Wie gelingt sprachsensibler Fachunterricht in der Primarstufe? Das Beispiel des "GeKOS"-Projektes


Hausarbeit, 2020

17 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Sprache im (Fach-) Unterricht
2.1 Alltagssprache - Bildungssprache
2.2 Schulsprache

3 Sprachförderung und Sprachbildung
3.1 Definition und Unterscheidungsmerkmale
3.2 Scaffolding
3.3 Mikro- und Makroscaffolding

4 Experimentiersettings als Chance zur Sprachentwicklung
4.1 Allgemeine Perspektiven
4.2 Experimentiernachmittag im Rahmen des „GeKOS“-Projektes

5 Analyse

6 Reflexion und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anmerkung der Redaktion: Der Anhang ist aus urheberrechtlichen Gründen nicht in der Veröffentlichung enthalten.

1 Einleitung

„Sprache ist ein Schlüssel für die Teilhabe an der Gesellschaft, sprachliches Können ein Schlüssel für die Teilhabe an Bildungsprozessen. Für beides ist die Schule maßgeblich verantwortlich. Ihre Aufgabe ist es, an vorhandenes Können, so heterogen es auch sein mag, anzuschließen und es zu erweitern.“ (Wildemann und Fornol 2017, 7).

Dieses Zitat belegt die Bedeutung sprachlicher Expertise für den Bildungserfolg eines jeden Kindes. Gleichzeitig wird die Schule als die Institution für die Vermittlung der benötigten Sprachkompetenzen genannt. Im Teilrahmenplan Sachunterricht des Landes Rheinland-Pfalz wird darauf folgendermaßen Bezug genommen: „Der Sachunterricht berücksichtigt die enge Verbindung zum Sprachunterricht und trägt so dazu bei, allen Kindern vergleichbare Lern- und Lebenschancen zu eröffnen und ihre Begabungen und Interessen zu wecken und zu fördern.“ (TRP Sachunterricht 2006, 7, Hervorh. A.M.). Diese Aussage weist zwischen den Zeilen darauf hin, dass es nach wie vor Ungleichheiten im deutschen Bildungssystem gibt. Die Bildungschancen hängen im Wesentlichen von der sozialen und nationalen Herkunft des Elternhauses ab.

Auch um diesem Missstand ein Stück weit entgegenzuwirken, wurde im Jahr 2015 das Projekt „GeKOS“ an der Universität Koblenz-Landau (Campus Koblenz) ins Leben gerufen. Dabei bilden Kinder mit Migrationshintergrund und Studierende ein Tandem, indem sie im Zeitraum von zwei Semestern regelmäßig einen Nachmittag gemeinsam verbringen. Ausgestaltung und Zielsetzung des Projektes werden in Kapitel 4 genauer erläutert.

Diese Arbeit möchte sich dem sprachsensiblen Fachunterricht in der Primarstufe widmen. Ein besonderes Augenmerk wird auf die sprachliche Förderung durch Experimente im Sachunterricht und am Beispiel des „GeKOS“-Projektes gelegt werden.

Zunächst wird in Kapitel 2 ein Überblick über verschiedene sprachliche Register gegeben, worauf eine kurze Einführung in verschiedene Konzepte sprachlicher Bildung folgt. Darauf aufbauend werden Experimentiersettings auf ihren Beitrag zur Sprachförderung untersucht und schließlich Material eines Experimentiernachmittages, welcher im Rahmen des „GeKOS“-Projektes stattfand, analysiert. Abschließend werden die Ergebnisse zusammengefasst und die Erfahrungen reflektiert.

2 Sprache im (Fach-) Unterricht

2.1 Alltagssprache - Bildungssprache

Wenn es um die Betrachtung von Sprache, insbesondere im schulischen Kontext, geht, ist es unerlässlich, einen Überblick über die verschiedenen sprachlichen Register zu geben:

Möchte man den Begriff der Alltagssprache definieren, so stößt man schnell auf das antagonistische Konzept der „Sprache der Nähe - Sprache der Distanz“ von Koch und Oesterreicher aus dem Jahr 1985. Mit diesem Begriffspaar stellen sie die Alltagssprache der Bildungssprache gegenüber. Sie unterscheiden zwischen medialer und konzeptioneller Mündlichkeit bzw. Schriftlichkeit, wobei sich die mediale Dimension auf die Realisationsform der sprachlichen Äußerung und die konzeptionelle Dimension auf die gewählte Ausdrucksweise bezieht. Zwischen den beiden Zuordnungen besteht keine feste Korrelation.

Mündliche Äußerungen sind interaktiv und erfordern eine Vertrautheit der Partner. Daher entsprechen konzeptionell mündliche Äußerungen der „Sprache der Nähe“. Sie weisen insgesamt eine wesentlich geringere Informationsdichte und Komplexität der Versprachlichungsstrategien auf, zudem sind sie eher parataktisch und enthalten meist Füllwörter.

Mündlichkeit bedeutet auch phonetische Sprecherleichterungen, die einen reduzierten Wortschatz implizieren. Satzkonstruktionen werden oftmals gebrochen. Das Gesprochene ist vorläufig und geschieht im Kontext von spontanen Reaktionen und Emotionen. Die Rollenverteilung ist in gesprochener Sprache offen, das heißt, dass der Rollenwechsel dialogisch erfolgt - der Produzent und der Rezipient handeln miteinander den Fortgang und den Inhalt der Kommunikation aus, können jederzeit eingreifen und Rückfragen stellen. Die geschriebene Sprache ist durch eine (totale) Monologizität gekennzeichnet. Der Produzent muss sich vor dem Verschriftlichen seiner Gedanken überlegen, wie er sich ausdrückt, um verstanden zu werden, da er keine Möglichkeit hat, mit dem Rezipienten in direkten Kontakt zu treten, um sich zu erklären. Daraus folgt die höhere Informationsdichte, der elaboriertere Sprachduktus und die begriffsförmige Verdichtung von Aussagen (z.B. durch Substantivierungen, Kompositabildungen, Verwendung komplexer Attribute).

Diese Merkmale treffen auch auf den von Cummins (1982) geprägten Begriff der CALP (Cognitive Academic Language Proficiency) zu. Eine anschauliche Definition dieses Begriffes liefert Roche: „CALP betrifft kognitive und linguistische Fähigkeiten wie Abstraktionsvermögen und Kontextungebundenheit, die für die Bewältigung von anspruchsvollen sprachlichen Aufgaben notwendig sind“ (ebd. 2020,1). Er betont, dass sich

„[d]ie CALP [..] im Gegensatz zu basic interpersonal communicative skills (BICS) nur in einem schulischen Kontext heraus [bildet]. Durch die Teilnahme an verschiedenen Fächern erweitert sich der Wortschatz um zahlreiche Fachausdrücke. Man lernt zunehmend auch mit Sprache umzugehen, die vom unmittelbaren kommunikativen Kontext losgelöst ist. Durch das Lesen und Schreiben fachbezogener Texte und das Diskutieren anspruchsvoller Themen im Unterricht, lernt man komplexe syntaktische Konstruktionen beherrschen“ (ebd., Hervorh. A.M.).

Mittels dieser Äußerung wird die Bedeutung der Schule hinsichtlich ihrer Rolle als „Sprachentwicklungsinstitution“ verdeutlicht. Roche expliziert den Begriff BICS folgendermaßen:

„BICS sind grundlegende sprachliche Fähigkeiten, die Sprecher für die Bewältigung alltäglicher Kommunikationssituationen benötigen. BICS entwickeln sich im sozialen Umfeld eines Sprachenlerners.

Sie sind kontextgebunden und stellen geringe kognitive Anforderungen an den Sprecher. Bedeutungen werden über Signale aus dem Kontext und Signale der Gesprächspartner (Gestik, Mimik, Intonation) erschlossen.“ (2020, 1).

Man kann also zu dem Schluss kommen, dass sich ein sprachliches Register auf BICS-Niveau der „Sprache der Nähe“ und somit der Alltagssprache zuordnen lässt, wonach CALP der „Sprache der Distanz“ und der Bildungssprache zugehörig ist.

2.2 Schulsprache

Mit diesen Ausführungen wurde der Versuch unternommen, die Unterschiede zwischen der Alltags- und der Bildungssprache zu verdeutlichen. Was aber kann man sich unter Schulsprache vorstellen? Es gibt verschiedene Konzepte, mit deren Hilfe diese Frage beantwortet werden kann. Hier soll dem Ansatz von Feilke (2012) Rechnung getragen werden. Er konstatiert, dass Bildungssprache an Schulen nicht gelehrt, aber vorausgesetzt wird. Dies impliziert das Problempotenzial, welches sich im Schulalltag häufig zeigt: Dass Schülerinnen und Schüler (mit und ohne Migrations- hintergrund)1 zunehmend Schwierigkeiten bezüglich des Verständnisses konzeptionell schriftlicher Sprache haben.

Feilke definiert Schulsprache im weiteren und engeren Sinn (s. Graphik): Typische schulsprachliche Kompetenzen wie erklären, beschreiben, analysieren und vergleichen sind für ihn bildungssprachliche Formate, die zur Schulsprache im weiteren Sinn gehören. Verstehen und abstraktes Bedeutungswissen werden dafür vorausgesetzt. Feilke beschreibt Schulsprache im engeren Sinn als „zu didaktischen Zwecken gemachte Sprach- und Sprachgebrauchsformen [...]“ (ebd., 5, Hervorh. im Original), wozu er als Beispiel die Erörterung anführt. Diese wird als rein didaktisches Mittel genutzt, denn „[a]ußerhalb der Schule schreibt niemand Erörterungen“ (ebd.). Hieran wird deutlich, dass die Schulsprache als eigenes sprachliches Register gelten muss, welches die Schülerinnen und Schüler um des schulischen Erfolgs willen beherrschen müssen. Da die Schulsprache aber selbst keinen Unterrichtsgegenstand darstellt, wird somit ein intuitives Können erwartet. Wie bereits angedeutet, stellt dies insbesondere Kinder, die spät literalisiert wurden, vor große Herausforderungen. Schul- und Bildungssprache weisen also Parallelen bzw. Überlappungen auf, sind aber nicht identisch. Anhand der Graphik werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede der verschiedenen Register deutlich. Allerdings ist an der Darstellung kritisch zu sehen, dass die konzeptionell schriftliche Ausdrucksform ausschließlich auf das Medium der Schrift bezogen wird. Gemäß Koch und Oesterreicher ist eine konzeptionell schriftliche Äußerung ebenso medial mündlich möglich. Das „gesprochene Wort“ wird somit außer Acht gelassen.

Aus dieser Zusammenfassung der unterschiedlichen sprachlichen Register und deren Bedeutung im Schulalltag folgt die Grundvoraussetzung des sprachsensiblen Fachunterrichts: „[D]ass die Lehrkraft sich des Unterschieds von Alltags- und Bildungs- bzw. Fachsprache bewusst ist und dieses Wissen mit den damit einhergehenden Anforderungen für die Schüler(innen) transparent macht.“ (Wildemann, Fornol, 301).

3 Sprachförderung und Sprachbildung

3.1 Definition und Unterscheidungsmerkmale

Im Gegensatz dazu umfasst Sprachbildung „alle durch das Bildungssystem systematisch angeregten Sprachentwicklungsprozesse und ist allgemeine Aufgabe im Elementarbereich und des Unterrichts aller Fächer“ (Schneider et al. 2012, 23). Diese weit gefasste Definition deutet bereits an, dass es sich hierbei um eine interdisziplinäre Aufgabe aller im Bildungsbereich Tätigen, beginnend im Kindergarten, handelt. Dem Fach Sachunterricht kommt im Hinblick auf Sprachbildung eine besondere Bedeutung zu. Diese ist keine alleinige Aufgabe des Deutschunterrichtes. Im Perspektivrahmen Sachunterricht wird dies an mehreren Stellen deutlich:

„Sachunterricht ist eng mit Sprachbildung verknüpft. Die Sprache ist zunächst - im Aufbau und in der Verwendung von Begriffen oder beim sachgemäßen Argumentieren- ein wichtiges Mittel und Werkzeug sachunterrichtlichen Lernens[...]. Der Sachunterricht leistet so einen wesentlichen Beitrag zur sprachlichen Bildung von Schülerinnen und Schülern, wenn (häufig sinnlich wahrnehmbare) ‘Sachen’ (wie Gegenstände oder auch Prozesse) zu benennen sind, wenn Begrifflichkeiten (zur Bezeichnung gedanklicher Muster) zur präzisen Verständigung geklärt werden müssen oder wenn [. ] Ideen argumentativ darzustellen sind“ (GDSU 2013, 11).

Schomaker und Gläser (2017, 37f.) stellen heraus, dass den Lehrkräften die wichtige Rolle zufällt, ihren Unterricht hinsichtlich mehrerer Kriterien zu reflektieren, um sprachbildende Elemente in diesen zu integrieren. Dazu gehören:

- Mündliche Kommunikation im Klassenraum (z.B. in Bezug auf den Redeanteil Lehrer-Schüler)
- Lernaufgaben (z.B. im Hinblick auf Komplexität und Differenzierung)
- Visualisierung von Sprache im Klassenraum (z.B. hinsichtlich der Klärung von Fachbegriffen: Ist ein Text-Bild-Bezug gegeben?)
- Medien und Materialien (z.B. in Bezug auf Auswahl und Anforderungsniveau)
- Einbezug von Textformen
- Sprache der Lehrenden
- Diagnostik (z.B. im Hinblick auf die Feststellung der sprachlichen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler und deren Dokumentation)

Für die Integration von Sprachförderungs- und Sprachbil dungsmaßnahm en in den täglichen Unterricht sprechen auch die Forschungsergebnisse diverser Studien, die Wildemann und Fornol zusammengefasst haben (2017, 63ff.). Im Gegensatz zu additiven Förderungsmaßnahmen zeigten die alltagsintegrierten Methoden einen größeren Effekt. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass bei den Studien die Kompetenz der Förderpersonen in den Blick genommen wurde. Die Studien weisen „in die Richtung, dass es sich hier um eine entscheidende Komponente innerhalb guter Sprachförderung handelt“ (ebd., 73). An dieser Stelle zeigt sich die Notwendigkeit, Lehrkräfte, aber auch Erzieherinnen und Erzieher dementsprechend gut auszubilden, um sie auf ihre anstehenden Aufgaben vorzubereiten - zum Wohl der Kinder, die sie betreuen und unterrichten.

3.2 Scaffolding

Nach der theoretischen Einführung in die grundlegenden Konzepte der sprachlichen Register sowie der Klärung der Begriffe von Sprachförderung und Sprachbildung sollen im Folgenden Möglichkeiten zur Schulung der Sprachkompetenz in den Blick genommen werden.

Zunächst wird der Begriff des „Scaffolding“ näher beleuchtet: „Scaffold“ kann mit „Gerüst“ übersetzt werden, wie es für den Bau eines Gebäudes benötigt wird. Der Terminus „Scaffolding“ wurde Mitte der 1970er Jahre zuerst von Wood, Bruner und Ross genutzt, die Eltern-Kind-Interaktionen untersucht hatten (vgl. Gibbons 2015, 16). Dabei wurde deutlich, dass Eltern ihre 3-5jährigen Kinder bei der Bewältigung der gestellten Aufgabe (eine Pyramide aus Holzklötzchen zusammensetzen) instinktiv unterstützten, indem sie beispielsweise direkte Anweisungen gaben, sie korrigierten oder mit geschickten Fragen zur richtigen Handlung ermutigten (vgl. Wood, Bruner, Ross 1976, 95). Die Eltern reduzierten ihr Hilfsangebot sukzessive, sodass die Kinder die Aufgabe schließlich eigenständig lösen konnten. Die Forscher nannten diese Form der Hilfestellung „scaffolding“. Gibbons nutzt den Terminus im Sinne der eingangs erwähnten Metapher des Baugerüstes:

„Scaffolding [...] is a temporary structure that is put up in the process of constructing or repairing a building. As each bit of the new building is finished, the scaffolding is taken down. The scaffolding is temporary, but essential fot the successful construction of the building.“ (Gibbons 2015, 16).

[...]


1 Vgl. hierzu Leisen 2015, 3 In diesem Unterkapitel sollen die beiden Termini voneinander abgegrenzt werden. Sprachförderung wird eher einzelnen Kindern, die Sprachförderbedarf haben, angeboten, um kompensatorisch zu wirken. Das heißt, bestehende Sprachdefizite werden mittels spezieller Programme (wie z.B. DaZ-Unterricht) versucht zu nivellieren. Oftmals finden solche Förderkurse zusätzlich zum regulären Unterricht statt, manche Angebote werden aber auch in den Schulalltag der Kinder integriert (vgl. Schomaker, Gläser 2017, 36).

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Wie gelingt sprachsensibler Fachunterricht in der Primarstufe? Das Beispiel des "GeKOS"-Projektes
Hochschule
Universität Koblenz-Landau  (Institut für Grundschulpädagogik)
Veranstaltung
Sprachsensibler Sachunterricht
Note
1,3
Autor
Jahr
2020
Seiten
17
Katalognummer
V990565
ISBN (eBook)
9783346369321
ISBN (Buch)
9783346369338
Sprache
Deutsch
Schlagworte
fachunterricht, primarstufe, beispiel, gekos
Arbeit zitieren
Ariane Malm (Autor:in), 2020, Wie gelingt sprachsensibler Fachunterricht in der Primarstufe? Das Beispiel des "GeKOS"-Projektes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/990565

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