War Bertolt Brecht ein unbequemer Mahner oder ein gefeierter Volksdichter? Diese Frage zieht sich wie ein roter Faden durch die Rezeptionsgeschichte von „Mutter Courage und ihre Kinder“, einem Werk, das bis heute polarisiert und zur Auseinandersetzung anregt. Das Drama, entstanden im Exil als Warnung vor dem Paktieren mit dem Faschismus, entfachte nach seiner Uraufführung in Zürich Kontroversen. Während einige Kritiker eine Heroisierung der Mutter Courage und eine sentimentale Darstellung bemängelten, sahen andere in der starken Frauenfigur eine Bereicherung für das Theater. Die marxistische Rezeption spaltete die Gemüter zusätzlich: Georg Lukács forderte eine realistische Wiederspiegelungstheorie, während Brecht auf seiner epischen Dramaturgie beharrte. In der Nachkriegszeit wurde das Stück in der DDR zunächst kritisch beäugt, später jedoch toleriert und gefördert, während es im Westen als gesellschaftskritisches Werk gefeiert wurde. Tauchen Sie ein in die vielschichtige Entstehungsgeschichte und Rezeption dieses Jahrhundertwerks, von Brechts Exil über die Züricher Uraufführung bis hin zu den ideologischen Grabenkämpfen der Nachkriegszeit. Entdecken Sie, wie politische Strömungen und ästhetische Vorstellungen die Interpretation von „Mutter Courage und ihre Kinder“ prägten und bis heute prägen. Erfahren Sie mehr über Brechts Auseinandersetzung mit dem Realismus-Begriff, die Kritikerschlachten der Berliner Nachkriegszeit und den Formalismus-Streit, der die künstlerische Freiheit in der DDR einschränkte. Dieses Buch bietet eine umfassende Analyse der Rezeptionsgeschichte von Brechts Meisterwerk und zeigt, wie „Mutter Courage und ihre Kinder“ zu einem Spiegelbild der gesellschaftlichen und politischen Umbrüche des 20. Jahrhunderts wurde. Es beleuchtet die Spannungen zwischen Ost und West, die unterschiedlichen Interpretationen des Stücks und die Frage nach Brechts politischer Positionierung. Eine unverzichtbare Lektüre für alle, die sich für Theatergeschichte, Literaturwissenschaft und die Auseinandersetzung mit politisch engagierter Kunst interessieren. Ergründen Sie die Hintergründe und Deutungen eines Werkes, das bis heute nichts von seiner Brisanz verloren hat und weiterhin zum Nachdenken über Krieg, Kapitalismus und moralische Verantwortung anregt.
Gliederung zum Referat
1. Zeitbezug und Rezeption von Mutter Courage und ihre Kinder
1.1 Bertolt Brecht im Exil
1.2 Die Adressaten der Entstehungszeit
2. Entstehungszeit
2.1 Reaktionen des Züricher Publikums 1941
3. Marxistische Rezeption
3.1 Der Realismus Streit von 1938
3.2 Kritikerschlacht - Berliner Rezession von 1949 3.3 Der ,,Formalismus"- Streit
,,Zeitbezug und Rezeption von Brechts Mutter Courage und ihre Kinder"
1. Zeitbezug und Rezeption
Anfang der Sechziger Jahre wurde Brechts Mutter Courage und ihre Kinder massenhaft von deutschen Bühnen verbannt, ,,aus Gründen politischen Takts und moralischen Empfindens". Selbst eine Diskussion an der Universität Leipzig mit Brecht wurde verhindert. Bertolt Brecht sagte einmal: ,,Schreiben sie, daß ich ihnen unbequem war und unbequem zu bleiben gedenke. Es gibt da auch nach meinem Tod noch gewisse Möglichkeiten..." und Jürgen Rühle schrieb's.
Für die SED war Brecht unangenehm, denn anstatt das System zu stabilisieren, hatte es den Anschein, als würde er ihm kritisch gegenüberstehen. Selbst der IV. Schriftsteller - Kongreß der DDR bezichtigte ihn der Vulgarisierung der Literatur.
Seine Beliebtheit im deutschsprachigen Westen stieg hingegen in den Siebzigern gewaltig an. Jendreiek teilte die Rezeption der Werke Brechts 1969 in Retrospektive auf die Nachkriegsjahre in drei Phasen ein: die polemische, die struckturalistische und die marxistische.
Nach dem sich der Wirbel um seine nicht-aristotelischen und gesellschaftskritischen Werke gelegt hatte, wurde Brecht für ,,schultauglich" befunden. Werner Hecht implizierte 1970, daß man Brecht nur durch Brecht (sog. tautologischer Interpretationsansatz ) interpretieren sollte. Dazu benutze man Brechts nicht eindeutigen Begriff der Verfremdung, um damit das Grundlegende seines Lebenswerkes freizulegen und man müsse nur mit exemplarischen Belegen arbeiten.
Vielen Schülern verging die Lust an Brecht beim Behandeln von Brechts dramaturgischen Gebrauchsanweisungen, denn ihnen fehlte die kritische Auseinandersetzung mit der Materie. Das Gedenken an Brecht war oder ist noch immer geteilt. Während er im Westen als Barrikadenkämpfer angesehen wurde, verehrte man ihn im Osten wie die klassischen Dichter Schiller und Goethe.
1.2 Brecht im Exil
Während seiner Emigration wurden seine Werke weiterhin in Europa aufgeführt, vornehmlich auf dänischen und schwedischen Arbeiter- und Studentenbühnen als antifaschistisches Agitationatheater, d.h. als aufreizende Propaganda für politische Gruppen und Weltanschauungen. Das Züricher Schauspielhaus bewahrte Brecht vor einem Schicksal als ,,Stiefkind" des deutschsprachigen Theaters. Für das deutsche Theater war Brechts Rückkehr 1948 eine Überraschung, denn von seiner hochentwickelten und genialen Theaterkunst wußte man durch den Krieg nichts. Seine epische Dramaturgie war ausgefeilter und seine Bühnensprache war zur modernen Klassizität (Musterhaftigkeit) erhoben worden.
1.3 Die Adressaten der Entstehungszeit
1953 verriet Brecht, daß die Mutter Courage bewußt für Skandinavien geschrieben sei, als Warnung für die Politiker, die mit Hitler Handel treiben wollten. Er hoffte, das MC in Schweden aufgeführt werde, und so kam MC zu spät. ,,Pünktlich" kamen hingegen die zwei Einakter Dansen und Was kostet das Eisen. Die Charaktere sind personifizierte Nationen, die Stücke wurden 1939 im Valentin-Stil (unförmige Pappmaschee-Köpfe, Clownerie, übergroße Zigarren) in Stockholm aufgeführt.
2. Entstehungszeit
Über die genaue Entstehungszeit läßt sich keine Aussage machen, jedoch ist aus den Aufzeichnungen seiner Mitarbeiterin Margarete Steffin, die sich auf die endgültige Niederschrift beziehen, zu entnehmen, daß Brecht am 27.-29. September 1939 das Stück begann und am 29.10. -3.11. 1939 es vollendete.
Nach Brechts eigenen Angaben lagen schon 1938 Vorstudien und Entwürfe vor. Geschrieben hat er Mutter Courage vor dem Zweiten Weltkrieg in Dänemark.
2.1 Reaktionen des Züricher Publikums von 1941
Das Züricher Publikum verstand das Theaterstück ,,Mutter Courage und ihre Kinder" nicht als politisches Aufklärungstheater. Die Fehler sah Brecht unter anderem in dem Inszenierungsstil von Leopold Lindtberg, jedoch gestand er sich auch eigene Fehler bei der Modellierung der Situationen ein.
Die Schweizer Presserezensenten gingen davon aus, daß Mutter Courage als Held auftaucht (heroisiert ) und sentimental ist. Dies steht jedoch im Gegensatz zu Brechts Theorie, denn in seinem Theater des wissenschaftlichen Zeitalters spielt das Gesetz der Tragödie keine Rolle mehr, wobei er diese These auf die Erkenntnisse von Karl Marx zurückführt. Jedoch schreibt Elisabeth Thommen in der Baseler Nationalzeitung: ,,Für die Zeichnung dieser starken Frauenfigur dürfen alle Frauen Brecht dankbar sein!". Es gab also auch positive Reaktionen. Ein anderer Kritiker, B. Diebold, urteilte so über Mutter Courage:
mit ihrem großen Mutterherzen jenseits aller historischen Ansprüche schlechthin im Ewigen. Mochte sie noch so respektswidrige Dinge gegen das Höhere maulen und ihre Geschäftstüchtigkeit spielen lassen - sie wurde doch nie zur Hyäne des Schlachtfelds; und die von den rauhen Umständen geforderte Rauheit der Marketenderin trat fast zu stark zurück hinter der Strahlung ihres Gefühls und ihres ergreifenden Herzens, wenn sie die Kinder, eines nach dem anderen, verlieren muß.
Die Passage ,,schlechthin im Ewigen" widersprach Brechts Gedanken in dem Sinne, daß seine Parabelspiele von der Widersprüchlichkeit und der Wandelbarkeit der Dinge handelte und nicht von der Ewigkeit. Zusammengefaßt heißt das, daß es nach ihm nicht möglich sei ein Menschenherz nicht umwandeln zu können, genau wie soziale Ordnungen. In seiner persönlichen Stellungnahmen kritisierte Brecht, daß seine Stücke größtenteils mißverstanden werden ,,... wie tief die mißverständlichkeit meiner stücke in ihnen steckt."
3. Marxistische Rezeption
3.1 Der Realismus Streit von 1938
Zur Entstehungszeit der Mutter Courage also 1938 kam es zur Diskussion zwischen Brecht und anderen marxistischen Schriftstellern, darunter vor allem Georg Lukács. Brecht störte vor allem Lukacs belehrende Ziele. Lukacs wollte die Wiederspiegelungstheorie als literarische ,,Produktionsvorschriften" durchsetzen. Ebenso widersprachen sich auch die Vorstellungen der beiden Schriftsteller über das Drama. Brecht ärgerten Lukacs diktatorische Festschreibungen literarischer Formen. Die Auseinandersetzungen der beiden um den Realismus steigerte sich schließlich zu einem regelrechten kulturpolitschem Machtkampf.
3.2 Kritikerschlacht - Berliner Rezensionen von 1949
Am 9.Januar 1949 gab Brecht, zwei Tage vor der offiziellen Premiere der Mutter Courage, eine geschlossene Sondervorstellung für Stahlarbeiter und Jungfunktionäre der SED. Brecht war von diesem Publikum hellauf begeistert, da dieses in seinen Augen fähig war das Stück richtig zu verstehen und zu Interpretieren. Er fühlte sich verstanden und sah seine Volkstümlichkeit unter Beweis gestellt.
Unter den Theaterkritikern fielen die Meinungen anders aus. Es kam zur sogenannten Kritikerschlacht. Die Hauptpersonen hierbei waren vor allem Fritz Erpenbeck, Wolfgang Harich und S. Altermann. Erpenbeck lobte Brecht zunächst als großen Dichter, doch sagte er andererseits er hätte sein Genie leider der ,,falschen" Dichtung zugeführt. Erpenbreck forderte von Brecht die Bekehrung zur Volkstümlichkeit und sah seine epische Theaterpraxis als volksfeindliche Dekadenz.
Wolfgang Harich widersprach Erpenbeck aufs heftigste, und sah in Brecht die Offenbarung einer neuen Theaterkunst.
Altermann verlangte von Brecht das Volk zu stärken und es zu Massenaktionen aufzurufen. In Mutter Courage sah er nur die Kapitulation des Volkes.
Trotz aller Vorbehalte tolerierte und förderte die SED Brecht überraschender Weise. Er erhielt sogar ein eigenes Theater für sein Berliner Ensemble.
3.3 Der ,,Formalismus" Streit
Häufig gestellte Fragen zu "Zeitbezug und Rezeption von Brechts Mutter Courage und ihre Kinder"
Worum geht es in der Gliederung des Referats?
Die Gliederung behandelt Zeitbezug und Rezeption von Bertolt Brechts "Mutter Courage und ihre Kinder", einschließlich Brechts Exil, die Adressaten der Entstehungszeit, die Reaktionen des Publikums und die marxistische Rezeption des Werks.
Warum wurde Brecht in den frühen 1960er Jahren von deutschen Bühnen verbannt?
Brecht wurde aus politischen und moralischen Gründen von den Bühnen verbannt, da seine Werke als kritisch gegenüber dem System der SED in der DDR wahrgenommen wurden. Man sah ihn als unbequem an, da er das System nicht stabilisierte.
Wie veränderte sich die Rezeption von Brecht im Laufe der Zeit?
Die Rezeption erlebte verschiedene Phasen: eine polemische, eine strukturalistische und eine marxistische. Später wurde Brecht als "schultauglich" angesehen, obwohl die kritische Auseinandersetzung mit seiner Dramaturgie oft fehlte. Im Westen wurde er als Barrikadenkämpfer, im Osten wie ein Klassiker verehrt.
Wo wurden Brechts Werke während seines Exils aufgeführt?
Seine Werke wurden vor allem auf dänischen und schwedischen Arbeiter- und Studentenbühnen als antifaschistisches Agitationstheater aufgeführt. Das Züricher Schauspielhaus spielte ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Bewahrung seines Werks.
Für wen wurde "Mutter Courage" laut Brecht geschrieben?
Brecht gab an, dass "Mutter Courage" als Warnung für skandinavische Politiker gedacht war, die mit Hitler Handel treiben wollten.
Wann wurde "Mutter Courage" geschrieben?
Brecht begann das Stück zwischen dem 27. und 29. September 1939 und vollendete es zwischen dem 29. Oktober und 3. November 1939. Vorstudien und Entwürfe lagen bereits 1938 vor.
Wie reagierte das Züricher Publikum 1941 auf "Mutter Courage"?
Das Züricher Publikum verstand das Stück nicht als politisches Aufklärungstheater. Brecht sah Fehler sowohl in der Inszenierung als auch in seiner eigenen Modellierung der Situationen. Einige Kritiker sahen Mutter Courage als heroisiert und sentimental, was Brechts Theorien widersprach.
Was war der Realismus-Streit von 1938?
Es war eine Auseinandersetzung zwischen Brecht und anderen marxistischen Schriftstellern, insbesondere Georg Lukács, über die literarische Wiederspiegelungstheorie und die Festschreibung literarischer Formen. Brecht störte sich an Lukács' belehrenden Zielen und diktatorischen Festschreibungen.
Was geschah bei der "Kritikerschlacht" nach der Berliner Premiere von 1949?
Es gab eine heftige Auseinandersetzung zwischen Theaterkritikern über Brechts Werk. Einige lobten ihn als großen Dichter, kritisierten aber seine "falsche" Dichtung, während andere ihn als Offenbarung einer neuen Theaterkunst sahen. Trotz Vorbehalte wurde Brecht von der SED toleriert und gefördert.
Was war der "Formalismus"-Streit von 1951?
Es handelte sich um eine kulturpolitische Säuberung in der DDR, die darauf abzielte, den sozialistischen Realismus zur künstlerischen Pflicht zu machen. Modernität wurde diskriminiert, und verbindliche Richtlinien für die Kunst wurden festgelegt. Brecht wurde vorsichtiger in seiner Kritik, genoss aber weiterhin eine gewisse Narrenfreiheit.
- Arbeit zitieren
- Katharina Kühn (Autor:in), 2000, Brecht, Bertolt - Mutter Courage und ihre Kinder - Zeitbezug und Rezeption von Brechts Mutter Courage und ihre Kinder, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/98990