Braucht Europa eine gemeinsame Armee?


Hausarbeit, 2018

28 Seiten, Note: 2,3

Julius Winterberg (Autor:in)


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Definition einer Europäischen Armee

3. Ausgangssituation
Vertrag von Lissabon
Internationaler Terrorismus
Flüchtlingskrise

4. Mögliche Umsetzung einer Europäischen Armee
Errichtung einer föderalen Armee der EU
Beibehaltung des gegenwärtigen Zustands
Europäische Armee durch Angleichung nationaler Streitkräfte

5. Probleme
Legitimation der Europäischen Union
Nationale Parlamente
Mangelndes „Wir-Gefühl“ in Europa

6. Fazit
Zusammenfassung der Ergebnisse
Der Weg ist das Ziel
Quo vadis: Europa als europäischer Bundesstaat?

7. Bibliographie

1. Einleitung

In der Europäischen Union brodelt es gewaltig. Ereignisse wie die Flüchtlingskrise oder der Ukraine-Konflikt stellen die noch relativ junge europäische Union vor immer neue Herausforderungen und werfen die Frage auf, wie und ob man gemeinsam darauf reagieren soll. Doch was zählt überhaupt zu den Aufgaben eines solchen Staatenverbundes? Das Eurobarometer hat im zurückliegenden Jahr 2017 erneut gezeigt, dass die Sicherheit der Bürger auch heute noch immer oberste Priorität hat.1 75 Prozent der Befragten Europäerinnen und Europäer erwarten, dass sich die europäische Union um die Verteidigungsangelegenheiten der Bürger kümmert und befürworten eine gemeinsame Sicherheitspolitik aller Mitgliedsstaaten.2

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sieht deshalb eine gemeinsame Armee als logische Konsequenz und langfristiges Ziel des Projekts Europa: „(...) [wir] brauchen wir einen neuen Anlauf in Sachen Europäische Verteidigungsunion, bis hin zu dem langfristigen Ziel der Einrichtung einer Europäischen Armee.“3 Er bezieht sich dabei nicht nur auf die Notwendigkeit aufgrund der großen Abhängigkeit zu den Vereinigten Staaten von Amerika als wichtigster Schutzpartner der Europäischen Union, sondern auch um als internationaler Akteur wahrgenommen zu werden und eigendynamisch handlungsfähig zu sein.

Doch wie steht es um die Sicherheit der Bürger Europas? Die Lage ist wahrlich nicht die schlechteste, stößt allerdings in Ausnahmesituationen wie wir sie in den vergangenen Jahren erlebt haben, immer wieder an ihre Grenzen. Nationale Streitkräfte, internationale Bündnispartner aber auch gemeinschaftliche Militäroperationen und -einsätze spannen ein umfangreiches wenngleich nicht unbedingt effizientes Verteidigungsnetz über die europäische Union. Braucht Europa eine gemeinsame Armee?

2. Definition einer Europäischen Armee

Wenn über eine gemeinsame Armee aller Europäischen Mitgliedsstaaten gesprochen werden soll, muss zunächst der Begriff an sich im Kontext der gegenwärtigen Situation geklärt werden. Damit einher gehen viele andere Fragen rund um die zukünftige Organisation aber auch legitimation möglicher Einsätze. Wer soll das Kommando über eine europäische Armee erhalten? Wer legitimiert die Einsätze und Tätigkeiten der Streitkräfte? Selbstverständlich muss auch die Frage gestellt werden, inwieweit eine solche Form der „Zusammenarbeit“ überhaupt mit nationalen Gegebenheiten (etwa dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland) vereinbar ist.

Doch eins nach dem anderen: Der Duden definiert dem Begriff „Armee“ auf seiner Webseite als „gesamte Streitmacht eines Landes[/](...)Staates“ bzw. als „großer Truppenverband“4 und wirft damit gleich eine zweite Frage auf, nämlich welche Rolle Europa jetzt und in Zukunft einnehmen soll. Gegenwärtig sehen sich Teile der Europäischen Union, in Form von Ländern wie z. B. Ungarn, dem Nationalismus verbunden, wie die Flüchtlingskrise deutlich gezeigt hat.

Jean-Claude Juncker aber auch andere hochrangige Politiker wie der ehemalige Präsident des Europäischen Parlamentes, Martin Schulz, sehen die Rolle Europas in der Zukunft als einen geeinten Staat5. Demzufolge ist es nur logisch, dass Juncker eine gemeinsame Armee einfordert und entsprechende Kompetenzen auf die europäische Ebene verlagern möchte. Es gibt allerdings auch andere In- terpretationen einer gemeinsamen Armee, so etwa durch Angleichungen der nationalen Streitkräfte, gemeinsamer Militäroperationen oder in Form einer föderalen Armee.

Basis für die Auseinandersetzung in dieser schriftlichen Arbeit mit der Frage nach dem ob und wie einer Europäischen Armee ist die Definition von Christiane Ahumada und Elmar Brok:

Unserer Auffassung nach ist eine „echte“ Europaarmee eine permanent bereit stehende, gemeinsam ausgebildete Armee der EU, die europäisch eingesetzt und kontrolliert wird, also supranationalen Verfahren unterliegt. Dazu gehört auch, dass der Einsatzbefehl und die militärische Leitung während eines Einsatzes von Europäischen Strukturen ausgehen. (vgl. Kaldrack/Pöttering 2011, 283)

Weiter heißt es von Ahumada und Brok zur konkreten Umsetzung dieser Vision:

Ausbildung, Ausrüstung, Wehrrecht, Einsatzbefehl, politische und militärische Entscheidungen müssten dementsprechend „entnationalisiert“ und im gleichen Zuge „europäisiert“ werden. (vgl. Kaldrack/Pöttering 2011, 285)

Es lässt sich also für die nachfolgende Betrachtung der Fragestellung festhalten, dass eine zunehmende Europäisierung mit Aufgabe nationaler Gepflogenheiten eng mit Schaffung einer gemeinsamen Armee verflochten ist.

Auf den folgenden Seiten soll zunächst die Ausgangssituation der Europäischen Union auf der Grundlage aktueller und vergangener Ereignisse im Hinblick auf die Notwendigkeit einer gemeinsamen Armee besprochen und schließlich die bereits oben skizzierten Möglichkeiten zur Schaffung eben dieser Streitkräfte näher erläutert werden.

3. Ausgangssituation

Vertrag von Lissabon

Mit dem Vertrag von Lissabon wird der Antwort auf die Frage nach einer gemeinsamen Armee bereits ein Teil mit auf den Weg gegeben. Das als Ergänzung zum „Europa-Vertrag“ dienende Schriftstück regelt die wesentliche Zusammenarbeit der einzelnen Mitgliedsländer und formuliert in der im Jahr 2009 in Kraft getretenen Fassung auch wesentliche Aussagen über eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) sowie einer Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Einen wesentlichen Schritt in Richtung einer gemeinsamen Armee geht die europäische Union mit der vertraglich festgesetzten Sicherheitspolitik, nämlich der „Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ (GAVP). Diese löste mit Inkrafttreten die o.g. Sicherheits- und Verteidigungspolitik ab, sodass gegenwärtig von Seiten der Europäischen Union die GASP und GSVP als rechtliche Grundlage dienen. (vgl. Vertrag von Lissabon 2009, 44f)

Für die weitere Bearbeitung der Ausgangsfrage sollen die Bestandteile der vertraglich festgelegten GASP und GSVP näher betrachtet werden. Dabei wird schnell deutlich, dass bereits mit der Schaffung eines Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) essentielle Schritte für eine Verteidigungsunion vorgeplant worden sind. Hinter der Idee des EAD steht die Schaffung einer einheitlichen Außenpolitik, damit die europäische Union ihren Einfluss in der Welt stärken kann. Dieser diplomatische Dienst ist unter anderem mit Aufgaben wie Friedensbildung, Sicherheit (im Rahmen der GASP), Pflege von internationalen Beziehungen und Schutz der Menschenrechte betraut und löst die bis dahin geläufige „Troika“6 in der Europäischen Außenvertretung ab. (vgl. Kaldrack/Pöttering 2011, 75)

Internationaler Terrorismus

Die westliche Welt sieht sich seit den Terroranschlägen vom 11. September 2011 in New York mit einer neuen Gefahrensituation konfrontiert. Im Zuge der auf diesen Vorfall darauffolgenden Auslandseinsätze der amerikanischen Truppen im nahen Osten haben die Terroranschläge, sowohl erfolgreiche als auch gescheiterte und versuchte Anschläge, - so auch in Europa - zugenommen. Kurz genannt seien an dieser Stelle die Zuganschläge von Madrid im Jahr 2004, die Terroranschläge von London im Jahr 2005 als auch der Anschlag auf den Boston Marathon im Jahr 2013. Darüberhinaus kam es seit 2015 zu weiteren zahlreichen Anschlägen in Europa und der Welt, die überwiegend der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) zugeschrieben werden.

Im Laufe der Zeit haben sowohl nationale Streitkräfte als auch internationale und transnationale Militärbündnisse Versuche untergenommen, Terrororganisationen, Einzelkämpfer und einzelne Terrorzellen zu bekämpfen. Diese Unternehmungen haben nur bedingt zu einem Erfolg geführt, wie sich anhand der Betrachtung vergangener Zwischenfälle erkennen lässt.

Als Problem für die anhaltenden Terroranschläge in der Welt lassen sich viele Faktoren untersuchen, die sich von Land zu Land teils stark unterscheiden. In punkto Terrorabwehr von Seiten der Europäischen Union ist es an dieser Stelle wichtig zu nennen, dass gemeinsame Beschlüsse einen langwierigen Umsetzungsprozess durchlaufen. Eine flexible Reaktion und Anpassung auf dynamische Änderungen der Terroristen ist so oftmals nicht möglich. Dennoch lassen sich einige Anstrengungen nennen, die die europäische Union bereits unternommen hat, um Gefahrenabwehr zu betreiben, so unter anderem restriktivere Waffengesetze, stärkere Überwachung (z. B. von Fluggastdaten und digitaler Kommunikation) und eine Verbesserung der Gesetze zur Unterbindung von Geldwäsche.7

Im wesentlichen soll die Verschleierung von internationalen Finanz-Transaktionen und der Zugriff auf „Bombenbauteile“ weiter erschwert werden, um die Handlungsmöglichkeiten der Terroristen weiter einzuschränken. Weiter arbeitet die EU-Kommission an einer Europäischen Aufklärungseinheit um wirkungsvoller und einheitlicher im Kampf gegen den Terrorismus auftreten zu können und „(...) die sicherstellt, dass Daten über Terroristen und Auslandskämpfer automatisch zwischen (...) [den] Nachrichten- und Polizeidiensten ausgetauscht werden.“ so Juncker, der diese Maßnahme als Teil seiner Vision von einem Europa bis 2025 sieht.8

Flüchtlingskrise

Nach der hinlänglichen bekannten Entscheidung von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Herbst 2015, die Bundesgrenzen für Flüchtlinge zu öffnen und das Abkommen von Dublin9 vorübergehend außer Kraft zusetzen, um eine humanitäre Katastrophe abzuwenden, sind in Europa zahlreiche Probleme entstanden.

Die Herausforderungen der massenhaften Migration von Menschen aus nichtEuropäischen Ländern stellt nach wie vor einige Mitgliedsstaaten vor große Probleme. Zu Stoßzeiten der sogenannten Flüchtlingskrise ist es Ländern wie Italien und Griechenland nur mit Hilfe von Bündnispartner gelungen, eine geordnete Unterbringung und Verpflegung sicherzustellen. Darüberhinaus ergeben sich jedoch bis heute noch weitere Probleme wie die Verteilung der Migranten in der Europäischen Union als auch die langfristige Integration der Menschen mit einer Aufenthaltserlaubnis bzw. Bleibeberechtigung.

Die Beantwortung der genannten Fragen sorgt regelmäßig sowohl in den Ländern und nationalen Parlamenten als auch innerhalb der Europäischen Institutionen für rege Diskussionen. Wie bereits Eingangs erwähnt sehen nicht alle Mitgliedsstaaten, so auch Ungarn, es als ihre Pflicht an, zur nachhaltigen Lösung der Flüchtlingskrise beizutragen.10

[...]


1 vgl. Europäische Kommission. (2017). Special Eurobarometer 461 (Designing Europe’s future: Security and Defence). [PDF]. URL: http://ec.europa.eu/commfrontoffice/publicopinion/index.cfm/ResultDoc/download/Do- cumentKy/78778 [24.03.2018].

2 vgl. Fragen und Antworten: Die Zukunft der europäischen Verteidigung [Pressemeldung]. (2017, 7. Juli). URL: http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-17-1517_de.htm [24.03.2018].

3 Die "Europa-Rede" von Präsident Jean-Claude Juncker bei der Konrad Adenauer Stiftung. (2016, 9. November). URL: http://europa.eu/rapid/press-release_SPEECH-16-3654_de.htm [24.03.2018].

4 „Armee“ auf Duden online. URL: https://www.duden.de/rechtschreibung/Armee [24.03.2018].

5 vgl. Martin Schulz. (2017, 7. Dezember). Rede beim SPD-Bundesparteitag in Berlin. [PDF]. URL: https://ww- w. spd.de/fileadmin/Dokumente/Reden/20171207_Rede_Schulz.pdf [24.03.2018].

6 vgl. Bundeszentrale für politische Bildung. Troika. URL: http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/das-europale- xikon/177313/troika [24.03.2018].

7 vgl. Europäische Kommission. (2017, Oktober). A european agenda on security. [PDF]. URL: https://ec.euro- pa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/what-we-do/policies/european-agenda-security/20171018_factshee- t_a_european_agenda_on_security_state_of_play_october_2017_en.pdf [24.03.2018]

8 Europäische Kommission. (2017, 13. September). PRÄSIDENT JEAN-CLAUDE JUNCKER Rede zur Lage der Union 2017. URL: http://europa.eu/rapid/press-release_SPEECH-17-3165_de.htm [24.03.2018]

9 vgl. Europäische Gemeinschaft. (1997, 19. August). Übereinkommen über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrags. [PDF]. URL: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:41997A0819(01)&from=DE [24.03.2018]

10 vgl. Govedarica, S. (2018, 5. Januar). Orbans Flüchtlingspolitik. Deutschlandfunk. URL: http://www.deutsch- landfunk.de/orbans-fluechtlingspolitik-wir-muessen-die-grenzen-weiter. 1773.de.html?dram:article_id=407574 [24.03.2018]

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Braucht Europa eine gemeinsame Armee?
Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Note
2,3
Autor
Jahr
2018
Seiten
28
Katalognummer
V991025
ISBN (eBook)
9783346353931
ISBN (Buch)
9783346353948
Sprache
Deutsch
Schlagworte
europa, armee, politik
Arbeit zitieren
Julius Winterberg (Autor:in), 2018, Braucht Europa eine gemeinsame Armee?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/991025

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