"Werk und Leben des Aristoteles. Die Bedeutung der Aristotelischen Philosophie


Seminar Paper, 2000

18 Pages, Grade: 2,0


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Inhaltsverzeichnis

1. DAS LEBEN DES ARISTOTELES:

2. DAS WERK DES ARISTOTELES:
2.1. DEUTUNGEN DES ARISTOTELISCHEN WERKES:
2.2. ÜBERSICHT ÜBER DAS WERK DES ARISTOTELES:
2.2.1. Das Organon:
2.2.2. Schriften zur Naturphilosophie, Biologie und Psychologie:
2.2.3. Metaphysik:
2.2.4. Ethik und Politik:
2.2.5. Rhetorik und Poetik:
2.2.6. Fragmente:
2.3. METAPHYSIK - DIE ERSTE PHILOSOPHIE:

3. DIE WIRKUNGSGESCHICHTE DES ARISTOTELES :
3.1. DIE FRÜHZEIT:
3.2. ANDRONIKOS VON RHODOS:
3.3. CHRISTENTUM, ISLAM, JUDENTUM:
3.4. ARISTOTELES-RENAISSANCE DES MITTELALTERS:

4. DIE BESONDERE BEDEUTUNG DER ARISTOTELISCHEN PHILOSOPHIE FÜR THOMAS VON AQUIN:

1. Das Leben des Aristoteles:

Aristoteles wurde 384 v. Chr. in Stagira geboren. Er entstammte zwei Arztfamilien. Sein Vater Nikomachos war Arzt von Amyntas III. Im Alter von 17 Jahren trat Aristoteles in die platonische Akademie in Athen ein, in der er 20 Jahre blieb. Zunächst war er ein Schüler Platons, später widmete er sich selbst der Forschung und Lehre. Da er promakedonisch eingestellt war, mußte er 347 v. Chr. Athen aus politischen Gründen verlassen. Es ist unklar, ob dies kurz vor oder nach dem Tode des Platon war. Zunächst folgte er einer Einladung des Hermias von Assos, dessen Tochter Pythia er sechs Jahre später heiratete. 345 v. Chr. begab er sich nach Lesbos, wo er Theophrast begegnete und eine lebenslange Freundschaft entstand. Im Jahre 343 oder 342 v. Chr. wurde Aristoteles von König Philip mit der Erziehung dessen Sohnes Alexander, der später den Beinamen "der große" erhalten sollte, betraut. Als 335 v. Chr. durch die Zerstörung Thebens der Widerstand gegen Makedonien gebrochen wurde, kehrte Aristoteles nach Athen zurück, wo er am Lykeion lehrte. Nach dem Tod des Alexander im Jahre 323 v. Chr. kam erneut Haß gegen Makedonien auf, und Aristoteles mußte Athen zum zweiten Mal verlassen. 322 v. Chr. erlag Aristoteles im Alter von 63 Jahren in Chalkis auf Euböa einer Krankheit. Seiner Ehe mit Pythia entsprangen zwei Kinder, sein Sohn Nikomachos, dem er später seine Nikomachische Ethik widmen sollte, und eine Tochter die er nach ihrer Mutter Pythia nannte.

2. Das Werk des Aristoteles:

Die Schriften des Aristoteles werden unterteilt in die Exoterischen, die publiziert wurden, und die esoterischen, die für Vorlesungen an der Akademie bestimmt waren. Die exoterischen Schriften sind gelten heute als verloren. Nach dem Tod des Aristoteles erbte Theophrast seine Bibliothek. Nach dem Tod des Theophrast im Jahre 288 oder 285 v. Chr. ging sie an Neleus über, wonach sie circa 200 Jahre in Skepsis lag. Anfang des ersten Jahrhunderts brachte sie Apellikon aus Theos nach Athen, wo sie von Sulla entdeckt wurden. Dieser ließ sie von in Rom von Tyrannion bearbeiten. Tyrannions Schüler Andronikos von Rhodos schuf letztlich die Zusammenstellung der esoterischen Werke des Aristoteles, die uns heute noch als Grundlage dient. Die exoterischen Schriften ließ Andronikos außer acht, so daß sie heute nicht mehr zugänglich sind.

2.1. Deutungen des Aristotelischen Werkes:

Andronikos betrachtete das Werk des Aristoteles als einheitliches geschlossenes System. Diese Auffassung ist nach heutigen Kenntnissen nicht mehr haltbar. So stellte beispielsweise Werner Jäger 1923 Andronikos´ Aristoteles-Bild in Frage und gelangte zu einer entwicklungsgeschichtlichen Deutung, die allerdings inzwischen ebenfalls als Konstrukt angesehen und angegriffen wurde, da beispielsweise die Datierung der Schriften zu ungenau ist und bestimmte Ortsamen in den Schriften Jägers These widersprechen. Nach der entwicklungsgeschichtlichen Deutung ist zwischen drei Perioden zu unterscheiden. In der "Akademiezeit" war Aristoteles noch Platoniker. Danach folgten die "Wanderjahre" im Exil, in der er hauptsächlich Kritik an der platonischen Ideenlehre übte und seine eigene Metaphysik entwickelte. Die "Meisterzeit" oder "zweite Athener Periode" war geprägt von der Frage nach "den Prinzipien der sinnlich wahrnehmbaren Einzelsubstanz" statt nach dem "übersinnlichen Seienden".

2.2. Ü bersicht Über das Werk des Aristoteles:

Das Werk des Aristoteles ist weiter zu unterteilen in den/das Organon, die Schriften zur Naturphilosophie, Biologie und Psychologie, die Metaphysik, die Schriften zur Ethik und Politik, die Rhetorik und die Poetik, sowie Fragmente seiner Schriften.

2.2.1. Das Organon:

Das Organon, das der Akademiezeit zugeordnet wird, beschäftigt sich mit Begriff, Aussage und Schluß, und bildet somit das Handwerkszeug zum Einstieg in die aristotelische Philosophie. Es besteht aus der Kategorienschrift, der Hermeneutik, den zwei Analytiken, der Topik und den sophistischen Widerlegungen. Die Kategorienschrift behandelt das was die Ausdrücke eines Aussagesatzes bezeichnen und somit den Begriff. Die Hermeneutik handelt von der Aussage und die drei letzten Teile beschäftigen sich mit dem Schluß, wobei sich die Analytiken auf die Syllogistik, die Topik auf den dialektischen Syllogismus und die sophistischen Widerlegungen auf den Mißbrauch durch die Sophisten beziehen.

2.2.2. Schriften zur Naturphilosophie, Biologie und Psychologie:

Die Bücher Physik I - IV beschäftigen sich mit der Veränderung und den Ursachen von Veränderung. Die Schrift Über den Himmel stellt das astronomische Weltbild des Aristoteles dar. Hierbei werden in den Büchern I und II die Himmelskörper und das 5. Element, der Äther, sowie die Kreisbewegung der Sphären erklärt. Die Bücher III und IV handeln von den vier restlichen Elementen, Erde, Wasser, Feuer und Luft. Das Buch Über Entstehen und Vergehen erklärt, wie aus der Mischung der Elemente die Stoffe entstehen. Die Meteorologie hat die physikalischen Phänomene, die in den Büchern I - III erklärt werden, und die vier Grundqualitäten trocken, feucht, kalt, und warm, von denen das vierte Buch handelt, zum Thema. Die Schrift Über die Seele verbindet die biologischen Schriften mit Metaphysik VII bis IX. Weiterhin zählen die Schriften Über die Teile der Lebewesen, Über die Fortbewegung der Lebewesen, Über die Bewegung der Lebewesen und Über die Entstehung der Lebewesen zum Kreis der Schriften zu Naturphilosophie, Biologie und Psychologie. Insgesamt läßt sich sagen, daß hier vom allgemeinen oder grundsätzlichen Dingen, wie Veränderungen und deren Ursachen, oder dem Entstehen und Vergehen zu den komplexen und konkreten Dingen, wie der Entstehung der Lebewesen oder ihrer Teile vorgegangen wird.

2.2.3. Metaphysik:

Die Anordnung der vierzehn Bücher der Metaphysik geht auf Andronikos zurück. Sie entspricht demnach nicht der Reihenfolge, in der Aristoteles sie ursprünglich geschrieben hat, beziehungsweise der Anordnung in der er sie hätte sehen wollen.

Der Name Metaphysik geht ebenfalls auf Andronikos zurück, der damit ausdrücken sollte, daß sie nach den Büchern der Physik folgen. Inzwischen wird der Begriff Metaphysik auch dahingehend verstanden, daß sie von dem handelt was hinter den Phänomenen, hinter dem Bereich der Physik, liegt. Die nähere Betrachtung der Metaphysik des Aristoteles wird dadurch erschwert, daß innerhalb der vierzehn Bücher unterschiedliche Metaphysik-Begriffe verwendet werden.

In Buch I wird die Metaphysik auch "Weisheit" (Ricken 113) genannt und "Wissenschaft von den obersten Ursachen und Prinzipien" (Ricken 113). Buch II, das eine Einführung in das Studium der Metaphysik darstellt nennt sie "Erforschung der Wahrheit" (Ricken 113). Buch III stellt 14 Aporien auf. Deren Lösung ist die Aufgabe der "gesuchten Wissenschaft" (Ricken 113). Danach wird sie in Buch IV als "Wissenschaft vom Seienden als Seiendem" bezeichnet, unter deren Aufgabe es auch fällt die Axiome zu erforschen. Axiome sind die obersten Grundwahrheiten, die logisches Schließen ermöglichen, wie zum Beispiel der Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch. Buch V ist ein Lexikon, in dem 30 philosophische Termini definiert werden. Die vier Bedeutungen von Seiend und das Verhältnis der Metaphysik zur Theologik werden in Buch VI behandelt. Hier wird die Metaphysik erneut als Wissenschaft "vom Seienden als Seiendem" (Ricken 113) bezeichnet. Die Bücher VII bis IX haben die Substanzen zum Thema, so wie die Frage nach der wahrnehmbaren Substanz, dem im eigentlichen Sinn Seienden. Thema des zehnten Buches ist der Begriff des einen und die mit diesem verwandten Begriffe Identität, Nicht-Identität , Ähnlichkeit und Gegenteil. Das Buch XI ist wahrscheinlich nacharistotelisch und stellt eine "Kompilation aus Metaphysik III, IV, VI und Physik III, IV" dar (Ricken 113). Metaphysik XII führt die wahrnehmbare, veränderlichen Substanz und die unveränderliche, göttliche ein, und XIII fragt gezielt nach der unveränderlichen, göttlichen Substanz. Das letzte Buch schließlich übt Kritik an der Platonischen Prinzipien- und Idealzahlenlehre.

2.2.4. Ethik und Politik:

Auf die Schriften zur Ethik und Politik werde ich an dieser Stelle nur kurz eingehen, da sie für die Metaphysik der Hochscholastik und Thomas von Aquin nur von minderer Bedeutung ist.

Zu unterscheiden sind drei Ethiken. Die erste ist die Nikomachische Ethik, von der es heißt, daß Aristoteles sie für seinen Sohn Nikomachos geschrieben hat. Die beiden weiteren sind die Große Ethik und die Eugenische Ethik. Die Schriften zur Politik befassen sich zum einen mit der Frage nach der besten Verfassung und zum anderen üben sie Kritik an Platons Staat und der Verfassung Spartas.

2.2.5. Rhetorik und Poetik:

Auf Aristoteles´ Schriften zur Rhetorik und Poetik werde ich ebenfalls nur der Vollständigkeit halber eingehen.

Es handelt sich hierbei um drei Bücher zur Rhetorik, die sich mit der Kunst befassen, den Zuhörer zu überzeugen. Diese drei Bücher beinhalten zwei Schriften, zum einen die ars rhetorica und die Schrift Von der Prosa.

Die Poetik geht davon aus, daß alle Dichtung Mimesis, also Nachahmung und Darstellung, ist. Sie gibt einen Überblick über die Dichtung von Ihren Anfängen bis zu seiner Zeit. Ein bedeutender Teil behandelt die Tragödie, deren Ziel es ist, im Zuschauer eine Läuterung, Katharsis, zu bewirken. Dies wird dadurch erreicht, daß man mit der Hauptperson der Tragödie mitleidet und so an der Handlung teilhat. Aristoteles´ Theorien zur Literatur sind, wie man am Beispiel der Tragödie sehen kann noch heute von Bedeutung.

2.2.6. Fragmente:

Durch überlieferte antike Verzeichnisse sind Werke dem Namen nach bekannt, von denen wir heute nur noch Fragmente besitzen. Zu diesen gehören beispielsweise der Dialog Über die Philosophie, der unter anderem die Ideen Platons diskutiert, oder der Dialog Eudemos, der von der Unsterblichkeit der Seele handelt. Eine andere Schrift mit dem Namen Über die Ideen dient als Hintergrund für die Auseinandersetzung mit den platonischen Ideen in der Metaphysik.

2.3. Metaphysik - die erste Philosophie:

Aristoteles´ Metaphysik hat vier Gegenstände zum Thema, die ersten Ursachen und Gründe, das Seiende als Seiendes, die wahrnehmbare, veränderliche Substanz und die göttlich Substanz. Im letzten Falle ist die Teologik die gesuchte Wissenschaft. Dazu soll zunächst die vierfache Bedeutung von "Seiend" erklärt werden. Es gibt das Sein im akzidentellen Sinn, das Sein an sich, veritatives Sein und Sein der Möglichkeit und der Wirklichkeit nach.

Das Sein im akzidentellen Sinn ist ein solches Seiendes das nur ist weil es einem anderen, das in sich ist zukommt. Es ist ein beiläufiges Sein das ein anderes Seiendes nur begleitet. So ist der Ausdruck "der Weise" ein zusammengesetzter Ausdruck der bedeutet "der weise Mensch". Er bezeichnet den dem er zukommt.

Hierbei hat "der Mensch" Sein an sich, während das "Weise sein" nur sein hat weil es dem Menschen zukommt. Das akzidentelle Sein ist insofern beiläufig, weil sich nichts am Sein änderte, wenn es es nicht hätte.

Das "Sein an sich" ist ein Sein gemäß den 10 Kategorien: Substanz, Quantität, Qualität, Relation, Ort, Zeit, Lage, Habitus, Tätigkeit und Leiden. Als Sein an sich ist allerdings nur der Prädikatsausdruck anzusehen und nicht das worüber etwas ausgesagt ist. Das heißt, daß Sein nach den Kategorien beispielsweise dem Menschsein zukommt, und nicht der Person von der ausgesagt wird, daß sie ein Mensch ist. "Im vollgültigen Sinn" (Röd GdP, 209) kommt diese Art von Sein jedoch nur den Elementen der Kategorie der Substanz zu.

Das veritative Sein ist ein Sein im Sinne von wahr sein. "Ist" bedeutet hier also "ist wahr". Wenn wir sagen "Sokrates ist weise", so hat das Weisesein Sein im Sinne der Kategorie der Qualität. Sagen wir aber "es ist wahr, daß Sokrates weise ist", so kommt dem Sein im veritativen Sinn zu. Diese Form des Sein hat jedoch keine wesentliche Bedeutung für eine metaphysische Untersuchung, da wahr und falsch "nicht Eigenschaft von Dingen, sondern von Aussagen, die wir über sie machen" (Ricken 120) sind. Das Falsche oder Wahre liegt vielmehr im Denken und nicht in den Dingen.

Das Sein der Möglichkeit nach bezieht sich wiederum auf das Sein an sich. So kann man den Satz "Sokrates ist sehend" auf verschiedene Arten verstehen. Zum einen bedeutet er, daß Sokrates (etwas) sieht, zum anderen bedeutet er auch, daß Sokrates das Vermögen zum Sehen hat. Dieses Vermögen zu etwas ist somit Sein der Möglichkeit nach und wird unterschieden von der aktuellen Wirklichkeit.

Ferner stellt sich die Frage was die Metaphysik von den anderen Wissenschaften unterscheidet. Ihre Themen sind, wie bereits gesagt wurde, die Frage nach den ersten Ursachen und Gründen, die Frage nach dem Seienden als Seiendem, die Suche nach der wahrnehmbaren, veränderlichen Substanz und die nach der unveränderlichen, göttlichen Substanz. In der Suche nach Ursachen und Gründen liegt kein Unterschied zu anderen Wissenschaften, da diese im Grunde alle Wissenschaften betreiben. Aber jede andere Wissenschaft beschränkt sich auf eine bestimmte Gattung oder ein Fachgebiet, das sie erforscht. Somit ist sie beschränkt auf einen Bereich des Seienden, während die Metaphysik nach den Ursachen und Gründen für alles Seiende forscht. Weiterhin geht jede andere Wissenschaft von bestimmten Voraussetzungen und Grundbegriffen aus, die sie selbst nicht mehr hinterfragen kann, um einen Anfangspunkt für ihre Arbeit zu haben. Die Metaphysik hingegen fragt nach den Serienweisen, und somit nach dem, was die anderen Wissenschaften selbst nicht mehr hinterfragen.

Nun stellt sich die Frage, was das Erste der Metaphysik, der Seinswissenschaft ist. Wenn wir davon ausgehen, daß dies die Substanz ist, so müssen wir nach den Ursachen der Substanz forschen, was uns zur Usia bringt.

Um zu erfahren, ob die wahrnehmbare oder die göttliche Substanz die erste ist, muß zunächst die wahrnehmbare erforscht werden. Um diese zu erforschen, müssen wir in Erfahrung bringen was ihr Wesen ausmacht. Das Wesen - die Usia - ist das Erste im dreifachen Sinne. Zum einen kommt sie der Zeit nach zuerst, da sie alle Veränderung durchhält. Zum anderen ist sie dem Begriff nach das Erste, da eine Frage, wie zum Beispiel "was ist ...", immer eine Antwort erhält, in der ein Begriff der Usia enthalten ist. Letztlich ist sie auch dem Wissen nach das erste, da man erst dann wirklich etwas über eine Sache weiß, wenn man weiß, was diese Sache ausmacht, was ihr Wesen ist.

Ferner gibt es bei Aristoteles vier Bedeutungen von Usia. Sie ist das Wesenswas, das Allgemeine, das Genus und das Substrat (Ricken 123), wobei die zweite und die dritte Bedeutung auf Platon zurückgehen und von Aristoteles abgelehnt wurden. Das Substrat wiederum ist das wovon alles ausgesagt wird, das aber selbst nie von einem anderen ausgesagt werden kann (Ricken 123). Vom Begriff des Substrats gibt es erneut mehrere Bedeutungen. Diese sind der Stoff, die Form und "das aus beiden" (Ricken 124). Hiervon ist die Form, die auch Eidos oder ebenfalls Wesenswas genannt wird, "das in einem ersten und ausgezeichneten Sinn Seiende" (Ricken 125).

Somit stellt sich als nächstes die Frage nach der Ursache des Eidos, die die Frage nach dem Werden und der Veränderung impliziert. Es gibt vier Arten von Veränderung. Das ist zum einen die Veränderung der Form, also Entstehen und Vergehen, dann die Ortsveränderung, die Veränderung der Größe, also Wachstum und Abnehmen an Größe, und letztlich eine Veränderung der Beschaffenheit, die eine Qualitätsveränderung meint. Die Frage nach dem Werden verweist wiederum auf das Eidos, da etwas das wird durch die Prinzipien Natur und Kunst wird. Das Eidos ist Natur, somit Ursache des Entstehens und Erstes. Es ist Prinzip und da es die Möglichkeit des Entstehens beinhaltet auch Vermögen zu etwas.

Das bringt uns nun zu der Frage, ob die Wirklichkeit oder die Möglichkeit an erster Stelle steht. Tatsächlich hat die Wirklichkeit in dreifacher Weise Vorrang vor der Wirklichkeit. Zum einen ist sie dem Begriff nach früher, da der Begriff der Möglichkeit oder der des Vermögens den Begriff der Wirklichkeit voraussetzt. Der Begriff eines Möglichen wird nur verstanden, wenn er Wirklichkeit hat. So versteht man den Begriff des Sehvermögens nur, wenn man bereits selbst einmal etwas gesehen hat, oder zumindest jemanden davon hat erzählen hören, der Sehvermögen besitzt. Der Zeit nach hat die Wirklichkeit ebenfalls Vorrang vor der Wirklichkeit, da der Mensch durch einen Menschen gezeugt wird. Dem Samen geht ein voll entwickeltes Wesen voran. Weiterhin ist die Wirklichkeit auch der Usia nach das erste, da ein Ursächliches nur als Wirklichkeit gedacht werden kann. Sie ist Ziel des Seienden, das Unvergängliche und Notwendige. Dieses kann nur wirklich sein, denn ein Vermögen beinhaltet auch Veränderlichkeit. Die Wirklichkeit ist somit auch ontologisch früher als die Möglichkeit, da ewiges ontologisch früher ist als vergängliches.

Dies führt uns zum unbewegten Beweger. Da das Ewige zugleich das notwendige ist, und eine Wirklichkeit immer nur von einer anderen verursacht sein kann muß alle Wirklichkeit von einer ersten verursacht sein, das selbst nicht verursacht ist. Diese erste Wirklichkeit, der unbewegte Beweger, ist Voraussetzung für alle andere Wirklichkeit, denn ohne diese wäre alles andere nicht. Dies ist wiederum nur möglich wenn es eine unvergängliche Substanz gibt, da der unbewegt Beweger unvergänglich sein muß und die Substanz die erste der Kategorien ist. Diese muß ebenfalls reine Tätigkeit sein, da das Vermögen zu einer Tätigkeit auch die Möglichkeit der Untätigkeit implizieren würde. Außerdem ist der unbewegte Beweger das Vollkommenste und das vollkommen gute. Bei dem Versuch ihn zu denken kommt die Vernunft an ihre Grenzen. Letztendlich ist also die Aristotelische Ontologie eine Onto-Theologie, da die Frage nach der Bedeutung des Wortes "sein" zum Gottesbegriff führt.

3. Die Wirkungsgeschichte des Aristoteles :

Das Werk des Aristoteles hatte großen Einfluß auf spätere Denker und Zeitgenossen. Es gab mehrere Aristoteles-Renaissancen und sein Denken beeinflußte mehrere Denkansätze unterschiedlicher Weltreligionen, aber auch Aristoteles-Verbote wurden durch die Kirchen verhängt. Im folgenden soll kurz die Wirkungsgeschichte des Aristoteles bis zu Thomas von Aquin dargestellt werden.

3.1. Die Frühzeit:

Seine Zeitgenossen schätzten Aristoteles hauptsächlich wegen seiner Logik und Ethik. Unter Theophrast erlebte die Athener Schule einen großen Zulauf. Jedoch begann unter Lykon der "Totenschlaf der Aristotelischen Philosophie", wie Wilamowitz es ausdrückte. Erst die hellenistische Zeit wurde durch Ptolemäus und Galen wieder von Aristoteles beeinflußt.

3.2. Andronikos von Rhodos:

Durch den Verdienst von Andronikos von Rhodos kam es zu einer Aristoteles- Renaissance. Es wurden zahlreiche Kommentare zu den Kategorien und den Ethiken verfaßt. Oktavian und Mark Aurel zählen unter anderem zu denjenigen, die von Aristoteles geprägt wurden. So richtete Mark Aurel beispielsweise einen Lehrstuhl für Aristoteles-Studien in Athen ein. Auch die Neuplatoniker, wie Plotin und Porphyrios beschäftigen sich mit Aristoteles, wenn auch mit dem Ziel, eine Synthese mit Platon zu finden.

3.3. Christentum, Islam, Judentum:

Die Vertreter der drei Weltreligionen Christentum, Judentum und Islam übernahmen hauptsächlich die Aussagen des Organon und orientierten ihre Gottesbeweise an Physik und Metaphysik. Beispielsweise Boethius wurde sehr stark von Aristoteles beeinflußt. So setzte er es sich zum Ziel, alle Werke des Aristoteles zu übersetzten. Im fünften Jahrhundert gründeten die Nestorianer eine Schule in Edessa, die vom Aristoteles-Übersetzer Ibas geleitet wurde. Der persische Arzt und Philosoph Avicenna (980 - 1037) stand ebenso unter dem Einfluß des Aristotelischen Werkes wie Averroes (1126 - 1198), der als Vermittler des Aristoteles an die europäische Scholastik bekannt wurde. Auch Moses Maimonides (1125 - 1204), der "das wichtigste Werk jüdischer Aufklärung" (Höffe 271) verfaßte, führte neben neuplatonischen Elementen auch aristotelische Gedanken an. Jedoch setzte sich nach dessen Zeit Averroes im jüdischen Aristotelismus durch.

3.4. Aristoteles-Renaissance des Mittelalters:

Mit dem Auftauchen bisher verschollener Übersetzungen des Boethius begann die logica nova, die "zweite Periode mittelalterlicher Logik" (Höffe 272). Sie schloß die Analytiken und die Topik mit ein. Nun begann eine umfangreiche Übersetzungstätigkeit, die mit Wilhelm von Moerbeke, dessen Übersetzungen später Thomas von Aquin als Grundlage dienen sollten, zum Höhepunkt kam. Allerdings gab es auch Aristoteles-Verbote, wie beispielsweise 1210 auf der Pariser Synode beschlossen oder 1215 im Laterankonzil. Jedoch schrieb 1255 wiederum die Artistenfakultät in Paris das Aristoteles-Studium vor, was als ein Schritt zur Selbständigkeit der Philosophie und Geburt der Philosophischen Fakultät betrachtet werden kann.

Albertus Magnus machte daraufhin Aristoteles´ ganzes Werk für die Theologie fruchtbar. Sein Schüler Thomas von Aquin führte diesen Weg konsequent fort und gelangte somit zu einem "Höhepunkt mittelalterlichen Denkens" (Höffe 274). Thomas und Albertus vollzogen beide eine klare und methodische Trennung der Theologie von der Philosophie, die nun nicht mehr die "ancilla theologiae", die Magd der Theologie, ist.

Von Bonaventura (1217 - 1274) wurde die Philosophie wieder der Theologie untergeordnet. Auch sein Verständnis des Aristoteles war wieder stärker von Platon geprägt. Bei Wilhelm von Ockham ( 1285 - 1347/49) hingegen ist wieder eine Anlehnung an Aristoteles´ Kritik der Ideenlehre festzustellen.

4. Die besondere Bedeutung der aristotelischen Philosophie für Thomas von Aquin:

Thomas von Aquin wird allgemein als einflußreichster Vertreter der aristotelischen Hochscholastik angesehen. Thomas schätzte Aristoteles als überragenden philosophischer Autor und vollzog konsequent die Anbahnung an Aristoteles, die Albertus angefangen hatte. Um eine gründliche Kenntnis des Aristotelismus zu erlangen, knüpfte Thomas an islamische Kommentatoren an. Er betrachtete die Philosophie als Grundlage der Theologie, und sah sie als von ihr unabhängig an.

Wie Aristoteles sah Thomas von Aquin das "Seiende als solches" als allgemeinsten Begriff an. Für beide ist Gott reine Wirklichkeit. Er hat Aktualität, ist notwendig eines und ist gut und wahr. Er übernahm von Aristoteles die Kategorien, die Substanz und die Akzidenz. Wie er identifizierte er die Form mit der Wesenheit. Darüber hinaus unterschied er allerdings zwischen Seiendem und Sein und "blieb nicht beim Seiendem als solchem" (Röd WdP, 346 - 347). Auch Thomas greift den Gegensatz zwischen Möglichkeit und Wirklichkeit auf und stellt die Frage nach dem höchsten Seienden. Beide nahmen an, daß der Begriff der allgemeinen Form. "Mit der Annahme daß Begriffe Abbilder allgemeiner Formen sind, übernahm Thomas den Aristotelischen Essentialismus" (Röd WdP, 348). Für Thomas gelten die Wesenheiten als ewig. Die Existenz endlicher Dinge dagegen ist kontingent.

Über Aristoteles hinausgehend unterscheidet er zwischen abgesondert von der Materie bestehenden Formen, die Engel oder Geister sein sollen, und selbständigen Formen, die trotz ihrer Selbständigkeit ein materielles Wesen formen. Darin daß die Seele eine Form des Leibes ist stimmt er wieder mit Aristoteles überein, jedoch ist er entgegen Averroes und Avicenna der Ansicht, daß der Verstand nicht nur ein allgemeines Prinzip ist, an dem der Mensch nur teilhat.

Sein großes Ziel und auch sein Verdienst ist es, "den Aristotelismus mit der christlichen Unsterblichkeit zu verbinden" (Röd Wdp, 350).

Literaturverzeichnis

Röd, Wolfgang (Hrsg): Die Geschichte der Philosophie Band 2. Die Philosophie der Antike 2. Sophistik und Sokratik, Plato und Aristoteles, München: Verlag C. H. Beck, 1983 (GdP)

Höffe, Otfried: Aristoteles, München: Verlag C. H. Beck, 1996

Ricken, Friedo: Philosophie der Antike, Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer, 1993

Röd, Wolfgang: Der Weg der Philosophie, München: Verlag C. H. Beck; 1994 (WdP)

Excerpt out of 18 pages

Details

Title
"Werk und Leben des Aristoteles. Die Bedeutung der Aristotelischen Philosophie
Course
Proseminar
Grade
2,0
Author
Year
2000
Pages
18
Catalog Number
V98702
ISBN (eBook)
9783638971539
File size
364 KB
Language
German
Keywords
Werk, Leben, Aristoteles, Bedeutung, Aristotelischen, Philosophie, Proseminar
Quote paper
Nicole Hoppe (Author), 2000, "Werk und Leben des Aristoteles. Die Bedeutung der Aristotelischen Philosophie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/98702

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