Erbschaftssteuer. Effizienz und Gerechtigkeit


Hausarbeit, 2017

18 Seiten, Note: 1,7

Anonym


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Erbschaft

3 Das deutsche Erbrecht

4 Erbschaft und Vermögensungleichheit

5 Erbschaftssteuer

6 Erbschaftssteuer und Gerechtigkeit

7 Effizienz der Erbschaftssteuer

8 Fazit

9 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Das weltweite Vermögen ist sehr ungleich verteilt, Tendenz zunehmend. Die 62 reichsten Personen der Welt besitzen so viel Vermögen wie die ärmste Hälfte der Weltbevölkerung. Auch in Deutschland geht die Vermögensschere auseinander. Im Jahr 2013 verfügten die oberen zehn Prozent der deutschen Bevölkerung über 51,9 Prozent des gesamten Nettovermögens, während es im Jahr 1998 noch 45,1 Prozent waren (Spiegel Online 2016). Die direkt aus dieser Vermögensungleichheit resultierenden „sehr realen ungleichen Lebensbedingungen“ stehen im Widerspruch zur Leistungsgerechtigkeit aller Bürger in einer demokratischen marktwirtschaftlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung (vgl. Kaufmann & Stützle 2015:95).

Dieser zunehmenden Vermögensungleichheit liegen vor allem zwei Mechanismen zugrunde:

Zum einen die Tatsache, dass das Vermögen sich durch Verzinsung und weitere Rendite progressiv vermehrt. Je größer das Vermögen, umso schneller erfolgt dessen Akkumulation durch „leistungslose“ Kapitaleinkünfte.

Zum anderen das Konzept der Erbschaft, also der Übertragung unverdienten Vermögens durch Vererbung oder/und Schenkung.

Durch diese beiden Mechanismen reproduziert sich Vermögen von selbst, mit der Folge wachsender sozialen und ökonomischen Ungleichheit (Piketty 2014: 501 ff.).

Diese wachsende Vermögensungleichheit durch Erbschaft oder Schenkung über Generationen scheint eine Besteuerung von Nachlässen wegen ihrer gesellschaftsdestabilisierenden Wirkung unausweichlich zu machen. Dennoch wird nicht nur von interessierter Seite, sondern auch von Steuerfachleuten die Institution der Erbschaft infrage gestellt.

Die zunehmende Bedeutung der Erbschaft und -steuer wurde in den letzten Jahren vor allem in der deutschen Rechtswissenschaft starke diskutiert. Von allen unbestritten ist die Zukunftsrelevanz dieses Themas. Vor allem geht es dabei um Legitimation, Modalität und Ausmaß einer Erbschafts- und Schenkungssteuer (Richter & Welling 2012:1016ff.).

In dieser Hausarbeit sollen vor allem soziopolitische und ökonomische Aspekte der Erbschaftssteuer dargestellt werden. Es soll Effizienz, Gerechtigkeit und Leistungsfähigkeit in Kontext einer „liberalen und meritokratischen Demokratie“ unter besonderer Berücksichtigung der Dilemmata zwischen Gerechtigkeit und Effizienz, demokratischer Gleichheit und individuellem Anspruch untersucht werden.

2 Erbschaft

Erbschaft steht in direktem Zusammenhang mit individuellem Privateigentum. Der Begriff „Erbschaft“ zeichnet den Vermögensnachlass einer Person nach ihrem Tod. Erben und Vererben heißt übertragen, überliefern übereignen. Der Begriff umfasst viele unterschiedliche Phänomene, Materielles und Immaterielles, Dinge und Wissen, Merkmale usw. In unserem Zusammenhang geht es um die juristische Definition von Erbschaft: Übertragung von Eigentum und Vermögen von Todes wegen. Dem Wort „Erbe“ liegt das lateinische Wort „orbus“ („Einer Sache beraubt, verwaist“) zugrunde. Diese Ausgangsbedeutung führt im Germanischen und Keltischen zur Bedeutung „das einer Waise Gehörige“1. Der ursprünglichen Bedeutung stand also die Versorgungs- und Absicherungsabsicht einer schutzlosen bzw. verarmten Person im Vordergrund, und nicht die Anhäufung von Vermögen um jeden Preis.

Diese Grundbedeutung entspricht der einer gemeinschaftlich organisierten Gesellschaft. Die heutige Bedeutung steht etymologisch in direktem Zusammenhang mit dem Begriff des Privateigentums. Das lateinische Verb „ privare “ und bedeutet „rauben“. Die private Aneignung einer Sache betrachtete man deshalb als Raub, weil dadurch alle anderen von deren Gebrauch ausgeschlossen wurden (Hartl 2012:1). Die Rechtsphilosophen der Aufklärung legitimierten private Aneignung als ein Teil des Naturrechts, da jeder Mensch das Recht habe, sich das Produkt seiner Arbeit anzueignen. Das Erbrecht begründeten sie aus diesem Eigentumsrecht, da nach ihnen auch die Testierfreiheit des Erblassers Teil des Naturrechts sei. Jeder habe das Recht, auch nach seinem Tod über sein Eigentum nach seinem Willen frei zu verfügen, weil „die Verfügung von Todes wegen […] der letzte Willensakt des Individuums“ darstelle (Beckert 2004: 25/26/67).

Die Verfügungsfreiheit des Erblassers ist allerdings keinesfalls unbegrenzt, sondern durch Solidaritätsansprüche der Familie (Verwandten) und der Gesellschaft (des Staates) eingeschränkt (Beckert 2004: 13/26).

Im deutschen Erbschaftsrecht finden diese konkurrierenden Faktoren ihren Niederschlag.

3 Das deutsche Erbrecht

„In modernen Gesellschaften bestimmt ein kodifiziertes Erbrecht, welche Rechte dem Erblasser zustehen, testamentarisch über sein Eigentum zu verfügen, welche Rechte Familienangehörige des Verstorbenen an seinem Eigentum haben und welche Rechte der Staat hat, sich das Eigentum des Verstorbenen, ganz oder in Teilen, anzueignen.“ Die Testierfreiheit des Erblassers ist z. B. durch Pflichtteilrechte der Kinder und das Staatserbrecht bzw. Erbschaftssteuergesetzte eingeschränkt (Beckert 2004: 11/12). Die Regelung erfolgt im deutschen Erbrecht durch folgende drei Erbschaftstitel (in Rangordnung):

1. Erbvertrag: Dieser ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, also ein Vertrag zwischen lebenden Menschen. Der Erblasser kann durch einen Erbvertrag seine Erben festlegen (§ 1941 BGB). Wie bei der Testierfreiheit ist allerdings seine Verfügungsfreiheit beim Erbvertrag auch eingeschränkt. Über den Pflichtteil, der ein Drittel des Erbes beträgt und seinen Kindern zusteht, und den 50%-igen Anteil des Ehegatten hat er keine Verfügungsgewalt.
2. Testament: Ein Testament ist eine einseitige, formbedürftige, jederzeit widerrufbare Willenserklärung eines Erblassers über sein Vermögen, die nach seinem Tod wirksam wird. Darin bestimmt der Erblasser seine Erben und deren Anteile an seinem Vermögen (§ 1937 BGB). Die Erben können dann entscheiden, ob sie die Erbschaft annehmen oder ausschlagen (§ 1946 BGB). Eine Ausnahme stellt auch hier der Pflichtteil dar. Der Erblasser kann seine Erben vom Pflichtteil nicht ausschließen (§ 2303 BGB).
3. Gesetzliche Erbfolge: Hat der Erblasser seine Erben durch einen Erbvertrag oder in einem Testament nicht näher bestimmt, tritt die gesetzliche Verwandtenerbfolge an. Demnach sind Erben diejenigen Verwandten, die dem Erblasser am nächsten verwandt sind. Die Verwandten 1. Ordnung sind Abkömmlinge des Erblassers (Kinder auch adoptierte, Enkelkinder etc.) (§ 1924 BGB), die der 2. Ordnung Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (§ 1925 BGB), die der 3. Ordnung Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (§ 1926 BGB) usw.

Existiert zur Zeit des Erbfalls kein gesetzlicher oder testamentarisch oder vertraglich festgelegter Erbe, tritt der Staat als Erbe an, in dem der Erblasser seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hatte (§ 1936 BGB). Das Staatserbrecht gilt allerdings erst nach einer Frist von 30 Jahren, wenn sich bis dahin keine gesetzlichen Erben melden.

Wie eingangs beschrieben umfasst Erbschaft im juristischen Sinne alle Eigentums- und Besitzrechte des Erblassers sowohl in Aktiva (Sachgegenstände, Grund und Boden, Geldvermögen, Forderung) als auch in Passiva (Verbindlichkeiten), d.h. Die Schulden des Erblassers sind also auch Teil der Erbschaft, für den die Erben im Annahmefall der Erbschaft geradestehen müssen. Zurzeit werden in Deutschland etwa 250 Mrd. €/Jahr Vermögen durch Erbschaft oder Schenkung übertagen. Die Weitergabe dieser riesigen Summe an Vermögen nach der Deszendenzlinie ist der für die Zunahme ungleicher Gesellschaftsstruktur hauptverantwortlich. „Inheritance is probably the main factor of wealth concentration among the richest part of the population, and of its intergenerational reproduction“ (Beckert 2004: 28 zitiert nach Arrondel).

4 Erbschaft und Vermögensungleichheit

Privateigentum und Erbschaftsregelung potenzieren die kapitalistische Produktionsweise, indem die „Mehrproduktabschöpfung“ (Mehrwert nach Marx) eine unbegrenzte Kapitalakkumulation (Vermögenskonzentration) erlaubt. Diese „Ungleichheit erster Ordnung“ entspringt im Wesentlichen den ungleichen Machtverhältnissen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern auf dem Arbeitsmarkt und der Einkommensungleichheit (zwischen Lohn und Profit) (Kaufmann und Stützle 2015:93), die allein schon disparate Verhältnisse innerhalb einer Generation verursachen. Diese drei Grundlagen einer liberalen Gesellschaft, Gewinnorientierung (Profit), Privateigentum und Vererbung, haben die aktuelle Verteilung des gesamten Nettovermögens nach Bevölkerungsdezilen im Jahr 2012 in Deutschland zur Folge (Abb. 2). Danach besitzt die ärmste Hälfte der Bevölkerung praktisch kein Vermögen, das erste Dezil hat sogar Schulden. Während das zehnte Dezil über 57,5 Prozent des ganzen Nettovermögens (Vermögen nach Besteuerung) verfügt. Sie ist damit ein Spiegelbild der globalen Vermögensverteilung (Piketty 2014:501).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wie der Begriff „Kapitalakkumulation“ schon beinhaltet, vermehrt sich in der liberalen Marktwirtschaft Vermögen per se in progressiver Weise: Je größer das Vermögen, desto schneller wächst es. Thomas Piketty hat diese dem Kapital immanente Logik aus der Entwicklung des Kapital-Einkommen-Verhältnisses der letzten 150 Jahre anhand historisch empirischer Daten mit seinem „universellen“ Gesetz r > g bewiesen. Dabei steht r für Kapitalrendite (Einkünfte aus privatem Vermögen) und g für Wachstumsrate (Einkünfte aus Arbeit und Produktion). Die kumulative Logik des Vermögens zeigt sich an der zunehmenden Kluft zwischen diesen beiden Faktoren: Das Kapital-Einkommen-Verhältnis liegt zurzeit bei etwa 500 %, im Jahr 2100 erreicht es circa 700 % (Figure 5.8). Die Ungleichung r > g heißt, dass „aus der Vergangenheit stammende Reichtümer […] sich ohne Arbeit schneller [vermehren] als die Reichtümer, die durch Arbeit geschaffen und angespart werden können“. Ursache ist das wachsende Übergewicht des leistungslosen Erbschaftseinkommens gegenüber dem durch Leistung erworbenen Einkommen im 21. Jahrhundert (Piketty 2014:502).

[...]


1 Quelle: https://www.dwds.de/wb/Erbschaft (15.06.2017)

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Erbschaftssteuer. Effizienz und Gerechtigkeit
Hochschule
Universität Hamburg
Veranstaltung
Sozialökonomie
Note
1,7
Jahr
2017
Seiten
18
Katalognummer
V979367
ISBN (eBook)
9783346329844
ISBN (Buch)
9783346329851
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erbschaft, Erbschaftssteuer, Effizienz, Gerechtigkeit, Finanzpolitik, Sozialökonomie, Interdisziplinär
Arbeit zitieren
Anonym, 2017, Erbschaftssteuer. Effizienz und Gerechtigkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/979367

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