Die Librettoforschung galt lange als ein Stiefkind der literatur- wie auch der musikwissenschaftlichen Forschung. Der Literaturwissenschaft erschien das Libretto oftmals als Dichtung niederen Ranges; die Musikwissenschaft konzentrierte sich eher auf musikologische Fragen der Oper. So ist es auch nicht verwunderlich, dass es nur relativ wenige Studien gibt, die sich mit dem Aspekt der Rezeption von Literatur durch Operntexte befassen. Dabei kann kein Zweifel daran bestehen, dass jeder Librettist, der auf eine Vorlage zurückgreift, nicht nur mit den Problemen der Gattungstransformation konfrontiert wird, sondern auch eine interpretatorische Haltung zu der Vorlage entwickeln muss. So bezieht jedes Libretto – und im Weiteren natürlich auch die musikalische Ebene der Oper – auf eine eigene Weise Stellung zu dem als Vorlage dienenden Werk und stellt somit einen Beitrag zur Rezeptionsgeschichte eines Werkes dar.
In der Arbeit wird dieser Aspekt für die hoffmannsche Erzählkunst thematisiert, indem drei Opern untersucht werden, die auf Erzählungen E.T.A. Hoffmanns basieren. Dabei wird besonders der Frage nachgegangen, inwiefern die Opern eine individuelle Interpretation der jeweiligen Erzählung darstellen. Obwohl die im folgenden behandelten Opern „Les Contes d’Hoffmann“ von Jacques Offenbach, „Die Brautwahl“ von Ferruccio Busoni und „Cardillac“ von Paul Hindemith in einem Zeitraum von nicht einmal 50 Jahren entstanden, unterscheiden sich die Herangehensweisen an die Überführung der jeweiligen Erzählung in ein Libretto grundlegend voneinander.
In Einzelschritten werden die Libretti in chronologischer Reihenfolge diskutiert, ihre Bezüge und Unterschiede zu den jeweiligen Vorlagen analysiert und daraus resultierende Bedeutungsverschiebungen herausgearbeitet. In einem abschließenden Kapitel werden dann die Ergebnisse der Einzelanalysen zusammengeführt, durch diesen Vergleich wird nicht nur über das jeweilige Werk Aufschluss gegeben, sondern auch über unterschiedliche Weisen der Rezeption von Literatur durch eine Oper.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Jacques Offenbach: Les Contes d'Hoffmann
- Vorbemerkungen
- Der erste Akt - Der Erzählvorgang.
- Der Olympia-Akt - Liebe zur Schönheit.
- Der Antonia-Akt - Liebe zur Kunst…..\n
- Der Giulietta-Akt - Liebe zur Seele
- Der fünfte Akt – Kunst und Leben
- Zwischenfazit..
- Ferruccio Busoni: Die Brautwahl
- Ferruccio Busoni und E.T.A. Hoffmann..
- Hoffmanns Die Brautwahl als Opernvorlage
- Die Brautwahl - Probleme der Umwandlung.
- Zwischenfazit..
- Paul Hindemith: Cardillac
- Zwei Fassungen
- Titelfigur versus Titelfigur...
- Der erste Akt - Psychogramm einer Gesellschaft
- Der zweite Akt - Kunstidolatrie
- Der dritte Akt – „Ein Held starb“
- Zwischenfazit..
- Schlußbetrachtung..
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Rezeption der Erzählkunst E.T.A. Hoffmanns in drei Opern, die auf seinen Werken basieren. Ziel ist es, die individuellen Interpretationen der jeweiligen Erzählungen durch die Opern herauszuarbeiten und zu analysieren, inwiefern die Opern eine eigenständige ästhetische Einheit bilden, ohne der Vorlage untreu zu werden.
- Gattungstransformation von narrativer in dramatische Form
- Rezeptionsgeschichte von Hoffmanns Erzählungen durch die Oper
- Ästhetische Eigenständigkeit der Opern im Vergleich zu den Vorlagen
- Bedeutungswandel in den Libretti im Vergleich zu den Originaltexten
- Unterschiedliche Weisen der literarischen Rezeption durch die Oper
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die die Bedeutung des Opernlibrettos als literarische Größe und die Herausforderungen seiner wissenschaftlichen Untersuchung beleuchtet. Anschließend werden in chronologischer Reihenfolge die Libretti von Jacques Offenbachs "Les Contes d'Hoffmann", Ferruccio Busonis "Die Brautwahl" und Paul Hindemiths "Cardillac" analysiert. Dabei werden die jeweiligen Bezüge und Unterschiede zu den Hoffmannschen Vorlagen untersucht, um daraus resultierende Bedeutungsverschiebungen aufzuzeigen.
Schlüsselwörter
Opernlibretto, E.T.A. Hoffmann, Rezeption, Literatur, Musik, Gattungstransformation, Ästhetik, Interpretation, Jacques Offenbach, Ferruccio Busoni, Paul Hindemith, Les Contes d'Hoffmann, Die Brautwahl, Cardillac.
- Arbeit zitieren
- Anne Oppermann (Autor:in), 2007, Oper als Rezeptionsform von Literatur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/978490