Genderspezifische Erziehung. "Echte Männer weinen nicht" vs. "Das tun Mädchen nicht"


Hausarbeit, 2019

14 Seiten, Note: 1,8


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Begriffserklärung
Gender und genderspezifisch
Sozialisation
Erziehung

„Es ist egal was es wird, Hauptsache er ist gesund“
Das Geschlecht lernen
Von Autos und Puppen
Die Adoleszenz

Genderbezogen oder genderspezifisch in der stationären Arbeit

Fazit

Literaturverzeichnis

Einleitung

„Kinder werden von Anfang an mit Erwartungen konfrontiert, in die die Symboliken der Zweigeschlechtlichkeit eingebettet sind.“1

„Das ist aber gar nicht ladylike!“ oder „Latsch doch nicht immer wie ein Kerl, du bist doch ein so schönes Mädchen!“ sind nur zwei der vielen Sätze, die ich während meiner Kindheit und Pubertät zu hören bekam. Dabei konnte ich gar nichts dafür, dass ich nicht das typische Mädchen geworden bin. Ich hatte einfach einen großen Bruder, sein Spielzeug und meine Peergroup war sehr „Jungenlastig“. Trotzdem ist aus mir ein Mensch geworden, oder doch eine Frau?

Durch verschiedene Einflussfaktoren werden Kinder, bewusst oder unbewusst, in ihre vorbestimmte Geschlechterrolle gedrängt. Doch warum ist sie vorbestimmt, ist sie das überhaupt und welche Faktoren wirken auf die Entwicklung des Kindes ein?

Im Anschluss an die Begriffserklärungen, die dem besseren Verständnis der Thematik dienen sollen, beschäftigt sich die Arbeit mit der Frage, wie ein Kind sein Geschlecht lernt und welche gesellschaftlichen Ansprüche bereits mit dem ersten Atemzug an dieses gestellt werden. Den Bogen schließt der Übergang zur Adoleszenz und endet in der stationären Arbeit, meinem Arbeitsfeld.

Begriffserklärung

Gender und genderspezifisch

„Die soziale Ungleichheit der Geschlechter wurde nicht als Folge körperlicher Differenzen gesehen, sondern in den Kontext sozio-kultureller Normierungen gestellt.“2

Im Englischen wird zwischen „sex“ und „gender“, dem biologischen und dem kulturell-sozialem Geschlecht, unterschieden. Während der Frauenbewegung in den 70er Jahren wurde „gender“ auch in den deutschen Sprachgebrauch eingeführt, um eine klare Trennung zwischen dem von Natur aus vorbestimmten Gegebenheiten und dem, was eine Gesellschaft „daraus macht“, vornehmen zu können.

Unter „sex“ wird also das biologische Geschlecht verstanden, welches sich durch die durch Geburt gegebenen Geschlechtsmerkmale in männlich und weiblich unterscheiden lässt.

Unter „gender“ hingegen werden die Geschlechtseigenschaften verstanden, welche durch eine soziale und kulturelle Prägung konstruiert werden.3

Bei Rendtorff aber zum Beispiel bildet sich ab, dass geschlechtsspezifisch die Kennzeichnung der anlagebedingten Unterschiede beschreibt, geschlechtstypisch eher die Verhaltensweisen, die häufig einem bestimmten Geschlecht zugeordnet werden. Da dennoch in der vorliegenden Arbeit bereits auf „gender“, also nicht das biologische, sondern das soziale Geschlecht eingegrenzt wurde, werden im Folgenden spezifisch und typisch synonym verwendet.4

Sozialisation

„Sozialisation bezeichnet den Prozess, in dessen Verlauf sich der mit einer biologischen Ausstattung versehene menschliche Organismus zu einer sozial handlungsfähigen Persönlichkeit bildet, die sich über den Lebenslauf hinweg in Auseinandersetzung mit den Lebensbedingungen weiterentwickelt.“5

Im Gegensatz zur Tierwelt wird der Mensch nur in geringem Maß durch angeborene Instinkte und Verhaltensschemata definiert. Erst durch soziale Lernprozesse entwickelt sich das eigene Denken und Handeln. Die Bezeichnung Sozialisation steht demnach für die Fragestellung, wie das Individuum durch die gesellschaftlichen Lebensbedingungen in ihrem Empfinden, Denken und Handeln beeinflusst wird, sich aber zugleich auch von allen anderen unterscheidet. Sozialisation ist dabei kein zeitlich begrenzter, sondern lebenslanger Vorgang. Durch soziale Interaktion und die Auseinandersetzung mit diesen, eignet sich der Mensch vorherrschende Normen und Werte einer Kultur an.6

In der Geschlechterforschung bezeichnet „doing gender“ die in der interaktionstheoretischen Soziologie entwickelten Perspektive der sozialen Konstruktion des Geschlechts. Es wurde als Gegensatz zum „gender-sex“-Modell entwickelt.7 „Es besagt im Kern, dass Geschlechtszugehörigkeit und Geschlechtsidentität als fortlaufender Herstellungsprozess aufzufassen sind, der zusammen mit faktisch jeder menschlichen Aktivität vollzogen wird und in den unterschiedlich institutionellen Ressourcen eingehe.“8

Erziehung

„Grundsätzlich erzieht ja eine Gesellschaft ihre Kinder so, wie sie sich diese als Erwachsene wünscht und wie sie zu der von ihr für gut gehaltenen Gesellschaftsform passen.“9

Erziehung ist immer auch Beziehungsarbeit. Von der Stabilität und der Wertschätzung innerhalb dieser Beziehung hängt maßgeblich das Ergebnis der Erziehung ab. Sie findet als zwischenmenschlicher Kontakt statt, wobei sich Erziehender und Kind gegenseitig beeinflussen. Erziehung ist dabei auch Bildungsarbeit. Sie will Lernprozesse initiieren und bei diesen Hilfestellung leisten, damit das Kind sich in die Kultur und Gesellschaft eingliedern, und dennoch eine eigene Persönlichkeit entwickeln kann.

Von daher lautet die Definition, welche dieser Arbeit zugrunde liegt: „Erziehung ist ein soziales Handeln, welches bestimmte Lernprozesse bewusst und absichtlich herbeiführen und unterstützen will, um relevant dauerhafte Veränderungen des Verhaltens und Erlebens, die bestimmten Erziehungszielen entsprechen, zu erreichen.“10

Da Erziehung Lernprozesse initiiert greift auch die Lerntheorie, wie bei Hurrelmann beschrieben. Die Lerntheorie geht „von der Annahme einer prinzipiell unbegrenzten Formbarkeit der menschlichen Persönlichkeit aus.“11 Erziehende müssen sich der Verantwortung bewusst sein, dass sie direkten Einfluss auf die Bildung von Einstellungen, Bewertungen und sozialen Verhaltensdispositionen der Kinder haben, also aktiv an deren Meinungsbildung teilnehmen und auf diese positiv oder negativ einwirken können.12

„Es ist egal was es wird, Hauptsache er ist gesund“

Schon vor der Geburt des Kindes ist die vorherrschende Frage: wird es ein Junge oder ein Mädchen? Neben dem Alter ist das Geschlecht eine wichtige Kategorisierung für die Gesellschaft und doch in selbem Maße höchst problematisch. Hinter dem Geschlecht verbirgt sich nicht nur eine Kategorie, sondern mit ihr auch immer eine Bewertung, welche mit der Sprache zum Ausdruck gebracht wird. Wir brauchen ein „er“ oder „sie“, um das Baby als Mensch wahrnehmen zu können. „Sobald das Geschlecht des Säuglings bestimmt ist, beginnt die sozio-kulturelle Welt, in die er oder sie hineingeboren wurde, ihn oder sie in männliche beziehungsweise weibliche Rollen zu sozialisieren.“13 Doch Studien über den Zusammenhang von Geschlecht und Persönlichkeit belegen, dass häufig Charaktermerkmale nicht auf das biologische Geschlecht zurück zuführen sind. Geschlechtsspezifische Verhaltensunterschiede ergeben sich nicht allein durch biologische Anlagen, wie die Differenz des männlichen und weiblichen Hirns. Sie sind vor allem Produkt der Lebenserfahrung, der sozialen Interaktion mit der Umwelt und der vorherrschenden Geschlechterstereotype.

Das Geschlecht lernen

„…der menschliche Säugling sei eine weitgehend leere Tafel, die bereit ist, beschrieben zu werden. Danach würde ausschließlich durch die Umwelt bestimmt, zu was für einer Person sich ein Säugling entwickelt.“14

Kinder werden durch verschiedene Sozialisationseinflüsse geprägt. Die wichtigsten Sozialisationsinstanzen sind dabei die, in die das Kind hineingeboren wird und aufwächst, wie z. Bsp. die Familie oder die stationäre Unterbringung, in der es sich Wissen aneignet, wie z. Bsp. der Kindergarten oder die Schule, und in der es seine Freizeit verbringt und sich unter Gleichaltrigen bewegt. Dazu kommen die Sozialisationsbedingungen, welche nicht starr, sondern veränderbar sind. Dazu gehören:

[...]


1 Buchmayr 2008, S. 21

2 Wilz 2008, S. 168

3 Wilz 2008vgl. S 167

4 Rendtorff 2006 vgl. S. 10

5 Hurrelmann 1995, S. 14

6 Korte und Schäfers 2002 vgl.

7 Wilz 2008 vgl. S. 172ff

8 Wilz 2008 S. 172

9 Rendtorff 2006, S. 25

10 Hobmair 2002, S. 83

11 Hurrelmann 1995, S. 24

12 Hurrelmann 1995, S. 25

13 Joas 2001, S. 275

14 Joas 2001, S. 125

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Genderspezifische Erziehung. "Echte Männer weinen nicht" vs. "Das tun Mädchen nicht"
Hochschule
DIPLOMA Fachhochschule Nordhessen; Zentrale
Note
1,8
Autor
Jahr
2019
Seiten
14
Katalognummer
V991145
ISBN (eBook)
9783346354556
ISBN (Buch)
9783346354563
Sprache
Deutsch
Schlagworte
gender, genderspezifisch, Erziehung, echte Männer, weinen, Geschlecht, Kind, Jugendliche, Sozialisation
Arbeit zitieren
Anne Lindemann (Autor:in), 2019, Genderspezifische Erziehung. "Echte Männer weinen nicht" vs. "Das tun Mädchen nicht", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/991145

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