Wagner, Heinrich Leopold - Die Kindermörderin


Presentation / Essay (Pre-University), 1999

5 Pages, Grade: 1+


Excerpt


Der Autor

Heinrich Leopold Wagner lernte als Student in Frankfurt Goethe kennen, der ihn später in seinem Schaffen stark beeinflusste. Am wirksamsten waren seine den gesellschaftlichen Mißständen damaliger Zeiten entnommenen Bühnenstü>"Die Reue nach der Tat" (1775), "Die Kindermörderin" (1776)

Das Stück

Das Trauerspiel "Die Kindermörderin" wurde von Wagner 1776 geschrieben und erschien zunächst anonym. Es prangerte darin die damaligen gesellschaftlichen Zustände ungewohnt direkt an. Für spätere Aufführungen wurde das Stück mehrfach umgeschrieben (1777 K.G. Lessing, 1779 Wagner selbst) und entschärft. Von Goethe wurde es als ein Plagiat der Gretchen Szene in seinem Urfaust bezeichnet.

Schauplatz der Handlung ist Straßburg und das Geschehen zieht sich über neun Monate hin.

Der Inhalt

Die Hauptperson des Trauerspiels "Die Kindermörderin" ist das achtzehnjährige Evchen, Tochter des Metzgers Martin Humbrecht und dessen Frau.

Zu Beginn besucht Evchen mit ihrer Mutter einen Ball. Von dort werden die beiden vom Leutnant von Gröningseck in ein fragwürdiges Gasthaus verschleppt. Er macht die Mutter betrunken und betäubt sie schließlich, indem er ihr ein Schlafpulver verabreicht, und vergeht sich hierauf an Evchen. Nach der Tat bekommt er aber Schuldgefühle und gibt ihr daher später das Versprechen, sie in fünf Monaten zur Frau zu nehmen. Frau Humbrecht bemerkt von alledem nichts.

Später ahnt niemand was sich in dieser Nacht tatsächlich zugetragen hat, denn Evchen bewahrt dieses Geheimnis für sich und wagt aus Angst vor ihrem Vater nicht, sich jemandem anzuvertrauen. Etwa zur selben Zeit erfährt der Vater von der Schwangerschaft seiner unverheirateten Magd und wirft sie mitsamt ihrer alten schwachen Mutter auf die Straße und für Evchen ist es klar dass sie sich jetzt vollends verschließen muss um ihrem Vater keine Schande zu bereiten.

Von Hasenpoth, ein Kompagnon vom Leutnant, wittert den Braten, worauf von Gröningseck alles gesteht und ihm auch seine Absicht kund tut, Evchen zur Frau zu nehmen. Als er sich dann auch noch etwas zu anteilig bei seinem Freund den Magister, einem Vetter Humbrechts, nach Evchens Befinden erkundigt, schöpft auch dieser einen ersten wagen Verdacht. Unterdessen versinkt Evchen immer tiefer in ihre Melancholie, was ihren Vater sehr böse macht, ihre Mutter jedoch traurig stimmt. Da gelingt es von Gröningseck wiederum, mit ihr Kontakt aufzunehmen. Er beteuert, das Versprechen, das er in dieser einen verhängnisvollen Nacht gegeben hatte, einhalten zu wollen, aber bittet gleichzeitig um weitere zwei Monate Aufschub. Er gibt an, nach Hause reisen zu wollen, um seinen Hof zu verkaufen. Doch, wie es scheint, steht von Gröningseck nicht zu seinem Wort. Als Evchen einen höhnischen Brief von diesem erhält, in dem er schreibt dass sie doch lieber von Hasenpoth heiraten solle da er nicht der Richtige für sie wäre, sieht sie keinen Ausweg mehr packt ihre Sachen und läuft zu tiefst verletzt von zu Hause weg. Während noch niemand ihre Abwesenheit bemerkt hat, nimmt sich der Magister ein Herz und breitet seinen Verdacht vor Evchens Eltern aus, unterstützt durch einen weiteren Brief von Gröningseck. Er meint auch, dass er dem Brief keine Beachtung geschenkt hätte, wenn nicht Evchen in der Kirche bei der Predigt, die vom siebten Gebot, du sollst keusch sein, umgefallen wäre und deshalb hätte es auch den Anschein, dass an dem Brief etwas dran wäre. Als dann auch noch ein Polizeihelfer kommt, der Frau Humbrecht ihre gestohlene Tabakdose zurückbringen will, kommt Herr Humbrecht dahinter, dass seine Frau und seine Tochter mit von Gröningseck in einem Bordell gewesen sind. Das wussten allerdings weder Frau Humbrecht noch Evchen. Um das alles aufzuklären will Herr Humbrecht Evchen holen und erfährt von Lissel, ihrer Hausmagd, dass sie weggelaufen ist. Der Polizeihelfer und sein Chef Herr Fiskal leiten sofort die Suche nach Evchen ein, da man befürchtet, sie könnte sich etwas antun. Der Verdacht erhärtet sich und Humbrecht ist außer sich vor Zorn. Das alles ist zuviel für Frau Humbrecht, schließlich stirbt sie an gebrochenem Herzen.

Evchen bringt ihr Kind bei einer Frau Marthan einer Lohnwäscherin zur Welt, ist jedoch nicht in der Lage, es zu ernähren und als Marthan fragt, wo sie denn zuvor gearbeitet hätte, gibt Evchen an, die Magd ihres Vaters gewesen zu sein. Da erzählt ihr Marthan vom Tod ihrer Mutter und dass man eine Wasserleiche gefunden hätte, die nun für Evchen gehalten wird. Als Evchen auch noch von der ausgesetzten Belohnung erfährt, gibt sie ihre wahre Identität preis und schickt Marthan, damit sie ihrem Vater von ihrem Aufenthaltsort berichte und die Belohnung kassiere. Der Kummer lastet nun schwer auf ihr und als Marthan gegangen ist, tötet sie aus Verzweiflung und einer tiefen Depression heraus ihr Kind. So ist es schon zu spät als ihr Vater, der Magister und sogar von Gröningseck angestürmt kommen. Es stellt sich heraus das die Briefe von Hasenpoths Werk waren und von Gröningseck nach wie vor zu seinem Wort steht. Doch nun kann er seinem Evchen auch nicht mehr helfen. Und als ihr Vater sieht, dass sie ihr Kind ermordet hat, verstößt er sie abermals. Die vom Magister verständigte Polizei kommt und Evchen wird zum Tode verurteilt. Evchen selbst sieht diese Verurteilung als ihre gerechte Strafe an.

Charakteristik

Evchen: Evchen ist ein Mädchen, dass sehr an ihrem Vater hängt und versucht ihn nicht zu enttäuschen. Das geht sogar soweit, dass sie einen Kindesmord begeht um den streng konservativen Vorstellungen des Vaters zu entsprechen. Evchen steht zwischen zwei Fronten. Entweder dem Leutnant Glauben zu schenken und dabei den Vater zu enttäuschen oder das Kind zu töten und ihrer Meinung nach etwas Gutes tun. Sie ist ein sehr labiler Mensch und ein sehr pessimistisch denkender.

Leutnant: Der Leutnant von Gröningseck ist ein Mensch der zwar böses tut aber als ihm das Vergehen bewusst wird auch wieder alles versucht um den Fehler gut zu machen. Er vertraut auch zu leicht und dies wird ihm dann zum Verhängnis. Im Grunde gesehen ist er ein guter Mensch der aus seinen Fehlern zu lernen scheint.

Die Interpretation

Das Drama "Die Kindermörderin" ist ohne Zweifel ein scharfer Angriff an damalige gesellschaftliche Strukturen und Werte. So wundert es auch nicht weiter, dass das Stück in seiner Urform zu damaligen Zeiten nicht aufgeführt wurde, sondern nur in seinen abgeschwächten, entschärften Nachfassungen und Umarbeitungen.

Das Werk wurde, wie schon erwähnt, anfangs nie in seiner Urfassung gegeben. Zunächst anonym erschienen, wurde es von Karl Lessing zu einer bühnentauglichen Fassung umgeschrieben. Diesem Vorhaben fielen der erste Akt, die Verführung, und das dramatische Ende zum Opfer. In einer weiteren Nachbearbeitung, diesmal von Wagner selbst, verhält es sich nicht anders. Das dramatische Ende wandelt sich zu einem seichten ,Happy End` mit reuiger und vergebender Einsicht der Eltern, beide leben sie noch und der Verheiratung v. Gröningseck mit Evchen. Sogar das Kind überlebt die Handlung, weswegen der Titel nun auch ,Evchen Humbrecht oder Ihr Mütter merkt`s euch!` lautet.

Wagner, der sich selbst als konsequenten Naturalisten bezeichnete, wird seiner Linie jedoch schon in der Urfassung untreu. Der Leutnant der junge unschuldige Mädchen in fragwürdige Lokale verschleppt um sie dort zu verführen, scheint an einer groben Persöhnlichkeitsstörung zu leiden, wenn er ihnen im Nachhinein die Ehe verspricht. Abgesehen hiervon ist die Botschaft des Stücks ziemlich deutlich: Junges Mädchen verliebt sich in Mann anderen Standes, wagt aber nicht aus der Umarmung ihres konservativen Vaters auszubrechen. Die Schwangerschaft verschärft die Lage noch zusätzlich, schließlich ist so eine voreheliche Empfängnis nicht ganz nach Vaters Moralvorstellungen. Die obligatorische Eskalation der Situation zu einem Säuglingsmord rundet die Sache nur noch ab. Das kommt halt davon! Ja, nämlich von zu sturen Moralvorstellung, die Wagner als Aufklärer natürlich aufweichen wollte.

Heute ist der Inhalt nur mehr wenig bis überhaupt nicht skandalträchtig. Bei den heutigen Wertvorstellungen unserer Gesellschaft dürfte es schwer fallen mit diesem Stück überhaupt noch jemanden zum Nachdenken zu bewegen.

Ansonsten ließt sich der Text durch ungewohnte Grammatik und Schreibweise etwas schwierig, kann aber stellenweise durchaus fesseln.

Die Textstelle:Sechster Akt, 3/4

Evchen. Es wird ja schon dunkel - (Frau Marthan vollends ab.) - mir vor den Augen! war mir`s schon. - Fast war mir bang, ich brächte sie mir nicht vom Hals. - Ja! was wollt ich doch?

- warum schickt ich sie aus. - Mein armes bisschen Verstand hat, glaub ich, vollends den Herzstoß bekommen! - (das Kind schreyt wieder.) Singst du? singst? singst unseren Schwanengesang? - singe, Gröningseckchen! sing! - Gröningseck! so hieß dein Vater; (nimmt`s vom Bett wieder auf und liebkos`s.) - Ein böser Vater! der dir und mir nichts seyn will, gar nichts! und mir`s doch so oft schwur, uns alles zu seyn! - ha! im Bordel so gar es schwur! - (zum Kind) Schreyst? schreyst immer? laß mich schreyn, ich bin die Hure, die Muttermörderin; du bist noch nichts! - ein kleiner Bastert, sonst gar nichts; - (mit verbißener Wuth.) - sollst auch nie werden, was ich bin, nie ausstehen, was ich ausstehen muß - (nimmt eine Stecknadel, und drückt sie dem Kind in Schlaf, das Kind schreytärger, es gleichsam zuüberschreyn singt sie erst sehr laut, hernach immer schwächer.)

Eya Pupeya!

Schlaf Kindlein! Schlaf wohl! Schlaf ewig wohl!

Ha ha ha, ha ha! (wiegts auf dem Arm.) Dein Vater war ein Bösewicht, Hat deine Mutter zur Hure gemacht; Eya Pupeya!

Schlaf Kindlein! Schlaf wohl! Ha ha ha, ha ha!

Schläfst du, mein Liebchen, schläfst? - wie sanft! bald beneid ich dich Bastert, so schlafen

Engel nur! - Was mein Liedchen nicht konnte - säng mich doch auch jemand in Schlaf so! Ha! ein Blutstropfen! den muß ich wegküssen, - noch einer! - auch den! (k üß t das Kind an dem verwundeten Schlaf.) - Was ist das? - süß! sehr süß! Aber hinten nach bitter - ha, jetzt merk ichs - Blut meines eigenen Kinds! - und das trink ich? - (wirfts Kind aufs Bettt) Da schlaf, Gröningseck! schlaf! schlaf ewig! - bald wird ich auch schlafen - schwerlich so sanft als du eingeschlafen, aber wenns einmal geschehen ist, ists gleichviel. - (Man hört jemand.) Gott! wer kommt? (sie deckt das Kind zu, setzt sich daneben, und fällt, da sie ihren Vater kommen sieht, mit dem Gesicht aufs Kopfk üß en.)

Humbrecht. Wo? wo ist sie, meine Tochter? - meine Tochter, meine einige Tochter? (erblickt sie auf dem Bett.) Ha! bist du da, Hure, bist da? - Hier Alte! dein Geld! (wirft einen Sack hin, Fr. Marthan hebt ihn auf und thut ihn beyseite.) - Hängst den Kopf wieder? hasts nicht Ursach, Evchen, ´s ist dir alles verziehn, alles! - (schüttelt sie.) Komm! sag ich, komm! Wir wollen Nachball halten - - ja, da möchte man sich ja kreutzigen und segnen über so ein Aas: wenn der Vater zankt, so laufts davon, gibt er gute Worte, so ists taub. - (schüttelt sie noch heftiger.) Willst reden? oder ich schlag die das Hirn ein! -

Die Quellen

H.L.Wagner: Die Kindermörderin. Reclam: Ditzingen 1997 Kindlers neues Literaturlexikon. Kindler

Excerpt out of 5 pages

Details

Title
Wagner, Heinrich Leopold - Die Kindermörderin
Grade
1+
Author
Year
1999
Pages
5
Catalog Number
V98433
ISBN (eBook)
9783638968843
File size
425 KB
Language
German
Keywords
Wagner, Heinrich, Leopold, Kindermörderin
Quote paper
Julia Huber (Author), 1999, Wagner, Heinrich Leopold - Die Kindermörderin, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/98433

Comments

  • guest on 11/19/2002

    danke danke .......

    du bist ein echter schatz
    ich hoffe das das alles morgen klar gehen wird du weißt nicht wie sehr ich dir dafür danke
    cya und thx
    Kris

  • guest on 11/21/2001

    THX.

    DAAAAAAAAAANKE.....hab nämlich keine lust und zeit bis morgen mir das buch durchzulesen......ich werde es noch nachholen *g* ;-)

  • guest on 11/4/2001

    danke.

    hi julia!!
    danke du hast mir den kopf gerettet!!solche menschen die ihre arbeiten im net veröffentlichen sinn engel!!danke vielmals...ich werd in zukunft auch auch meine teile ins net stellen!!
    danke

    ciao
    chriss

  • guest on 6/5/2001

    danke.

    dankeschön

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Title: Wagner, Heinrich Leopold - Die Kindermörderin



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