Die ökonomische Bedeutung von Mobbing in Unternehmen


Trabajo de Seminario, 2000

22 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1 100 Milliarden Mark jährlich...

2 Schlagwort Mobbing
2.1 Entwicklung des Begriffes
2.2 Definition Mobbing
2.2.1 Verschiedene Ansätze
2.2.2 Elemente der Definition
2.2.3 Horizontales und vertikales Mobbing
2.2.4 Mobbing als Rent - Seeking in Organisationen

3ökonomische Erklärungsansätze
3.1 Horizontales Mobbing
3.1.1 Relative Leistungsbewertung als Entlohnungsgrundlage
3.1.1.1 Kollusion
3.1.1.2 Sabotage
3.1.2 Beförderungsturniere
3.1.3 Beförderung aufgrund subjektiver Leistungsbewertung
3.1.4 Beförderung nach Senioritätsprinzip
3.1.5 Teamentlohnung
3.1.6 Partizipative Organisationsstrukturen
3.2 Mobbing ,,Top - Down"

4ökonomische Konsequenzen von Mobbing
4.1 ,,Positive" Wirkungen von Mobbing?
4.2 Negative Auswirkungen
4.2.1 Verminderte Anreiz- und Allokationseffizienz
4.2.1.1 Verringerung von Anreizen
4.2.1.2 Allokationsprobleme
4.2.2 Absentismus- und Fluktuationskosten
4.2.2.1 Krankenstand
4.2.2.2 Kündigungen und Verlust von Humankapital
4.2.3 Kostenschätzungen

5 Mobbing - eine Ausnahmeerscheinung?
5.1 Erhebungsmethoden
5.2 Verbreitung

6 Strategien gegen Mobbing
6.1 Personalpolitische Maßnahmen
6.2 Unternehmenskultur

7 Fazit

Literaturverzeichnis

1 100 Milliarden Mark jährlich...

Geben Sie heute ,,Mobbing" in eine beliebige Suchmaschine im Internet ein - Sie werden in erschreckendem Maße fündig. ,,Mobbingwerkstätten", Fallberichte, Diskussionsplattformen, Ratgeber, Buchtips... Eine der häufigsten Aussagen: Es kann jeden treffen. Anscheinend ist Mobbing aktuell wie kaum zuvor. Erst in den letzten Jahren rückte das Thema ins Bewußtsein deröffentlichkeit und wurde daraufhin auch von vielen Seiten beleuchtet. Vorrangig kamen dabei Theorien über Konflikt- und Streßbewältigung oder Verhaltensforschung zum Einsatz. Gleichzeitig findet man jedoch Schlagzeilen wie ,,Mobbing verursacht der deutschen

Wirtschaft Kosten in Höhe von 100 Milliarden Mark jährlich". Mobbing - offenbar ein Problem mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen und zudem in der Sphäre Arbeitswelt, einemökonomisch interessanten Bereich angesiedelt. Trotzdem ist es bislang nicht zu einem wesentlichen Bestandteilökonomischer Betrachtungen geworden. Die folgenden Seiten werden sich dem Phänomen Mobbing aus dieser Perspektive zu nähern versuchen.

2 Schlagwort Mobbing

Innerhalb weniger Jahre ist der Begriff Mobbing in unsere Alltagssprache eingegangen und ist als Synonym für Intrigen, Psychoterror, Schikane oder Krieg im Büro geläufig. Fraglich ist allerdings, inwiefern bereits ein wissenschaftlich scharf umrissener Begriff für das Phänomen Mobbing am Arbeitsplatz existiert.

2.1 Entwicklung des Begriffes

Der Begriff Mobbing läßt sich auf das englische Verb to mob (über jemanden herfallen, anpöbeln, angreifen, attackieren) zurückführen.

Mobbing als Bezeichnung für ein bestimmtes Verhaltensmuster entspringt der massenpsychologischen Forschung. Anfang dieses Jahrhunderts wurde der Mob als unterste Stufe der gesellschaftlichen Hierarchie betrachtet.1

Im Rahmen verhaltenswissenschaftlicher Studien bei Tieren gebrauchte Lorenz den Begriff erstmals in wissenschaftlichem Zusammenhang. Er charakterisierte damit das Angriffsverhalten einer Gruppe gegen ein einzelnes stärkeres Wesen. In den Bereich der Humanbeziehungen wurde die Bezeichnung erstmals von dem Schweden Heinemann transferiert. Er beschrieb damit eine bestimmte Art von Gruppengewalt unter Kindern. Seine Arbeiten bildeten den Ursprung der starken Verbreitung des Begriffes. Im angelsächsischen Raum entwickelte sich nahezu parallel das Etikett Bullying, welches im selben Sinn wie Mobbing gebraucht wird.2 Im alltäglichen Sprachgebrauch wird Mobbing mittlerweile nahezu inflationär für jegliche Art von Konfliktsituation oder Kommunikationsproblem am Arbeitsplatz verwendet.

2.2 Definition Mobbing

2.2.1 Verschiedene Ansätze

In den letzten Jahren rückte das Thema Mobbing verstärkt ins Blickfeld der Wissenschaft.

Dabei wurde bisher fast jeder Arbeit eine andere Definition des Begriffes Mobbing zugrunde gelegt. Es existiert daher eine Vielfalt verschiedener Mobbingdefinitionen. Eine der ersten Definitionen lieferte Brodsky:

,,Harassment behavior involves repeated and persistent attempts by one person to torment, wear down, frustrate, or get a reaction from another. It is treatment that persistently provokes, pressures, frightens, intimidates, or otherwise discomforts another person."3

Auch wenn noch nicht der Begriff Mobbing verwendet wird, enthält seine Definition bereits wichtige Elemente, die auch heute als kennzeichnend für Mobbing betrachtet werden. Nach Einarsen/Raknes liegt Mobbing vor, wenn es sich um negative Handlungen handelt, denen eine oder mehrere Personen über eine längere Zeit ausgesetzt sind. Dabei muß ein Kräfteungleichgewicht vorhanden sein, das Mobbingopfer soll nicht in der Lage zu einer Verteidigung sein. Dabei ist Mobbing von Konflikten zwischen etwa gleich starken Personen zu unterscheiden.4

Leymann, der durch seine Arbeiten im skandinavischen Raum als Urheber der wissenschaftlichen Betrachtung von Mobbing am Arbeitsplatz gelten kann, entwickelte verschiedene Varianten seiner Mobbingdefinitionen:

,,Mit Mobbing wird ein Prozeß bezeichnet, der mit einem Konflikt anfängt, der aber in der Folge in typischer Form eskaliert und sich verselbständigt..."5

In dieser Beschreibung betont Leymann den Prozeßcharakter und nennt gleichzeitig eine unbewältigte Konfliktsituation als Auslöser von Mobbing.

Seine am häufigsten gebrauchte und zitierte Definition bezeichnet Mobbing als einen Prozeß der systematischen Ausgrenzung und Erniedrigung eines anderen Menschen, die von einer oder mehreren Personen betrieben werden. Diese feindseligen Handlungen geschehen mit einer gewissen Regelmäßigkeit, also mindestens einmal die Woche und über eine bestimmte Dauer, d.h. mindestens ein halbes Jahr.6 Zur Unterstützung seiner Definition entwickelte Leymann eine Liste mit 45 typischen Mobbinghandlungen, die er als Grundlage seiner Analysen verwendet. Angesichts der Vielzahl vorhandener Auslegungen spricht Neuberger davon, daß es ,,keine wahren oder richtigen Definitionen (...), sondern nur zweckmäßige" geben kann.7

2.2.2 Elemente der Definition

In den meisten existierenden Definitionsansätzen, so unterschiedlich sie sein mögen, lassen sich wiederholt Elemente finden, die für die Einstufung einer Verhaltensweise als Mobbing ausschlaggebend zu sein scheinen. Mobbing ist demnach charakterisiert durch

- immer wiederkehrende Handlungen über einen längeren Zeitraum,
- einen nicht durch bestimmte Kriterien abgrenzbaren Kreis von Betroffenen und
- negative Folgen für das Opfer.

Im Mittelpunkt aller Definitionen steht zudem eine Darstellung der Handlungen, die während eines Mobbingprozesses auftreten müssen, um eine Abgrenzung zu anderen Ansätzen zu schaffen. Gerade bei diesen Beschreibungen gibt es aber vielfach unklare Formulierungen und Mehrdeutigkeiten. Beispielsweise ist nicht offensichtlich, ob die Handlungen objektiv nachweisbar sein müssen oder ob bereits eine subjektive Interpretation als beeinträchtigendes Verhalten durch den Betroffenen genügt. Derartige Unklarheiten machen eine überschneidungsfreie Einordnung von Mobbing im Vergleich zu Konflikten oder Streß am Arbeitsplatz schwierig.

Insgesamt läßt sich sagen, daß die bisherigen Ansätze noch nicht zu einer einheitlichen, allgemein anerkannten Definition geführt haben.8

2.2.3 Horizontales und vertikales Mobbing

Mobbing im Unternehmen läßt sich aufgrund der hierarchischen Stellung der Beteiligten in horizontales und vertikales Mobbing differenzieren.

Von ersterem spricht man, wenn es sich um Interaktionen von Beschäftigten der gleichen Hierarchieebene handelt, also Mobbing unter Kollegen betrachtet wird. Diese Form von Mobbing steht bei den meisten Betrachtungen im Vordergrund.

Unter vertikalem Mobbing versteht man hingegen Mobbing zwischen Mitarbeitern unterschiedlicher Hierarchiestufen. Dabei kann Mobbing in zwei Richtungen erfolgen:

Einerseits ,,Top - down", also von einem Vorgesetzten ausgehend gegen die Untergebenen gerichtet (in der Literatur auch als Bossing bezeichnet), andererseits ,,Bottom - up", d.h. der Vorgesetzte wird von Untergebenen schikaniert. Überraschenderweise wird in der Mobbingdiskussion implizit oft davon ausgegangen, Vorgesetzte wären in das Geschehen kaum involviert. Stichproben ergaben hingegen: Im deutschsprachigen Raum stellen Vorgesetzte mit einem Anteil von 70% sogar die Mehrheit der Mobber.9

2.2.4 Mobbing als Rent - Seeking in Organisationen

Während die gängigen Definitionen vornehmlich auf Aspekte der Streß- und Konfliktforschung, Psychologie oder Verhaltensforschung zurückgreifen, kann für Mobbing durchaus auch eine Definition ausökonomischer Sicht gefunden werden. Dafür wird davon ausgegangen, daß die genannten schädigenden Verhaltensweisen zu einem großen Teil durch ein rationales Kalkül des Handelnden erklärt werden können.

In der Organisation Unternehmung wird eine Kooperationsrente erwirtschaftet. Daher wird es Aktivitäten geben, die auf eine Umverteilung dieser Rente abzielen. Rent-seeking beschreibt einen aus Unternehmenssicht ineffizienten Ressourceneinsatz mit dem Ziel, den eigenen Anteil an dieser Rente zu erhöhen, um den individuellen Nutzen zu steigern. Diesem Antrieb entspringende Aktivitäten können zum Beispiel Sabotage, Beeinflussung oder Kollusion sein. Mobbing kann in diesem Sinn zu Sabotageaktivitäten gezählt werden.10 Da sich diese Arbeit dem Auftreten von Mobbing ausökonomischer Perspektive nähern will, wird Mobbing hier als für den Akteur rationale Handlung im Sinne von Rent-seeking - Aktivitäten verstanden.

Inhaltlich handelt es sich dabei in Anlehnung an Niedl um Taten, die gegen eine Person gerichtet sind und von dieser als feindselig, demütigend oder einschüchternd empfunden werden. Diese Handlungen müssen über einen längeren Zeitraum häufig auftreten. Die betroffene Person muß aufgrund ihrer sozialen,ökonomischen, psychischen oder physischen Situation außerstande sein, sich gegen die Beeinträchtigung zu wehren.11

3ökonomische Erklärungsansätze

Mobbing wurde in bisherigen Betrachtungen vornehmlich auf Streß, Neid, Antipathie, unbewältigte Konflikte oderähnliche Ursachen zurückgeführt. Es lassen sich wenige Ansätze finden, die das Problem ausökonomischer Sicht diskutieren. Dies ist angesichts der großenökonomischen Relevanz des Themas, die z.B. durch die hohen Kosten aus Mobbingaktivitäten belegt werden kann, erstaunlich. Daher sollen nun Erklärungsansätze beschrieben werden, die zeigen, daß es sich bei Mobbing um Aktivitäten handelt, die auch individuell rationalen Entscheidungen des Arbeitnehmers entspringen können.ökonomisch gesehen ist die Wahl von Mobbingaktivitäten dann rational, wenn der daraus erwartete Nutzenzuwachs die möglichen Nachteile übersteigt.

Denkbare Nachteile können dem Arbeitnehmer vor allem aus den Sanktionsmöglichkeiten auf Seiten der Unternehmensleitung, wie Abmahnung, außerordentliche Kündigung oder Beförderungsstop, sowie seitens der Kollegen, beispielsweise durch soziale Ächtung, entstehen. Des weiteren ist Mobbing für den Arbeitnehmer mit einem hohen Zeit- und Arbeitsaufwand und daher mit Kosten verbunden.12

Unter welchen Bedingungen derartige Beeinflussungsaktivitäten mit einer Nutzenmehrung verbunden sein können, wird im folgenden untersucht. Mit welchen Konsequenzen Mobbing für die Unternehmung behaftet ist wird in Abschnitt 4 thematisiert.

3.1 Horizontales Mobbing

Negative Beeinflussungsaktivitäten zwischen Kollegen derselben Hierarchieebene können insbesondere im Kontext der im Unternehmen festgelegten Beförderungs- und Entlohnungsmechanismen betrachtet werden.

3.1.1 Relative Leistungsbewertung als Entlohnungsgrundlage

Im Gegensatz zu einer absoluten Outputbeteiligung, bei der die Bezahlung des Arbeitnehmers direkt in Abhängigkeit der von ihm erbrachten Leistung erfolgt, wird bei der relativen Leistungsbewertung ein Leistungsvergleich zwischen mehreren Agenten als Basis der Entlohnung herangezogen.

Die Höhe der Entlohnung für den einzelnen Arbeitnehmer ist vom Ausmaß der Differenz der erbrachten Leistungen abhängig. Die Vergütung des Arbeitnehmers setzt sich zusammen aus einem Fixgehalt und einem festgelegten Anteil seiner Mehrleistung gegenüber den anderen Agenten.

Verträge dieser Art werden gewählt, um Umweltunsicherheit bei der Leistungsbewertung zu reduzieren und somit Wohlfahrtsgewinne in der Prinzipal - Agenten - Beziehung generieren zu können.13 Durch diese Art der Leistungsbewertung können jedoch auch Anreize zu kontraproduktivem Verhalten erzeugt werden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Agent den Output des anderen bzw. den seiner Vergleichsgruppe beeinflussen kann. Das Resultat kann Mobbing sein.

3.1.1.1 Kollusion

Der erste in diesem Zusammenhang zu betrachtende Fall ist der einer kollektiven Absprache zur Leistungsreduktion. Die Arbeitnehmer einigen sich auf eine gemeinsame Verminderung ihrer Arbeitsanstrengung. Für sie ergibt sich daraus kein negativer Einkommenseffekt, da die Reihenfolge und der Abstand zwischen ihren Leistungen bei einer gleichmäßigen Leistungsminderung nicht verändert werden. Die Arbeitnehmer können jedoch ihre persönlichen Kosten in Form von Arbeitsleid verringern.14

In dieser Situation kann für einen einzelnen Beschäftigten abweichendes Verhalten von Interesse sein. Die Leistungsreduktion der anderen wird bei gleichbleibender Arbeits- anstrengung genutzt, um die eigene Position zu verbessern. Diese Abweichung wird von der Referenzgruppe nicht geduldet werden, zumal ihre Entlohnung negativ beeinflußt wird.

Mittels (in diesem Fall kollektivem) Mobbing kann hier das einzelne Gruppenmitglied zum verabredeten ,,normgerechten" Verhalten gezwungen werden.15 Bleiben die Versuche erfolglos, ist es für die restliche Gruppe rational, den Betroffenen aus der Gruppe zu mobben. Hierbei wird angenommen, daß die Kosten des Mobbings für die Gruppenmitglieder geringer sind als jene für einen gleichermaßen gesteigerten Arbeitsaufwand. Wird einem einzelnen Gruppenmitglied die Aufgabe der Sanktionierung des Abweichlers zugedacht, kommt es zu individuellem Mobbing. Die Wahl wird dabei auf einen unmittelbaren Kollegen fallen, da hier das Mobbingpotential aufgrund der großen Nähe besonders hoch ist.

3.1.1.2 Sabotage

Ein Arbeitnehmer kann bei relativer Leistungsbeurteilung auf zwei Arten seine Position verbessern: Seine eigenen Anstrengungen vermehren oder die Leistung der anderen vermindern. Letzteres kann mittels Sabotage erreicht werden. Diese Art der negativen Beeinflussungsaktivitäten konnte als Form von Mobbing definiert werden. Sabotage wird immer dann relevant, wenn ein Arbeitnehmer den Output seiner Kollegen beeinflussen kann. Die optimale Aufteilung seiner Aktivitäten auf Mobbing und Leistungserbringung wird für den Agenten durch den Vergleich seiner Grenzkosten der Sabotage und der Grenzkosten der Leistungserbringung bestimmt, d.h. er Arbeitnehmer bewertet die Kosten, die ihm bei einem zusätzlichen Aufwand für die einzelnen Aktivitäten entstehen. Die Wahrscheinlichkeit der Entdeckung und damit die zu erwartende Bestrafung soll dabei nicht groß sein. Je geringer die Grenzkosten des Mobbings für den Akteur sind, desto kleiner wird der Anteil der Arbeitszeit sein, den er seiner eigentlichen Aufgabe widmet.16

Es kann angenommen werden, daß die Grenzkosten von Handlungen wie Aktenvernichtung, Informationsverschleierung oder -verfälschung und Gerüchtestreuen gegen Null gehen, da beispielsweise der Arbeitsplatz des Opfers für jedermann im Unternehmen leicht zugänglich ist. Somit wird der Mobbende optimalerweise seine gesamte Aufmerksamkeit den Sabotageaktivitäten widmen. Mobbing bleibt für den Täter selbst dann sinnvoll, wenn dadurch der eigene Output reduziert wird, vorausgesetzt die Minderung des Ergebnisses auf der anderen Seite fällt größer aus.

Eine Erhöhung des eigenen Leistungsniveaus ist für den Akteur mit überdurchschnittlich steigendem Arbeitsleid verbunden, Sabotageakte sind annahmegemäß aber mit geringeren Kosten behaftet. Seinem Kosten - Nutzen - Kalkül folgend wird er demnach versuchen, durch systematische Reduktion der Leistung seiner Referenzperson seine eigene Vergütung positiv zu beeinflussen.

3.1.2 Beförderungsturniere

Wenn für eine vakante Stelle im Unternehmen mindestens zwei Bewerber zur Verfügung stehen, entsteht durch den Wettstreit um den Aufstieg ein relativer Leistungswettbewerb bzw. rank-order tournament. Wer die höchste Leistung erbringt und damit Sieger des Turniers wird, wird befördert. Dabei ist nunmehr nur die ordinale Rangfolge der Teilnehmer für die Entscheidung relevant, die Höhe der erreichten Differenz ist belanglos. Die Anreizwirkung des Turniers setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: Einer direkten, nämlich der Aussicht auf Beförderung und damit verbundenen Einkommenserhöhung und einer indirekten, der Aussicht auf die Teilnahme an weiteren Turnieren. Die Leistungsintensität der Turnierteilnehmer steigt daher mit der Höhe des Turnierpreises.17 Ein Teilnehmer hat wiederum zweierlei Möglichkeiten, seine relative Position zu verbessern: Er kann die eigene Leistung erhöhen oder die der anderen reduzieren. Analog obiger Argumentation sind subtile Behinderungsakte wie Sabotage bzw. Mobbing mit einem geringeren Aufwand als eine Steigerung des Leistungsniveaus verbunden. Daher kann Mobbing in dieser Situation ein individuell rationales Verhalten darstellen. Da die typischen Mobbinghandlungen in der Regel schlecht nachweisbar und auf den Täter zurückführbar sind, hat der Mobbende auch nur mit einer geringen Bestrafungswahrscheinlichkeit zu rechnen. Entscheidend für die Stärke des Anreizes zu Mobbing ist offenbar die Höhe der Preisdifferenz im Wettbewerb, also der Unterschied zwischen den Entschädigungen, die der Gewinner und der Verlierer des Leistungsvergleiches jeweils erhalten, die Sabotagewahrscheinlichkeit steigt also mit zunehmender Preisspanne an.18

Ebenso könnte es zu gemeinschaftlichen Absprachen zur Reduktion der Anstrengungen kommen. Abweichendes Verhalten eines Teilnehmers zwecks Verbesserung der eigenen Stellung bildet dann wiederum den Auslöser für kollektive Bestrafung mittels Mobbing. Bei Anwendung interner Relativierung zur Entscheidung über Entlohnung oder Beförderung kann somit Mobbing eine nutzenstiftende Alternative zur eigenen Arbeitsanstrengung darstellen.

3.1.3 Beförderung aufgrund subjektiver Leistungsbewertung

Besonders anfällig gegen Mobbing sind Systeme, in denen Beförderungsentscheidungen aufgrund subjektiver Beurteilung durch den Vorgesetzten bzw. den Arbeitgeber erfolgen. Die Entscheidungen sind nicht durch eine dritte Instanz überprüfbar. Die Bewertung bezieht sich häufig auf den Input des Arbeitsnehmers, beispielsweise Arbeitsanstrengung oder Sorgfalt bei der Arbeit, und ist daher meist qualitativer Natur. Insbesondere bei Teamarbeit ist die subjektive Bewertung unverzichtbar um Größen wie Kooperationsbereitschaft, Innovationsfähigkeit und individueller Anteil an der Teamleistung in die Beurteilung einzubeziehen.

Da mit einer Beförderung üblicherweise ein Einkommenszuwachs verbunden ist entsteht für jeden einzelnen Beschäftigten ein Anreiz, die Meinung des Vorgesetzten zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Mobbing ist hier ein probates Mittel, die Leistungen der Kollegen systematisch schlechter darzustellen oder mittels Gerüchten und Angriffen auf das Ansehen der Person deren Einschätzung durch den Vorgesetzten zu verzerren. Im Zeitablauf wird dem Vorgesetzten ein immer positiveres Bild der eigenen Leistung gezeichnet. Im Verhältnis zu den Kollegen bildet der Mobber dann die scheinbar bessere Wahl bei einer Beförderungs- entscheidung. Mobbing führt somit zu einer positiveren subjektiven Wahrnehmung durch den Entscheider und einer Wohlfahrtssteigerung für den Täter im Falle der Beförderung.

3.1.4 Beförderung nach Senioritätsprinzip

Seniorität zählt zu den nicht beeinflußbaren, leistungsunabhängigen Beförderungskriterien. Zur Beförderung wird der Arbeitnehmer mit der längsten Zugehörigkeit zum Unternehmen ausgewählt. Dieses Kriterium führt im allgemeinen zu einer eindeutigen Auswahl- entscheidung, da im Normalfall keine zwei Bewerber mit der exakt gleichen Betriebszugehörigkeitsdauer existieren.19

Wenn Seniorität als Entscheidungskriterium festgelegt wird, scheinen auf den ersten Blick auch Beeinflussungsaktivitäten unterbunden zu werden. Tatsächlich wird es keinen Anreiz mehr zu vertikalem Mobbing seitens der Vorgesetzten geben, da deren Aufstieg gesichert und keine Konkurrenz von unten zu befürchten ist. Auch scheinen Aktivitäten zur Beeinflussung von Vorgesetzten, die darauf zielen, individuelle Beförderungschancen zu verbessern, nicht sinnvoll zu sein, da diese keinen Einfluß auf die Entscheidung haben. Bei näherer Betrachtung wird jedoch offenbar, daß es für einen in der Senioritätsfolge weiter hinten stehenden Arbeitnehmer lohnend sein kann, Kollegen, die länger im Unternehmen sind als er, mit Hilfe von Mobbing aus dem Unternehmen zu vertreiben. Dadurch kann er in der Beförderungs- rangfolge vorrücken.

3.1.5 Teamentlohnung

Für den Fall, daß die Kooperation der Arbeitnehmer für den Erfolg des Unternehmens wichtig ist, ist es wenig sinnvoll, Wettbewerb und damit Rivalität zwischen den Kollegen zu etablieren. Teamarbeit bildet für diesen Fall die bevorzugte Form der Arbeitsorganisation.

Charakteristisches Merkmal der Teamproduktion sind positive externe Effekte, diese verlangen in der Regel nach einer Beteiligung der Teammitglieder am gemeinsam erstellten Output. Wenn die Entlohnung der Teammitglieder von der Höhe des erzielten Ergebnisses abhängt, hat das Team einen Anreiz, sozialen Druck aufeinander auszuüben um ein hohes Leistungsniveau durchzusetzen.20

Ein Team wird sich im allgemeinen aus heterogenen Arbeitnehmern zusammensetzen, die unterschiedliche Qualifikationen, Leistungsvermögen und Leistungsbereitschaft aufweisen. Da die Gruppe an einem hohen Output interessiert ist könnte es reizvoll sein, schwächere Teammitglieder, die das gewünschte Leistungsniveau nicht erbringen, zu mobben und so zu einem höheren Leistungsniveau zu treiben. Eigentlich sollte die Koppelung er Entlohnung an den Teamoutput auch geeignet sein, horizontalem Mobbing entgegenzuwirken: Eine dadurch erzeugte Leistungsminderung eines Mitglieds würde das gesamte Team schädigen. Langfristig kann sich Mobbing für die leistungsstarken Teammitglieder aber tatsächlich lohnen. Zum Ziel der Gruppe wird es, den ,,Bremsklotz" mittels Mobbing aus dem Team zu entfernen und damit eine leistungsstarke Mannschaft aufzubauen. Wenn der Leiter des Teams ebenfalls am Teamerfolg beteiligt ist, wird er diese Aktivitäten eher noch unterstützen als unterbinden. Wenn die so entstandenen freien Stellen im Team zudem wieder besetzt werden, kann die Gruppe durch Mobbing einen Nutzenzuwachs in Form einer höheren Entlohnung realisieren.

Mobbing wird innerhalb einer Gruppe auch eingesetzt werden, um Trittbrettfahrer zu bestrafen.

3.1.6 Partizipative Organisationsstrukturen

Mobbing zwischen gleichgeordneten Beschäftigten kann auch im Zusammenhang mit der Organisationsgestaltung untersucht werden. In letzter Zeit ist in vielen Unternehmen ein Übergang zu partizipativen Organisationsformen zu verzeichnen. Diese gehen meist mit einem Abbau von Hierarchieebenen einher, welcher auf seine Folgen für Mobbingaktivitäten hin untersucht werden kann.21

Die Verminderung der Hierarchiestufen löst einen Wettbewerbseffekt aus: Für die Arbeitnehmer stehen weniger Aufstiegsmöglichkeiten zur Verfügung, um die sie konkurrieren. Dies wird Auswirkungen auf ihr Verhalten haben, denn um den Karrierewettbewerb zu gewinnen, können sie entweder ihre Arbeitsanstrengungen oder ihre Mobbingaktivitäten verstärken. Denkbar ist aber auch, daß beides reduziert wird, da die Arbeitnehmer Karrierechancen für kaum noch durchsetzbar halten. Hier wird deutlich, daß die individuellen Reaktionen auch sehr stark von nichtökonomischen Überlegungen (persönliche Präferenzen, Risikoneigung) abhängen. Es kann aber argumentiert werden, daß Mobbing verstärkt auftritt, wenn dessen Kosten geringer als die Kosten durch zusätzliches Arbeitsleid sind.

Des weiteren entsteht ein Knappheitseffekt, da die allgemeine Zahl von möglichen Beförderungsturnieren im Unternehmen abnimmt. Der Wert der Teilnahme und des Gewinns eines Turniers steigt somit erheblich an. Dies bedeutet, daß der erwartete Ertrag aus Mobbinghandlungen gegen Mitbewerber größer wird, wogegen die Kosten gleich bleiben. Partizipative Organisationsformen könnten also Mobbing verstärken.

3.2 Mobbing ,,Top - Down"

Weitere Erklärungen für Mobbing finden sich für vertikale Interaktionsbeziehungen innerhalb des Unternehmens. Hierbei soll das Mobbing von oben nach unten im Vordergrund stehen. Es ist vorstellbar, daß ein Vorgesetzter einen sehr fähigen Untergebenen zu einer Versetzung oder Kündigung bewegen will und hierfür Mobbing einsetzt. Den Anlaß hierfür bildet die Befürchtung, einmal durch diesen Arbeitnehmer ersetzt und selbst auf ein sog. Karriere - Plateau abgeschoben zu werden, d.h. eine Stelle in der innerbetrieblichen Organisation, von der kaum noch Aufstiegschancen bestehen. Die potentielle Konkurrenz soll mittels Mobbing beseitigt werden.22

Andererseits ist auch die Situation denkbar, daß ein Vorgesetzter einen fähigen Mitarbeiter bewußt fördert, wenn beispielsweise der eigene Aufstieg von der Empfehlung eines kompetenten Nachfolgers abhängt. In diesem Fall wird dem Vorgesetzten daran gelegen sein, seinen Untergebenen gegenüber der Unternehmensleitung in einem besonders guten Licht darzustellen. Mobbing findet dann gegenüber leistungsschwachen Untergebenen Anwendung. Diese Mitarbeiter schmälern zum einen den zurechenbaren Erfolg, was seinen Karriereaussichten abträglich wäre. Zum anderen stellen sie keine Kandidaten für eine spätere Nachfolge dar.

Im Vergleich zu horizontalem Mobbing kann vertikales Mobbing aus Sicht des Handelnden weitaus effektiver sein, da ein Vorgesetzter aufgrund seiner Stellung ein gewisses Maß an formaler Sanktionsmacht besitzt.

4ökonomische Konsequenzen von Mobbing

Mobbing läßt sichökonomisch betrachtet zumindest in Teilen als rationale Wahl von Arbeitnehmern erklären. Dessen ungeachtet zieht Mobbing im Unernehmen erhebliche Konsequenzen nach sich.

4.1 ,,Positive" Wirkungen von Mobbing?

Zunächst stellt sich die Frage, ob es vorstellbar ist, daß durch Mobbing für das Unternehmen auch erwünschte Ergebnisse erzielt werden können.

Im Fall des Mobbings bei Teamarbeit könnte die Unternehmensleitung durchaus ein Interesse daran haben, daß leistungsschwache Arbeitnehmer aus dem Unternehmen ausscheiden. Nimmt man jedoch an, daß das Unternehmen eine möglichst effiziente Personalpolitik betreibt und die Auswahl der Teammitglieder sorgfältig unter Berücksichtigung der zu erledigenden Aufgaben erfolgt, kann eine dauerhafte Duldung von Mobbing als Strategie zur Selektion des Personals nicht effizient sein. Eine gezielte Personalauswahl im Vorfeld wäre weitaus kostengünstiger, da die Beschäftigten nicht einen erheblichen Teil ihrer Anstrengungen auf Mobbingaktivitäten verwendeten. Außerdem sind in einer Arbeitsgruppe immer verschiedene Teiltätigkeiten zu erledigen, die Arbeitnehmer mit unterschiedlichen Qualitäten erfordern. Werden Arbeitnehmer systematisch aus den Teams vertrieben, die aufgrund sorgfältiger Überlegung im Auswahlprozeß eingestellt wurden, wird das Ziel der Allokationseffizienz verletzt.23 Wenn jedoch Drückeberger zum Ziel der Sanktionierung durch Mobbing werden, ist dies aus Unternehmenssicht durchaus begrüßenswert. Im Zuge einer Umstrukturierung der Unternehmensorganisation scheint Mobbing aus Unternehmenssicht positive Wirkungen entfalten zu können. So kann dies, verglichen mit einer ordentlichen Kündigung und zu leistenden Abfindungen, eine kostengünstige Alternative zur Bewerkstelligung des Personalabbaus darstellen. Daher kann es vorkommen, daß Mobbing in Zeiten von Rationalisierungsmaßnahmen oder Reorganisation bewußt geduldet wird.

4.2 Negative Auswirkungen

Intuitiv ist bereits offensichtlich geworden, daß Mobbing auch mit weitreichenden negativen Auswirkungen verbunden ist. Die wesentlichen aus Unternehmenssicht sollen kurz aufgezeigt werden.

4.2.1 Verminderte Anreiz- und Allokationseffizienz

4.2.1.1 Verringerung von Anreizen

Eine Verringerung von Anreizen kann auf zweierlei Weisen begründet werden. Zum einen werden gemobbte Arbeitnehmer bald erkennen, daß sie erheblich schlechtere Chancen haben, sich in relativen Leistungsvergleichen noch durchzusetzen. Dementsprechend werden sie ihre Arbeitsanstrengungen vermindern, da die gebotenen Leistungsanreize versagen. Zum anderen reagieren von Mobbing betroffene Personen im Regelfall zwar zunächst mit erhöhtem Arbeitseinsatz. Aufgrund der andauernden gegen sie gerichteten Aktivitäten tritt ab einem bestimmten Zeitpunkt aber ein zunehmendes Gefühl der Resignation auf. Aufgrund abnehmender Motivation wird zunehmend mit Minderleistung und Beschränkung auf den ,,Dienst nach Vorschrift" reagiert. Es kommt zum Phänomen der inneren Kündigung. In einer Untersuchung sagten 20% der Befragten aus, durch das Mobbing würde ihre Arbeitsmotivation erheblich vermindert, 27% empfanden Mobbing als effektivitätsreduzierend.24

Dem Unternehmen entstehen Kosten durch negative Anreizeffekte auch dann, wenn Arbeitnehmer z.B. im Rahmen eines Turniers auch nur Beeinflussungsaktivitäten ihrer Kollegen vermuten und als Reaktion darauf ihre eigenen Anstrengungen vermindern, da sie glauben, mit ihren Bemühungen keinen wirklichen Einfluß auf die Entscheidung mehr ausüben zu können.

Anhaltendes Mobbing kann also zu einem Versagen von im Rahmen betrieblicher Karrierepolitik gewählten Anreizmechanismen führen.

4.2.1.2 Allokationsprobleme

a) Fehlallokation von Arbeitnehmern auf Stellen Neben der Schaffung von Anreizen ist die möglichst gute Besetzung von Stellen im Unternehmen mit passenden Arbeitnehmern das zweite Ziel der Karrierepolitik. Aufgrund von Mobbing kann dieses Ziel verletzt werden. In Beförderungsturnieren können sich dank Mobbing auch weniger leistungsstarke Arbeitnehmer durchsetzen. Diese werden dann auf Positionen befördert für die sie aufgrund ihrer Qualifikation nicht geeignet sind. Hierdurch entstehen Effizienzverluste.25

b) Fehlallokation von Arbeitszeit

Da die Beschäftigten einen nicht unerheblichen Teil ihrer Arbeitszeit auf Mobbingaktivitäten verwenden, kommt es zu einer ineffizienten Aufteilung der produktiven Arbeitszeit auf die zugeteilten Teiltätigkeiten. Dies führt direkt zu einer Reduktion des Outputs. Diese Verringerung wird größer, je mehr die Kosten der Sabotage fallen. Mobbing führt somit direkt zu einer Verschlechterung des Betriebsergebnisses.

4.2.2 Absentismus- und Fluktuationskosten

Sehr hohe Kosten können einem Unternehmen durch Fehlzeiten und Kündigungen als Folge von Mobbing entstehen.

4.2.2.1 Krankenstand

Mobbing führt bei Betroffenen zu nachhaltigen physischen und psychischen Beeinträchtigungen. Die Bandbreite reicht dabei von Kopf- oder Magenschmerzen über Konzentrationsschwächen bis hin zu schweren Überlastungsreaktionen.26 Aufgrund dieser gesundheitlichen Folgen begeben sich viele Mobbingopfer inärztliche Behandlung. Die Zahl der Krankheitstage ist erheblich: Aus den Daten verschiedener Studien geht hervor, daß sich etwa 27% der Geschädigten langfristig krank schreiben lassen. Die Hälfte der Befragten ließen sich innerhalb eines Jahres mehr als dreimal krank schreiben, 18 % bereits mehr als sechsmal.27

4.2.2.2 Kündigungen und Verlust von Humankapital

Aufgrund der andauernden Belastung entscheiden sich viele der betroffenen Arbeitnehmer für einen Wechsel der Arbeitsstätte oder ihnen wird eine Kündigung, oft als letztem Schritt im Mobbingprozeß, nahegelegt. Nach Erhebungen von Zapf verlassen etwa 50 % der Gemobbten ihren Arbeitsplatz, die Ergebnisse anderer Studien weisen sogar höhere Zahlen aus.28 Neben Kosten für Abfindungen oder arbeitsrechtliche Prozesse im Kündigungsverlauf entstehen dem Unternehmen Schäden durch den Verlust von Humankapital. Besonders deutlich wird dieses Argument bei Unternehmen, in denen nach Seniorität befördert wird. Die Idee des

Senioritätsprinzips ist, daß mit dem Arbeitnehmer mit der längsten Verweildauer automatisch derjenige mit der höchsten Produktivität aufgrund des größten angesammelten Humankapitals ausgewählt wird.29 So soll die Senioritätsregel ein Instrument zur Sicherung von Investitionen in spezifisches Humankapital sein. Werden nun vorzugsweise die Arbeitnehmer mit der höchsten Seniorität aus dem Unternehmen gedrängt, geht deren Humankapital für das Unternehmen verloren. Ist im Zeitablauf bekannt, daß Mobbing vorkommt, kann dies Anreize zu Humankapitalinvestitionen vermindern, da ein Arbeitnehmer damit rechnen muß, selbst Opfer des Mobbingprozesses zu werden. Das erworbene spezifische Humankapital wäre aber außerhalb des Unternehmens für ihn wertlos.

4.2.3 Kostenschätzungen

Zusammengefaßt entstehen dem Unternehmen potentielle Kostenfaktoren durch

- Fehlzeiten,
- Kündigungen und Versetzungen,
- Rechtsstreitigkeiten,
- Verringerung von Motivation und Produktivität und
- Arbeitsorganisatorische Probleme, z.B. mangelnden Informationsfluß.

Geschätzte Zahlen zu den Kosten schwanken: Zwischen 50.000 und 150.000 DM kostet laut dem Institut für Arbeitspsychologie ein Mobbingopfer den Arbeitnehmer pro Jahr,30 andere Rechnungen kommen auf 30.000 bis 100.000 DM pro Jahr und Gemobbtem. Diese Summen sollen dabei den Gesamtschaden beziffern und treffen keine Unterscheidung nach o.g. Kostenursachen. Der Schaden für die deutsche Volkswirtschaft, der nur durch mobbingbedingte Fehlzeiten verursacht wird, soll sich auf 100 Milliarden DM im Jahr belaufen, wobei die Kosten eines Fehltages auf 200 bis 800 DM (je nach Qualifikation) veranschlagt werden. Die Kosten von Fluktuationen werden mit 15.000 DM für einen Facharbeiter und 400.000 DM für eine Führungskraft veranschlagt.31 Die Ergebnisse solcher Hochrechnungen geraten zwar immer wieder auch ins Feuer der Kritik,32 trotzdem scheint gesichert, daß der Wirtschaft Schäden in erheblicher Höhe entstehen.

5 Mobbing - eine Ausnahmeerscheinung?

Betrachtet man diese Ergebnisse, stellt sich die Frage, warum Mobbing in der wissenschaftlichen Diskussion bislang recht spärlich behandelt wurde. Handelt es sich eventuell um ein zwar vorhandenes, aber doch eher seltenes Phänomen?

5.1 Erhebungsmethoden

Bevor die Untersuchungsergebnisse zur Verbreitung von Mobbing beschrieben werden, soll kurz geklärt werden, mit welchen Methoden Mobbing erfaßt wird. Die bisherige Forschung verwandte zur Untersuchung von Mobbing vorrangig das Verfahren der Querschnittsanalyse. Damit wird eine Momentaufnahme bestimmter zu einem Zeitpunkt vorhandenen Merkmale gemacht. Dieses Verfahren kann angesichts des Prozeßcharakters von Mobbing problematisch sein, da die Wahrnehmung von Mobbing durch die Beteiligten im Verlauf des Prozesses schwankt. Zur Erfassung werden vornehmlich Fragebögen und qualitative strukturierte Interviews verwendet.33 Dabei stehen für die Befragungen - sieht man von Leymanns LIPT Fragebogen, dessen Anwendung jedoch nicht unumstritten ist34, einmal ab - bisher noch keine standardisierten Erhebungsinstrumente zur Verfügung.

5.2 Verbreitung

Bleibt die Frage wie stark Mobbing verbreitet ist. Leymann kommt in seinen Untersuchungen für Skandinavien auf eine durchschnittliche Quote von 3,5 % der Arbeitnehmer, die im Laufe ihres Arbeitslebens mindestens einmal Opfer von Mobbing (gemäß der Leymann - Definition) werden.35 In Deutschland gab es bislang keine substantiellen Querschnittstudien zur Verbreitung, die Zahlen verschiedener Untersuchungen schwanken stark über eine Breite von 0,3 % bis 26,6 % aller Beschäftigten, die Zahl von rund 1,4 Millionen Mobbingopfern wird geschätzt.36 Die Gründe hierfür liegen zum einen in den verschiedenen den Untersuchungen zugrunde gelegten Definitionen zur Klassifikation von Mobbing. Zum anderen treten gewisse Selektionseffekte auf, d.h. es ist wahrscheinlicher, daß von Mobbing Betroffene an den Studien teilnehmen als Nichtbetroffene. Weiterhin kamen sehr unterschiedliche Methoden zum Einsatz, was bereits abweichende Ergebnisse impliziert. Auch wird immer wieder Kritik an der mangelnden Repräsentativität der Studien geübt.37

Ein weiterer Aspekt ist, daß eine offene Behandlung des Problems in Unternehmen noch nicht selbstverständlich zu sein scheint: Von 23 befragten Unternehmen, die Systeme relativer Leistungsbewertung anwenden, gab nur eines an, daß es Behinderungsaktivitäten durch Arbeit-nehmer für möglich halte.38 Allerdings sieht ein Drittel der Unternehmen Sanktionen für diesen Fall vor, was den Schluß nahelegen mag, daß Mobbing und Sabotage doch häufiger auftreten.

Es steht fest, daß es sich bei Mobbing am Arbeitsplatz um ein zwar noch nicht erschöpfend wissenschaftlich behandeltes Thema, keinesfalls aber um ein organisationales Randproblem handelt. Mobbing ist auch kein Problem einer spezifischen Minderheit, da nicht festgestellt werden kann, daß nur bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern betroffen sind. Angesichts der Zahlen sollte ein großes Interesse daran bestehen, Mobbing möglichst im Ursprung zu bekämpfen oder ihm effektiv vorzubeugen.

6 Strategien gegen Mobbing

6.1 Personalpolitische Maßnahmen

Um Mobbing vorzubeugen können Instrumente der Personalpolitik wirksam eingesetzt werden. Von Interesse sind dabei besonders

- die Entgeltpolitik,
- Job Rotation und Versetzungen sowie
- die Einführung von Mitspracherechten.

Die Entgeltpolitik bietet zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten, um das Verhalten der Mitarbeiter wie gewünscht zu beeinflussen. Hierzu sei auf die Analysen von Kräkel (1995, 1997) verwiesen.

In dezentral organisierten Unternehmen mit Betonung von Teamarbeit kann das Problem horizontalen und vertikalen Mobbings zusätzlich durch Maßnahmen wie Job Rotation und Versetzungen der Teammitglieder gemindert werden. Die Interaktionsdauer zwischen den Beschäftigten wird dadurch verringert, daher lohnt sich der mit Mobbing verbundene Aufwand wesentlich weniger, denn Konkurrenten können nur noch über einen kürzeren Zeitraum geschädigt werden. Der erwartete Nutzen sinkt also, wogegen die aufzuwendenden Kosten unverändert bleiben. Auch Maßnahmen wie umfassende Mitspracherechte des Teams, zum Beispiel bei der Auswahl der Mitglieder, sind wirksam. Ein Team wird aus Eigeninteresse kein Mitglied aufnehmen, welches den Anforderungen nicht gewachsen ist, nur um es später wieder zum Verlassen der Gruppe zu bewegen. Einer zu großen Heterogenität der Arbeitnehmer, die Mobbing verursachen könnte, wird so vorgebeugt. Wenn der interne Arbeitsmarkt transparent gestaltet ist, lassen sich auch Reputationseffekte zur Abschreckung nutzen. Denn eine Arbeitsgruppe oder Abteilung, die wiederholt zu Mobbing gegriffen hat, wird auf Dauer keine neuen Mitglieder mehr gewinnen können.

6.2 Unternehmenskultur

Unabhängig von der Organisationsform werden Konflikte und Wettbewerb immer eine normale Erscheinung zwischenmenschlicher Interaktion im Unternehmen sein. Oft führen sie zu sehr wünschenswerten Ergebnissen, wie Innovationen oder Leistungsanreizen. Rationale Arbeitnehmer werden sich in diesen Situationen, obiger Darstellung entsprechend, nutzenmaximierend verhalten. Überlegenswert ist daher die Frage, inwiefern eine im Unternehmen etablierte Kultur einen Beitrag zur Mobbingvorbeugung leisten kann. Denkbar ist dies, denn mit intern vereinbarten oder impliziten Verhaltensregeln kann ein erhebliches Sanktionspotential, insbesondere durch sozialen Druck, für abweichendes Verhalten verbunden sein. Die Kosten von Mobbing stiegen dadurch nicht unwesentlich. Wenn mittels Betriebsvereinbarungen o.ä. zusätzlich das Bewußtsein der Mitarbeiter gegenüber derartigen Aktionen geschärft und entsprechende Kommunikationswege eingerichtet werden, erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit der Entdeckung und damit die erwartete Bestrafung. Auch Rahmenbedingungen wie Führungsverhalten, Betriebsklima oder Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber können unter diesem Gesichtspunkt auf ihre Beiträge zur Mobbingprävention hin betrachtet werden, was an dieser Stelle jedoch zu weit führte.

7 Fazit

Die vergangenen Kapitel haben sich mit Mobbing aus der Perspektive derökonomie befaßt. Auch wenn es in diesem Rahmen offenbar Erklärungen dafür gibt, sollte nicht vergessen werden, daß auch viele nichtökonomische Motive existieren, die zu Mobbing führen. Ausführliche Betrachtungen hierzu lassen sich z.B. in der psychologischen Literatur finden. Letztendlich wird es daher nicht möglich sein, Mobbing mittels personalpolitischer Maßnahmen komplett zu beseitigen. Allerdings liefern diese einen Beitrag zur Entschärfung des Problems. Systematische Feindseligkeiten am Arbeitsplatz sind kein neues Problem - neu ist ihre Etikettierung und wissenschaftliche Betrachtung unter ,Mobbing'. Angesichts der erheblichen Konsequenzen sollten Unternehmen das Phänomen verstärkt in ihr Kalkül einbeziehen.

Literaturverzeichnis

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HUTCHENS, R. M. (1989): Seniority, Wages and Productivity: A Turbulent Decade. In: Journal of Economic Perspectives 3, S. 49-64

KRÄKEL, M. (1995): Mobbing und neuere partizipative Organisationsformen - eineökonomische Analyse. In: Diskussionsbeiträge des Betriebswirtschaftlichen Instituts. Würzburg

KRÄKEL, M. (1997): Rent - Seeking in Organisationen - eine Analyse sozial schädlichen Verhaltens. In: zfbf 49, S. 535-555

KRÄKEL, M. (1999):ökonomische Analyse der betrieblichen Karrierepolitik. 2. Aufl., München u.a.

KRÄKEL, M. / SCHAUENBERG, B. / WILFLING, C. (1998): Relative Leistungsbewertung stärkt den Wettbewerbsgedanken. In: Personalwirtschaft 11/98, S. 58-61

LAZEAR, E. (1989): Pay Equality and Industrial Politics. In: Journal of Political Economy 97, S. 561-580

LAZEAR, E./ROSEN, S. (1981): Rank - Order Tournaments as Optimum Labor Contracts. In: Journal of Political Economy 89, S. 841-864

NIEDL, K. (1995): Mobbing, Bullying am Arbeitsplatz: Eine empirische Analyse zum Phänomen sowie zu personalwirtschaftlich relevanten Effekten von systematischen Feindseligkeiten. 1. Aufl., München u.a.

o.V. (2000): Die Kosten, die durch Mobbing entstehen. In: http://www.dgb.de/themen/mobbing_05.htm, 13.06.2000.

o.V. (2000): Mobbing am Arbeitsplatz. In: http://www.sozialnetz-hessen.de/ergo-

online/Arbeitsorg/G_Mobbing.htm, 28.06.2000

o.V. (2000): Mobbing am Arbeitsplatz. In: http://www.sozialnetz-hessen.de/ergo- online/Arbeitsorg/S_Mobb-praev.htm, 28.06.2000

SCHLAUGAT, K. (1999): Mobbing am Arbeitsplatz - Eine theoretische und empirische Analyse. 1. Aufl., München u.a.

Spiegel-Verlag (1999): Homepage. In:

http://www.spiegel.de/wissenschaft/0,1518,54664,00.html, 08.06.2000

STELZER, J. (1992): Mobbing, Terror im Büro. In: !Forbes - Das Wirtschaftsmagazin für Europa 10/92, S. 76-79

VOLK, H. (1999): Streßfaktoren am Arbeitsplatz: Schlechtes Betriebsklima, Mobbing, Illoyalität, innere Kündigung. In: http://borggraefe.de/Stress/arbeitswelt.htm, 03.07.2000

WINTER, S. (1996): Relative Leistungsbwertung - Ein Überblick zum Stand von Theorie und Empirie. In: zfbf 48, S. 898-926

ZAPF, D. (1999): Mobbing in Organisationen - Überblick zum Stand der Forschung. In: Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie 43, S. 1-25

[...]


1 Vgl. ROSS, zitiert nach SCHLAUGAT (1999), S. 4

2 Vgl. NIEDL (1995), S. 12f; SCHLAUGAT (1999), S. 4f

3 BRODSKY, zitiert nach NIEDL (1995), S. 18

4 Vgl. NIEDL (1995), S. 20

5 LEYMANN, zitiert nach SCHLAUGAT (1999), S. 8

6 vgl. www.sozialnetz- hessen.de

7 NEUBERGER, zitiert nach SCHLAUGAT (1999), S. 6

8 Vgl. SCHLAUGAT (1999), S. 15

9 Vgl. ZAPF (1999), S. 10

10 Vgl. KRÄKEL (1997), S. 535

11 Vgl. NIEDL (1995), S. 23

12 Vgl. KRÄKEL (1995), S.7.; KRÄKEL (1997), S. 538

13 Zum Modell der relativen Leistungsbewertung vgl. WINTER (1996), S. 899f

14 Vgl. WINTER (1996), S. 908

15 Vgl. HAHNE (1994), S. 192; KRÄKEL (1997), S. 530

16 Zur formalen Betrachtung vgl. WINTER (1996), S. 911

17 Vgl. LAZEAR / ROSEN (1981), S. 844; KRÄKEL (1999), S. 228

18 zur analytischen Betrachtung vgl. LAZEAR (1989), S. 562, 564f

19 Vgl. KRÄKEL (1999), S. 214

20 Vgl. WINTER (1996), S. 910

21 Vgl KRÄKEL (1995), S. 10f; KRÄKEL (1997), S. 541

22 Vgl. KRÄKEL (1995), S. 9

23 Vgl. KRÄKEL (1997), S. 545

24 Vgl. ZAPF (1999), S. 20

25 Vgl. KRÄKEL (1995), S. 10

26 Vgl. www.sozialnetz-hessen.de

27 Vgl. ZAPF (1999), S. 19, 20

28 Vgl. ZAPF (1999), S. 20

29 Vgl. HUTCHENS (1989), S. 50

30 Vgl. STELZER (1992), S. 76

31 Vgl. www.dgb.de; SPIEGEL Online (11/1999)

32 Vgl. HAHNE (1994), S. 189

33 Vgl. NIEDL (1995), S. 169; SCHLAUGAT (1999), S. 15

34 zur Kritik vgl. SCHLAUGAT (1999), S. 16ff

35 Vgl. LEYMANN (1993), S. 274

36 Vgl. ZAPF (1999), S. 3f; STELZER (1992), S. 76

37 Vgl. ZAPF (1999), S. 22; SCHLAUGAT (1999), S. 34

38 Vgl. KRÄKEL / SCHAUENBERG / WILFLING (1998), S. 60

Final del extracto de 22 páginas

Detalles

Título
Die ökonomische Bedeutung von Mobbing in Unternehmen
Calificación
1,0
Autor
Año
2000
Páginas
22
No. de catálogo
V98017
ISBN (Ebook)
9783638964685
Tamaño de fichero
506 KB
Idioma
Alemán
Notas
Das Phänomen Mobbing mal nicht aus psychologischer, sondern aus ökonomischer Perspektive beleuchtet.
Palabras clave
Bedeutung, Mobbing, Unternehmen
Citar trabajo
Herrmann Iris (Autor), 2000, Die ökonomische Bedeutung von Mobbing in Unternehmen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/98017

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