Gustav Stresemann wird trotz seiner kurzen Amtszeit als Reichskanzler der Weimarer Republik in der geschichtswissenschaftlichen Forschung als einer der erfolgreichsten und populärsten Politiker der Weimarer Republik wahrgenommen. Historiker kommen zu dieser Einschätzung, da sie dem Wirken des Kabinetts Stresemann und auch seiner späteren Tätigkeit als Außenminister, eine außerordentlich wichtige politische Leistung attestieren. Thematisiert wird der Werdegang Stresemanns in der Weimarer Republik.
Die Große Koalition und Gustav Stresemann 1923
Gustav Stresemann wird trotz seiner kurzen Amtszeit als Reichskanzler der Weimarer Republik in der geschichtswissenschaftlichen Forschung als einer der erfolgreichsten und populärsten Politiker der Weimarer Republik wahrgenommen. Historiker kommen zu dieser Einschätzung, da sie dem Wirken des Kabinetts Stresemann und auch seiner späteren Tätigkeit als Außenminister, eine außerordentlich wichtige politische Leistung attestieren. Hierbei anzumerken ist, dass das Kabinett Stresemann den Übergang, einer ersten innenpolitisch wie außenpolitisch schwierigen Phase der Weimarer Republik, hin zu einer wirtschaftlichen und politisch prosperierenden Phase einleitete. Diese Phase des Aufschwungs war gekennzeichnet durch die Befreiung der jungen Republik aus der außenpolitischen Isolation und die Verständigung mit den Siegermächten, was insbesondere der Person Stresemann angerechnet werden kann. War Stresemann doch schließlich derjenige, der die Außenpolitik der Weimarer Republik kontinuierlich über einen Zeitraum von 7 Jahren bestimmte und sich die Verständigung und Versöhnung zum Ziel gesetzt hatte. Hierbei ist auch sein politisches Geschick anzumerken - verstand er sich doch als „Realpolitiker“, der die Gegebenheiten anerkannte, im Gegensatz zu vielen Weimarer Politikern die in ihren Milieus verhaftet eine Politik betrieben die ihre politischen Rahmenbedingungen nicht überschritten. Dies kennzeichnete seine Koalitionsbildung seiner Zeit als Kanzler und Außenminister: Um seinen politischen Kurs durchsetzen zu können, verstand er es als ein vom Pragmatismus gekennzeichneter Politiker, ideologische Interessen außen vor zu lassen und bildete Koalitionen bestehend aus allen Parteien die sich als demokratisch und verfassungstreu zu erkennen gaben.
Der Weg hin zur Ernennung von Stresemann als Reichskanzler war geprägt durch die Ereignisse des Jahres 1923, welches ein einschneidendes Erlebnis für die politische Landschaft der Weimarer Republik seien sollte. Es war gekennzeichnet durch die Ruhrbesetzung der französischen und belgischen Truppen, welche mit dieser Besetzung ein wirtschaftliches Pfand auf ausbleibende Reparationszahlungen erhoben. Die Regierung unter Wilhelm Cuno, sowie das breite Spektrum der Weimarer Parteien sahen hierin ein Vertragsbruch des Versailler Vertrages. Im Vorfeld der Ruhrbesetzung war eine selbst deklarierte Zahlungsunfähigkeit von deutscher Seite verkündet worden. Das Kabinett Cuno rief zu einem passiven Widerstand auf. Die streikenden Arbeiter des Ruhrgebiets wurden von der Reichsregierung für ihren passiven Widerstand gegen die französische und belgische Besatzung finanziell entlohnt. Um diese Finanzierung zu gewährleisten wurde seitens der Reichsbank auf Anweisung der Regierung vermehrt Geld gedruckt. Dadurch leitete die von staatlicher Seite beschlossene rasante Geldvermehrung eine enorme Entwertung der Mark ein. Die sogenannte Hyperinflation schadete der deutschen Wirtschaft. Die Ruhrbesetzung traf das Herz der deutschen industriellen Fertigung und die Wirtschaftsleistung sank enorm. Viele Unternehmen mussten folglich ihre Belegschaft entlassen. Der Kostenvorteil, den die Inflation in den Jahren 1921 und 1922 den deutsche Unternehmen brachte und diese zu nutzten wussten, indem sie vermehrt Arbeitnehmer einstellten, schwand. Mit Beginn der Hyperinflation machte sich eine aufkommende Massenarbeitslosigkeit bemerkbar. Die Politik des Kabinetts Cunos trug zu einem rasanten Abfall der Löhne und Gehälter bei, welche deutlich der wachsenden Teuerungsrate hinterherhinkten. Die angespannte soziale Spannung entlud sich in einer zu erwartenden Hungerkatastrophe - waren doch die Industrie und Landwirtschaft darauf bedacht ihre Waren und Güter zurückzuhalten, um sich vor der Geldentwertung zu schützen.
In diesem sozioökonomischen Spannungsfeld übernahm Gustav Stresemann - vom Reichspräsidenten Ebert zur Regierungsbildung beauftragt - das Amt des Reichskanzlers und folgte auf das zurückgetretene Kabinett Cunos.
Dem Kabinett Stresemann stand eine große Koalition bestehend aus den Weimarer Parteien (Zentrum. DDP und SPD), sowie Stresemanns Partei, der DVP vor und das, obwohl Stresemann der SPD nicht angetan war. Die Einbindung der SPD in seine Regierungsarbeit, galt der Überlegung dass es schwierig seien würde, politische Ziele durchzusetzen, ohne die Arbeiterbewegung miteinzubeziehen. Die Bereitschaft zur Koalition diente auch dem Aspekt eine breite politische Landschaft im Reichstag für seine Regierungsziele zu besitzen. Diese Bereitschaft Stresemanns zur Koalitionsbildung endete allerdings bei den extremen Parteien - rechts wie links. Auf Seiten der SPD und DVP war die Erkenntnis nur langsam gereift, dass nur im Zusammenspiel die Krise überwunden werden konnte.
Stresemann, der bis 1919 Mit-Vorsitzender und Begründer des Bundes der Industriellen war, gelangte zur Erkenntnis, dass ein weiterer Währungsverfall der durch den passiven Widerstand nicht nur die Ökonomie der Weimarer Republik schadete, sondern auch das Bestehen der Republik gefährdete. Dieser Aufruf zur Beendigung des passiven Widerstands im Ruhrgebiet folgte eine große Empörung in der politischen Landschaft. Die Vorlage eines entsprechenden Ermächtigungsgesetz zur Stabilisierung der Währung, bildete die Grundlage für Teile seiner eigenen Partei, die er 1918 eigens gründete und somit die Liberalen in DDP und DVP spaltete, auf die Sprengung der großen Koalition hinzuarbeiten. Besonders der rechte Flügel seiner DVP wollte die Koalition mit der SPD beenden.
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- Thibaut Rivière (Auteur), 2019, Die Große Koalition und Gustav Stresemann 1923, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/985502