privilegien über andere Bischöfe haben, als denen, die ihnen durch die heiligen Kanones oder durch alte Bräuche gewährt wurden“36. Darüber hinaus könne Hugo sich genauso wenig auf sein Amt als päpstlicher Legat berufen, denn laut einer Anordnung des Leo I. seien „rechtmäßige Wahlen“ (iustae […] electiones) – wie des Kandidaten Daimbert – nicht zu verschieben oder zu verhindern.37 Ivo geht schließlich sogar so weit, dass er ihn, wenn auch indirekt, aufgrund seiner unrechtmäßigen Machtansprüche mit den Worten des Gelasius I. der ambitiones illicitas bezichtigt, wodurch er tatsächliche Schandtaten vernachlässige.38

[...]


1 Siehe zum Quellenbegriff „Investiturstreit“ und dessen Akzentverschiebung in der Moderne Töbelmann, Paul: Stäbe der Macht. Stabsymbolik in Ritualen des Mittelalters (= Historische Studien, Bd. 502), Husum 2011, S. 210 mit Anm. 737.

2 Vgl. Mirbt, Carl: Die Publizistik im Zeitalter Gregors VII., Leipzig 1894 (ND 1965), S. 73 / 529 und Münsch, Oliver: Fortschritt durch Propaganda? Die Publizistik des Investiturstreits zwischen Tradition und Innovation. In: Jarnut, Jörg / Wemhoff, Matthias (Hrsg.): Vom Umbruch zur Erneuerung? Das 11. und beginnende 12. Jahrhundert. Positionen der Forschung (= Mittelalter Studien des Instituts zur Interdisziplinären Erforschung des Mittelalters und seines Nachwirkens, Bd. 13), München u.a. 2006, S. 151-167, hier S. 157. Vgl. außerdem Becker, Alfons: Studien zum Investiturproblem in Frankreich. Papsttum, Königtum und Episkopat im Zeitalter der gregorianischen Kirchenreform (1049–1119) (= Schriften der Universität des Saarlandes), Saarbrücken 1955, S. 138 f., der die Entwicklung der theoretischen Diskussion über die Investitur in Frankreich erläutert.

3 Münsch 2006, S. 153. Vgl. auch Töbelmann 2011, S. 211 f.

4 Vgl. Becker 1955, S. 141 und Mirbt 1894, S. 535 f.

5 Rolker, Christof: Canon Law and the letters of Ivo of Chartes (= Cambridge studies in medieval life and thought, Bd. 76), Cambridge 2010, S. 2. Die Nummerierung der Briefe folgt, wie in der Forschung üblich, der zweiten Ausgabe von Juret: Ivo von Chartres: Ivonis episcopi carnotensis epistolae, ed. F. Juret, Paris 21610.

6 Hoffmann, Hartmut: Ivo von Chartres und die Lösung des Investiturproblems, Deutsches Archiv 15 (1959), S. 393-440, hier S. 393.

7 Vgl. Beulertz, Stefan: Das Verbot der Laieninvestitur im Investiturstreit (= Studien und Texte, Bd. 2), Hannover 1991, S. 1.

8 Mirbt 1894; Becker 1955; Hoffmann 1959; Sprandel, Rolf: Ivo von Chartres und seine Stellung in der Kirchengeschichte (= Pariser historische Studien, Bd. 1), Stuttgart 1962; Scharnagl, Anton: Der Begriff der Investitur in den Quellen und der Literatur des Investiturstreites (= Kirchenrechtliche Abhandlungen, Bd. 56), Stuttgart 1908 (ND Amsterdam 1965).

9 Rolker 2010.

10 Ivo von Chartres: Correspondence. Tome I (1090–1098) (= Les classiques de l’histoire de France au Moyen Âge, Bd. 22), ed. und übers. J. Leclercq, Paris 1949; Juret 21610; Libelli de lite imperatorum et pontifi cum saeculis XI. et XII. conscripti (= MGH, Bd. 9), ed. E. Dümmler, L. von Heinemann, F. Thaner und E. Sackur, Bd. 2., Hannover 1892 (im Folgenden als Ldl abgekürzt). Bei den deutschen Übersetzungen der zitierten Quellenpassagen handelt es sich stets um eigene.

11 Ep. 60, S. 238.

12 Vgl. z.B. Beulertz 1991, S. 129, Sprandel 1962, S. 117, Schwarz, Willi: Der Investiturstreit in Frankreich I, Zeitschrift für Kirchengeschichte 42 (1923), S. 255-328, hier S. 256 und Zey, Claudia: Der Investiturstreit (= C.H. Beck Wissen, Bd. 2852), München 2017, S. 89. Die jüngste Monografie aus dem deutschsprachigen Raum, die einen Überblick über den „klassischen“ oder „deutschen“ Investiturstreit gibt, ist die von Johrendt, Jochen: Der Investiturstreit (= Geschichte kompakt), Darmstadt 2018.

13 Vgl. Becker 1955, S. 94 / 134, der diesen Umstand anhand der (kirchen-)politischen sowie geistigen Verhältnisse in Frankreich erklärt (S. 89 f. / 93/ 139-142). Zu den französischen Bistumsbesetzungen siehe ebd., S. 94-99 / 102-104, Beulertz 1991, S. 129-132 (v.a. Paschalis II.) und Sprandel 1962, S. 122 f.

14 Auch bekannt unter dem Namen Hugo von Die, vgl. z.B. Chomel, Vital: LexMa 5. CD-ROM-Ausgabe, Sp. 166, s.v. Hugo (22. Hugo v. Die).

15 Vgl. Schwarz 1923, S. 286 f. und Ders.: Der Investiturstreit in Frankreich II, Zeitschrift für Kirchengeschichte 43 (1924), S. 92-150, hier S. 93 / 98 / 102 f. Paschalis II. dagegen bestätigte Hugos Tätigkeit als päpstlicher Vertreter nicht (vgl. Schwarz 1924, S. 124).

16 Zum genauen Hintergrund der Auseinandersetzung zwischen Ivo und Richer, der ihm 1090 die Weihe versagte, siehe Beulertz 1991, S. 114 und Schwarz 1924, S. 97-100. Siehe auch ep. 12, ed. Juret 21610, S. 24-26. Rolker 2010, S. 18 ordnet diese ambivalente Beziehung zu den „overlapping lines of conflict“ ein, die die zeittypische Wechselhaftigkeit von Kooperationen und Konflikten beschreiben (vgl. S. 17).

17 Vgl. ep. 50, ed. Juret 21610, S. 90 f.: De veteri querela quam habet adversus Senonensem ecclesiam Lugdunensis ecclesia, laudo et consulo ut, si qua habetis privilegia, apostolica manu roborata vel scripta authentica, quae primatum Lugdunensis ecclesiae […] ab ecclesia vestra removeant, et libertatem […] eidem ecclesiae defendant, ea confratribus nostris ostendatis et eadem parvitati nostrae transmittatis […] . Quae si modo ad manum non habetis, non est consilium meum ut contra torrentem brachia dirigatis, imo apostolicis sanctionibus interim acquiescatis […] („In Bezug auf den alten Streit, den die Kirche von Lyon gegen die Kirche von Sens hat, lobe und rate ich, dass, falls Ihr irgendwelche Privilegien habt, die vom Apostolischen Stuhl bekräftigt wurden, oder authentische Schriften, die das Primat der Kirche von Lyon […] von eurer Kirche entfernen und die Freiheit […] derselben Kirche verteidigen können, Ihr sie unseren Mitbrüdern zeigt und dieselben meiner Wenigkeit übermittelt […]. Insofern Ihr diese nicht zur Hand habt, ist es nicht mein Rat, dass Ihr Eure Arme gegen den Strom lenkt, im Gegenteil: Ihr solltet den Apostolischen Bestimmungen vorläufig beipflichten […]“). Siehe auch Rolker 2010, S. 200 f.

18 Vgl. Becker 1955, S. 97 f., Rolker 2010, S. 2 f. / 17-19, Schwarz 1923, S. 288-290 und Ders. 1924, S. 113 f.

19 Vgl. ep. 58, ed. Leclercq 1949, S. 230. Zur Datumsangabe siehe Leclercq 1949, S. 231 Anm. 2.

20 Vgl. ep. 58, S. 232: Obstare enim quaedam videntur, de quibus nobis cum ipso electo agendum est, antequam ipsius electionem confirmemus, quod ad praesens Deo annuente fieri poterit cum ad colloquium regis pariter convenerimus („Denn gewisse Dinge scheinen im Weg zu stehen, über die wir mit dem Auserwählten selbst verhandeln müssen, bevor wir dessen Wahl bestätigen können, was mit Gottes Gnade bald geschehen könnte, nachdem wir ebenso zum Gespräch mit dem König zusammengekommen sind“). Vgl. auch Becker 1955, S. 99 f. und Rolker 2010, S. 201 mit Anm. 181.

21 Siehe Becker 1955, S. 97 f. /100.

22 Ep. 59, ed. Leclercq 1949, S. 236-238: „Deshalb befrage ich schließlich Eure Besorgnis, damit Ihr mir zurückschreibt, wie wir im Fall des Daimbert, des von der Kirche von Sens Auserwählten, verfahren müssen, den der Klerus von Sens uns, auch wenn wir nicht befragt wurden, als Auserwählten zur Amtseinsetzung zu Beginn der Fastenzeit und dann zur Bischofsweihe darbietet. Seine Wähler nämlich empfehlen ihn ausführlich genug aufgrund der vornehmen Herkunft seiner Familie, aufgrund der Ehrlichkeit seines Charakters und aufgrund der Regsamkeit seiner öffentlichen Handlungen. Falls dessen Wahl Euch rechtmäßig erscheint, bitten wir, dass Ihr keine Verzögerungen vorbringt; falls sie Euch unrechtmäßig erscheint, bitten wir, dass Ihr in einem Brief von euch mich und meine Weihbischöfe unterrichtet, nach welcher Gesetzesgrundlage sie verschoben oder unterlassen werden muss, damit Ihr diese Last nicht auf den einen, nicht auf den anderen, sondern auf alle auferlegt“. Vgl. auch das Lob an Daimbert in ep. 60, S. 244-246.

23 Vgl. ep. 65, ed. Juret 21610, S. 126.

24 Vgl. ep. 67, ed. Juret 21610, S. 131 f.: Audivi dulcedinem vestram in me amaricatam, serenitatem vestram adversum me turbatam audivi. […] Malo enim episcopatui renuntiare, quam iram vestram iuste vel iniuste sustinere („Ich hörte, dass Eure Lieblichkeit gegen mich erbittert, Eure Gunst gegen mich aufgewühlt war. […] Denn ich will lieber auf mein Bistum verzichten als Euren Zorn, ob gerechtfertigt oder nicht, zu ertragen“). Hoffmann 1959, S. 415 interpretiert Ivos Antrag „als rhetorische Wendung oder gar als Rücktrittsdrohung“. Siehe auch Ivos Selbstverteidigung in ep. 60, S. 250: Nec ista dico tanquam velim adversus sedem apostolicam caput erigere, vel eius salubribus dispositionibus obviare, vel meliorum sententiis praeiudicium facere, si vivis nitantur rationibus et evidentioribus veterum Patrum auctoritatibus („Ich sage diese Dinge nicht, weil ich angeblich meinen Kopf gegen den apostolischen Stuhl erhebe oder mich seinen heilsamen Weisungen widersetze oder die Meinungen von Besseren kritisiere, wenn sie sich auf starken Gründen und auf der offensichtlichen Autorität der alten Väter stützen“).

25 Dies geschah erst ein Jahr später. Vgl. Becker 1955, S. 101 f., Rolker 2010, S. 203 f. und Schwarz 1924, S. 117 f.

26 Ep. 60, S. 244: „Ihr schreibt vor, dass der Auserwählte von Sens vor seiner Weihe vor Euch erscheint und Gehorsam und Unterwerfung unter Euer Recht als Primas schwört“. Vgl. zudem ep. 65, ed. Juret 21610, S. 126: De Senonensi electo cuius consecratio a legato vestro Lugdunensi archiepiscopo ob hoc impeditur, quia ei iure primatus sui, ante consecrationem suam, obedientiam non profitetur („Was den Auserwählten von Sens betrifft, dessen Weihe von Eurem Legaten, dem Erzbischof von Lyon, deswegen verbietet wird, weil er vor seiner Weihe keinen Gehorsam gegenüber seiner primatialen Gerichtsbarkeit schwört“).

27 Ep. 60, S. 252: „Ihr habt geschrieben, der oben erwähnte Auserwählte habe die bischöfliche Investitur aus der Hand des Königs erhalten“.

28 Vgl. ebd., S. 238-240. Die Hartnäckigkeit als negative Eigenschaft wird später auch im Gelasius-Zitat angesprochen: si in hac obstinatione permanserint („falls sie in ihrer Hartnäckigkeit bestehen bleiben sollten“). Weiteres zum Zitat hier S. 10.

29 Ebd., S. 240: „Eure Umsicht muss bedenken […], welche Unterweisung eher aufrechterhalten oder wem eher Gehorsam dargereicht werden muss: Den Heiligen Vätern, die in ihren Schriften noch zu uns sprechen, oder Euch, dem nichts Anderes auferlegt wurde als den Spuren der Vorgänger zu folgen und sie zu ehren?“.

30 Ebd., S. 240 / 244.

31 Vgl. ebd., S. 252: Quod si huic petitioni nostrae acquieveritis, consecrato omni studio persuadebimus ut primatum Lugdunensis ecclesiae recognoscat, vobis sicut primati suo deferat et omnem debitam reverentiam secundum traditiones Patrum exhibeat („Wenn Ihr dieser unserer Bitte beipflichten solltet, werden wir den neuen Bischof, den wir mit aller Kraft geweiht haben, davon überzeugen, das Primat der Kirche von Lyon anzuerkennen, sich Euch wie seinem Primas darzubieten und gemäß den Traditionen der Heiligen Väter all den gebührenden Respekt zu erweisen“). Vgl. Rolker 2010, S. 202 f. Zum rechtlichen Hintergrund der Primatsansprüche siehe ebd., S. 199 f.

32 Mit Ausnahme des Gelasius-Zitats. Für die intertextuellen Parallelen siehe Rolker 2010, S. 308 f. (Appendix), der die enge Beziehung zwischen Ivos Briefkorpus sowie seinen Kirchenrechtsammlungen aufzeigt (vgl. ebd., S. 4 / 204). Für die Belegstellen der Zitate siehe den Apparatus fontium in Ivo von Chartres: Ivonis episcopi carnotensis. Epistolae ad litem investituram spectantes. I. Epistola ad Hugonem archiepiscopum Lugdunensem, ed. E. Sackur. In: Ldl Bd. 2, S. 640-647, hier S. 642-644. Um den Rahmen der Hausarbeit nicht zu sprengen, werden nicht alle Zitate, Bibelzitate eingenommen, behandelt.

33 Münsch 2006, S. 155. Ivos Brief zeichnet sich obendrein durch eine geschickte ad-rem- Argumentation aus, die nicht die Eigenart einer Person (hier: Hugo) zur Grundlage der Begründungen macht (vgl. Rolker 2010, S. 17).

34 Vgl. ep. 60, ed. Laclercq 1949, S. 244: Cum ergo tam ista quam alia generalia instituta tam absolute consecrationem metropolitani contineant, […] („Da also diese Texte genauso wie andere allgemeine Verordnungen die Weihe der Metropoliten so genau bestimmen, […]“). Vgl. auch Becker 1955, S. 100 und Rolker 2010, 202 f.

35 Vgl. z.B. Papst Zozimus: Contra statuta Patrum concedere aliquid vel mutare ne huius quidem sedis potest auctoritas („Etwas entgegen den Geboten der Väter zuzugestehen oder zu ändern, kann nicht einmal die Autorität des Heiligen Stuhls selbst“; ep. 60, S. 240). Siehe auch Ivos Decretum (IV, c.226; zitiert nach Ivo von Chartres: Decretum D. Ivonis Episcopi Carnutensis septem ac decem tomis sive partibus constans, ed. J. Molinaeus, Lovanii 1561, S. 139) oder bei Gratian (C.25, q.1, c.7; zitiert nach Gratian: Decretum magistri Gratiani (= Corpus iuris canonici, 1), ed. E.L. Friedberg, Leipzig 1879, Sp. 1008 f.). Vgl. z.B. auch Papst Nikolaus I.: Ridiculum est et satis abominabile dedecus ut traditiones quas antiquitus a Patribus suscepimus infringi patiamur („Es ist eine lächerliche und zu Genüge abscheuliche Schande zuzulassen, dass die alten Traditionen, die wir von den Vätern erhalten haben, verletzt werden“; ep. 60, S. 242). Siehe auch Decretum, IV, c.212, S. 138 und Gratian, dist.12, c.5, Sp. 28.

36 Ep. 60, S. 244 (ebenso ep. 65, ed. Juret 21610, S. 126): Primates vel patriarchas nihil privilegii habere prae caeteris episcopis, nisi quantum sacri canones concedunt. Vgl. zudem Decretum, V, c.56, S. 157 f. und Gratian, C.4, q.3, c.8, Sp. 608 f.

37 Vgl. ep. 60, S. 244 und Decretum, V, c.248, S. 195. Die Rechtmäßigkeit der Wahl begründet Ivo damit, dass Daimbert „ohne Diskussion und ohne Simonie zum Erzbischof gewählt wurde“ (sine ulla dissonantia gratuitam habuit electionem), ep. 60, S. 244.

38 Vgl. ep. 60, S. 242 und Gratian, dist.64, c.6, Sp. 248 f.: Quia per ambitiones illicitas non pudet quosdam ecclesiarum iura turbare et privilegia quae metropolitanis vel comprovincialibus episcopis decrevit antiquitas avida praesumptione pervadere („Weil sich einige Männer durch ihren unerlaubten Ehrgeiz nicht schämen, die Rechte der Kirchen anzugreifen und die Privilegien, die die Antike den Metropoliten und Provinzbischöfen gewährt hat, mit einer gierigen Dreistigkeit an sich zu reißen“). Vgl. ep. 60, S. 250-252: Cum per totum pene mundum flagitia et facinora videamus publice perpetrari, nec ea a vobis aliqua iustitiae falce resecari! („Da wir sehen, dass Schandtaten und Verbrechen beinahe durch die ganze Welt öffentlich vollzogen, aber von Euch mit keiner Sichel der Gerechtigkeit beschnitten werden!“). Vgl. Becker 1955, S. 100 f.

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Details

Titel
Ivo von Chartres und der Investiturstreit in Frankreich
Untertitel
Die Interpretation der Investitur in Brief 60
Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Note
1,3
Jahr
2019
Seiten
27
Katalognummer
V978277
ISBN (eBook)
9783346334633
ISBN (Buch)
9783346334640
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ivo von Chartres, Investiturstreit, Frankreich, Investitur, Investiturproblem, Briefe, Brief 60, Interpretation, Bistum, Sens, Neubesetzung, Primas, Hugo von Lyon, Symbole, Investiturverbor, concessio, Sakrament, Intertexutualität, Streitschrift, Streitschriftenliteratur, Decretum, Prologus, Mediävistik, Edition, Richer von Sens, Erzbischof, Simonie, Häresie, Priesterehe, Traktat, Gedicht, Quellengattung
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Anonym, 2019, Ivo von Chartres und der Investiturstreit in Frankreich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/978277

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Titel: Ivo von Chartres und der Investiturstreit in Frankreich



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