Häufig gestellte Fragen zu: Konversationsanalyse
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Die Arbeit bietet eine umfassende Übersicht über die Konversationsanalyse (KA) als wissenschaftliches Verfahren zur Analyse von Interaktionen. Sie behandelt die Einleitung, allgemeine Aspekte der KA, den historischen Hintergrund, das theoretische Verständnis, den Gegenstand der Analyse, das methodische Vorgehen, Anwendungsthemen und -gegenstände sowie ein Fazit. Ein Literaturverzeichnis und Fußnoten mit Quellenangaben sind ebenfalls enthalten.
Was ist Konversationsanalyse (KA)?
KA ist ein Verfahren der qualitativen Sozialforschung, das sich mit den formalen Strukturen, Prinzipien und Mechanismen von Alltagshandlungen und Gesprächen befasst. Im Fokus steht nicht der Inhalt der Äußerungen, sondern wie diese zustande kommen und wie soziale Ordnung durch Interaktion hergestellt wird. KA geht davon aus, dass Interaktionen geordnet ablaufen und Menschen Techniken einsetzen, um Handlungen verständlich zu machen.
Welche Annahmen liegen der KA zugrunde?
Die KA basiert auf den Annahmen, dass Interaktionen geordnet ablaufen und Menschen Techniken und Verfahren einsetzen, um ihre Handlungen erkennbar, verstehbar und erklärbar zu machen. Sie analysieren den Kontext, interpretieren Äußerungen, stellen die situative Angemessenheit ihrer Äußerungen her und koordinieren ihr Handeln mit dem der anderen.
Was ist der historische Hintergrund der KA?
Die KA entwickelte sich in den 60er und 70er Jahren aus der Ethnomethodologie und wurde von Arbeiten von Harold Garfinkel, Erving Goffman und Harvey Sacks beeinflusst. Sie verbreitete sich über die Soziologie hinaus in Nachbardisziplinen wie der Sprachwissenschaft.
Wie ist das theoretische Verständnis der KA?
Die KA geht davon aus, dass soziale Ordnung ein ständiges Produkt von Sinnzuschreibungen und Interpretationen ist. Sie untersucht die generativen Verfahren und Prinzipien, mit denen Gesprächsteilnehmer soziale Ordnung hervorbringen. Der Fokus liegt auf der inneren Logik und Dynamik interaktiver Prozesse und den methodischen Ressourcen, die zur Herstellung von Sinn verwendet werden. Konzepte wie sequentieller Kontext und Recipient Design spielen eine wichtige Rolle.
Was ist der Gegenstand der KA-Analyse?
Der Hauptgegenstand der KA sind alltägliche Gespräche (Konversationen), aber auch institutionsgeprägte Kommunikation, wobei immer auch außerinstitutionelle Elemente einfließen.
Wie geht die KA methodisch vor?
Die Methode beginnt mit audiovisuellen Aufzeichnungen realer Interaktionen, gefolgt von einer detaillierten Transkription. Die KA sucht nach generativen Prinzipien (,,the machinery") für beobachtbare Phänomene und rekonstruiert die praktischen Methoden, die den Handelnden als Lösung für interaktive Probleme dienen. Der Sozialforscher nutzt dabei seine Intuition und Kompetenz, versucht aber auch, sein intuitives Verständnis zu methodisieren.
Welche Themen werden mit der KA untersucht?
Die KA untersucht konstitutive Mechanismen für die Ordnung in Gesprächen, kommunikative Großformen, Mechanismen, die einzelne Gespräche als soziale Einheiten konstituieren, Praktiken der Personenbeschreibung und -kategorisierung sowie Mechanismen zur Verständigungssicherung.
Wo wird die KA angewendet?
Die KA findet Anwendung in vielen Bereichen, die sich mit sozialer Interaktion befassen, wie z.B. Sprachwissenschaft und Psychologie. Sie wird auch auf massenmediale Produkte, Mensch-Computer-Interaktion und Interaktionen über Computer angewendet.
Welches Fazit zieht die Arbeit?
Die Arbeit fasst zusammen, dass die KA, obwohl anfänglich umstritten, durch den Einsatz moderner Verfahren und die detaillierte Dokumentation menschlicher Interaktion Einzug in viele Wissenschaftsbereiche gehalten hat. Sie gilt heute als eine wichtige mikrosoziologische Methode zur Analyse symbolisch vermittelter Interaktion.
Inhalt
1. Einleitung
2. Allgemeines zur Konversationsanalyse
3. Geschichtlicher Hintergrund
4. Theoretisches Verständnis
5. Gegenstand der Analyse
6. Methodisches Vorgehen
7. Themen der Anwendung
8. Gegenstand der Anwendung
9. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Es gibt kein ,,Nicht - Kommunizieren"! Dieser den wohl meisten unserer Pflegeprofession Angehörigen bekannte Satz will sagen, daß es unmöglich scheint, daß sobald zwei Menschen aufeinandertreffen, sie nicht miteinander in Interaktion treten. Hierbei gilt auch das Nichtmiteinander-reden als Ausdrucksform (und somit als Kommunikation) und findet in der Reaktion oder auch Nicht-Reaktion des jeweils Anderen seine Antwort! Im Laufe seiner Entwicklung hat sich der Mensch vieler Formen der Kommunikation (sowohl verbaler, als auch nonverbaler) bemächtigt und gestaltet damit ein vielfältiges Bild von sozialer Interaktion. Letztere ist allgegenwärtig und als Ausdruck unseres Menschseins zwingend Gegenstand wissenschaftlicher Forschung!
Das folgende Referat beschäftigt sich mit der Konversationsanalyse als einem wissenschaftlichen Verfahren, welches bestimmte Interaktionen auf spezifische Weise analysiert!
2. Allgemeines zur Konversationsanalyse
Innerhalb der qualitativen Sozialforschung gehört die Konversationsanalyse (KA) ebenso wie die Qualitative Inhaltsanalyse oder die Grounded Theorie zu den Analyseverfahren.1 Kennzeichnend für diesen Forschungsansatz ist das strikte empirische Vorgehen2 mit dem Ziel, vor allem, aber nicht nur, sprachliches Handeln darzustellen.3 Die KA widmet sich den formalen Strukturen, Prinzipien und Mechanismen von Alltagshandlungen und Gesprächen. Es geht nicht um das Gesagte an sich, sondern vielmehr darum, wie dieses zustande gekommen ist! Soziale Interaktion wird begriffen als ein fortwährender Prozeß der Her-
vorbringung und Absicherung sinnhafter sozialer Ordnung. Hierbei geht die KA von folgenden zentralen Annahmen aus:
a) Interaktionen laufen geordnet ab.
b) Menschen setzen immer bestimmte Techniken und Verfahren ein, um ihre Handlungen erkennbar, verstehbar und erklärbar zu machen.4
Die Handelnden versuchen:
a) den Kontext und die Situation der Handlung zu analysieren,
b) die Äußerungen der Handlungspartner zu interpretieren,
c) die situative Angemessenheit, Verständlichkeit und Wirksamkeit der eigenen Äußerungen herzustellen,
d) das eigene Tun mit dem der Anderen zu koordinieren!5
3. Geschichtlicher Hintergrund
Die Konversationsanalyse hat sich in den 60er und 70er Jahren als eine eigene soziologische Forschungsrichtung aus der von Harold Garfinkel gegründeten Ethnomethodologie entwickelt, welche für das theoretische und methodische Verständnis der KA bis heute bestimmend ist. U.a. nahmen auch interaktionsanalytische Arbeiten E. Goffmans Einfluß auf die Entstehung der KA, ebenso wie die kognitive Anthropologie, die Ethnographie des Sprechens und die Philosophie des späten Wittgensteins. Für die Konzeptualisierung waren vor allem die Arbeiten Harvey Sacks (insbes. dessen ,,Lectures") von großer Bedeutung. Ebenfalls erwähnt werden müssen die Studien von Schegloff und Jefferson, die der KA zu ihrem frühen Profil verhalfen.6
Anfang der 70er Jahre trat die KA aus dem engen soziologischen Wirkungsbereich heraus, fand großen Anklang bei einigen Nachbardisziplinen (z.B. Sprachwissenschaft) und wurde zunehmend auch außerhalb der USA rezipiert. Heute ist die KA für Teile der Linguistik nahezu unverzichtbar.
4. Theoretisches Verständnis
Für den Ethnomethodologen Garfinkel erzeugen erst die Handelnden selbst aktiv und kreativ die Wirklichkeiten, in denen sie leben. Was sie als objektive, unabhängig von ihrem Zutun existierende Tatsachen wahrnehmen und behandeln, werden erst in ihren Wahrnehmungen und Handlungen als solche konstruiert und hervorgebracht7 (Stell Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin!). Den diese Realität produzierenden Interaktionen, ihren Strukturen und Eigenarten, widmet sich die KA.
Hierbei steht die Annahme im Vordergrund, daß soziale Ordnung ein stetes Produkt von Sinnzuschreibungen und Interpretationsleistungen ist. Da alle kompetenten Gesellschaftsmitglieder an ihr teilhaben, läuft sie wahrnehmbar und methodisch ab und muß somit auch durch formale und als solche beschreibbare Strukturmerkmale gekennzeichnet sein.
Das Hauptinteresse der KA gilt den generativen Verfahren und Prinzipien, mit denen die Gesprächsteilnehmer durch ihre Äußerungen und Handlungen eben diese charakteristischen Strukturmerkmale und somit die soziale Ordnung des interaktiven Geschehens hervorbringen, in welchem sie gerade involviert sind.8
Hierbei steht das Bemühen im Vordergrund, interaktive Vorgänge nicht unter äußere, vorgegebene Kategorien zu subsummieren und sie als z.B. Vorwurf oder Kompliment zu identifizieren oder ein plausibles Motiv für sie zu finden. Vielmehr gilt es, soziale Formen und Prozesse in ihrer inneren Logik und Dynamik zu verstehen und zu erkennen, welche methodischen Ressourcen erforderlich sind, um eine Äußerung in ihrem Sinngehalt erkennbar zu machen, diese in den Gesprächsverlauf einzubinden, situativ abzustimmen, zu kontextualisieren, wahrzunehmen und zu beantworten.9
Eine Äußerung, eine Handlung muß, um sie verstehen zu können, in dem Zusammenhang, in dem sie entstand, betrachtet werden. Für die KA umfaßt jeder Moment einer Interaktion Unmengen von Faktoren in deren Umfeld, welche als Interaktionskontext relevant sein könnten. Aufgabe der KA ist es, die spezifischen Faktoren zu finden und als spezifischen Handlungskontext zu begreifen, die für den jeweils Handelnden handlungsrelevant waren. Die Handelnden werden als kontextsensitive Akteure gesehen, welche den Interaktionskontext permanent analysieren, interpretieren, sich in ihrer Handlung auf den Kontext einstellen und sich stets wechselseitig ihre Kontextorientierungen anzeigen. Von besonderer Bedeutung ist hierbei für die KA der sogenannte sequentielle Kontext. Dieser besagt, das jede Äußerung zu einer Kontextveränderung, zu einer Abweichung vom Bisherigen, führt und somit einen neuen Kontext für alles Folgende darstellt. Die Sequenzanalyse ist eine typische Form der KA-Kontextanalyse.
Eine andere Form, mit der sich die KA hinsichtlich der Kontextorientierung der Interagierenden beschäftigt, ist das ,,Recipient Design". Über die Annahme, daß jeder Handelnde sich bemüht, sein Wissen auf den jeweiligen Handlungspartner und dessen Vorwissen zuzuschneiden, versucht diese Analyseart herauszufinden, wie sich der Kontext einer Interaktion in den Äußerungen der Teilnehmer widerspiegelt. 10
5. Gegenstand der Analyse
Zunächst gilt das Interesse der KA den alltäglichen, gewöhnlichen Gesprächen, der Konversation. Sie kann als Basisform, als zentrales Wohnzimmer der Interaktion verstanden werden, von wo aus man sich in andere Kommunikationsräume, wie z.B. zeremonielle oder institutionelle, begibt, in welches man aber letztlich immer wiederkehrt. Damit ist auch schon die zweite für die KA interessante Form der Kommunikation erwähnt, die institutionsgeprägte, in welche aber auch immer außerinstitutionelle Elemente transformiert werden.
6. Methodisches Vorgehen
Ziel der Methode ist es zunächst, das registrierte soziale Geschehen möglichst verlustarm zu bewahren. Zur Konservierung des Geschehens dienen daher als erster Schritt der Analyse audiovisuelle Aufzeichnun- gen von realen Interaktionen, welche auch ohne die Aufzeichnung so abgelaufen wären. Der zweite Schritt ist die Transkription, das aufgezeichnete Interaktionsgeschehen wird verschriftet. Hierbei gilt es, die Interaktion in all ihren Zügen detailgetreu wiederzugeben, mit allen Stockungen, Versprechern, Mundarten etc., um keine noch so winzige Information zu verschenken. Jedes Textelement wird als nicht zufällig angesehen und als Teil der Ordnung betrachtet.
Als nächstes versucht die KA, für ein beobachtbares, gleichförmiges Phänomen (z.B. ein Räuspern oder eine Formulierung) die generativen Prinzipien zu rekonstruieren. Diese Prinzipien werden ,,the machinery" genannt.
Wie auch bei anderen Verfahren wird das identifizierte Objekt und seine Geordnetheit verstanden als das Resultat der methodischen Lösung ei- nes strukturellen Problems. Die KA strebt nun also danach, die praktischen Methoden zu rekonstruieren, die den Handelnden als Lösung für interaktive Probleme dienen und deren Einsatz die beobachtbare Geordnetheit eines Interaktionsgeschehens hervorbringt.11 Bei dieser Vorgehensweise ist der Sozialforscher auf seine Intuition und Kompetenz als Gesellschaftsmitglied angewiesen, muß aber auch versuchen, sein intuitives Verständnis zu methodisieren, um eine sinnhafte Interpretation des Handlungsgeschehens möglich zu machen.
Letztlich ist es das Ziel, Mechanismen zu identifizieren, die eine Reproduktion der Ausgangslage der Analyse möglich machen, als auch neue fälle oder ähnliche Phänomene zu produzieren.
7. Themen der Anwendung
Insgesamt lassen sich fünf Themenbereiche, die im Interesse der KA liegen, darstellen:
1.) konstitutive Mechanismen, die für die Ordnung und Abfolge in einem Gespräch verantwortlich sind
2.) kommunikative Großformen (z.B. Klatsch)
3.) Mechanismen, die ein singuläres Gespräch (z.B. Rede) als eine soziale Einheit konstituieren (z.B. Eröffnung)
4.) Praktiken der Personenbeschreibung und -kategorisierung (Analyse von Fremdbildern)
5.) Sicherstellungsmechanismen bzgl. der Verständigung.
8. Gegenstand der Anwendung
Da Kommunikation stets stattfindet, wo Menschen mittelbar oder unmittelbar
aufeinandertreffen, ergibt sich für die KA ein weites Forschungsfeld. Zahlreiche
Interaktionstypen, wie Bitten, Einladungen, Komplimente, Beschwerden, Ansprachen,
Erklärungen, Vorwürfe (um nur einige zu nennen) finden wir in fast allen Lebensbereichen und somit in unzähligen Ausprägungen, wie z.B.
Anhörung - gerichtliche Anhörung; Anhörung von Experten Gespräch - Konversation, Verkaufsgespräch
Rede - politische Ansprache; Glückwunschrede.
Unmittelbar wird die zentrale Stellung der KA gerade in der Sozialforschung deutlich. So finden wir diese Analyseform heute in nahezu allen
Forschungsbereichen, die sich direkt oder indirekt mit sozialer Interaktion beschäftigen, wie z.B. in der Sprachwissenschaft oder der Psychologie.
Deutlich wird auch hier der Einfluß moderner Medien auf unser heutiges Leben. So sind mittlerweile massenmediale Produkte (z.B. Zeitungen), Mensch-Computer-Interaktion (z.B. Programmierung) und letztendlich auch Interaktion über Computer (z.B. das Internet, insbesondere Chat-Räume) Gegenstand moderner KA-Anwendung. Gerade in diesen Bereichen wird der KA mittlerweile nicht nur wissenschaftliches Interesse, sondern auch eine hohe praktische Relevanz zugesprochen.
9. Fazit
War die Konversationsanalyse im Rahmen ihrer Herkunftsdisziplin, der Soziologie, noch umstritten und nicht selten als zu empiristisch und formalistisch12 kritisiert worden, gelang ihr gerade durch den Einsatz modernerer (audiovisueller) Verfahren und der somit fast lückenlosen Dokumentation menschlicher Interaktion der Einzug in die vielfältigsten Wissenschaftsbereiche. Die KA gilt heute als eine profilierte Analyserichtung, welche sich aus dem ethnomethodologischen Forschungsprogramm entwickelt hat und ist weithin anerkannt als ein wichtiger mikrosoziologischer Ansatz zur Analyse der Strukturen symbolisch vermittelter Interaktion.
Literaturverzeichnis
Bergmann, Joerg R., Aufsatz: ,,Konversationsanalyse" in:
Uwe Flick u.a., ,,Qualitative Forschung" - Ein Handbuch,
Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbeck b. Hamburg; Okt. 2000
Internet
www.qualitative-research.net www.uni-potsdam.de
www.unet.univie.ac www.uniwie.ac
www.lrz-muenchen.de
[...]
1 www.unet.univie.ac
2 Bergmann; S. 525
3 www.univie.ac
4 www.unet.univie.ac
5 Bergmann, S. 525
6 www.uni-potsdam.de
7 Bergmann; S.526
8 ebd.
9 Bergmann; S.529
10 Bergmann; S.530
11 Bergmann; S.533
12 Bergmann; S.526
- Arbeit zitieren
- Marcel Röder (Autor:in), 2001, Die Konversationsanalyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/98763