Agile Führungsstile im VUCA-Kontext. Chancen und Herausforderungen


Thèse de Bachelor, 2020

36 Pages, Note: 2,3

Anonyme


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Ausgangssituation und Ziel der Arbeit
1.2. Vorgehensweise

2. VUCA
2.1. Begriffserklärung und Historie
2.2. Differenzierung der vier Kräfte
2.3. Die Corona-Krise als Musterbeispiel für die VUCA-Welt

3. Auswirkungen von VUCA auf die Führung
3.1. Herausforderungen
3.1.1. Externe Herausforderungen
3.1.2. Interne Herausforderungen
3.2. Chancen

4. Agilität
4.1. Begriffsdefinition und -herkunft
4.2. Grundlegende Ideen agilen Arbeitens

5. Agile Leadership
5.1. Begriffserklärung: Leadership vs. Management
5.2. Definition: Agile Führung
5.3. Werte und Prinzipien agiler Führung
5.4. Neues Verständnis von Führung
5.4.1. Agile Führung und klassische Führung im Vergleich

6. Agile Leadership im VUCA-Kontext
6.1. Stärken
6.2. Risiken

7. Fazit

8. Quellenverzeichnis

9. Eidesstattliche Erklärung

1. Einleitung

1.1. Ausgangssituation und Ziel der Arbeit

Wir leben und arbeiten heute in einer komplexen Welt mit scheinbar endlosen Möglichkeiten, geprägt von schnellen und drastischen Veränderungen (Petry 2018: 18; Von Au 121). Aufgrund von Entwicklungen wie der Globalisierung (Lang und Scherber 3) und der Digitalisierung (Rahn 7), gestaltet sich die Vorhersage der Zukunft als zunehmend schwieriger (Graf et al. 15). Die einzige Konstante scheint inzwischen die Veränderung selbst zu sein (Von Au 121): „Willkommen in der VUCA-Welt!“ (Graf et al. 15). Der Begriff „VUCA“ setzt sich aus den Adjektiven „volatil, unsicher, komplex (complex) und mehrdeutig (ambiguous)“ (Ciesielski und Schutz 4) zusammen. Im Wesentlichen soll das Akronym die „zunehmende Geschwindigkeit, erhöhte Unsicherheit, steigende Komplexität und die Mehrdeutigkeit von Informationen“ (Rahn 6) in unserer derzeitigen Welt verkörpern.

Die aktuelle Corona-Krise stellt ein Musterbeispiel für die VUCA-Welt dar, denn sie verdeutlicht, wie plötzliche, unerwartet eintretende Ereignisse die gesamte Gesellschaft und insbesondere unsere Wirtschaft und den Arbeitsmarkt erschüttern können (Magility).

VUCA stellt Führungskräfte und deren Teams vor viele neue Herausforderungen, liefert jedoch auch einige Chancen, die es zu ergreifen gilt (Sichart und Preußig 16). Es steht demnach außer Frage, dass Führungskräfte sich in ihrer Ausrichtung anpassen müssen (Sichart und Preußig 17).

In diesem Kontext wird aktuell viel über das Thema Agilität, als Schlüssel für die VUCA-Welt, diskutiert (Gergs 102; Sichart und Preußig 17). Auch die enorm steigende Anzahl an Literatur zu agilen Methoden zeigt, wie stark das Interesse an diesem Thema wächst (Gergs 102).

Im Mittelpunkt dieser Arbeit soll daher die Frage stehen, inwiefern agile Leadership einen sinnvollen Ansatz im Kontext der VUCA-Welt darstellt. Das Ziel liegt demzufolge darin, zu ermitteln, ob eine agile Ausrichtung der Führung die Herausforderungen von VUCA bewältigen kann, aber auch in der Lage ist, die Chancen, welche diese Welt bietet, zu ergreifen.

1.2. Vorgehensweise

Die Arbeit gliedert sich im Hauptteil in fünf Kapitel. Zu Beginn wird der Begriff „VUCA“ definiert und seine Herkunft kurz erläutert. Es wird im Detail auf die vier Dimensionen Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität eingegangen. Das Beispiel der Corona-Krise soll außerdem als Veranschaulichung für die VUCA-Welt dienen. Darauf aufbauend erfolgt eine Analyse der Herausforderungen und Chancen, die sich aus der VUCA-Welt für die Führung ergeben.

Das vierte Kapitel befasst sich mit dem Thema Agilität. Der Begriff wird zunächst definiert und es werden die grundlegenden Ideen agilen Arbeitens vorgestellt.

Daran knüpft das Thema agile Leadership, welches im fünften Kapitel im Mittelpunkt stehen soll. Als erstes werden die Begriffe Leadership und Management voneinander abgegrenzt und das agile Leadership definiert. Es erfolgt eine Darstellung der Werte und Prinzipien und der veränderten Rolle der Führungskraft. Außerdem wird die agile Führung der klassischen Führung gegenübergestellt und mit ihr verglichen.

Zur Beantwortung der Fragestellung müssen die Themen VUCA und agile Leadership miteinander verknüpft werden. Zu diesem Zweck werden im sechsten Kapitel sowohl die Stärken als auch die Risiken agiler Führung im VUCA-Kontext umfangreich analysiert. Die Ergebnisse dieser Analyse werden im Schlussteil der Arbeit zusammengetragen.

2. VUCA

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, lässt sich unsere derzeitige gesellschaftliche und wirtschaftliche Situation treffend als VUCA-Welt bezeichnen (Petry 2018: 18). Bei umfangreichen Befragungen von Führungskräften zeigte sich, dass VUCA heutzutage als wichtigstes Führungsthema wahrgenommen wird (Evenett et al. 16). In diesem Kapitel soll daher der Begriff zunächst definiert und seine Herkunft kurz erläutert werden. Eine differenzierte Betrachtung der vier Bestandteile von VUCA ist ebenfalls notwendig, um im Anschluss die Herausforderungen und Chancen für die Führung analysieren zu können.

2.1. Begriffserklärung und Historie

Das englische Akronym VUCA beschreibt eine Welt, die durch geprägt ist (Scheller 20). Im deutschen Sprachraum begegnet man dem Begriff auch oft unter der Schreibweise „VUKA“ (ebd.). Spricht man heutzutage von der VUCA-Welt, dann ist damit meist der „kontextuelle Rahmen von Führung in Unternehmen“ (Ciesielski und Schutz 12) gemeint. Allerdings stammt der Begriff ursprünglich nicht aus der Wirtschaft, sondern ist Anfang der 1990er Jahre (Diehl 2019: 1) im militärischen Kontext in den USA entstanden, um „die grundlegend veränderten Rahmenbedingungen des „modernen“ Krieges zu charakterisieren“ (Lenz 2017: 1). Anders als die eindimensionalen, auf den Gegner konzentrierten Strategien während des kalten Krieges, stand das Militär bei den Kriegen im Irak und in Afghanistan nämlich durch Terroristen, Selbstmordattentäter und dezentrale Gegner vor komplett neuen Herausforderungen (Diehl 2019: 1f.; Lenz 2017: 1). Die Identifikation zukünftiger Gegner wurde somit deutlich schwieriger, sodass man zur Beschreibung dieses Zustands den Begriff „VUCA“ einführte (Scheller 20).

- V olatilität (engl. „ v olatility”)
- U nsicherheit (engl. „ u ncertainty”)
- K omplexität (engl. „ c omplexity”) und
- A mbiguität (engl. „ a mbiguity”)

Das VUCA-Modell ist also eine Strategiemethode, die zunächst durch das U.S. Army War College entwickelt (Wallner 1) und erst im Anschluss von Managementexperten aufgegriffen wurde, um die veränderten Zustände in der Wirtschaftswelt zu beschreiben (Hofert 234). Zentrale Auslöser dieser neuartigen Zustände sind globale Trends wie „der demographische Wandel, die zunehmende Digitalisierung und der Veränderungsdruck von Finanzkrise, Klimawandel und geopolitischen Konflikten“ (Albers 70).

2.2. Differenzierung der vier Kräfte

Irrtümlicherweise wird oft davon ausgegangen, dass die einzelnen Bestandteile von VUCA gewissermaßen die gleiche Bedeutung haben (Lenz 2017: 2). Bei genauerer Untersuchung werden jedoch die unterschiedlichen Herausforderungen der einzelnen Komponenten deutlich (ebd.).

Volatilität bezieht sich auf die erhöhte Geschwindigkeit und den breiteren Umfang von Veränderungen in unserer Welt (Graf et al. 16). Sucht man das Adjektiv „volatil“ im Duden, stößt man auf die Bedeutungen „flüchtig, unbeständig, sprunghaft“ (Duden), welche die momentane Situation unserer Wirtschaft sehr treffend beschreiben (Guwak und Strolz 40). Aufgrund von häufigen, sprunghaften Entwicklungen, herrscht ein hohes Potential für enorme Schwankungen innerhalb kürzester Zeitspannen (Petry 2016: 38; Rascher 5; Diehl 2019: 2). Scheller versteht unter Volatilität außerdem „Zustände, die instabil, unberechenbar und daher nicht vorhersehbar/ vorhersagbar sind“ (20). Es sei daher unmöglich zu prognostizieren, wann sich eine Situation in welche Richtung verändern und welche Folgen dies haben werde (ebd.). Beispiele dafür sind Schwankungen von Preisen und Zinssätzen, Schwankungen an der Börse oder sogar die Disruption ganzer Märkte (Hofert 236; Scheller 20).

Der Faktor Unsicherheit drückt aus, dass zukünftige Ereignisse und deren Eintrittswahrscheinlichkeit nur sehr schwer kalkulierbar sind (Diehl 2019: 2). Diese erhöhte Unsicherheit rührt vor allem daher, dass die Aussagekraft von Prognosen immer mehr abnimmt (Scheller 21) und „alte Paradigmen und Muster keine hohe Verlässlichkeit mehr haben“ (Diehl 2019: 2). Guwak und Strolz erklären zudem, „dass sich die Welt nicht als die lineare Fortschreibung des Altbekannten entwickelt, sondern mitunter in Brüchen“ (42).

Komplexität bedeutet in der VUCA-Welt, dass „eine Situation […] durch viele kleine, unverbundene Teile und Variablen gekennzeichnet“ ist (Hofert 236). Zwar sind in der Regel Informationen vorhanden, aber der Zusammenhang zwischen diesen ist meist nur schwer zu erkennen (ebd.), da mehrere Faktoren ineinander spielen und sich gegenseitig auf unterschiedliche Weise beeinflussen (Petry 2016: 39). Diehl erklärt zum Thema Komplexität außerdem, dass durch die enge Verknüpfung der einzelnen Elemente, „die Veränderung einer [einzigen] Komponente nicht absehbare Folgen“ (2019: 3) mit sich trägt. Zwar existieren in der VUCA-Welt viel mehr Handlungsmöglichkeiten als zuvor, „allerdings nehmen auch widersprüchliche Interessen und Dilemmata zu“ (Graf 16). Das Adjektiv „komplex“ sollte außerdem nicht mit dem Adjektiv „kompliziert“ verwechselt werden. Dies wird mit diesem Zitat gut verdeutlicht: „Kompliziert war die Welt schon immer, heute ist sie auch noch komplex“ (Dark Horse, hier zitiert nach: Eissfeldt und Jaeger 6). Der Unterschied liege darin, dass komplizierte Probleme sich mit ein wenig Anstrengung lösen lassen (Eissfeldt und Jaeger 6). Sie seien nämlich, im Gegensatz zu komplexen Problemen, klar benennbar (ebd.). Bei komplexen Problemen falle es jedoch schwer, das Problem überhaupt zu definieren, da die Ursache-Wirkungs-Beziehung meist unklar sei (ebd.). Es gebe somit nicht eine einzige richtige Lösung (ebd.). Maehrlein erklärt den Unterschied anschaulich an zwei Beispielen (36). So sei ein Flugzeug mit seinen zahlreichen Bestandteilen lediglich kompliziert, da die Einzelteile „in einer linearen Logik so miteinander verbunden [sind], dass ein spezialisierter Ingenieur vorhersagen kann, wann und wie das Flugzeug davon beeinflusst werden wird, wenn eines der Teile herausgenommen wird“ (ebd.). Anders verhalte es sich jedoch bei komplexen Systemen, wie z.B. dem Menschen (ebd.). Ein Arzt, welcher bei 10 Personen die gleiche Diagnose stellt und somit auch das gleiche Medikament verschreibt, kann noch längst nicht vorhersagen, ob bei allen 10 Personen die gleiche Wirkung eintreten wird (ebd.). Während es bei einer Person zur Heilung führt, kann es bei einer anderen die Symptome verstärken, bei einer Dritten leichte Nebenwirkungen auslösen etc. (ebd.). „Und wenn ein einzelner Mensch schon komplex ist, wie steht es dann erst um eine Organisation – eine Ansammlung von vielen Menschen?“ (ebd.).

Ambiguität wird im Duden mit den Worten „Mehr- bzw. Doppeldeutigkeit“ (Duden) definiert. Diese beiden Bedeutungen sind gut auf die VUCA-Welt übertragbar, da unsere Wirtschaft heutzutage viele Widersprüche in sich trägt, die meist unlösbar sind (Hofert 236). Unsere Welt könnte in diesem Zusammenhang auch als „nebulös“ beschrieben werden, da die Rahmenbedingungen und Informationen nicht nur schwerer greifbar werden, sondern häufig auch mehrere Interpretationsmöglichkeiten für ein und dieselbe Situation bestehen (Graf 16; Rascher 6), was zu einer unauflöslichen Widersprüchlichkeit führt (Guwak und Strolz 45). Im Unternehmensalltag existieren zum Beispiel zahlreiche Widersprüche (Scheller 34). Oft stehen Mitarbeiter unter dem Druck mehrere Vorgesetze, wie z.B. ihren Projektleiter und Chef zufrieden zu stellen, obwohl die Anweisungen einander komplett widersprechen (ebd.). Kunden, die auf Knopfdruck die beste Qualität zu niedrigstem Preis erwarten, fallen auch in diese Kategorie (ebd.).

2.3. Die Corona-Krise als Musterbeispiel für die VUCA-Welt

Unser gesamtes Leben, sowohl beruflich als auch privat, wird durch VUCA beeinflusst (Eissfeldt und Jaeger 6). Im äußeren Umfeld stoßen wir vermehrt auf Ereignisse wie den wahrgewordenen Brexit, die Flüchtlingskrise in Europa und „Alternative Fakten“ im Netz, welche viele Menschen zum Nachdenken anregen oder verunsichern (ebd.). Spätestens seit den aktuellen Ereignissen im Rahmen der Corona-Krise, ist VUCA jedoch für jeden einzelnen von uns relevant und greifbar geworden (Schewe). Die Pandemie stellt „ein Musterbeispiel für eine disruptive, tiefgehende Veränderung [dar], die kaum jemand in dieser Intensität für wahrscheinlich hielt“ (Magility). Volatilität ist an dieser Stelle der treffende Begriff. Aber auch die bis vor Kurzem noch exponentiell wachsenden Fallzahlen und umfangreichen Einschränkungen unseres gesellschaftlichen Lebens von einem Tag auf den anderen, fallen unter diesen Aspekt (Wallner 1; Mueller). All diese Geschehnisse und Maßnahmen haben einen Zustand hoher Unsicherheit in der Gesellschaft ausgelöst (Schallmo und Danner). Viele Unternehmen bangen aufgrund der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise um ihre Existenz (Wallner 1). Auch nach der allmählichen Stabilisierung der Fallzahlen, kann der weitere Verlauf der Pandemie nur sehr vage prognostiziert werden (Schewe). Komplex ist die Situation insofern, dass sehr viele sich gegenseitig beeinflussende Faktoren in Betracht gezogen werden müssen, um Entscheidungen zu treffen (Schallmo und Danner). Dazu zählen z.B. die Verbreitung des Virus, Freiheitsbeschränkungen, wirtschaftliche Folgen, soziale und politische Probleme (Bauer). Die Ambiguität spiegelt sich in den verschiedenen Meinungen, z.B. hinsichtlich der korrekten Strategie für die Eindämmung, wider (Bauer; Schallmo und Danner). Außerdem sind die Sozialen Medien übersät von widersprüchlichen Informationen (Mueller).

3. Auswirkungen von VUCA auf die Führung

„Die Logik von VUCA […] zu verstehen, ist nicht schwer. Der harte Teil ist herauszufinden, wie man in einem VUCA-Umfeld als Führungskraft agieren […] muss“ (Graf et al. 183). Dazu muss man sich aber zunächst darüber im Klaren sein, welchen Umständen man in diesem Kontext begegnen wird (ebd.). Die VUCA-Welt beinhaltet für die Führung nämlich viele neuartige Herausforderungen und Risiken (Rascher 5). Es dürfen aber auch nicht die Chancen und Möglichkeiten, die diese Situation bietet, außer Acht gelassen werden (ebd.). Im Folgenden sollen daher beide Seiten beleuchtet werden.

3.1. Herausforderungen

„Die Herausforderung und gleichzeitig Riesenmöglichkeit für die Führungskraft im Kontext von VUKA ist, dass sie quasi »auf allen Hochzeiten tanzen« darf“ (Sarica 20). Damit ist gemeint, dass sie sich zunächst einmal um sich selbst sorgen muss, um überhaupt den Anforderungen von VUCA gerecht zu werden (ebd.). Gleichzeitig müssen Führungskräfte aber selbstverständlich auch immer eine Zahl von Angestellten durch den Wandel leiten und das Unternehmen mit seinen Zielen und Visionen aufrechterhalten (Sarica 21). All dies in Balance zu halten sei sicher eine intensive, aber auch spannende Aufgabe, so Sarica (21).

3.1.1. Externe Herausforderungen

Scheller erläutert zum Thema Volatilität, dass Veränderungen früher langsam eintraten und ihr Verlauf somit beobachtet und analysiert werden konnte (21). Führungskräfte hatten so die Möglichkeit vorausschauend auf diese zu reagieren (ebd.). Heutzutage sei es hingegen unmöglich, „für jede der unzähligen Veränderungsmöglichkeiten – schon gar nicht vorausschauend – einen Reaktionsplan zu entwickeln“ (ebd.). Eine der größten externen Herausforderungen, welcher Führungskräfte sich stellen müssen, sind in diesem Zusammenhang disruptive Entwicklungen und Innovationen. Aufgrund der Digitalisierung „sehen wir uns einer Geschwindigkeit des Wandels und der Innovation ausgesetzt, die es bisher in dieser Form nicht gegeben hat“ (Bär et al. 21). Faktoren wie Produkte, Kunden und Wettbewerber, die in der Vergangenheit über einen langen Zeitraum stabil waren, können sich heutzutage also von jetzt auf gleich ändern (BWV). Diese Beschleunigung ist auch für Geschäftsmodelle zu beobachten, da diese in immer kürzeren Abständen optimiert oder komplett neu geschaffen werden (Aronowitz et al. 2015, hier zitiert nach: Petry 2018: 18). Als Beispiel nennt Petry die Unternehmen Nokia, Grundig und Kodak (2018: 18), um zu verdeutlichen, wie große, erfolgreiche Marken innerhalb kurzer Zeit erheblich an Relevanz verlieren oder komplett vom Markt verschwinden können, obwohl sie zuvor eine ausgezeichnete Marktposition besaßen (Becker und Knop 26). Auf der anderen Seite entstehen neue Unternehmen, „die plötzlich ganze Branchen ins Wanken bringen können“ (Bär et al. 21). Das Start Up Uber z.B . macht dies besonders deutlich (Petry 2018: 18). Nur fünf Jahre nach der Gründung des amerikanischen Fahrdienstvermittlers, „wurde das Unternehmen bereits mit 40 Milliarden US-Dollar bewertet“ (Baskim Salem 2014, hier zitiert nach: Bär et al. 21). Die Taxi-Industrie hat seit dem Aufkommen von Uber erhebliche wirtschaftliche Einbußen erlitten (Kreienbrink). Airbnb ist ein weiteres treffendes Beispiel dafür (Petry 2018: 18). Eine andere Situation stellen Unternehmen dar, die schlagartig die Marktführerschaft innerhalb einer innovativen Branche erlangen. So z.B. das Unternehmen Apple, welches vor der Einführung des iPhones im Jahre 2007 keine große Relevanz in der Mobilfunkbranche hatte – „bis es mit dem iPhone den Markt auf den Kopf stellte“ (Becker und Knop 26). Die Erfolgsgeschichten dieser Unternehmen veranschaulichen, dass neue Wettbewerber in der VUCA-Welt eine realistische Chance haben, tiefgreifende Änderungen in bereits existierenden Märkten einzuleiten (Petry 2018: 18). Die Ungewissheit darüber mit welcher Schnelligkeit „sich ein heute wirklich solides Geschäftsmodell im Markt selbst überholt, […] führ[t] zu Chaos – vor allem in den Köpfen“ (Eissfeldt und Jaeger 10).

Eine weitere Herausforderung der VUCA-Welt ist die Tatsache, dass die Anzahl der Wettbewerber innerhalb einer Branche enorm wächst (Grätsch und Knebel). Das liegt vor allem daran, dass durch die Digitalisierung virtualisierte, globale Plattformen entstanden sind (Von Au 3). Dadurch herrschen geringere Eintrittsbarrieren für neue Wettbewerber, da es nicht mehr nötig ist, branchenbezogene Infrastruktur aufzubauen. Das „innovative Matching von Anbietern und Nachfragern“ (Von Au 3) auf einer Plattform fungiert hier als Geschäftsmodell und Vermögenswert des Unternehmens (ebd.). „Konsequenterweise besitzt Uber keine Taxis und Airbnb keine Hotelbetten“ (Von Au 3).

Abgesehen davon, sind Verbraucher heutzutage beim Kauf eines Produktes selten an einen Anbieter gebunden (Grätsch und Knebel). Im Zuge der Globalisierung und Digitalisierung besteht nämlich die Möglichkeit, im Internet „auf individuell passende Angebote zuzugreifen“ (Graf 34) und problemlos Dinge aus dem Ausland zu bestellen (Grätsch und Knebel). Zudem können Verbraucher sich im Voraus über das Angebot informieren, indem sie Bewertungen lesen oder sich in Kundenforen austauschen (Graf 34).

Die Zufriedenheit der Kunden sollte also für Führungskräfte an erster Stelle stehen und z.B. durch einen optimalen Kundenservice gefördert werden, um eine langfristige Kundenbindung zu gewährleisten (Grätsch und Knebel). „Wenn ein Kunde nicht bekommt, was er benötigt, geht er einfach weiter“ (Graf 34).

Die externen Herausforderungen zeigen außerdem, dass Unternehmen in der VUCA-Welt lediglich weiterhin eine „Existenzberechtigung“ (Becker und Knop 26) haben können, wenn ihre Führungskräfte sich auf den Wandel einlassen und eine hohe Innovationsfähigkeit entwickeln (ebd.; Grätsch und Knebel). Zudem sei es von großem Vorteil, ein gutes Verständnis darüber zu haben, welche Faktoren in welcher Art Märkte beeinflussen, um entsprechend auf diese reagieren zu können (BWV). In einer Welt, in der Vorhersagen immer schwieriger werden, müsse man „ein hohes Maß an (unternehmerischer) Intuition, Neugierde und den Blick für das große Ganze [entwickeln], um schnelle und durchaus auch mal unkonventionelle Entscheidungen zu treffen“ (ebd.).

3.1.2. Interne Herausforderungen

Die Rolle, aber auch gleichzeitig große interne Herausforderung der Führung in der VUCA-Welt besteht darin, einen permanenten Wandel des Unternehmens in Gang zu setzen und die Mitarbeiter sicher durch diesen zu steuern (BWV; Weber et al. 26). Entscheidungs- und Kommunikationsprozesse, sowie die Mitarbeiterführung müssen im Rahmen dessen maßgeblich angepasst werden (Graf 183f.; Prakash und Sindhu 536f.).

Eine offene Haltung gegenüber Veränderung und die Bereitschaft dazu, sein Wissen und seine Fähigkeiten ständig zu erweitern, seien für diesen Wandel unumgänglich (BWV).

Dies liege vor allem an der enormen Geschwindigkeit der Veränderung bzw. des Fortschritts, welche von der Führung schnelle, umfangreiche Entscheidungen abverlangen (Graf et al. 183). Viele Führungskräfte arbeiten heutzutage „immer noch unter der Grundannahme, dass Stabilität der Normalzustand und Änderungen die Ausnahme sind“ (Hruschka et al. 63), was die Fähigkeit effektiver Führung enorm einschränkt (Prakash und Sindhu 536). Plötzliche, unerwartete Veränderungen, die im Rahmen von Volatilität üblich sind, führen bei einer solchen Einstellung zu starker Verunsicherung und Risikoaversion der Führungskraft (Prakash und Sindhu 536).

Der Faktor Unsicherheit steht für eine ständige Ungewissheit darüber, in welche Richtung sich Zustände in der Zukunft entwickeln werden (Prakash und Sindhu 537). Die große Herausforderung für Führungskräfte liegt hierbei vor allem darin, Entscheidungen „auf Basis unvollständiger oder unzureichender Informationen“ treffen zu müssen (Graf et al. 184).

Es stelle in diesem Kontext ein Risiko dar, sich vollständig auf Strategien zu verlassen, die in der Vergangenheit Erfolg brachten (ebd.). Aus diesem Grund führt ein Zustand hoher Unsicherheit häufig dazu, dass Führungskräfte dazu neigen, wichtige Entscheidungen aufzuschieben (Scheller 21). Besonders bei unsicheren Entwicklungen sei jedoch die Erzeugung von Klarheit durch die Führungskraft wichtig, indem sie deutlich die „Vision, Strategie und Erwartungen an Ergebnisse“ an ihre Mitarbeiter vermittelt (Graf 185).

Die erhöhte Komplexität in der VUCA-Welt behindert die Führung daran, ein klares Verständnis darüber zu erlangen, an welchem Punkt Veränderungen ansetzen müssen (Prakash und Sindhu 537). Häufig wird dadurch der Fokus allein auf kurzfristige, simple Aspekte gelegt und schwierige Entscheidungen aufgeschoben bzw. deren Grundursache ignoriert (ebd.; Graf et al. 184): „Es fehlt (scheinbar) an der notwendigen Zeit, die Komplexität zu analysieren, zu durchdenken und zu reflektieren“ (Graf et al. 184).

Die Ambiguität der VUCA-Welt erschwert Führungskräften ebenfalls den Alltag. Durch die Mehrdeutigkeit von Situationen und Informationen erhöht sich das Risiko von Fehlinterpretationen und somit ineffektivem Handeln als Reaktion (Prakash und Sindhu 537). Auch die Relevanz einer Situation kann unterschätzt oder überschätzt werden (Graf et al. 184). Als Konsequenz wird Misstrauen bei den Mitarbeitern erzeugt, die Führungskraft fängt an ihre eigenen Fähigkeiten anzuzweifeln und zögerliche Entscheidungen zu treffen (ebd.).

Da sich all diese Faktoren in der VUCA-Welt kaum umgehen lassen und Führungskräfte diejenigen sind, die sich selbst am schnellsten verändern müssen, um dann eine Veränderung herbeiführen zu können, sollten sie versuchen, ihre Art der Führung anzupassen (Hruschka et al. 63; Dittmar, Graf 27).

Daher liegt letztendlich die große Herausforderung der Führung darin, ein anpassungs- und lernfähiges Mindset zu entwickeln, um in unsicheren Situationen einen kühlen Kopf wahren zu können und gewillt zu sein, unbekannte Wege einzuschlagen (Prakash und Sindhu 537). Sich selbst weiterzuentwickeln und lebenslag dazuzulernen, sei in der VUCA-Welt eine wesentliche Eigenschaft (ebd.). Man müsse sich im Kontext konstanter Veränderung wohlfühlen (ebd.) und „akzeptieren, dass Prozesse nicht mehr bis ins Detail durchgeplant werden können“ (Steinberg). Die Flexibilität der Führungskraft sei hierfür besonders wichtig (Petry 2016: 40).

Im Hinblick auf die Mitarbeiter sollten Führungskräfte als Coach und Mentor agieren und sie dazu befähigen, ihr latentes Potenzial voll auszuschöpfen (Prakash und Sindhu 537). Sie sollten stets versuchen, ein Gefühl von Vertrauen und Wertschätzung zu erzeugen und in Zeiten von Veränderung als Leitbild und Stütze wirken (ebd.).

Ein wichtiger Punkt sei laut Weber et al. auch, dass junge Mitarbeiter, die häufig auch als „Generation Y“ bezeichnet werden, einen Wertewandel durchleben und sich daher in ihren Vorstellungen und Erwartungen an den Job sehr von älteren Mitarbeitern unterscheiden (Weber et al. 24). Diese Generation hält zunehmend weniger von „Institutionen, Senioritäten und Autoritäten“ (ebd.). Stattdessen streben sie in ihrem Beruf nach einer „sinnstiftenden Tätigkeit, Flexibilität, Selbstverwirklichung und eine[r] wertschätzenden Arbeitsatmosphäre“ (Rascher 6).

Auch „Command & Control“ Strukturen werden bei jungen Generationen immer unbeliebter (Weber et al. 26), zumal sie sich im Kontext hoher Volatilität sowieso als wenig sinnvoll erweisen, da sie im Gegensatz zur Frequenz der Veränderungen zu langsam verlaufen (Prakash und Sindhu 536). Dies bedeutet für Führungskräfte, dass sie sich selbst weniger über Weisungs- und Kontrollelemente charakterisieren sollten, „sondern Elemente wie Vertrauen in die fachlichen und persönlichen Fähigkeiten der Mitarbeitenden und die eigene positive Vorbildfunktion in den Vordergrund rücken“ (Weber et al. 26).

[...]

Fin de l'extrait de 36 pages

Résumé des informations

Titre
Agile Führungsstile im VUCA-Kontext. Chancen und Herausforderungen
Université
Cologne University of Applied Sciences
Note
2,3
Année
2020
Pages
36
N° de catalogue
V992117
ISBN (ebook)
9783346358837
ISBN (Livre)
9783346358844
Langue
allemand
Mots clés
Agile Führung, Agile Leadership, Agilität, VUCA-Welt, VUCA, Führung
Citation du texte
Anonyme, 2020, Agile Führungsstile im VUCA-Kontext. Chancen und Herausforderungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/992117

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