Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Konflikte in der Sozialen Arbeit
2.1 Was ist ein Konflikt?
2.2 Entstehung und Eskalation von Konflikten
3. Das Handlungskonzept „Mediation“
3.1 Definition und Prinzipien der Mediation
3.2 Der Ablauf des Mediationsverfahrens
3.3 Chancen und Grenzen der Mediation
4. Der Zusammenhang von Mediation und Sozialer Arbeit
5. Reflexion
6. Abschlussdiskussion
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
In meiner Hausarbeit werde ich mich mit der Forschungsfrage beschäftigen, wie Konflikten in der Sozialen Arbeit professionell begegnet werden kann. Dazu werden im ersten Kapitel des Hauptteils Definitionen des Begriffs „Konflikt“ erörtert und dargestellt, wie es zu Eskalationen von Konflikten kommen kann. Im zweiten Kapitel des Hauptteils wird dann darauf eingegangen, wie man Konflikte mittels des Mediationsverfahrens bearbeiten kann. Abschließend werde ich die Ergebnisse meiner Hausarbeit in einer Abschlussdiskussion zusammenfassen und diese in einem letzten Schritt reflektierend betrachten. Bei der Reflexion werde ich mich vor allem auch mit der Frage beschäftigen, was die Auseinandersetzung mit Konflikt und Mediation für mich in meinem zukünftigen Alltag als Sozialarbeiterin bedeutet. Konflikte sind in unserem Leben allgegenwärtig, in jedem Bereich unseres Lebens und in dem Leben unserer Adressat*innen. In jeder Lebenslage können Probleme auftreten, sei es im Berufsleben oder im privaten Alltag.
Doch Konflikte sind nicht immer ausschließlich negativ zu bewerten (vgl. Ropers, 2002, S. 11). Sie sind „eine unvermeidbare und für den sozialen Wandel notwendige Begleiterscheinung des Zusammenlebens in allen Gesellschaften" (Ropers, 2002, S. 11). Der Soziale Wandel geht fast immer mit Konflikten einher, deswegen würde eine systematische Vermeidung von Konflikten sich eher kontraproduktiv auswirken, da sie gesellschaftliche Veränderungsprozesse verhindern würde. Das Ziel im Alltag der Professionellen der Sozialen Arbeit ist es, dass Konflikte gewaltfrei und möglichst konstruktiv ausgetragen werden können, damit von ihnen produktive Lern- und Veränderungsimpulse für alle Konfliktparteien ausgehen. Im beruflichen Alltag eines Sozialarbeiters/ei- ner Sozialarbeiterin ist es wichtig, Konfliktsituationen rechtzeitig zu erkennen und diese mit den Adressat*innen bzw. mit den Konfliktparteien zu erörtern. Denn werden die betroffenen Parteien sich nicht rechtzeitig eines entstehenden Konflikts bewusst oder reagieren auf die ersten Anzeichen unangemessen, droht eine Eskalation des Konflikts.
Dies gilt es zu vermeiden. Die Adressat*innen bzw. die betroffenen Konfliktparteien könnten den Konflikt zunächst verdrängen, sich in eine Abwehrhaltung begeben oder mit einem verbalen Angriff und Schuldzuweisungen beginnen. "Wir geraten in den Strudel der Konfliktereignisse und merken plötzlich, wie uns eine Macht mitzureißen droht. Wir müssen all unsere Sinne wachhalten und sehr überlegt handeln, damit wir uns nicht weiter in die Dynamik des Konflikts verstricken" (Glasl, 2017, S. 39). Konflikte sind in allen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit eine Herausforderung für Sozialar- beiter*innen in ihrem beruflichen Alltag. Neben den Konflikten, die offen oder verdeckt zwischen den betroffenen Menschen ausgetragen werden, enthalten auch Lebenswelten und institutionelle Kontexte Sozialer Arbeit Konfliktpotenziale. Diese können sich in strukturellen Widersprüchen, Unvereinbarkeiten, schwierigen Anforderungen oder Beeinträchtigungen des Handelns zeigen (vgl. Herrmann, 2013, S. 46). „Das Phänomen „Konflikt“ ist in der Praxis der Sozialen Arbeit allgegenwärtig und hat eine elementare Bedeutung in Handlungssituationen des beruflichen Alltags“ (Herrmann, 2013, S. 46). Ein zentrales Merkmal professionellen Handelns ist die Fähigkeit, konstruktiv und kompetent mit Konflikten umzugehen. Aus diesem Grund ist es von großer Wichtigkeit, sich mit den verschiedenen Konfliktsituationen und Verfahren zur Konfliktlösung auseinanderzusetzen, um sich auf diese Weise ein fundiertes Wissen zu diesem Thema anzueignen und im beruflichen Alltag adäquat auf Konfliktsituationen in verschiedensten Situationen eingehen zu können. Jedoch sollte jeder Sozialarbeiter/jede Sozialarbeiterin sich auch bewusst sein, dass nicht jedes Problem bzw. jede Konfliktsituation durch Mediation oder ein anderes Problemlösungsverfahren zu bewältigen ist. Manchmal ist es nötig, Hilfe anderer Professionen heranzuziehen. So kann in manchen Fällen zum Beispiel eine anwaltliche Beratung nötig sein. Auch dieses Wissen über die Grenzen der Problemlösungsverfahren in der Sozialen Arbeit ist ein wichtiger Bestandteil des beruflichen Alltags und sollte nicht außer Acht gelassen werden.
2. Konflikte in der Sozialen Arbeit
2.1 Was ist ein Konflikt?
Konflikte sind in allen Handlungsfeldern wichtige Bestandteile der Sozialen Arbeit. Sie sind Teil der Arbeit mit Adressat*innen, Kolleg*innen, in Organisationen oder Institutionen, zwischen Mitarbeiter und Vorgesetzten. Zu den Konflikten zählen aber auch innere Ambivalenzen. Der Begriff kommt vom lateinischen Begriff „confligere“ und bedeutet „zusammenkommen, kämpfen, unterwerfen“ (vgl. Herrmann, 2013, S. 46). Bei der Definition des Begriffs Konflikt müssen drei verschiedene Arten unterschieden werden, um die ganze Bandbreite relevanter Konfliktaspekte in der Sozialen Arbeit erfassen zu können: soziale Konflikte, innere Konflikte und strukturelle Konfliktpotenziale (ebd.).
- Ein „Sozialer Konflikt ist eine Interaktion zwischen Aktoren (Individuen, Gruppen, Organisationen, usw.), wobei wenigstens ein Aktor Unvereinbarkeiten im Denken/Vorstellen/Wahrnehmen und/oder Fühlen und/oder Wollen mit einem anderen Aktor (anderen Aktoren) in der Art erlebt, dass beim Verwirklichen dessen, was der Aktor denkt, fühlt oder will, eine Beeinträchtigung durch einen anderen Aktor (die anderen Aktoren) erfolge“ (Glasl, 2008, S. 24). Nach dieser Definition besteht ein sozialer Konflikt aus den Elementen Unvereinbarkeit zwischen den Konfliktparteien, Interaktion zwischen den Beteiligten und Beeinträchtigungen, die mindestens eine Konfliktpartei erlebt.
- Innere Konflikte sind widersprüchliche innere oder äußerliche Erwartungen, die innerhalb von Subjekten ihren Ausdruck finden (Herrmann, 2013, S. 47).
- Strukturelle Konfliktpotenziale stellen widersprüchliche strukturelle Faktoren in Organisationen der Sozialen Arbeit oder in der Lebenswelt der Ad- ressat*innen dar (ebd.)
Die Definition eines sozialen Konflikts von Friedrich Glasl sieht den Menschen als Verhandlungspartner, der seine Interessen verwirklichen möchte. Wenn ihm dies misslingt, dann kommt es zum Konflikt. Auch der Psychologe Leo Montada versucht, eine Definition des sozialen Konflikts zu formulieren:
„Sozialer Konflikt resultiert aus subjektiv wahrgenommenem Unrecht, d. h. aus Verletzungen und Bedrohungen normativer Überzeugungen.“ (Montada, 2013, S. 71)
Bei dieser Definition wird eine ethische Perspektive berücksichtigt, die den Menschen nicht nur als eigeninteressiertes, sein eigenes Handeln sehendes Individuum im Blick hat (vgl. Montada, 2013, S. 53 - 60). Trotz dieser Ansätze, eine Definition des Begriffs „Konflikt“ zu finden, kann keiner der Ansätze eine vollständige Definition des Konflikts geben. Es ist von großer Bedeutung, der Einseitigkeit dieser Definitionsversuche mit Multiperspektivität zu begegnen (vgl. Schmidt, 2016, S. 215).
„Der Konflikt ist eine (bewusst reflektierte oder still vorausgesetzte) Konstruktion, auf der die ,Konflikt‘-Bearbeitung aufbaut. Allerdings: Je nachdem, wie diese Konstruktion ausfällt, ob als Alltagstheorie, ob als an Spielarten der Mediation orientierter oder explorativer Zugang [...], ob als eindeutig-linear oder hoch-aggregierter Begriff, wird diese Konstruktion zu unterschiedlichen Reflexionen und Handlungen veranlassen.“ (Schmidt, 2016, S. 224)
2.2 Entstehung und Eskalation von Konflikten
Jeder Konflikt ist individuell, da Individuen wegen einer spezifischen Interessenskonstellation in einem bestimmten Thema in Auseinandersetzung geraten, welches vom jeweiligen Verhalten des beteiligten Individuums gesteuert wird. Jedoch finden sich beim Vergleich von Konflikten Regelmäßigkeiten und Gemeinsamkeiten bezüglich des Verlaufs und der Entstehung von Eskalation (vgl. Herrmann, 2013, S. 53). Auf diese drei Konfliktphasen soll nun näher eingegangen werden.
- Phase 1 - Latente Vorphase:
Konflikte laufen am Anfang meistens verborgen. Es sind bei den Beteiligten Unstimmigkeiten in einer bestimmten Situation vorhanden. Diese sind für die Beteiligten jedoch noch nicht richtig greifbar. Es werden erste unterschiedliche Sichtweisen zum Thema erkennbar und erste Missstimmungen werden von den Konfliktparteien erkennbar - ein Problem zeichnet sich ab (ebd.)
- Phase 2 - Eskalationsphase mit mehreren Stufen:
Der Konflikt wird langsam sichtbar, da den Beteiligten klar wird, dass irgendetwas nicht stimmt. Die Konfliktparteien versuchen zunächst weiterhin das Problem auf der Sachebene zu lösen. Die Situation spitzt sich weiter zu, wenn ihnen dies nicht gelingt. Im weiteren Verlauf verhärten sich die Standpunkte. Die Parteien reden noch miteinander, jedoch beginnt langsam Misstrauen zu entstehen. Wenn nun eine Seite zu dem Entschluss kommt, dass Reden nichts mehr bringt und Tatsachen geschaffen werden, tritt der „rationale Kern“ (Herrmann, 2013, S. 53) in den Hintergrund. Die persönliche Dimension beginnt immer dominanter zu werden. Frustration und Ärger der Konfliktparteien nehmen auf der einen Seite zu, auf der anderen Seite nimmt die Empathie ab. Die Parteien beginnen Koalitionen zu bilden, um die Gegenpartei zu schwächen. Nach einiger Zeit in dieser Phase ist der Punkt erreicht, an dem die offene Konfrontation überfällig ist. In manchen Konstellationen kann der Konflikt jedoch nicht zum Ausbruch kommen, zum Beispiel bei großen Machtungleichheiten zwischen den Konfliktparteien. Tritt diese Situation ein, kommt es zur sogenannten Implosion. Dies bedeutet, dass die Parteien resignieren und sich zurückziehen. Des Weiteren wird die Kommunikation mit der Gegenpartei auf das Mindestmaß begrenzt. Verläuft der Konflikt hingegen explosiv, so wird der Streit mit immer härteren Mitteln ausgetragen. Es kann zu öffentlichen Angriffen, Drohungen und Gegendrohungen kommen, welche auch möglicherweise in die Tat umgesetzt werden. Abhängig davon, wie die Machtverhältnisse zwischen den Konfliktparteien verteilt sind, kann es drei Möglichkeiten des weiteren Konfliktverlaufs geben (vgl. Herrmann, 2013, S. 53):
a- Die Schwelle zur Gewaltanwendung kann überschritten werden (weitere heiße Eskalation) (ebd., S. 55)
b- Keine Partei kann sich nach der heißen Phase durchsetzen, sie wollen den Konflikt jedoch nicht weiter eskalieren lassen und an der Lösungsfindung arbeiten. In diesem Falle wird der Konflikt in kalter Form weitergeführt (Chronifizierung des Konflikts) (ebd., S. 55)
c- Lösung des Konflikts (ebd., S. 55)
- Phase 3 - Klärungsphase: Die Konfliktparteien schaffen es selbst aus der Eskalation auszusteigen oder sie kommen zur Einsicht, dass sie zur Klärung des Konflikt Hilfe benötigen. In dieser Phase wird der Konflikt aufgearbeitet und beendet. Es werden gemeinsam Lösungen für das Sachproblem gesucht. Des Weiteren werden Formen der Würdigung und Entschuldigung gesucht, um das weitere Zusammenleben der Konfliktparteien zu ermöglichen (ebd.)
Die Eskalation muss nicht immer langsam oder schrittweise verlaufen, es können auch Phasen übersprungen werden. „Im Prozess der Eskalation kommt es zur Intensivierung und Ausdehnung des Konflikts. Hierbei wirken Dynamiken und antreibende Mechanismen, die Beteiligte meist nicht oder erst spät bemerken (Herrmann, 2013, S. 55). Laut Glasl (2008, S. 87 ff.) gibt es drei „Eskalationstreiber“, die miteinander verkoppelt sind und sich gegenseitig verstärken:
1) Wachsende Streitpunktlawine mit gleichzeitig zunehmender Simplifizie- rung: Die Konfliktparteien werfen immer mehr Streitpunkte in die Auseinandersetzung. Die Anliegen und Streitpunkte der Gegenpartei werden nur selektiv aufgegriffen, um sie besser ignorieren oder abqualifizieren zu können (vgl. Herrmann, 2013, S. 55).
2) Ausweitung der Konfliktarena und gleichzeitig zunehmende Personifizierung: Es werden immer mehr Personen in den Streit einbezogen. Die Sachthemen des Konflikts rücken in den Hintergrund. Die Personen und Eigenschaften werden zum zentralen Problem des Konflikts (es entstehen Feindbilder) (ebd.).
3) Pessimistische Antizipation und gleichzeitig selbsterfüllende Prophezei ung: Die Konfliktparteien rechnen bei der Gegenseite mit dem Schlimmsten. Das eigene Verhalten wird danach ausgerichtet. Dieses eskalierende Verhalten führt dazu, dass sich die Gegenseite aus dem Gefühl heraus, sich selbst schützen zu müssen, genauso eskalierend verhält (ebd., S. 56).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.1. Konfliktphasen (Konfliktbogen) (Gugel, 2010, S. 20)
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