Die Gyges Geschichte. Ist die Gerechtigkeit ein Gut oder ein Übel?


Hausarbeit, 2020

13 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der historische Gyges

3. Gyges in den Geschichten
3.1 Bei Platon
3.2 Der Ring als Machtsymbol
3.3 Bei Herodot

4. Unterschiede der Geschichten

5. Die Gerechtigkeit bei Glaukon

6. Epikurs Auffassung von Gerechtigkeit

7. Vergleich Sokrates, Glaukon und Epikur

8.Schluss

9. Literaturverzeichnis

Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird in der vorliegenden Hausarbeit die gewohnte männliche Sprachform bei personenbezogenen Substantiven und Pronomen verwendet.

Dies impliziert jedoch keine Benachteiligung des weiblichen Geschlechts, sondern soll im Sinne der sprachlichen Vereinfachung als geschlechtsneutral zu verstehen sein.

1. Einleitung

Gerechtigkeit ist ein Thema, über das nicht nur in der heutigen Zeit diskutiert wird, sondern auch schon die antiken Philosophen diskutierten über die Gerechtigkeit. In dieser Hausarbeit werde ich mich auf die antiken Philosophen Platon, Herodot und Epikur konzentrieren. Platon schrieb in seinem Werk Politeia unter anderem aus der Sicht des Sokrates und des Glaukons. Glaukon erzählt die Geschichte des Gyges, ein bekannter lydischer König. Zunächst werde ich Informationen über den historischen Gyges darlegen und wie er zu seiner Königsherrschaft kam. Danach werde ich die Version von Glaukon ausführen. An dieser Version knüpfe ich das Thema über unsichtbare Ringe an, welches ein wichtiger Bestandteil der Geschichte des Gyges bei Glaukon ist. Hierauf folgt dann die Version des Herodots, die ich im Anschluss daran mit der Version des Glaukons vergleiche. Obwohl die Geschichten beide von Gyges handeln, ist der Charakter in den jeweiligen Geschichten anders und wirkt sich auf die Taten des Gyges aus. In beiden Geschichten begeht Gyges ungerechte Taten in verschiedener Weise. Der Gerechtigkeit in Glaukons Version widme ich ein eigenes Kapitel. Anschließend erläutere ich die Auffassung der Gerechtigkeit von Epikur und werde diese mit der Auffassung von Glaukon vergleichen. Der Vergleich der beiden mit Sokrates ist ebenfalls interessant und wird im darauffolgenden Kapitel kurz behandelt. Zum Schluss werde ich die erlangten Erkenntnisse zusammenfassen.

2. Der historische Gyges

Gyges war ein lydischer König (ca. 680-644 v. Chr.) und Begründer der Mermnaden- Dynastie. Die Herkunft der Mermnaden ist ungewiss. Sie waren den Vorbewohnern. welche laut Herodot die Nachkommen des Herakles waren, feindlich gesinnt. Nach der Erzählung von Herodot erlangte Gyges die Herrschaft in Sardeis1, indem er seinen Vorgänger Kandaules tötete und dessen Frau heiratete. Die Herrschaft ging nach dem Tod des Königs nicht an seine Verwandte, sondern an den neuen Ehemann der Königin, Gyges. Tyrannos war eine Bezeichnung, die Gyges zugeteilt wurde, weil er vom Kampf lebte. Sein Reichtum erlangte er durch Raubzüge und durch den Verkauf von ionischen und karischen Untertanen als Söldner an den ägyptischen Pharao Psammetichos I. Er hatte viele Feinde, unter anderem die Kimmerier, welche indogermanische Reitervölker bekannt waren. Gyges musste sich Hilfe bei Assurbanipal, den damaligen assyrischen König, suchen und zahlte ihm einen Tribut als Gegenleistung für seine Hilfe. Erfolgreich konnte er mit der erlangten Hilfe die Kimmerier abwenden. Nachdem Gyges sich vorschnell von Assurbanipal entfernte, eroberten die Kimmerie Sardeis und Gyges wurde grausam getötet. der Sohn Gyges erlangte zwar die Herrschaft, aber nur als Vasall der Assyrer.2

3. Gyges in den Geschichten

3.1 Bei Platon

Die Geschichte des Gyges steht bei Platon in seinem Werk Politeia, der Staat. Dieses Werk ist in 10 Bücher gegliedert, welche in Dialogform geschrieben wurden. Sokrates ist die Hauptfigur des Werkes. Dieser hat im ersten Buch ein Streitgespräch mit Thrasymachos über die Frage, wie Gerechtigkeit zu definieren ist. Nachdem Thrasymachos und Sokrates ihre Meinungen geäußert haben, kommt Glaukon im zweiten Buch zu Wort. Er ist der Meinung, dass Sokrates noch nicht bewiesen hat, dass Gerechtigkeit nicht nur wegen ihrer Konsequenzen gewählt werden soll, sondern auch für sich erstrebenswert ist. Als Verdeutlichung wählt Glaukon eine Gegenposition, welche besagt, dass kein Mensch von sich aus gerecht ist, vielmehr zwingen die Umstände die Menschen zur Gerechtigkeit. Zur Veranschaulichung erzählt Glaukon die Geschichte des Gyges.3

Gyges ist zunächst ein Hirte (noiyéva) des damaligen Herrschers von Lydien. Als er seine Herde weidete, kam ein gewaltiges Gewitter und ein Erdbeben auf. Ein Riss in der Erde entstand und Gyges stieg hinein. Dort gab es viele unglaubliche Dinge zu sehen. Unter anderem ein hohles Pferd aus Erz. Durch dessen kleine Öffnung ging Gyges hindurch und entdeckte einen überlebensgroßen Leichnam. Dieser Leichnam trug nichts außer einem goldenen Ring (xpuooüv öaKTÜAiov). Gyges nahm den Ring an sich. Er trug ihn bei dem monatlichen Bericht über die Herden am Königshof. Dort merkte er zum ersten Mal, dass der Ring eine besondere Fähigkeit besitzt. Er kann den Träger unsichtbar werden lassen, wenn dieser den Stein des Ringes zu sich ins Innere der Hand dreht (toütou 5é Y^vo^évou ayavq auTÖv Y^véodai wig napaKadqyévoig). Überzeugt von dieser Erkenntnis sorgte er dafür, dass er zu einem der Boten des Königs ernannt wurde. Mit Hilfe des Ringes gelangte er zur Gemahlin des Königs und verführte sie zum Ehebruch (^oixeüoavTa). Mit ihrer Unterstützung tötete Gyges den König und übernahm dessen Macht. Gyges wurde der neue König von Lydien.4

3.2 Der Ring als Machtsymbol

Der Ring des Gyges, der ihn unsichtbar werden lässt, ist ein wichtiger Bestandteil der Geschichte. Glaukon behauptet, dass es keinen Unterschied macht, ob ein Mensch gerecht oder ungerecht ist, denn er wird durch die Macht ungerechte Handlungen vollziehen. Hätte man zwei Ringe des Gyges und würde einen Ring einem gerechten und einen Ring einem ungerechten Menschen geben, so würden beide ungerechte Handlungen vollziehen.5

Unsichtbarkeit verleiht einer Person Macht. Dieses Phänomen ist bereits in der griechischen Mythologie wiederzufinden. Hades, der Gott der Unterwelt, besitzt einen Helm, der ihn unsichtbar werden lässt. Dieser Helm ist, wie der Herrscherblitz von Zeus, ein Machtsymbol. Hades wird oft als hinterlistiger Gott beschrieben und sein Helm ist ein Hilfsmittel für seine ungerechten Taten.

Auch in den heutigen Filmen wird Unsichtbarkeit mit Macht assoziiert. In der Trilogie „der Herr der Ringe" geht es ebenfalls um einen Ring, „einen Ring, um sie alle zu knechten". Dieser Ring lässt den Träger unsichtbar werden. Der Ring verleiht dem Träger große Macht, doch hat dieser auch schlechte Auswirkung auf den Charakter des Trägers. Der Ring verdunkelt den Geist des Trägers und verleitet ihn zu bösen und ungerechten Handlungen. Gollum, ein Träger des Ringes, töten seinen besten Freund, um den Ring zu bekommen. Auch der Ring des Gyges verleitet ihn zu bösen Taten, Mord und Herrschaftsraub.

3.3 Bei Herodot

Herodot war ein bekannter antiker Geschichtsschreiber. Bei ihm geht es zwar auch um einen Gyges, aber es handelt sich um eine ganz andere Geschichte. In seiner Geschichte spielt, neben Gyges, auch das Königspaar eine große Rolle.

Eine Herrschaftslinie von Lydien stammte vom Halbgott Herakles ab. Kandaules war der letzte Heraklide, der die Herrschaft von Lydien innehatte, bis sie ihm von Gyges genommen wurde. Kandaules verliebte sich in seine eigene Frau und preiste ihre Schönheit vor Gyges, seinem Leibwächter. Eines Tages verlangte Kandaules von Gyges, dass dieser sich verstecken und sich selbst von der Schönheit der Königin überzeugen soll. Gyges machte sein Entsetzen deutlich, denn eine Frau verliert mit ihren Kleidern auch ihre Scham. Er beteuerte, dass er Kandaules ohne Beweise glaubte und seine Herrin nicht nackt sehen müsse. Kandaules versicherte Gyges, dass er und seine Frau keinen Schaden nehmen werden. Gyges sah keinen Ausweg und so versteckte er sich abends im Zimmer des Kandaules und seiner Frau. Er sah seine Herrin nackt und wollte danach heimlich das Zimmer verlassen. Doch seine Herrin bemerkte ihn. Statt laut aufzuschreien, sagte sie nichts und überlegte sich einen Plan. Am nächsten Tag rief sie mehrere Diener und auch Gyges zu sich. Sie ließ Gyges die Wahl entweder selbst zu sterben oder seinen Herrn Kandaules zu töten. Er versuchte seine Herrin umzustimmen, doch diese ließ sich nicht beschwichtigen. So geschah es, dass Gyges seinen Herren am Abend tötete. Er bekam seine Herrin als Frau und die Herrschaft über Lydien. Das Orakel von Delphi bestätigte Gyges als König.6 Damit wurde er auch von den Skeptikern als König akzeptiert.

4. Unterschiede der Geschichte

Obwohl beide Geschichten von Gyges handeln, weisen diese doch einige Unterschiede auf. Bei Glaukon ist Gyges ein einfacher Hirte, der nur einmal im Monat Kontakt zum König hat, wenn er den monatlichen Bericht erstattet. Sonst hat er keine Verbindung zum Königshaus. Bei Herodot allerdings ist Gyges eine Leibwache des Königshauses und hat damit jeden Tag mit dem König und der Königin Kontakt. Der König kennt Gyges sehr gut und sieht ihn als einen seiner Vertrauten. Die Schönheit der Königin spielt bei Herodot eine große Rolle, während Gyges sich bei Glaukon lediglich für die Macht interessiert, die er durch die Königin erlangen würde. Ein weiterer großer Unterschied ist, dass es bei Platon etwas Mythisches gibt. Durch den Ring wird Gyges unsichtbar und erlangte dadurch, dass die Königin Ehebruch begann. Bei Herodot versteckt sich Gyges im Zimmer, ohne unsichtbar zu sein. Es kommt nicht zu einem Ehebruch, sondern Gyges sieht die Königin gegen ihren Willen nackt. Beschämt verlangt die Königin, dass Gyges getötet wird oder den König tötet. Bei Glaukon gelangt Gyges selbst zu dem Entschluss den König zu töten. Dies gelingt ihm mit der Hilfe der Königin. Die Charaktereigenschaften beider Gyges könnten unterschiedlicher nicht sein. Gyges bei Glaukon erkennt seine Chance an Macht zu kommen und ergreift diese, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Gyges bei Herodot jedoch fühlt sich schlecht, dass er sich im Zimmer des Königs und der Königin verstecken soll. Er versucht den König zu überreden seinen Plan zu verwerfen. Als Gyges von der Königin erwischt wird und zu ihr gerufen wird, wird Gyges zu einer Entscheidung gezwungen. Entweder stirbt er oder der König muss sterben. Obwohl Gyges bei Herodot einen guten Charakter hat, entscheidet er sich dafür den König zu töten, um sich selbst zu retten. Gyges bei Herodot hatte keine wirkliche Wahl beim Mord des Königs, während Gyges bei Glaukon mutwillig den Mord des Königs plant und durchführt.

Doch wieso wird Gyges in den Geschichten mit zwei verschiedenen Charakterzügen versehen? Die Botschaft, die die jeweilige Geschichte überbringen soll, ist eine andere. Bei Glaukon soll gezeigt werden, dass jeder Mensch mit der nötigen Macht ungerechte Handlungen durchführen wird. Gyges war ein einfacher Hirte ohne jede Macht, bis er den Ring fand. Bei Herodot ist Gyges ein Leibwächter des Königs und sehnt sich nicht nach der Königsherrschaft. Er ist ein treuer Diener, der dem Befehl seines Königs gehorcht und damit ins Unglück stürzt. Ihm bleibt am Ende nur noch die Wahl zwischen seinem eigenen Tod oder dem Tod des Königs. Ein gerechter Mann wird zu einer ungerechten Handlung gezwungen. Die Ungerechtigkeit wird zwar von beiden Gyges begangen, doch haben sie verschiedene Motive für den Mord am König. Gyges in Glaukon töten den König, um an Macht zu kommen. Gyges bei Herodot tötet den König, um selbst zu überleben. Eine weitere Ungerechtigkeit ist bei Gyges in Herodot zu finden. Zwar hat er die Erlaubnis des Königs die Königin nackt zu sehen, doch hatte er dazu kein Recht. Die Königin hatte Gyges jedoch entdeckt, als er ihr Zimmer verlassen wollte und somit war auch diese Ungerechtigkeit nicht ungesehen. Gyges sollte dafür bestraft werden und begann die nächste Ungerechtigkeit um sein Leben zu retten.

[...]


1 Sardeis war eine Stadt in der heutigen Türkei

2 Vgl. Der neue Pauly, Gyges

3 Vgl. Pol 359b8-10

4 Vgl. Pol 359b8-360b3

5 Vgl. Pol 359c1-8

6 Vgl. Herodot 1,8,1 - 1,13,1

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Die Gyges Geschichte. Ist die Gerechtigkeit ein Gut oder ein Übel?
Hochschule
Universität Konstanz
Note
1,3
Autor
Jahr
2020
Seiten
13
Katalognummer
V986273
ISBN (eBook)
9783346350725
ISBN (Buch)
9783346350732
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Platon, Gyges, Gerechtigkeit
Arbeit zitieren
Madeleine Friedrich (Autor:in), 2020, Die Gyges Geschichte. Ist die Gerechtigkeit ein Gut oder ein Übel?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/986273

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