Die Zunftordnung in Esslingen. Welchen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und (macht-)politischen Einfluss hatte die Zunft in einer mittelalterlichen Stadt?


Dossier / Travail, 2018

13 Pages, Note: 1,7

Anonyme


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Esslingen 1331 - Die Quelle
2.1. Die Zünfte und ihre Berufe
2.2. Die verfassungsrechtlichen Funktionen der Zunft

3. Der Begriff Zunft im Mittelalter und in der Forschung
3.1. Mittelalter undForschung

4. Die Entstehung der Zünfte - ein kurzer Einblick

5. Aufgaben und Funktionen der Zunft(-Meister)
5.1. Die Zunftmeister im Speziellen
5.2. Die Zunft im Allgemeinen
5.2.1. Weitere Bereiche der zünftigen Aufgaben und Funktionen

6. Die Aufgaben und Pflichten der Handwerker bzw. Zunftmitglieder
6.1. Bedingungen vor der Zunftmitgliedschaft
6.1.1. Weitere Bedingungen
6.2. Aufgaben und Pflichten der Mitglieder
6.2.1. Weitere Aufgaben und Pflichten
6.3. Nur Pflichten oder auch Privilegien für Zunftmitglieder?

7. Juden und zunftferne Handwerke - soziale Probleme mit der Zunft?

8. Resümee

9. Literaturverzeichnis

10. Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Beinahejeder wird den Begriff „Zunft“ schon einmal gehört haben. Die meisten sind auch in der Lage, grob zu beschreiben, was eine Zunft ist und mit welcher Epoche man diese verbindet. Auch ich dachte, dass eine Zunft im Mittelalter nur die wirtschaftlichen Umstände der Stadt erfasst. Sie also z.B. regelt wie viel jeder Handwerker produzieren, oder wo und zu welchen Preisen er seine Produkte verkaufen soll; sie im Großen und Ganzen also schlicht ein, auf seine eigenen Interessen bedachter, Zusammenschluss von Handwerkern eines Berufes sei. Dass die Zunft aber, neben Ihren wirtschaftlichen Aufgaben, scheinbar auch ein ,,Zusammenschluss zur Regelung und Wahrung von [...] sozialen, politischen, karitativen, religiösen, rechtlichen, militärischen, geselligen und kulturellen Interessen und Funktionen [...] war“1, hat sich erst im Laufe der Recherche gezeigt.

Doch wie hat sich solch ein Zusammenschluss gebildet? Wie stellten sich die Aufgaben und Funktionen der Zunft in der Stadt dar? Gibt es allgemeine, für alle Zünfte geltende Regeln, inwieweit sie das städtische Leben bestimmt haben? Hat oben genanntes Zitat so überhaupt eine Allgemeingültigkeit? Diesen Fragen werde ich, mit Bezugnahme auf die vorliegende Quelle nachgehen. Hierbei handelt es sich um das Schreiben der Stadtregierung Esslingens vom 8. April 1331 an dieselbe in Reutlingen, über die in Esslingen vorhandenen 13 Zünfte und deren verfassungsrechtliche Funktion. Weiter sollen Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Quelle mit den Angaben der Sekundärliteratur herausgearbeitet werden. Außerdem werde ich bei bestimmten Punkten einen kleinen Überblick darüber geben, welche Aspekte in der Quelle fehlen, in der Sekundärliteratur aber behandelt werden. Zunächst werden die wesentlichen Inhalte der Quelle wiedergegeben, sowie diese auf ihre wirtschaftlichen und sozialen Aspekte hin befragt. Dem wird ein kurzer Einblick über die Entstehung der Zünfte folgen. Daraufhin wird es um die Pflichten und Aufgaben der Handwerker gehen und darum, wie diese Mitglieder der Zunft werden können. Außerdem möchte ich auf die Funktionen und Aufgaben der Zunft eingehen, um schließlich die zentrale Frage nach dem gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und (macht-)politischen Einfluss der Zunft auf das Leben in der Stadt zu beleuchten.

2. Esslingen 1331 - Die Quellt;

In der Esslinger Zunftordnung, welche der Bürgermeister, der Schultheiß und der Rat Esslingens am 8.2 April 1331 an die „ehrbaren weisen Leute“, den Bürgermeister, den Schultheiß, den Richter und den Rat Reutlingens schickte, geht es um die Namen der 13 in Esslingen vorhandenen Zünfte und Einzelheiten über deren verfassungsrechtliche Funktion.

2.1. Die Zünfte und ihre Berufe

In der ersten Hälfte der Quelle geht es zunächst darum, welche Berufe sich in Zünften zusammengeschlossen haben, z.B. „die Schmiede und die Wagner“ (Punkt 4) und aus welchen dieser Berufe jeweils der Zunftmeister gewählt wird: und sie nehmen den Meister aus den Schmieden.“ (Punkt 4). Oder der Meister wird aus der zahlenmäßig am stärksten vertretenen Gruppe gewählt (vgl. Punkt 8). Ein weiterer Punkt ist, wie der Meister bestimmter Zünfte gewählt wird. Der Zunftmeister der Fassbinder und Zimmerleute stammt z.B. zwar aus den Fassbindern, „doch wählen sie ihn alle gemeinsam.“ (Punkt 1). Diese Beschreibungen werden für über 40 Berufe angelegt, die letztlich in insgesamt 13 Zünften, mit jeweils einem Zunftmeister, organisiert waren. Allerdings werden auch Fragen aufgeworfen. So geht es z.B. im Punkt 9 um die Juden. Wie stand es also in einer mittelalterlichen Stadt um diese? Weitere Fragen entstehen durch Punkt 11b, der von Berufen ohne Zunft handelt. Gab es keinen Zunftzwang? Was bedeutet es, dass diese Berufe keine Zunft hatten? Warum werden die Fassbinder als Erste genannt? Gab es eine Rangordnung der Berufe bzw. der Zünfte untereinander?

2.2. Die verfassungsrechtlichen Funktionen der Zunft

Der zweite Teil schließlich handelt von Einzelheiten der verfassungsrechtlichen Funktion. Zunächst wird das Verhältnis der Mitglieder zu ihrem Zunftmeister geschildert: Alle Untergebenen sind diesem durch einen Eid zu Gehorsam verpflichtet. Zuwiderhandlungen werden mit einer Geldstrafe belegt (vgl. Punkt 14). Auch wird bestimmt, dass die Meister sich zu Versammlungen einberufen können (vgl. Punkt 15). Weiter heißt es, dass der Zunftmeister für jedes Handwerk jährlich gewählt wird und sich 12 „Bedienstete“ dazuholt (vgl. Punkt 16). Außerdem wird beschrieben, dass alle 13 Zunftmeister zusammen mit „fünf nichthandwerklichen Bürgern aus dem geschworenen Rat“ (Punkt 18) den Bürgermeister wählen. Schließlich wird darauf eingegangen, wie vorgegangen wird, wenn es in der Stadt einen Aufstand gibt, darauf, dass jeder Bürger der Stadt in einer Zunft sein bzw., wenn ein NichtBürger das Bürgerrecht erlangen möchte, er in eine eintreten muss, darauf, dass es Sonderregelungen bei der Aufnahmegebühr von Mitgliederkindem gibt, und darauf, dassjeder den Zunftbeitrag bezahlen muss, auch wenn das heißt, dass etwas von demjenigen gepfändet wird. Zu letzt wird geschildert, dass jeder, der ,,die Stadt aufgrund echter Not verlassen“ (Punkt 24) musste, nicht aus der Zunft ausgeschlossen wird. (vgl. Punkt 19-24).

Auch hier können wir einige Fragen entwickeln: Gab einen regelrechten „Verhaltenskatalog“ für Zunftmitglieder? Was waren ihre Aufgaben? Wie wurden Zuwiderhandlungen bestraft? Welche Bereiche regelte die Zunft in der Stadt?

3. Der Begriff Zunft im Mittelalter und in der Forschung

Im Mittelalter war der Begriff „Zunft" zunächst nur einer unter vielen, um einen Zusammenschluss von Handwerkern zu bezeichnen. Es entwickelten sich für unterschiedliche Verbände, in verschiedenen Regionen jeweils andere Begriffe. Heute wird nicht nur in der Forschung, sondern auch im allgemeinen Sprachgebrauch, fast ausschließlich der Begriff Zunft verwendet.

3.1. Mittelalter und Forschung

Einige Bezeichnungen, die im Mittelalter vorkamen sind Gilde, Amt, Innung oder Zeche,3 4 Bruderschaft oder Ambacht.3 Auch entsprechende lateinische Begriffe wie fratemitas, consortium, societas und unio wurden verwendet.5 Allerdings sind diese Ausdrücke nicht willkürlich verteilt. Die Quellenforschung zeigt, dass es z.B. in Deutschland ein „Nord-SüdGefälle“ gab, so ist das Wort „Zunft“ oberdeutsch, war also zunächst vor allem in Süddeutschland zu finden.6 Auch Esslingen (südöstlich von Stuttgart) verwendet im Schreiben an Reutlingen (südlich von Stuttgart) diesen Begriff Außerdem lassen sich auch in der Bedeutung der einzelnen Begriffe Unterschiede erkennen. So zeichnen sich nach Planitz die lateinischen Termini „consortium“, „societas“ und „unio“ zwar alle durch den Genossenschaftsgedanken aus, allerdings zeigt sich, dass consortium eher die Schicksalsgemeinschaft meint, unio und societas aber die Gemeinschaft überhaupt bezeichnen.7 Allerdings relativiert er diese Aussage selbst; denn weiter unten schreibt er, dass „für all diese Ausdrücke kein anderer Unterschied als der des Namens besteht.“8 Der Begriff Zunft hat sich in der deutschen Forschung und auch im allgemeinen Sprachgebrauch durchgesetzt. So beschreibt Planitz, dass „Zunft im 14. Jh. der führende Begriff für die Handwerkerorganisationen wurde“9. Als Forschungsbegriff setzte er sich nach Reinighaus im 17./18. Jh. durch.10

4. Die Entstehung der Zünfte - ein kurzer Einblick

Ob und wann sich ein Handwerk erstmals organisierte, hing vor allem von der Anzahl der Personen ab, die einen Beruf ausübten. Dies lässt sich auch an der Quelle zeigen, da sich teil - weise 8 Berufe in einer Zunft organisiert haben, um eine große Zahl an Mitgliedern zu erhalten (vgl. Punkt 8). Außerdem spielte die wirtschalftliche Ausrichtung der Stadt eine Rolle.11 So könnte man daraus, dass es in Esslingen einen konzentrierten Weinanbau gab, schließen, dass die Fassbinderzunft eine der ersten Zünfte in Esslingen war.12 Im Punkt 1 der Quelle wird sogar angedeutet, dass die Fassbinder zunächst eine eigene Zunft hatten, da hier der Zusatz, dass zu der Fassbinderzunft die Zimmerleute gehören, sehr eingeschoben wirkt. Allgemein machten meist diejenigen Berufe den Anfang eines Zusammenschlusses, die für den täglichen Bedarf herstellten.13 Auch dies lässt sich an der Quelle deuten; denn es lässt sich schließen, dass die Schuhmacher eine der größten Berufsgruppen waren (denn auch hier wirkt der Zusatz der Schwertfegen sehr eingeschoben), sodass auch diese Berufsgruppe zunächst allein in der Zunft war. Dies könnte man auch dadurch sehen, dass der Zunftmeister aus den (Neu-)Schuhmachem gewählt wird (vgl. Punkt 2). Die Gründe, warum sich ein Handwerk zu einer Zunft zusammengeschlossen hat, sind vielfältig. So haben sich auch in der Forschung verschiedene Theorien entwickelt. Engel z.B. zählt zwei dieser Theorien auf. Nach denen hat die Handwerkerzunft „ihren Ursprung in der Organisation höriger Handwerker, oder in stadtherrlich eingerichteten und kontrollierten Zwangsverbänden “,“14 Sicher ist nur, dass sich die Zünfte im Verlauf des Mittelalters immer weiter ausgebreitet haben.

5. Aufgaben und Funktionen der Zunftt-Meisterl

Die Aufgaben und Funktionen der Zunft in einer mittelalterlichen Stadt kann man nicht für alle Zünfte pauschalisieren. Um zu beleuchten, wie sich diese darstellen, werde ich zunächst darauf eingehen, wie die Verhältnisse 1331 in Esslingen waren, um diese mit Hilfe der Sekundärliteratur auf Allgemeingültigkeit zu prüfen.

5.1. Die Zunftmeister im Speziellen

In der Quelle wird vor allem im zweiten Teil auf die Aufgaben und Funktionen der Zunft eingegangen. Dort wird aber nie direkt gesagt, wie z. B. die Aufgaben oder Funktionen der Fassbinderzunft aussehen. Es wird explizit nur von den Zunftmeistern gesprochen, den Vorstehern der Zunft. Aber auch in diesem Punkt heißt es nie, dass dieser oder jener Meister, diese oder jene Funktion hat. Einerseits wird also nur von den Zunftmeistern geredet, andererseits nur von einem Kollektiv dieser. Die Zunftmeister stehen also stellvertretend für die Zünfte. So rufen sich diese u. a. untereinander zu Versammlungen ein (vgl. Punkt 15). Zunächst musste allerdings erst einmal ein Zunftmeister gewählt werden. Dies ist in Esslingen von Zunft zu Zunft verschieden, wie bereits geschildert. Obwohl diese Beschreibungen bereits sehr rudimentär sind, weiß man z.B. auch nicht, ob einstimmig oder mehrheitlich gewählt wird. Bei manch anderen Zünften sind nicht einmal die rudimentären Informationen angegeben (siehe z.B. Punkt 11a.).

In der Literatur findet sich zu diesem Thema u. a., dass der Zunftmeister, der zwar in den meisten Fällen ein Vertreter seiner eigenen Zunft war, wobei auch Patrizier in dieser Funktion vorkamen, von allen Zunftgenossen jährlich gewählt wurde.15 Auch Engel beschreibt, dass fachfremde zum Zunftmeister gewählt werden konnten (in der Quelle nicht zu finden). Allerdings galt als Regel: der Vorsteher einer Zunft ist auch Mitglied dieser.16 Die Annuität des Amtes lässt sich wiederum auch in Esslingen nach weisen: „Ferner wählt jedes Handwerk jedesJahr[...jeinen Zunftmeister[...]“ (Punkt 16).

Ob das in der Quelle unter Punkt 16 beschriebene bedeutet, dass es in Esslingen einen „obersten Zunftmeister“ gab, lässt sich nicht sicher feststellen. Dass es aber solch eine Einrichtung in einer Stadt geben konnte, beschreibt Planitz: „Manche schwäbischen Städte (auch Esslingen liegt im Schwabenland) haben es im 14 Jh. zu einem „obersten Zunftmeister“ gebracht, der als Vorsteher aller Zünfte erscheint und im Kriegsfall auch militärischerFührerwar.“16 Punkt 16 beschreibt u. U. aber auch, dass der Meister jeder Zunft sich Bedienstete „holt“. Auch dies lässt sich nach Planitz in einigen Städten finden.17 18 Weiter heißt es dort, dass diese dazu geholten Zunftmeister bzw. Bediensteten ihrem Zunftmeister bzw. Obermeister loyal sein sollen. Außerdem sollen diese das Handwerk schützen und die Ehre der Stadt und des Reiches vermehren. Eine weitere Funktion der Zunftmeister können wir im Punkt 23 finden: Hier heißt es, dass, wenn ein Mitglied die Gebühren nicht zahlt, oder die Zunftregeln nicht einhält, er nur von seinem Zunftmeister zur Rechenschaft gezogen werden kann. Dies weißt auf eine gewisse eigenständige Gerichtsbarkeit der Zünfte hin.19

[...]


1 Engel 1993 Seite 153

2 Der Begriff Zunft im Mittelalter und in der Forschung

3 Vgl.: Reinighaus 2007 Seite 267

4 Vgl.: Ennen 1987 Seite 150

5 Vgl.: Planitz 1954 Seite 289

6 Vlg.: Ennen 1987 Seite 150

7 Vlg.: Planitz 1954 Seite 289

8 Planitz 1954 Seite 290

9 Planitz 1954 Seite 290

10 Vgl.: Reinighaus 2007 Seite 267

11 Vgl.: Reinighaus 2007 Seite 267

12 Vg.: Engel 1993 Seite 148

13 Vgl.: Reinighaus 2007 Seite 267

14 Engel 1993 Seite 154

15 Vgl.: Planitz 1954 Seite 292

16 Vgl.: Engel 1993 Seite 155

17 Planitz Seite 292

18 Vgl.: Planitz Seite 292

19 Vlg.: Engel 1993 Seite 156

Fin de l'extrait de 13 pages

Résumé des informations

Titre
Die Zunftordnung in Esslingen. Welchen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und (macht-)politischen Einfluss hatte die Zunft in einer mittelalterlichen Stadt?
Université
University of Osnabrück
Note
1,7
Année
2018
Pages
13
N° de catalogue
V978811
ISBN (ebook)
9783346335067
ISBN (Livre)
9783346335074
Langue
allemand
Mots clés
Zunft, Mittelalter, Esslingen, Geschichte, 14. Jahrhundert, Handwerker, Juden, Quelle, Zunftordnung, Zunftmitgliedschaft, Hausarbeit, Facharbeit, Rerefat
Citation du texte
Anonyme, 2018, Die Zunftordnung in Esslingen. Welchen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und (macht-)politischen Einfluss hatte die Zunft in einer mittelalterlichen Stadt?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/978811

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