Steigerung der User Experience für die Zielgruppe Kinder basierend auf dem Bedürfnis Stimulation. Ein erlebnisorientierter Ansatz

Das Beispiel der „Seite mit der Maus“


Thèse de Bachelor, 2012

98 Pages, Note: 1.3

Katrin Schlierkamp (Auteur)


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Hintergrund und Zielsetzung
1.2 Aufbau und Vorgehensweise

2 „Theoretischer Teil“ User Experience
2.1 Definition User Experience
2.2 User Experience und Usability
2.3 User Experience und Grundbedürfnisse
2.3.1 Bedürfnis Stimulation und User Experience
2.3.2 Stimulation und Zeitfaktor

3 Zielgruppe Kinder
3.1 Piagets Entwicklungstheorie
3.2 Kognitive Entwicklung des Kindes
3.2.1 Wahrnehmung
3.2.2 Egozentrismus
3.2.3 Aufmerksamkeit
3.2.4 Lernen und Denken
3.3 Motorische Entwicklung
3.4 Soziale Entwicklung
3.5 Motivationale Entwicklung mit Fokus auf Neugier
3.5.1 Neugiermotivation
3.5.2 Interesse
3.6 Computererfahrungen bei Kindern
3.6.1 Verhaltensweisen der Kinder am Computer
3.6.2 Übersicht der spezifischen Verhaltensweisen
3.7 Gestaltungsempfehlungen für Kinder

4 Stimulation
4.1 Stimulation und Neugier
4.2 Erregen von Aufmerksamkeit
4.3 Arten der Neugier
4.4 Stimulationsfaktoren
4.5 Zusammenfassung der Stimulationsfaktoren

5 Stimulation auf Websites
5.1 Beispiele
5.1.1 Ungewissheit des Szenenausgangs
5.1.2 Interaktives Storytelling
5.1.3 Freies Explorieren
5.1.4 Website abhängig von Tageszeiten
5.2 Analyse der „Seite der Maus“
5.3 Stimulationspotential der „Seite der Maus“

6 „Praktischer Teil“ - Konzept
6.1 Personas
6.2 Erlebnisideen
6.2.1 Adaptive Lichtverhältnisse
6.2.2 Magische Brille
6.2.3 Versteckte Elemente
6.2.4 Maustanz
6.2.5 Navigationsglücksrad
6.2.6 Die Maus ist krank
6.2.7 Humorvolle Einspieler
6.2.8 Glückliches Zusammentreffen
6.2.9 Die Maus-Redaktion im Chat treffen
6.2.10 Schon gewusst/ Shaun! Gewusst?
6.2.11 Kreativwerkstatt
6.2.12 Schieberegler
6.2.13 Wetterabhängig
6.2.14 Magische Brille Nr.2
6.2.15 Leinwand -globales Objekt
6.2.16 Zeitreise
6.2.17 Versteckspiel
6.3 Experience-Szenarien
6.3.1 Noa entdeckt die „Seite der Maus“ im Dunkeln
6.4.2 Noa wird vom Navigationsglücksrad und dem Maulwurf verzaubert
6.4.3 Noa reist in die Steinzeit
6.4.4 Minna erfreut sich am Regenwetter und kuriosen Verhalten der Maus
6.4.5 Noas Wissensdrang
6.4.6 Versteckspiel mit Minna, der Maus, dem Elefanten und der Ente
6.4.7 Noa im Fußballrausch

7 Fazit

8 Literaturverzeichnis

KURZFASSUNG

Bedürfnisse spielen laut dem Ansatz von Hassenzahl (2010a) für das erlebnisorientierte Gestalten von Interaktionen eine fundamentale Rolle. So wird einem Produkt eine besondere Bedeutung zugeschrieben, sobald Bedürfnisse während der Nutzung des Produkts gestillt werden können. Der technischen Umsetzung wird im Allgemeinen eine periphere Bedeutung zugemessen. Vielmehr wird der Fokus auf das Wahrnehmen und das Erleben mit dem Produkt gelegt.

Die vorliegende Arbeit beinhaltet ein erlebnisorientiertes Konzept für die „Seite der Maus“, dem die Entwicklungspsychologie von Kindern und das Bedürfnis Stimulation zugrunde liegen. Zur Zielgruppe der Sendung mit der Maus auf Websites gehören sechs- bis 13-jährige Kinder. Es werden Stimulationsfaktoren zugrunde gelegt, die für die Gestaltung eines Nutzererlebens signifikant sein können. Im praktischen Teil werden die erstellten Erlebnisideen auf ihren Stimulationsgrad untersucht und anschließend in Experience-Szenarien wiedergegeben.

Gesamtheitlich betrachtet kann festgestellt werden, dass sich basierend auf diesen Grundlagen viele Erlebnisideen auf der „Seite der Maus“ aufzeigen lassen. Auch der erlebnisorientierte Ansatz bei der Gestaltung von Website-Konzepten mit Kindern kann als gelungen eingestuft werden. In einem weiteren Schritt könnten Tests und Evaluationen bezüglich der Ideen durchgeführt werden, um aufschlussreiches Feedback der zukünftigen Nutzer zu erlangen.

Schlagwörter: User Experience, Bedürfnis Stimulation, Entwicklungspsychologie, Stimulationsfaktoren, Kinder, „Seite der Maus“

ABSTRACT

According to Hassenzahl (2010a), there is a fundamental meaning of needs when talking about experience-oriented design. As soon as the usage is taking care of a certain need, the specific personal meaning of the product rises immediately. In contrast to that, there seems to be only a weak importance of the technical implementation. The clear focus is on discerning and experiencing the product itself.

The thesis deals with an experience-oriented conception for the website of the mouse („Die Seite der Maus“).The page is designed with regard to children's development-psychology-theories and focuses on the need „stimulation“. The main target group of the mouse's website („Seite der Maus“) is formed by children between the ages of 6 and 13. There are factors of stimulation being used as a basement that might have a significant influence on the user experience design. In the practical part of the thesis, the built-up experience-ideas are tested with regard to their level of stimulation and afterwards reconstructed through experience-scenarios.

Holistically regarded, the thesis comes to the conclusion that a lot of the discussed ideas are integrated in the mouse's website. Even the experience-oriented approach within the design of the website can be described as well-implemented. In case of an ongoing study there would be the possibility of testing and evaluating the idea. This would lead to a valuable feedback of the future- users of the page.

Keywords: User experience, need „stimulation“, developmental psychology, factors of stimulation, children, „Seite der Maus“

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 1: Das User-Experience-Modell - bestehend aus drei Ebenen (modifiziert nach Hassenzahl, 2010)

Abbildung 2: Die hierarchische Bedürfnispyramide nach Maslow (modifiziert nach Galliker in Anlehnung an Maslow)

Abbildung 3: „Kikaninchen“ in harmonischen Farben. Screenshot von „Kikaninchen“. Zugriff am 13.02.2012 unter http://www.kikaninchen.de/kikaninchen/index.html

Abbildung 4: Farbige Website am Beispiel von „Poissonrouge“. Screenshot von „poissonrouge“. Zugriff am 13.02.2012 unter http://www.poissonrouge.com/

Abbildung 5: Visuelle Orientierungsmöglichkeit am Beispiel der „Kikaninchen-Website“. Screenshot von „kikaninchen“. Zugriff am 20.02.2012 unter http://www.kikaninchen.de

Abbildung 6: Pfeile - zum schnelleren Vorwärts- und Rückwärts-Navigieren. Screenshot von „Peppa Pig“. Zugriff am 20.02.2012 unter http://www.peppapig.com/

Abbildung 7: „Peppa Pig“ zeigt eine visuelle Navigation. Nach einem Rollover wird ein zusätzlicher Text eingeblendet. Screenshot von „Peppa Pig“. Zugriff am 28.01.2012 unter http://www.peppapig.com/

Abbildung 8: „Zambo“ wendet sich gezielt an Kinder, die bereits lesen können. Screenshot von „Zambo“. Zugriff am 28.01.2012 unter http://www.zambo.ch/

Abbildung 9: Ein zu kleiner sensitiver Klick-Button. Screenshot von „Roary“. Zugriff am 13.01.2012 unter http://www.roarytheracingcar.com/index_de.html

Abbildung 10: Inkongruente Bilder von Tieren und Vögeln (Berlyne, 1957, S. 205)

Abbildung 11: Ein inkongruentes Tier, vergrößert dargestellt (Berlyne, 1958; nach Schönpflug 1997)

Abbildung 12: Eine Serie von Figuren zeigt ein Beispiel der Komplexität (Berlyne, 1957, S. 205)

Abbildung 13: Abstrakte Formen benötigen eine längere Interpretation (Berlyne, 1957, S. 134)

Abbildung 14: Ein Bild von Picasso löst einen Konflikt aus (Berlyne, 1958; nach Schönpflug, 1997, S. 106)

Abbildung 15: Innovative Interaktionsform der Wrangler-Website. Screenshot von „Wranger“. Zugriff am 10.03.2012 unter http://www.wrangler-europe.com

Abbildung 16: Website in Form eines animierten Kinderbuches. Screenshot von „Bla Bla“. Zugriff am 27.12.2011 unter http://blabla.nfb.ca/

Abbildung 17: Website mit stark explorierendem Charakter. Screenshot vom „Residenztheater München“. Zugriff am 27.12.2011 unter http://www.residenztheater.de/tamtam/

Abbildung 18: Bilder passen sich den realen Lichtverhältnissen an. Screenshot von der „Hochschule der Medien“. Zugriff am 29.12.2011 unter http://www.hdm-stuttgart.de/

Abbildung 19: Die Startseite der „Sendung mit der Maus“ präsentiert sich in einem farbigen Stil, das Pendant dazu sind textlastigere Unterseiten. Screenshot von der „Seite der Maus“ Zugriff am 06.01.2012 unter http://www.wdrmaus.de/

Abbildung 20: Generische Navigation im Seitenfuß. Screenshot von der „Seite der Maus“. Zugriff am 17.01.2012 unter http://www.wdrmaus.de/

Abbildung 21: Navigationspfad außerhalb des zentralen Blickfelds. Screenshot von der „Seite der Maus“. Zugriff am 09.01.2012 unter http://www.wdrmaus.de/

Abbildung 22: Die Metapher Tür ermöglicht einen Zugang zu weiteren Unterseiten. Screenshot von der „Seite der Maus“ Zugriff am 15.01.2012 unter http://www.wdrmaus.de/...

Abbildung 23: Horizontale Hauptnavigation mit Unterkategorien. Screenshot von der „Seite der Maus“ Zugriff am 06.01.2012 unter http://www.wdrmaus.de/

Abbildung 24: Wasserhahn in Kaktus. Screenshot von der „Seite der Maus“. Zugriff am 06.01.2012 unter http://www.wdrmaus.de/

Abbildung 25: Fotos zwischen illustrativen Objekten. Screenshot von der „Seite der Maus“. Zugriff am 06.01.2012 unter http://www.wdrmaus.de/

Abbildung 26: Fotos in Kombination mit Illustrationen. Screenshot von der „Seite der Maus“. Zugriff am 06.01.2012 unter http://www.wdrmaus.de/

Abbildung 27: Maus, Elefant und Ente bei guter Laune. Screenshot von der „Seite der Maus“. Zugriff am 06.01.2012 unter http://www.wdrmaus.de

Abbildung 28: Maus, Elefant und Ente auf Sendung. Screenshot von der „Seite der Maus“. Zugriff am 06.01.2012 unter http://www.wdrmaus.de

Abbildung 29: Minna, 7 Jahre alt. Zugriff am 05.03.2012 unter http://www.decostic.de/Shop/ images/AA_Artikel/490044.jpg

Abbildung 30: Noa, 11 Jahre alt. Zugriff am 12.02.2012 unter http://www.istockphoto.com/ ...

Abbildung 31: Ideenumsetzung „Adaptive Lichtverhältnisse“ (eigene Zeichnung in Anlehnung an die „Seite der Maus“)

Abbildung 32: Ideenumsetzung „Magische Brille“ (eigene Zeichnung in Anlehnung an die „Seite der Maus“)

Abbildung 33: Ideenumsetzung „Versteckte Elemente“ (eigene Zeichnung in Anlehnung an die „Seite der Maus“)

Abbildung 34: Ideenumsetzung „Maustanz“ (eigene Zeichnung in Anlehnung an die „Seite der Maus“)

Abbildung 35: Möglichkeiten der Ideenumsetzung „Navigationsglücksrad“ (eigene Zeichnung in Anlehnung an die „Seite der Maus“)

Abbildung 36: Ideenumsetzung „Die Maus ist krank“ (eigene Zeichnung in Anlehnung an die „Seite der Maus“)

Abbildung 36: Ideenumsetzung „Humorvolle Einspieler“ (eigene Zeichnung in Anlehnung an die „Seite der Maus“)

Abbildung 37: Ideenumsetzung „Glückliches Zusammentreffen“ (eigene Zeichnung in Anlehnung an die „Seite der Maus“)

Abbildung 38: Ideenumsetzung „Maus-Redaktion im Chat treffen“ (eigene Zeichnung in Anlehnung an die „Seite der Maus“)

Abbildung 39: Ideenumsetzung „Schon gewusst? Shaun! Gewusst?“ (eigene Zeichnung in Anlehnung an die „Seite der Maus“)

Abbildung 40: Ideenumsetzung „Kreativwerkstatt“ (eigene Zeichnung in Anlehnung an die „Seite der Maus“)

Abbildung 41: Ideenumsetzung „Schieberegler“ (eigene Zeichnung in Anlehnung an die „Seite der Maus“)

Abbildung 42: Ideenumsetzung „Wetterabhängig“ am Beispiel „es regnet“ (eigene Zeichnung in Anlehnung an die „Seite der Maus“)

Abbildung 43: Blick durch die Brille - Ideenumsetzung (eigene Zeichnung in Anlehnung an die „Seite der Maus“)

Abbildung 44: Ideenumsetzung „Leinwand - globales Objekt“ (eigene Zeichnung in Anlehnung an die „Seite der Maus“)

Abbildung 45: Ideenumsetzung „Leinwand - globales Objekt“, Maus schaut zu (eigene Zeichnung in Anlehnung an die „Seite der Maus“)

Abbildung 46: Ideenumsetzung „Zeitreise“ am Beispiel der Barockzeit (eigene Zeichnung in Anlehnung an die „Seite der Maus“)

Abbildung 47: Ideenumsetzung „Versteckspiel“ am Beispiel der Maus (eigene Zeichnung in Anlehnung an die „Seite der Maus“)

Abbildung 48: Szenario 1 - Noa entdeckt die „Seite der Maus“ im Dunkeln (eigene Zeichnung in Anlehnung an die „Seite der Maus“)

Abbildung 49: Szenario 2 - Noa wird vom Navigationsglücksrad und dem Maulwurf verzaubert (eigene Zeichnung in Anlehnung an die „Seite der Maus“)

Abbildung 50: Szenario 3 - Noa reist in die Steinzeit (eigene Zeichnung in Anlehnung an die „Seite der Maus“)

Abbildung 51: Szenario 4 - Minna erfreut sich am Regenwetter und kuriosen Verhalten der Maus (eigene Zeichnung in Anlehnung an die „Seite der Maus“)

Abbildung 52: Szenario 5 - Noas Wissensdrang (eigene Zeichnung in Anlehnung an die „Seite der Maus“)

Abbildung 53: Szeanario 6 - Versteckspiel mit Minna, der Maus, dem Elefanten und der Ente (eigene Zeichnung in Anlehnung an die „Seite der Maus“)

Abbildung 54: Szenario 7 - Noa im Fußballrausch (eigene Zeichnung in Anlehnung an die „Seite der Maus“)

TABELLENVERZEICHNIS

Tabelle 1 : Nutzungsverhalten der unterschiedlichen Altersstufen (in Anlehnung an die Elements of Art-Studie 2009, 2011)

Tabelle 2: Stimulationsfaktoren (in Anlehnung an Berlyne, 1974, Malone, 1981)

Tabelle 3: Claim Analysis - Szenario 1

Tabelle 4: Claim Analysis - Szenario 2

Tabelle 5: Claim Analysis - Szenario 3

Tabelle 6: Claim Analysis - Szenario 4

Tabelle 7: Claim Analysis - Szenario 5

Tabelle 8: Claim Analysis - Szenario 6

Tabelle 9: Claim Analysis - Szenario 7

1 EINLEITUNG

1.1 Hintergrund und Zielsetzung

Die Bedeutung der User Experience hat in den letzten Jahren beständig zugenommen. Zu diesem Urteil kommen eine Vielzahl von Autoren (vgl. z.B. Norman, 2002, Hassenzahl 2010a). Das positive Nutzungserlebnis (im Allgemeinen als „User Experience“ bezeichnet) spielt dabei eine tragende Rolle. Es wird nicht nur das effiziente Erreichen von Nutzerzielen fokussiert, sondern vielmehr die Freude, die während der Nutzung mit einem Produkt entsteht. Somit ist das Ziel bei der User Experience nicht nur das Vermeiden von negativen Gefühlen und komplexen Bedienstrukturen, sondern das positiv subjektive Erleben während der Nutzung in der Produktnutzung. Erstrebenswert ist daher ein Erlebnis, das Spaß und Freude effektiert, sowie den Nutzer unterhält. Sobald der Schwerpunkt auf das Gestalten „ästhetisch“ funktionierender Produkte gelegt wird, macht es nicht nur Freude sondern Spaß, das Produkt zu nutzen. Gleichzeitig wird der Nutzer in seiner Nutzung aber auch gestärkt; er wird darüber hinaus sogar motiviert. „True beauty in a product has to be more than skin deep, more than a facade. To be truly beautiful, wondrous, and pleasurable, the product has to fulfill a useful function, work well, and be usable and understandable“ (Norman, 2002).

Produkte, die zusätzlich noch neuartig, interessant und überraschend gestaltet sind, erregen beim Nutzer eine erhöhte Aufmerksamkeit und können sogar laut Hassenzahl (2003b) anregend und stimulierend wirken. Da Menschen ein Grundbedürfnis nach Stimulation besitzen, ist es wichtig, dieses Bedürfnis gezielt zu befriedigen. Das Bedürfnis Stimulation wird in dieser Arbeit primär behandelt.

Bei der Gestaltung auf der Grundlage eines erlebnisorientierten Ansatzes wird der Nutzer mit seinen Interessen und seinen Bedürfnissen in den Vordergrund gestellt. Ein Nutzer verbindet ein positives Erleben mit einem Produkt, weil seine Bedürfnisse während des Nutzungserlebnisses gestillt werden können. Darauf aufbauend lassen sich im User-Experience-Modell von Hassenzahl (2010) drei Ebenen unterscheiden, die bei der Gestaltung von interaktiven Produkten eine essentielle Rolle spielen: „Warum“, „Was“, und „Wie“. Die wichtigste Ebene ist hierbei das „Warum“. Das „Warum“ hinterfragt die Gründe in der Nutzung eines Produkts und orientiert sich dabei an den Bedürfnissen des Nutzers. So kann sichergestellt werden, dass der Nutzer durch die Interaktion mit einem Produkt ein positives Erlebnis erfahren kann. Die anderen Ebenen müssen sich nach Hassenzahl (2010) an dem „Warum“ orientieren. Auf dem beschriebenen Modell, dem bei der Gestaltung von Erlebnissen eine zentrale Bedeutung zukommt, basiert die vorliegende Arbeit.

An sich ist eine Gestaltung interaktiver Produkte nichts Neues. Neu ist der Ansatz einer erlebnisorientierten Vorgehensweise, der auf dem User-Experience-Modell von Hassenzahl (2010) beruht. Der Fokus liegt dabei in der Gestaltung und Optimierung eines Erlebnisses. Vordergründig sind die Bedürfnisse - von denen ausgehend Produkte erlebnisorientiert gestaltet werden. Technische Berücksichtigungen erfolgen erst im zweiten Schritt. In dieser Arbeit wird basierend auf den theoretischen Grundlagen der Entwicklungspsychologie von Kindern und dem Bedürfnis Stimulation ein Konzept erstellt, welches Ideen zur Steigerung der User Experience am Beispiel der „Seite der Maus“ aufzeigt. Die Zielgruppe bilden sechs- bis 13-jährige Kinder. Als Ausgangspunkt dienen erar- beitete Stimulationsfaktoren, die für die Gestaltung eines Erlebnisses essentiell sein können. Jede entstandene Idee unterzieht sich einer eigenen Bewertung des Stimulationsgrads. Abschließend werden Experience-Szenarien geschaffen, die das Ergebnis der Ideen in Form kleiner Geschichten aus Sicht der Kinder wiedergeben.

Das Ziel dieser Arbeit ist es, zu überprüfen, inwiefern sich ein erlebnisorientierter Ansatz bei der Gestaltung von Websites-Konzepten1 mit Kindern anwenden lässt. Zudem werden Ideen entwickelt, wie auf der „Seite der Maus“ Stimulationsfaktoren eingebaut werden können. Alle Ideen sind für die „Seite der Maus“ konzipiert, jedoch unterliegen sie keinen gestalterischen Vorgaben, da die „Seite der Maus“ in Kürze einem Relaunch unterzogen wird.

1.2 Aufbau und Vorgehensweise

Die vorliegende Arbeit ist unterteilt in sieben Kapitel. Als Ausgangspunkt dient eine eingehende Untersuchung des Begriffs User Experience bei interaktiven Produkten, wobei der Zusammenhang zwischen Nutzungserlebnis (User Experience) und dem Bedürfnis Stimulation hergestellt wird.

Da für die Gestaltung von Websites für Kinder vor allem deren Vorlieben, Abneigungen und Bedürfnisse berücksichtigt werden, widmet sich das dritte Kapitel der Entwicklungspsychologie von Kindern. Es folgt eine eingehende Zielgruppenanalyse der sechs- bis 13-jährigen Kinder - der Zielgruppe der „Sendung mit der Maus“ auf Websites. Im Anschluss daran folgt eine Zusammenfassung der wichtigsten Verhaltensweisen der Kinder im Umgang mit dem Computer und Websites.

Im Mittelpunkt des vierten Kapitels steht das Bedürfnis Stimulation. Nach einer Einführung in das Thema der Neugier und der Aufmerksamkeit folgen Theorien, die Stimulationsfaktoren aufzeigen.

Im fünften Kapitel werden die aus der Theorie gewonnenen Erkenntnisse auf Websites untersucht und auch die „Seite der Maus“ wird einer Bewertung ihres Stimulationspotentials unterzogen.

Basierend auf diesen Grundlagen findet sich im praktischen Teil ein Konzept für die „Seite der Maus“. Zuletzt werden die Ideen in Experience-Szenarien visuell und in Form kleiner Geschichten erlebnisnah wiedergegeben.

Kapitel sieben zieht ein anschließendes Fazit und zeigt weitere Vorgehensweisen auf.

Eine Website ist ein zusammenhängender Internetauftritt, der aus einzelnen Webseiten besteht.

2 „THEORETISCHER TEIL“ USER EXPERIENCE

In diesem Kapitel werden alle im Rahmen dieser Arbeit relevanten Eigenschaften der User Experience beschrieben. Zunächst erfolgt eine kurze Erklärung der User Experience. In einem separaten Abschnitt werden die Eigenschaften speziell der User Experience und der Usability differenziert, wobei der Fokus auf Websites liegt. Der letzte Abschnitt stellt verschiedene Theorien der Grundbedürfnisse vor und erläutert die Rolle des Bedürfnisses Stimulation im Zusammenhang der User Experience.

2.1 Definition User Experience

Nach Meinung von Hassenzahl (2008) wird User Experience als „a momentary, primarily evaluative feeling (good-bad) while interacting with a product or service“ verstanden. Dieses eindeutige Gefühl, welches während der Interaktion vom Benutzer wahrgenommen und bewertet wird, baut auf einer subjektiven Wahrnehmung auf. Dabei können sowohl positive als auch negative Erlebnisse den Erfolg eines Produkts beeinflußen. Laut Hassenzahl (2008) ist aber vor allem ein freudvolles und positives Nutzungserlebnis von zentraler Bedeutung.

Stapelkamp (2010, S. 289) definiert User Experience folgendermaßen: „Bei der User Experience (UX) geht es nicht nur um eine effiziente Nutzung von Applikationen, sondern darum, wie ein Anwender die Auseinandersetzung mit der Applikation erlebt.“ Auch Overbeeke (2004) greift den Aspekt des Erlebnisses stärker heraus: „Users are not interested in products; they are in search of challenging experiences. Therefore the designer needs to create a context for experience, rather than just a product.“

Trotz wachsender Bedeutung fallen Definitionen und Erklärungsversuche unterschiedlich aus. User Experience beruht verstärkt auf dem emotionalen Erleben (Hassenzahl 2010a). Ein Nutzer, der sich an der Interaktion mit einem Produkt erfreut und währenddessen ein positives Erleben erfährt, liegt einem erhöhtem Nutzungserlebnis zugrunde. Die Ursache hierfür liegt in der Erfüllung menschlicher Grundbedürfnisse. Laut Hassenzahl (2008) ist das Ziel bei der Gestaltung von Benutzungsoberflächen, ein möglichst positives Erlebnis zu erzeugen. Hassenzahl (2011) bezieht sich dabei allerdings nicht nur auf interaktive Produkte, sondern beschreibt, dass ein Erlebnis nicht nur von der Technik des Produkts abhängt: „Experience or User Experience is not about good industrial design, multitouch or fancy interfaces. It is about transcending the material. It is about creating an experience through a device.“

Eine weitere Beschreibung der User Experience findet sich in der DIN ISO 9241-210 wieder. Hier wird User Experience als „a person's perceptions and responses that result from the use or anticipated use of a product, system or service“ definiert (ISO FDIS 9241-210, 2010). Da es bislang keine Übersetzung des Begriffs ins Deutsche gibt (z.B. als ,Benutzungserlebnis'), bleibt der englische Begriff „User Experience“ im Rahmen dieser Arbeit bestehen. Im nächsten Abschnitt werden die Unterschiede und Abhängigkeiten von User Experience und Usability beschrieben, da eine Abgrenzung dieser beiden Begriffe wichtig ist.

2.2 User Experience und Usability

Der Begriff Usability entstammt der DIN EN ISO 9241-11 (1996) und beschreibt diese als „Das Ausmaß, in dem ein Produkt durch bestimmte Benutzer in einem bestimmten Nutzungskontext genutzt werden kann, um bestimmte Ziele effektiv, effizient und mit Zufriedenheit zu erreichen.“ Usability hat den Anspruch, dass ein Nutzer seine Ziele möglichst effektiv und effizient erreicht, während User Experience einen Fokus auf das Erlebnis und die damit verbundene Freude legt. Norman (2002) vertritt dabei die Position, dass ein Produkt sowohl eine gute Usability als auch eine erhöhte User Experience aufweisen sollte: „To be truly beautiful, wondrous, and pleasurable, the product has to fulfill a useful function, work well, and be usable and understandable.“

Die Trennung der Begriffe Usability und User Experience kann nach Hassenzahl et al. (2002; 2003a; 2003c) mittels zwei verschiedener Wahrnehmungsqualitäten erfolgen, den pragmatischen und den hedonischen Qualitäten. Usability unterstützt hierbei pragmatische Qualitäten. Zeichnet sich ein Produkt durch eine hohe pragmatische Qualität aus, hat das Produkt eine hohe Usability und lässt sich somit leicht bedienen. Typische pragmatische Attribute, die einem benutzerfreundlichem Produkt zugeschrieben werden können, sind: unterstützend, nützlich und kontrollierbar.

User Experience hingegen impliziert hedonische Qualitäten, die auf menschlichen Bedürfnissen beruhen und den emotionalen Aspekt des Nutzungserlebnisses vordergründig berücksichtigen. Hierbei soll die Bedienung eines interaktiven Produkts nicht nur benutzerfreundlich und einfach zu bedienen sein, sondern darüber hinaus auch Spaß machen. Hedonische Attribute eines Produktes, die ein Nutzerungserlebnis hervorrufen, sind zum Beispiel: neuartig, aufregend und interessant oder auch exklusiv, innovativ und eindrucksvoll (Hassenzahl, Kekez & Burmester, 2002). Die Aussage der emotionalen Komponente vertritt vor allem Norman (2004, p.8), der insbesondere für mehr Spaß und Spannung bei der Nutzung von Produkten plädiert: „Sure, utility and usability are important, but without fun and pleasure, joy and excitement, and yes, anxiety and anger, fear and rage, our lives would be incomplete“ (...). Zur Steigerung des Lebensgefühls sollten Produkte zwar gebrauchstauglich sein, aber genauso gut eine wirksame Balance zwischen Usability und Ästhetik ermöglichen. Gleichzeitig argumentiert Norman (2002), dass User Experience mehr als nur die Erfüllung ergonomischer Bedingungen ist. „The products must be affordable, functional, and pleasurable. And above all a pleasure to own, a pleasure to use. After all, attractive things work better“, so Norman. Derartige Standpunkte sind auch von anderen aufgegriffen worden, z.B. von Jordan, der den Begriff „pleasurable“ im Zusammenhang mit User Experience prägt. Sein Buch aus dem Jahr 2002 trägt den Namen „Designing pleasurable products“.

Hassenzahl (2006) beruft sich bei pragmatischen Attributen eines Produkts auf das Bedürfnis der „Manipulation der Umwelt“. Jedoch ist das Manipulieren der Umwelt nicht das einzige Bedürfnis, das Menschen mit einem Produkt assoziieren. Sie wollen nicht nur ein Produkt, um ihre Umwelt damit zu manipulieren, sondern streben auch nach „Stimulation“, das heißt nach Veränderung, Neuartigkeit und Herausforderung, so Hassenzahl (2003b). „Stimulation“, „Identität kommunizieren“ und „Symbolisieren“ sind nach Auffassung von Hassenzahl Bedürfnisse der hedonischen Wahrnehmung. Da der Fokus dieser Arbeit aber auf dem Bedürfnis der Stimulation und den dahinterliegenden Motiven liegt, werden die anderen Bedürfnisse nicht weiter erläutert.

2.3 User Experience und Grundbedürfnisse

User Experience und menschliche Grundbedürfnisse stehen im direkten Zusammenhang. Eine erhöhte User Experience bedarf der Erfüllung von Grundbedürfnissen durch die Interaktion des Produkts. Ein Produkt, das aufgrund der Interaktion ein Gefühl von beispielsweise „being stimulated“, „being competent“ oder „being admired“ vermitteln kann, ist für die Qualität der wahrgenommen User Experience entscheidend (Hassenzahl 2010a, p. 13). Fühlt sich ein Nutzer durch die Interaktion mit einem Produkt stimuliert, nimmt er das Produkt positiv wahr. Ist das Produkt allerdings weitestgehend erforscht und der Nutzer entdeckt keine weiteren Elemente mehr, die ihn stimulieren, so kann das Bedürfnis Stimulation in diesem Fall nicht mehr erfüllt werden. Der Nutzer könnte sich aufgrund dessen langweilen. Das Resultat ist ein Gefühl von Frustration, das sich beim Nutzer einstellt, und ein negatives Gefühl könnte entstehen. Erst durch die Erfüllung der Bedürfnisse können positive Erlebnisse erzeugt werden. Frustrationen von Grundbedürfnissen implizieren negative Gefühle (Burmester, Jäger, Mast, Peissner & Sproll, 2010).

Hassenzahl (2010a) betont weiterhin, dass die Bedürfnisse des Nutzers bei der Gestaltung von Erlebnissen eine primäre Rolle spielen. In seinem User-Experience-Modell, das aufzeigt, wie Nutzer mit einem Produkt interagieren, unterscheidet er drei Ebenen, „Warum“, „Was“ und „Wie“. Diese sind in der Abbildung 1 dargestellt. Das „Was“ bezieht sich auf eine Interaktion beziehungsweise Handlung, wie beispielsweise „einen Anruf tätigen“. Das „Wie“ beschreibt die genaue Operation der Benutzung, auf das Beispiel bezogen mittels Drehscheibe oder Nummernblock. Der eigentlich Fokus liegt aber auf dem „Warum“. Das „Warum“ leitet sich aus den menschlichen Grundbedürfnissen des Nutzers ab. Erst wenn durch einen Anruf das Bedürfnis nach Verbundenheit gestillt werden konnte, wird dem Produkt (in diesem Fall das Telefon) eine besondere Bedeutung zugeschrieben. Der Anruf wird zu einem Erlebnis, weil das Bedürfnis nach Verbundenheit gestillt werden konnte. Das Modell von Hassenzahl (2010a) wird im Rahmen dieser Arbeit Verwendung finden und dient als Orientierung zur Gestaltung von Erlebnissen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Das User-Experience-Modell - bestehend aus drei Ebenen (modifiziert nach Hassenzahl, 2010).

Jedes Grundbedürfnis beinhaltet Motive, nach denen Menschen streben, um das jeweilige Bedürfnis zu stillen. Dazu liefern Autoren verschiedener Quellen Erklärungen. Maslow (1973, S. 38; zitiert nach Keller, 1981, S. 310), der Begründer des bekanntesten Motivationsmodell beschreibt dies mit dem Satz: „Ich bin motiviert, wenn ich ein Verlangen oder ein Bedürfnis oder eine Sehnsucht oder einen Wunsch oder einen Mangel verspüre“. Maslow erstellte im Zuge dessen ein Modell, das auf fünf grundlegenden Bedürfnisstufen aufbaut. Wie aus der Abbildung 2 ersichtlich ist, ordnete er die Bedürfnisse hierarchisch in einem Pyramidenmodell an. Er unterschied zwischen physiologischen Bedürfnissen, Sicherheitsbedürfnissen, Bindungsbedürfnissen, Selbstachtungsbedürfnissen sowie Selbstverwirklichungs- bzw. Wachstumsbedürfnissen. Erst durch die Befriedigung der Bedürfnisse auf den unteren Stufen, können die Bedürfnisse der höher liegenden Stufen zum Tragen kommen. So strebt der Mensch beispielsweise erst nach Sicherheit, wenn seine pysiologischen Bedürfnisse, wie Nahrung, Schlaf oder Atmen erfüllt sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Die hierarchische Bedürfnispyramide nach Maslow (modifiziert nach Galliker in Anlehnung an Maslow).

Bedürfnisse sind physische und psychische Mangelzustände des Menschen. Besteht ein Bedürfnis, setzt der Mensch sich durch zielgerichtetes Verhalten ein, diesem Mangel Abhilfe zu schaffen. Der Wunsch einen Mangel auszugleichen wird in der Literatur auch Motivation genannt (Edelmann, 2000, S. 243 f.; Schönpflug, 1997, S. 381 ff.) Graumann (1969, S. 1; zitiert nach Keller, 1981, S. 22) äußert sich in diesem Zusammenhang folglich: „Motivation ist dasjenige in und um uns, was uns dazu bringt, treibt, bewegt, uns so und nicht anders zu verhalten.“ Motivation zeichnet sich allgemein durch zielgebundenes Streben, Wollen, Wünschen, Hoffen etc. aus (Rheinberg, 2002).

Es gibt noch einige weitere Autoren, die sich mit Bedürfnissen befasst haben und eigene Modelle vorlegten, beispielsweise Steven Reiss (1998, 2000). Er ordnete seine Bedürfnisse nicht hierarchisch an wie Maslow, sondern erstellte einen Bedürfniskatalog bestehend aus 16 Lebensmotiven. Jedes Bedürfnis wird durch eine Motivation angetrieben. Darunter fallen zum Beispiel: Macht, der Wunsch, andere zu beeinflussen - Unabhängigkeit, der Wunsch nach Eigenständigkeit - Anerkennung, der Wunsch nach Aufnahme - Ordnung, der Wunsch nach Organisation oder - Neugier, der Wunsch nach Wissen (vgl. zum Folgenden Reiss 1998, 2000). So schreibt Reiss (2000, p. 42) weiterhin über die Neugier: „Curiosity, which is the desire to learn for learning's own sake, is one of the great joys in life. It prods animals both to explore environments and to learn from experience“.

Sheldon, Elliot & Kim (2001) hingegen untersuchten in ihren Studien verschiedene Bedürfnisse, um herauszufinden, welche Bedürfnisse für Menschen bedeutend sind. Dabei entstand eine Liste mit zehn Bedürfnissen, diese sind: Autonomie, Kompetenz, Verbundenheit, Stimulation, Gesundheit und Fitness, Sicherheit, Popularität und Einfluss sowie Selbstwert, Geld und Luxus. In neueren Untersuchungen von Hassenzahl, Diefenbach und Göritz (2010b) zeigte sich, dass Stimulation, Verbundenheit, Kompetenz und Popularität die wichtigsten Bedürfnisse sind, die bei interaktiven Produkten eine Rolle spielen.

Auch Gaver und Martin (2000) entwickelten Alternativkonzepte, die auf Bedürfnissen basieren. Einer ihrer fünf Werte heißt Abwechslung. Es zeigt sich, dass Abwechslung für etwas Neues plädiert und versucht Altbekanntes hinter sich zu lassen. Menschen verspüren überdies ein gutes Gefühl, wenn sie ihre gewohnte Umgebung auf neue überraschende Weise erleben können und sich dabei ihren gewohnten Verhaltensmustern entziehen können. Zudem lassen Menschen sich auch gerne ablenken, wenn die Chance besteht, Neues zu entdecken. Gaver und Martin versuchten in ihren Konzepten, die Technik so einzusetzen, dass die Menschen überrascht werden.

2.3.1 Bedürfnis Stimulation und User Experience

Wie die vorgestellten Modelle verdeutlichen, wird jede ausübende Aktivität durch eine Motivation angetrieben. Ein Produkt, welches sich dem Streben nach der Erfüllung von Bedürfnissen sich als Ziel setzt, kann beim Nutzer ein positives Nutzungserlebnis ermöglichen und somit eine erhöhte User Experience. Da das Bedürfnis Stimulation für die vorliegende Studie von entscheidender Bedeutung ist, folgen nun dessen Motivationen. Das Bedürfnis Stimulation, auch Pleasure genannt, hat nach Sheldon et al. (2001) folgende Bedeutung:

Pleasure-Stimulation Feeling that you get plenty of enjoyment and pleasure rather than feeling bored and understimulated by life

Hassenzahl (2003b, S. 28) hingegen betrachtet Stimulation noch differenzierter und postuliert, Menschen suchen Stimulation, d.h. Neuartigkeit, Veränderung und Herausforderung. Menschen haben auch das Bedürfnis nach persönlichem Wachstum und bemühen sich daher, ihre eigenen Kenntnisse und Fertigkeiten zu verbessern. Überdies ermöglicht Stimulation, der Neugier verstärkt nachzugehen, um sich u.a. Wissen anzueignen. Hassenzahl (2010a, p. 24) bekräftigt, Stimulation steht für: „the ability of a product to surprise, to foster curiosity and to provide opportunities for the perfection of knowledge and skills (hedonic)“. Bei seinen Erkenntnissen bezieht Hassenzahl sich sowohl auf Sheldon et al. (2001) als auch auf Reiss (1998, 2000). Als Motivation für das Bedürfnis Stimulation nennt er (2010a, 2010b) folgende:

Stimulation seinen Wissensdurst stillen, seine Neugier befriedigen, Neues kennenler nen und ausprobieren wollen, auf Entdeckungsreise gehen

2.3.2 Stimulation und Zeitfaktor

Ein Puzzle ist ein passendes Beispiel für das Bedürfnis Stimulation und die entsprechenden Motive. Ein Puzzle regt das Denken an und der Nutzer wartet gespannt darauf, wie sich einzelne Teile zu einem Ganzen ergeben (Hassenzahl, 2006). Doch kann sich mit der Dauer der Benutzung des Produkts auch der Grad der Stimulation ändern: Je länger ein Produkt genutzt wird, desto weniger stimulierend wird es wahrgenommen. Hassenzahl konnte dies anhand einer Studie mit Mobiltelefonen belegen. In seinen Untersuchungen stellte er fest, dass Mobiltelefone anfangs faszinierend und auf eine Art fesselnd zugleich sind: „In the beginning, a mobile phone is stimulating, beautiful, something to be proud of [...] (Hassenzahl, 2010a, p. 26 ). Mit der Zeit legt sich jedoch die Faszination, da das Handy weitestgehend erprobt ist und keine neuen Erfahrungen mehr mit dem Handy gemacht werden können. Hassenzahl (2010a) postuliert: „Over time, it becomes easier to master, but loses it fascination“. Berlyne (1950; zitiert nach Inzard, 1994, S. 228 ff.) unterstreicht Hassen- zahls These. Ist der Nutzer einer Stimulation pausenlos ausgesetzt, verringert sich seine Neugier und sein Organismus stellt sich auf Gewöhnung ein.

Diese Erkenntnis ist allerdings nicht allgemeingültig. Es kann ebenfalls das Gegenteil vorliegen. So kann ein Produkt sich über die Zeit entfalten und ferner Interesse wecken. Hassenzahl spricht hierbei von einem „Entfaltungsprozess“ (2006, S. 152 f.). Ein langweiliges Produkt kann mit fortlaufender Zeit auf einmal stimulierend sein. Das hängt meistens von der subjektiven Wahrnehmung und den Vorerfahrungen einer Person ab.

Es lässt sich festhalten, dass für die konkrete Gestaltung von Produkten, die stimulierend wirken sollen, überraschende Funktionen, fesselnde Inhalte oder überragende Gestaltungen eine tragende Rolle spielen. Dadurch erhöht sich die Aufmerksamkeit. „Visuelle Gestaltung und neuartige Interaktionsformen können anregend und stimulierend wirken“, so der Autor (Hassenzahl, 2003b, S. 28). Anforderungen an Benutzungsoberflächen sind: „zu stimulieren ohne zu verwirren“ und „eine Erleichterung der Bedienbarkeit zu erreichen, ohne zu langweilen“ (2003b, S. 28). Produkte, die diese Aspekte berücksichtigen, können einen wichtigen Teil zur Stimulation beitragen. Eine eingehende Untersuchung von Stimulationsfaktoren wird im Kapitel 4 stattfinden und bleibt zur Vermeidung von Redundanzen an dieser Stelle aus.

3 ZIELGRUPPE KINDER

Um die besonderen Interessen und Bedürfnisse von Kindern herauszustellen, erfolgt in diesem Kapitel eine detaillierte Analyse der Zielgruppe Kinder, bei der die Entwicklung der sechs- bis 13-Jährigen im Vordergrund steht. Beginnend mit der Entwicklungstheorie von Piaget, wird die kognitive, soziale, motorische und motivationale Entwicklung von Kindern betrachtet, wobei ein besonderes Augenmerk auf der Neugiermotivation liegt. Im Anschluss an diese allgemeine Einführung wird das Verhalten von Kindern im Umgang mit dem Computer analysiert. Darauf aufbauend erfolgt eine direkte Gegenüberstellung unterschiedlicher Verhaltensweisen und Erfahrungen von Kindern am Computer. Ein Verständnis dessen ist essentiell, da Websites eine zentrale Stellung in dieser Arbeit einnehmen. Aus den erarbeiteten Grundlagen werden am Ende dieses Kapitels Gestaltungsempfehlungen für Websites für die Zielgruppe Kinder abgeleitet.

3.1 Piagets Entwicklungstheorie

Der Schweizer Psychologe Jean Piaget (1896 - 1980) ist der bekannteste Begründer der kognitiven Entwicklungspsychologie. Seine Theorie beruht im Wesentlichen auf der intellektuellen Entwicklung des Kindes bis zur Adoleszenz. Der Unterteilung in vier Phasen der Entwicklung, die nach Piaget der Reihe nach durchlaufen werden, liegen charakteristische Entwicklungsschritte zugrunde. Kritiker der Theorie bemängeln jedoch, dass nicht immer eine eindeutige Zuordnung der Fähigkeit eines Kindes in eine Entwicklungsstufe vorgenommen werden kann. Zudem wird Piaget eine zu geringe Einstufung der kognitiven Fähigkeiten von Kindern nachgesagt (Sodian, 2008, S. 443 f.). Trotz der geübten Kritik orientiert sich die vorliegende Arbeit unter anderem an Piagets Entwicklungstheorie, da sie wichtige Erkenntnisse über die Denkentwicklung von Kindern aufzeigt und somit eine gute Grundlage für die Gestaltung von Softwareprodukten für Kinder bildet.

Von der Geburt bis zum zweiten Lebensjahr befindet sich das Kind in der sensomotorischen Phase. Schon sehr früh entwickelt das Kleinkind neben seinen angeborenen Reflexen erste Vorformen des Denkens. Seine Wahrnehmungsfähigkeit und sein motorisches Handeln erwirbt das Kleinkind ebenfalls in diesem Stadium. Diesen Erwerb macht es durch seine Erfahrungen mit Hilfe seiner Sinne. Gleichzeitig eignet es sich Verhaltensweisen durch gezieltes Wiederholen an. Das Kleinkind nimmt seine Umwelt durch aktives Experimentieren wahr, es „denkt“ mit den Augen, Ohren und Händen (Liebal & Exner 2011, S. 15 ff.).

Ab dem zweiten Lebensjahr erreicht das Kind die präoperationale Phase. Diese dauert in der Regel bis zum siebten oder achten Lebensjahr. In dieser Phase kann sich das Kind noch nicht vorstellen, wie ein Objekt vor einer Veränderung ausgesehen hat. Es kann beispielsweise nicht unterscheiden, ob die Sonne am Himmel einen Tag später dieselbe ist (Sime, 1978). Im Alter von vier bis sieben Jahren zeichnet sich sein Denken unter anderem durch den Egozentrismus aus; sein Denken und Handeln resultiert aus seinen eigenen Wünschen und Bedürfnissen heraus (Nickel & Schmidt-Denter 1995). Das Kind kann einen Sachverhalt nicht aus einer anderen Perspektive heraus nachvollziehen. Zudem ordnet das Kind sein bisheriges Verständnis von der Welt neu, es beginnt mit Gegenständen zu experimentieren, um sie weiter zu erforschen.

Im Alter von sieben bis elf Jahren durchläuft das Kind die Phase der konkreten Operationen. Es ist nun in der Lage, Sachverhalte aus mehreren Perspektiven zu betrachen. Auch das ich-bezogene- Denken lässt nach. Sachverhalte können nun aus mehreren Perspektiven betrachtet werden. Zwar ist das Kind nun in der Lage, logische Schlussfolgerungen zu ziehen, allerdings kann es dies nur tun, solange gegenständliche und wahrnehmbare Objekte vorhanden sind. Sein Denken ist noch an konkrete Denkoperationen gebunden (Trautner 1997, S. 182).

In der Phase der formalen Operationen ist das Kind ab dem Alter von zwölf Jahren. Diese höchste und letzte Phase der Entwicklung dauert etwa drei Jahre und stellt den Übergang zur Adoleszenz dar. Das Kind ist inzwischen kognitiv sehr weit fortgeschritten. Es kann Hypothesen und logische Verknüpfungen zwischen Aussagen bilden. Auch hat es die Fähigkeit erworben, Schlussfolgerungen zu ziehen und Probleme kompetent zu lösen. (Trautner, 1997, S. 184).

3.2 Kognitive Entwicklung des Kindes

Viele der im Folgenden genannten Faktoren können aufgrund der allgemeinen Entwicklung des Alters und des persönlichen Interesses variieren. Die Fortschritte in der Entwicklung sind individuell, sie können bei einigen Kindern auch verzögert entstehen oder schneller ablaufen. Eine nahezu realitätsgetreue Einordnung dieser Zielgruppe ist dennoch gegeben. In Anlehnung an Piaget's Entwicklungstheorie werden im Folgenden sowohl die Kinder in der präoperationalen Stufe, in der konkret operativen und in der Stufe des formalen Denkens analysiert.

3.2.1 Wahrnehmung

Je jünger ein Kind ist, desto eher versucht es, mehrere Erfahrungen im Umgang mit einem Gegenstand zu sammeln, sodass gleichzeitig mehrere Sinne angesprochen werden. Dabei greift es häufig auf seinen taktilen Wahrnehmungssinn zurück. Die Wahrnehmung des Vorschulkindes (5.-6. Jahr) ist stark „reizgebunden“ (Nickel & Schmidt-Denter, 1995, S. 85). Es hat Schwierigkeiten, äußerlichen Reizeinwirkungen zu widerstehen. Das Erkennen von Farben und Farbnuancen tritt mit etwa fünf Jahren auf (Haug-Schnabel & Bensel, 2005). Je näher sie sich der Phase der konkreten Operationen nähern, desto mehr verbessern sich auch diesbezügliche Leistungen.

Das Kind der konkreten operationalen Phase ist nun in der Lage, logische Schlussfolgerungen zu ziehen, die auf der Wirklichkeit beruhen und nicht nur aus der ,wahrgenommenen Erscheinungsform' resultieren (Trautner, 1997, S. 181). Zudem verfügt das Kind über die Fähigkeit, seine Wahrnehmung gezielt auf Einzelheiten zu richten“, so Liebal & Exner (2011, S. 18).

Für das Jugendalter ist es typisch, sein eigenes Selbst bewusster wahrzunehmen. Der Jugendliche beginnt, seine Gedanken, Gefühle und Motive zu reflektieren und über sein eigenes Handeln nachdenken (Oerter & Dreher, 2008, S. 284 ff.). Daher wird eine Auseinandersetzung mit seinem eigenen Individuum wichtiger.

3.2.2 Egozentrismus

Das Kind in der präoperationalen Phase sieht sich selbst noch als Mittelpunkt seiner Umwelt, und infolgedessen kann es noch nicht losgelöst von seinen Bedürfnissen andere Standpunkte einnehmen. Es denkt und handelt vollständig nach seinen eigenen Wünschen und Bedürfnissen. Es ist die Rede von einem „egozentrischen Weltbild“ des Kleinkindes (Nickel & Schmidt-Denter, 1995).

Das Kind in der konkret-operationalen Phase hingegen ist langsam fähig, einen Sachverhalt aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und von seinem eigenen Standpunkt abzugehen. Es lernt mit zunehmendem Alter sich in die Denkweise der anderen hineinzuversetzen. Jedoch versteht es in der Regel Ironie noch nicht (vgl. Nickel & Schmidt-Denter, 1995).

Das Kind in der Phase des formalen Denkens legt Wert auf seine Selbstdarstellung. Soziale Interaktionen und physische Veränderungen führen dazu, dass sich das Kind stärker auf sich selbst konzentriert (Oerter & Dreher, 2008).

3.2.3 Aufmerksamkeit

Um die Neugier eines jüngeren Kindes (im Alter von fünf Jahren) zu wecken, benötigt es gezielt komplexe und neuartige Objekte. Es lässt sich vor allem von auffälligen Reizen wie knalligen Farben, schnellen Bewegungen und neuen Erscheinungsformen in den Bann ziehen. Sein Interesse besteht nur solange, bis seine Neugier gestillt ist oder die Möglichkeit einer Belohnung besteht (Nickel & Schmidt-Denter, 1995). Anderenfalls wendet es sich in der Regel ab und widmet sein Interesse einem anderen Gegenstand. Das Kind kann noch nicht einem längerfristigen Ziel seine ganze Aufmerksamkeit entgegen bringen (Nickel & Schmidt-Denter, 1995, S. 55).

Im Gegensatz dazu lernt das Kind in der konkret operationalen Phase seine Aufmerksamkeit zu „dezentrieren“, d.h. es kann seine Aufmerksamkeit gezielt auf mehrere Objekte richten (Trautner, 1997, S. 180 ff.). Während dieser Stufe achtet das Kind auch vermehrt darauf, sein Ziel zu erreichen. Möglichkeiten, die es zu diesem Ziel bringen, werden primär betrachtet. Kinder in diesem Alter können sich bereits auf Gegenstände konzentrieren, die weniger auffallend sind, da ihr Verhalten „zweckgerichtet“ ist (Liebal & Exner 2011, S. 23 f.). „Kinder sind wissbegierig, ausdauernd, anstrengungsbereit und hoch konzentriert, wenn sie eine Aufgabe zu ihrer Aufgabe gemacht haben“, so Haug-Schnabel & Bensel (2005, S. 106).

Ein Kind in der Phase der frühen Adoleszenz kann seine Aufmerksamkeit gezielt auf das Wesentliche richten. Es ist fähig, unwichtige Informationen von relevanten Informationen zu unterscheiden (Oerter & Drehler, 2008, 288 f.).

3.2.4 Lernen und Denken

Das jüngere Kind (5 Jahre) lernt nicht bewusst, es spielt und lernt indirekt. Es legt ein exploratives Verhalten an den Tag. „Das Lernen des Vorschulkindes erfolgt im allgemeinen zufällig und beiläufig ohne eine deutliche und bewusste Lernabsicht“, so Nickel & Schmidt-Denter (1995, S. 91). Des Wei- teren lernt das Kind entweder durch Imitationen anderer Personen oder durch eigene Erfahrungen, die es mit Gegenständen macht (Nickel & Schmidt-Denter, 1995)

Das ältere Kind, das die Phase der konkret Operationalen erreicht hat, möchte seine bisherigen Kenntnisse systematisch erweitern und neue Informationen erlernen. Dies belegt auch Nickel. Er ist der Meinung, dass Kinder in diesem Stadium sogar gerne Herausforderungen annehmen: „Echte Anforderungen können [sie; Anmerk. d. Verf.] zu erhöhten Leistungen anregen“ (Nickel & Schmidt- Denter, 1995, S. 91). Nur solange konkrete Gegenstände verfügbar sind, kann das Kind nach einer Lösung suchen. Es beginnt mit den konkreten Gegenständen zu experimentieren. Hypothesen aufzustellen, ist für das Kind in diesem Stadium in der Regel allerdings noch nicht möglich. So übt es sich lieber im Konkreten. Zudem beinhaltet konkret-operationales Denken reversibles Denken. Piaget prägt den Begriff Reversibilität (vgl. zum Folgenden Trautner 1997, S. 181). Das heißt, dass Situationen gedanklich wieder rückgängig gemacht werden können, und ein Sachverhalt erneut überdacht werden kann. Außerdem kann das Kind einen Gegenstand anhand seiner Eigenschaften klassifizieren. So kann es eine schwarze Ente in eine Ente - in einen Schwimmvogel - in einen Vogel - und zu guter Letzt in ein Lebewesen klassifizieren (Sime, 1978, S. 40 ff.). Im Laufe der Grundschuljahre eignet sich das Kind noch weitere Fertigkeiten an. Viele Kinder beginnen sich in diesem Alter intensiver mit einer Aufgabe zu beschäftigen, um verschiedene Lösungen auszuprobieren. Zudem nehmen sie sich bei einer Aufgabe mehr Zeit zum Denken, wohingegen jüngere Kinder Aufgaben schneller bearbeiten können, da sie weniger geistige Beanspruchung leisten können (Sime, 1978).

Die Denkleistung des Kindes ist in der nächsten Phase stark gereift. Es hat inzwischen abstraktes Denkvermögen erworben und kann logische Schlussfolgerungen ziehen. Außerdem ist es fähig, hypothetische Denkleistungen zu erbringen („Was wäre, wenn ...“) (Sime, 1978).

3.3 Motorische Entwicklung

Die Entwicklung der Grobmotorik des Kleinkindes verläuft schneller als die Feinmotorik. Zuerst entwickeln sich die großen Muskeln und danach die kleineren Muskeln. Daher ist das Kinder in seiner Bewegung anfangs noch unkontrolliert und viele seiner Zeichnungen stammen aus dem Schultergelenk. Auch die Auge-Hand-Koordination stellt anfangs noch ein Problem dar. Das Kind kann seine Wahrnehmung mit dem Ansteuern von Schaltflächen nicht kombinieren - daher auch seine typischen Zick-Zack-Linien (Liebal & Exner, 2011; Nickel & Schmidt-Denter, 1995, S. 45 ff.).

Mit fortschreitendem Alter und dem Beginn der konkreten operationalen Stufe ist das Kind jedoch befähigt, seine Arm-, Hand-, und Fingermuskeln gezielt einzusetzen. Diese erworbenen Kenntnisse zeigen, dass die Feinmotorik weiter fortgeschritten ist.

3.4 Soziale Entwicklung

Kleinkinder können sich gut alleine beschäftigen, indem sie einfach nebeneinander und nicht miteinander Spielen (Nickel & Schmidt, 1995). Ihre Aufmerksamkeit und das Interesse gegenüber an- deren Kindern sind zwar schon in sehr jungen Jahren vorhanden, allerdings können sie längerfristig nicht mit dieser Situation umgehen. Laut Nickel & Schmidt (1995) müssen sie dann ihren Spielgegenstand mit anderen teilen - was zu einer ungewollten Spielunterbrechung führen kann. Auch müssen sie mit ihrem Spielpartner kommunizieren, um sich über den Spielgegenstand einig zu werden. Das kann aber auch das Ende eines Spiels einläuten (Nickel & Schmidt, 1995, S. 174).

Mit zunehmendem Alter nimmt das Interesse am gemeinsamen Spielen zu. Die Kooperationsbereitschaft des Kindes steigt. Es möchte gerne in der Gruppe eine Aufgabe lösen, wodurch der Zusammenhalt gestärkt wird. Kinder sitzen beispielsweise gerne zusammen vor einem Computerspiel und beratschlagen, wie sie ihr Ziel erreichen können (Liebal & Exner, 2011).

Cliquenbildungen und Freundschaften sind für Kinder des Jugendalters sehr wichtig. Gemeinsame Unternehmungen und wechselseitiges Verständnis werden sehr geschätzt (Oerter & Drehler, 2008, 326 f.).

3.5 Motivationale Entwicklung mit Fokus auf Neugier

3.5.1 Neugiermotivation

Neugier ist eine wichtige Voraussetzung kognitiven Lernens. Diese Neugier beruht auf der intrinsischen Motivation. Das hat den Vorteil, dass kognitives Lernen ohne Belohnung auskommt. Ihr Ansporn ist ihr eigenes Interesse.

Kinder sind neugierig, weil sie die Welt entdecken wollen. Dieses Explorationsbedürfnis tritt spontan auf und dient nicht den primären Bedürfnissen (Hunger, Durst). Bereits Säuglinge weisen wenige Stunden nach der Geburt eine Körpererregung auf. Die weit geöffneten Augen und das Hochziehen ihrer Augenbrauen zeigt ein Ausdruck der erhöhten Aufmerksamkeitszuwendung (Izard, 1994). Dies wiederum zeigt, dass oft die visuelle Wahrnehmung zu Beginn eines Explorationsverhaltens steht (Holodynski & Oerter 2008, S. 542 f.).

Kinder erforschen ihre Umgebung sehr wachsam. Dabei führt vor allem der wiederholte Umgang mit Dingen dazu, dass Kinder lernen. In noch sehr jungen Jahren sind Kleinkinder zunächst auf das Vertraute fixiert. Das Aufsuchen des Neuen erfolgt erst im Laufe des zweiten Lebensjahres. So sind kleine Kinder sehr daran interessiert, Objekte zu untersuchen. Schubladen werden aufgezogen, erreichbare Lichtschalter und Knöpfe ausprobiert und Zimmer erkundet. Auch das Auseinandernehmen eines Teddybären verdeutlicht ihr neugieriges Verhalten (vgl. zum Folgenden Edelmann 2000). Jede neue Erfahrung spornt sie an, ihre erforschende Tätigkeit weiter fortzusetzen. Sehen, Hören und insbesondere taktile Erfahrungen spielen dabei eine bedeutende Rolle (Nickel & Schmidt-Den- ter, 1995, S. 85). Kinder eignen sich durch ihre selbstgemachten Erfahrungen Wissen an und versuchen auf diese Weise möglichst viele Informationen und Eindrücke von einem Gegenstand zu erhalten.

Wie lange ein Kind sich mit seinem Spielzeug beschäftigen kann, hängt von der Komplexität und Neuartigkeit des Spielzeugs ab. So fanden Ellis und Scholtz (1978; zitiert nach Malone, 1981, p. 337) heraus, dass Kinder mehr Zeit mit komplexen und neuartigen Spielzeugen verbringen: „While attributes like color made little difference in choice of play object, novelty [...] and complexity [were; Anmerk. des Verf.] very important in determining which toys a child began playing with [...]“. In den meisten Fällen trägt Neugier eine entscheidende Rolle dazu bei (Malone 1981). Je älter ein Kind jedoch wird, desto zielorientierter und zweckorientierter wird es. Ab dem Schuleintritt wird aus dem spielerisch-beiläufigem Lernen ein bewusstes Aneignen von Lerninhalten („intentionales Lernen“) (Nickel & Schmidt-Denter, 1995, S. 91).

3.5.2 Interesse

„Wenn Neugier sich immer wieder auf bestimmte Bereiche konzentriert, sozusagen kanalisiert wird“, so Edelmann (2000) ist die Rede von Interesse. Eine länger anhaltende Bindung und das intensive Beschäftigen mit einem Gegenstand stellt Interesse dar (Holodynski & Oerter 2008, S. 541 ff). Ein wichtiger Aspekt ist, wie lange sich ein Kind mit dem gleichen Spielmaterial beschäftigen kann. Bereits 2-Jährige können sich über eine längere Zeit (30-45 Minuten) mit demselben Spielzeug beschäftigen (Oerter, 1999; zitiert nach Holodynski & Oerter 2008, S. 543). Das zeugt von einem überdauernden Interesse. Die Entscheidung für interessante Gegenstände spielt sich nach einem bestimmten Muster ab. So unterscheiden Kinder bereits mit 18 Monaten geschlechtsspezifisches Spielzeug. Darüber hinaus können aber auch einmalige individuelle Entscheidungen getroffen werden (Holodynski & Oerter 2008, S. 543).

Neugier oder konstantes Interesse ist auch in vielfältiger Weise im Alltag anzutreffen, zum Beispiel durch entdeckendes Lernen in den Schulen, Lösen von Kreuzworträtseln, Lesen von Kriminalromanen, Wahrnehmen von Sportangeboten usw. (Edelmann 2000, S. 259).

3.6 Computererfahrungen bei Kindern

Die Computererfahrung der Digital Natives wächst stetig. Gerade jüngere Kinder legen ein interessiertes Verhalten dem Computer gegenüber an den Tag. Ihr typisches Verhalten zeichnet sich durch eine sehr freie und explorative Vorgehensweise aus. Sie probieren vieles aus und klicken dabei auf jegliche Objekte, die ihnen interessant erscheinen. Erwachsene sind im Vergleich dazu vorsichtiger. Computer werden von den Kindern sowohl für private als auch für bildungstechnische Zwecke eingesetzt. Von morgens bis abends ist er ein ständiger Begleiter der Kinder. Daraus resultiert, dass der Computer im Alltag der Kinder eine maßgebliche Rolle spielt (Rathgeb, Karg & Feierabend, 2011). Dieser Abschnitt befasst sich mit den Interessen der Kinder während der Computernutzung und ermöglicht eine Übersicht über ihr Nutzungsverhalten.

3.6.1 Verhaltensweisen der Kinder am Computer

Da die Zielgruppe der „Sendung mit der Maus“ im Bezug zum Alter sehr heterogen ist, werden in diesem Abschnitt ihre Bedürfnisse und Fähigkeiten im direkten Vergleich gegenüberstellt. Die folgenden Ausführungen basieren auf der Elements of Art-Studie von 2009 und 2011. In der Studie von 2009 wird eine weitere Unterteilung des Alters vorgenommen. Dabei wird primär dem Verhalten der Kinder am Computer eine tragende Rolle zugeteilt. Hier werden Kinder im Alter von sechs bis sieben, acht bis zehn und elf bis 13 Jahren systematisch unterteilt. Da diese Erkenntnisse im Rahmen dieser Arbeit als sinnvoll erachtet werden, liegen diese der vorliegenden Arbeit zugrunde.

Sechs- bis sieben-Jährige

Kinder, die sich in diesem Stadium befinden, gehen sehr spielerisch und unbefangen an Aufgabenstellungen heran: „Ich mag das Mix-Spiel, weil der da so lustige Sachen macht!“ (Nils, 7) (Warth, Schneider & Lensch, 2009, S. 35). Da sie die Komplexität des Computers noch nicht begreifen und in diesem Stadium das Schreiben und Lesen erst erlernen, ist der Computer demnach mehr Spiel- als Arbeitsgerät. Primär sind sie auf die Hilfe ihrer Eltern im Umgang mit dem PC angewiesen. Auch das Internet stellt eine besondere Herausforderung für sie dar, sie surfen nicht sondern verbleiben eher auf einer Seite. Neugierig öffnen sie sich jedoch den neuen fiktiven Begebenheiten der ihnen noch so fremden Onlinewelt (Warth, Schneider & Lensch, 2009, S. 33 ff.).

Besonders lieben jüngere Kinder Rollenspiele am Computer: ankleiden und frisieren gefällt ihnen ebenfalls sehr (Warth, Schneider & Lensch, 2009, S. 35). Eine sieben-Jährige (Warth, Schneider & Erbslöh, 2011, S. 20) äußerte folgende Aussage: „Dass man seinen eigenen Panda gestalten kann, finde ich spannend.“ Websites mit vielen Bildern werden von ihnen als sehr lebendig wahrgenommen und sorgen für erhöhte Aufmerksamkeit (Warth, Schneider & Lensch, 2009).

Acht- bis zehn-Jährige

Diese Kinder sind bereits selbständiger im Umgang mit dem Computer. Sie suchen Herausforderungen im Netz und sind im Vergleich zu den Jüngeren sehr motiviert, eigenständig die Anwendung mit dem Computer zu erlernen. Gerne messen sie sich mit anderen und versuchen auch ihre eigene Leistung ständig zu verbessern. Sie entwickeln Ansprüche an sich selbst. „Ich möchte beim ,Flöhetreiben‘ der Beste in der Familie sein“ (Daniel, 9 Jahre alt) (Warth, Schneider & Lensch, 2009, S. 40). Hilfe durch die Eltern benötigen Kinder nur noch in Ausnahmefällen. Beliebt sind unter anderem Lern- und Wissensseiten (Warth, Schneider & Lensch, 2009). Wissensbildung nimmt neben Spieleseiten einen höheren Stellenwert ein: „Ich hab‘ letztens für die Schule auf Wikipedia etwas über Johann Wolfgang von Goethe nachgeschaut“ (Carlo, 8 Jahre alt) (Warth, Schneider & Lensch, 2009, S. 41). Kinder dieses Alters beherrschen den Umgang mit einem interaktiven System zwar noch nicht vollständig, können aber bereits Probleme erkennen und wissen sich größtenteils auch zu helfen. So wie sich die Jüngeren über bunt gestaltete Seiten freuen, so suchen die Älteren gezielt nach Informationen.

Auf einigen Seiten, insbesondere auf Spieleseiten, existieren weiterhin bunte Elemente. Bevorzugt werden nun aber übersichtlichere Websites, da dies ihrem geordneten Vorgehen entspricht, so die Studie (Warth, Schneider & Lensch, 2009). Auch das Prinzip von trial and error wird akzeptiert, vorausgesetzt es dient dazu, sich auf diesem Wege neue Erfahrungen erarbeiten zu können (Stapelkamp, 2010). Je älter Kinder werden, desto vermehrt achten sie auf ,Coolness und Glaubwürdigkeit' einer Website. Eine direkte Ansprache durch Gleichaltrige in Form von Testimonials' kann daher eine positive Wirkung auf sie haben (Warth, Schneider & Erbslöh, 2011, S. 14).

Elf- bis 13-Jährige

Diese Altersgruppe bildet den Übergang zur Adoleszenz und variiert von Person zu Person. Ihr zuvor erworbenes Wissen wird durch viele Interaktionen gefestigt. So gehören einige Internetabläufe bereits zur Routine. Das Internet hat sich unter Freunden zu einem wichtigen Kommunikationstool entwickelt - Communitys nehmen einen immer stärkeren Part ein: „Bilder von anderen angucken, selbst was hochladen, chatten.“ (weiblich, 13 Jahre alt) (Warth, Schneider & Erbslöh, 2011, S. 20). Auch das parallele Surfen auf mehreren Seiten nimmt zu. So können sie gleichzeitig Spielen und Chatten, während im Hintergrund Musik auf YouTube läuft (Warth, Schneider & Lensch, 2009, S. 47). Die Komplexität des Internets erschließt sich ihnen sukzessiv. Mit zunehmenden Alter wird auch die Selbstdarstellung im Netz aktiver: „Wenn du nicht da bist, dann existierst du nicht, weil keiner über dich redet“ (weiblich, 13 Jahre alt). Jugendliche bevorzugen Wordings, die ihrer Altersgruppe entsprechen, beispielsweise „beat my song“ (Warth, Schneider & Erbslöh, 2011, S. 18).

Darüber hinaus sind Kinder aller Altersstufen sehr humorvoll und können sich über groteske Inhalte amüsieren. Dazu gehören z.B. lustige Geschichten, komische Sprachen oder verkehrte Welten (Warth, Schneider & Erbslöh, 2011, S. 13). Es lässt sich ableiten, dass Kinder vor allem für Spaß sensibel sind und Blödeleien präferieren. Jüngere als auch ältere Kinder mögen eine direkte Ansprache und finden es gut, wenn sie entweder durch authentische Charaktere (ältere Kinder) beziehungsweise durch Fantasiefiguren (jüngere Kinder) angeleitet werden.

3.6.2 Übersicht der spezifischen Verhaltensweisen

Abschließend findet sich in der folgenden Tabelle eine komprimierte Zusammenfassung der wichtigsten Unterscheidungen der heterogenen Zielgruppen.

Tabelle 1 : (in Anlehnung an die Elements of Art-Studie 2009, 2011)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.7 Gestaltungsempfehlungen für Kinder

Der folgende Absatz stellt eine Checkliste dar, mit dessen Hilfe das Design und die Benutzerfreundlichkeit von Websites, die für Kinder konzipiert werden, verbessert werden können. Gleichzeitig geht es darum, ein Gespür für Gestaltung aus kindlicher Sicht zu entwickeln, da auf diese Weise die daraus hervorgehenden Softwarepräferenzen von Kindern besser beurteilt werden können. Daher ist es wichtig, sich einen Überblick über das Interface- und Interaktionsdesign für Kinder zu verschaffen. Bei der Checkliste handelt es sich um gestalterische Empfehlungen, die auf den Überlegungen von Liebal & Exner (2011) und auf Gilutz und Nielsen (2002) beruhen und noch erweitert werden können.

Visuelle Gestaltungselemente

Farbharmonien und Farbkontraste wählen

Farben lösen Emotionen aus und können in der Wahrnehmung viel bewirken. Daher spielt die Farbwahl einer Website eine relevante Rolle. Intensive und reine gesättigte Farben werden laut dem Aufmerksamkeitsprinzip stärker wahrgenommen als schwache und getrübte Farben. Kinder unterliegen meist diesem starken Aufmerksamkeitsprinzip (Oerter, 2010). Allerdings kann auch der Einsatz intensiver Farben zu einer Überforderung führen, welche einer Reizüberflutung nahe kommt. Allison Druin (1996) empfiehlt deswegen keine grellen Farben einzusetzen, da sie weder unterhaltsamer sind noch den Lernprozess vereinfachen. „Loud, garish screen colors aren't necessarily more entertaining, nor do they make learning elementary math or reading skills easier. Loud, garish colors are what adults think kids want. But children aren't colorblind".

Das Beispiel (Abbildung 3) zeigt die Kikaninchen-Seite, ein Vorschulangebot des Kinderkanals, das von warmen Primärfarben geprägt ist. Das Pendant dazu bildet ein Onlineangebot für Kinder aus Frankreich, hier wird verstärkt mit dem Farbe-an-sich-Kontrast gearbeitet, der aus stark gesättigten Farben besteht (Abbildung 4). Schreiende und grelle Primärfarben sind hier dominierend.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: „Kikaninchen" in harmonischen Farben. Screenshot von „Kikaninchen". Zugriff am 13.02.2012 unter http://www.kikaninchen.de/kikaninchen/index.html

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Farbige Website am Beispiel von „Poissonrouge". Screenshot von „poissonrouge". Zugriff am 13.02.2012 unter http:// www.poissonrouge.com/

Es lässt sich festhalten, dass harmonische Farbzusammenstellungen bei Kindern einen positiven Eindruck hinterlassen. Texte sollten auf einem kontrastreichen Hintergrund stehen, Liebal & Exner, 2011)

Farbe-an-sich-Kontrast verwenden

Der Farbe-an-sich-Kontrast ist besonders bei jüngeren Kindern beliebt. Durch eine bunte Farbkom- bination entsteht der Eindruck eines lebendigen und stimmungsvollen Designs. Zugleich wird eine kontrastreiche Wirkung erzielt. Hierbei kann es sich sowohl um getrübte als auch um intensive Farben handeln. Ältere Kinder (ab etwa 10 Jahren) präferieren ein weniger buntes Interface (Liebal & Exner, 2011, S. 137 f.).

Das Gestaltgesetz der Nähe berücksichtigen

Dieses Gesetz besagt, dass Objekte, die nah beieinander liegen als Gruppe zusammengefasst werden. Nähe ist ein Merkmal für Zusammengehörigkeit. Das hat den Vorteil, dass eine bessere Übersichtlichkeit gegeben ist und die Wahrnehmung bestimmter Bereiche für Kinder einfacher zuzuordnen ist.

Website möglichst effizient und einfach aufbauen

Kinder sollten nicht mit zu viel Inhalt konfrontiert werden und sich vor allem nicht durch zu viele Informationsreize überfordert fühlen. Es ist weiterhin wichtig, dass keine Usability-Probleme auftauchen. Wenn Kinder nicht mehr weiter wissen, benötigen sie Unterstützung. Hilfefunktionen sollten eindeutig auch als solche kenntlich gemacht werden (Liebal & Exner, 2010, S. 142, S. 174).

Steuerung und Interaktion

Wichtige Informationen zentral anordnen

Es ist insbesondere für die jüngere Zielgruppe zu empfehlen, alle relevanten Informationen im sichtbaren Bereich einer Seite aufzubauen. Scrollen sollte für diese Zielgruppe möglichst vermieden werden, da sie noch ein eingeschränktes Sichtfeld besitzen könnten. Wenn aber auf ein Scrollen nicht verzichtet werden kann, so ist es ratsam auf Metapher zurückzugreifen, wie beispielsweise das Auf- und Abfahren eines Fahrzeugstuhls. (Liebal & Exner, 2010, S. 157 f.) Ältere Kinder sind allerdings in der Lage, innerhalb einer Seite zu scrollen.

Mit visuellen und auditiven Gestaltungselementen den Lernprozess fördern

Da Kinder sich beim Lernen auf ihre Sinne verlassen, sollte dieser natürliche Prozess auch auf Websites adaptiert werden (Liebal & Exner, 2011, S. 143). Je mehr Sinne angesprochen werden, desto höher ist auch der Lernerfolg, da die Möglichkeit besteht, Sachverhalte aus verschiedenen Perspektiven wahrzunehmen. Aus diesem Grund bietet sich eine Kombination aus Text, Bild, Ton und Animation an. Zudem verbessert sich dadurch die Auffassungsgabe. Je älter Kinder sind, desto schneller schwindet das Interesse der mehrdimensionalen Sinneswahrnehmung (Liebal & Exner, 2011, S. 146)

Kindern eine Orientierung bieten

Kinder benötigen Orientierung. Damit Kinder sich auf Websites zurechtfinden, sollte für sie ersichtlich sein, wo sie sich innerhalb der Benutzungsoberfläche befinden und wie sie wieder zurück gelangen. Gilutz und Nielsen (2002) halten fest, dass visuelles Feedback dem Nutzer eine Orientierung geben kann. „It is important to give users noticeable visual feedback that they have arrived at their anticipated destination“ (Gilutz & Nielsen, 2002). Dabei darf das Feedback nicht zu subtil ausfallen. Ein „du-bist-gerade-hier“-Hinweis würde beispielsweise zu einer unterstützenden Nutzerführung beitragen. Abbildung 5 zeigt eine visuelle Navigation. Sie zeigt den aktuellen Standort an und ermöglicht zugleich sukzessiv wieder zurück zu gelangen.

Alternativ dazu können auch reine Navigationspfade (engl. „breadcrumb trail“) eingesetzt werden. Diese erlauben ebenfalls eine Rückwärts-Navigation. Sie sollten von jeder Anwendung aus zu sehen sein. Deutlich einfacher sind jedoch Zurück-Pfeile (Abbildung 6). Sie stellen eine sichere Methode für Kinder dar, da diese Optionen ihnen bereits geläufig sind (Liebal & Exner, 2011, S. 160). Eine Kombination aus Zurück-Pfeilen und einem Navigationspfad (visuell oder rein textlich) würde den Kindern eine optimale Unterstützung ermöglichen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Visuelle Orientierungsmöglichkeit am Beispiel der „Kikaninchen-Website“. Screenshot von „kikaninchen“. Zugriff am 20.02.2012 unter http://www.kikaninchen.de

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Pfeile - zum schnelleren Vorwärts- und Rückwärts-Navigieren. Screenshot von „Peppa Pig“. Zugriff am 20.02.2012 unter http://www.peppapig.com/

Standard-Navigation einbauen

Für Kinder ist es empfehlenswert, eine einheitliche Navigation anzubieten, um so die Erwartungskonformität zu fördern. Da vor allem Kinder im Alter von sechs bis acht Jahren komplexe Menüs und Untermenüs noch nicht verstehen, vereinfachen konstante und einheitliche Navigationsstrukturen die Nutzerführung: „Using designs familiar to kids allows them to focus on the content of the interaction and not on how to navigate to it“ (Gilutz & Nielsen, 2002). Die Navigation sollten übersichtlich gestaltet und leicht erlernbar sein. Die folgenden Abbildungen 7 und 8 zeigen mögliche Beispiele.

Laut einer Studie von Gilutz & Nielsen (2002, pp. 63 ) sind Kinder allgemein in der Lage, auf einer Seite gezielt nach Informationen zu suchen. Das trifft vor allem dann zu, wenn es sich dabei um standardisierte Interaktionsschemata handelt, die Kindern aus anderen Anwendungen vertraut sind. Sie klicken sich entweder durch die Navigation oder nutzen auch gezielt die Suchfeldoption.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: „Peppa Pig" zeigt eine visuelle Navigation. Nach einem Rollover wird ein zusätzlicher Text eingeblendet. Screenshot von „Peppa Pig". Zugriff am 28.01.2012 unter http://www.peppapig.com/

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8: „Zambo" wendet sich gezielt an Kinder, die bereits lesen können. Screenshot von „Zambo". Zugriff am 28.01.2012 unter http://www.zambo.ch/

Anklickbare Objekte hervorheben

Kinder sollten auf anklickbare Objekte hingewiesen werden. Das kann entweder durch eine grafische Hervorhebung gekennzeichnet werden oder mittels eines akustischen Feedbacks. Das ist wichtig, da Kinder auf jede Aktion ein Feedback erwarten. Um den Kindern eindeutig zu signalisieren, dass es etwas zu entdecken gibt, müssen klickbare Schaltflächen auch als diese ersichtlich sein.

Expandierende Schaltflächen einbauen

Sensitive Schaltflächen, die beim Ansteuern größer werden, bieten vor allem jüngeren Kindern Vorteile. Die Abbildung 9 demonstriert ein Beispiel schlechter Nutzerführung. Da das „x“ nur eine minimale sensitive Fläche zulässt, erschwert es Kindern, diesen Punkt zielgenau anzusteuern.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 9: Ein zu kleiner sensitiver Klick-Button. Screenshot von „Roary". Zugriff am 13.01.2012 unter http://www.roarytheracingcar.com/index_de.html

4 STIMULATION

Zur weiteren thematischen Verdichtung des Begriffs der Stimulation werden in diesem Kapitel alle relevanten Eigenschaften des Bedürfnisses Stimulation und deren Motive dargestellt. Neben einer allgemeinen Einführung in das Thema der Neugier und der Aufmerksamkeit erfolgen Theorien, die Möglichkeiten von Stimulationsfaktoren aufzeigen. Zum besseren Verständnis werden Beispiele herangezogen. Abschließend werden Stimulationsfaktoren erstellt, die sich hauptsächlich an Berly- nes (1974) und Malones Theorien (1981) orientieren und somit für die Gestaltung eines erlebnisorientierten Ansatzes eine essentielle Grundlage darstellen.

4.1 Stimulation und Neugier

Durch ständige Veränderungen im Leben wächst das Bedürfnis nach Weiterentwicklung, Erfahrung, Inspiration sowie nach der Bewältigung von Herausforderungen. Menschen sind es daher gewohnt, sich ständig neu zu orientieren und sehnen sich nach Unterhaltung und Stimulierung. So stellt der englische Psychologe McDougall (1908) heraus, dass Menschen wie Tiere ein grundlegendes Bedürfnis besitzen, nämlich den Erkundungsdrang (engl. exploratory drive). Angetrieben von ihrem „Reizhunger“-/Wissensdurst (Schönpflug, 1997, S. 105 f) erforschen und erkunden Menschen ihre Umwelt, weil sie neugierig sind. Auch Schaulustige eines Unfallorts erklären ihr wissbegieriges Verhalten mit ihrem Neugiertrieb (Schönpflug, 1997, S. 105). Berlyne (1950; zitiert nach Izard, 1950, S. 219) bezeichnet den Drang nach Stimulierung als ein natürliches Phänomen. Der Organismus neige dazu, Stimulierung aufzusuchen, so Berlyne (1950; zitiert nach Izard, 1994). Wenn dies dem Organismus allerdings nicht gelingt, entsteht Langeweile, das Gegenteil von Stimulation. Dann ist die Rede von fehlenden Reizen, auch „Reizentzug“ (engl. sensory deprivation) genannt (Schönpflug, 1997, S. 105 f). Bei einer optimalen Stimulierung wehrt sich der Mensch vehement gegen Monotonie und Langeweile.

Es stellt sich die Frage, wodurch Neugier geweckt wird. Hierzu liefert Edelmann (2000, S. 246) eine Erklärung. Sobald eine Nicht-Übereinstimmung zwischen vorhandener Information und erlernter Erfahrung vorliegt, wird das Interesse besonders erregt. Da Menschen sich meist auf ihre Erfahrungen berufen, können ungewöhnliche Situationen zunächst Unsicherheit auslösen. Menschen sind somit bestrebt, die Situation zu analysieren, um zu einer gewohnten Form zurückzukehren. Edelmann (2000, S. 244 f.) postuliert, dass Menschen nach „Ausgleich und Harmonie“ streben. Daher versuchen sie auch Widersprüchlichkeiten zu reduzieren.

Berlyne (1965; zitiert nach Malone 1981, S. 338), spricht im Zusammenhang mit der Entstehung von Neugier von einem „conceptual conflict“. Folgendes Beispiel verdeutlicht seine These: Ist jemand davon überzeugt, dass Fische nicht an Land überleben können, so wird er überrascht sein, sobald er des Gegenteils belehrt wird. Neugier entsteht. Berlyne spricht in solch einem Fall von einem Konflikt, da es zu einem Widerspruch zwischen neuen und bereits gelernten Informationen kommt. In solch einem Fall werden bereits bestehende Wissensstrukturen mit neuen Wissenselementen verknüpft. Dadurch wird Aufmerksamkeit gefordert und Interesse entsteht.

[...]

Fin de l'extrait de 98 pages

Résumé des informations

Titre
Steigerung der User Experience für die Zielgruppe Kinder basierend auf dem Bedürfnis Stimulation. Ein erlebnisorientierter Ansatz
Sous-titre
Das Beispiel der „Seite mit der Maus“
Université
Stuttgart Media University  (Information und Kommunikation)
Cours
Informationsdesign
Note
1.3
Auteur
Année
2012
Pages
98
N° de catalogue
V993296
ISBN (ebook)
9783346367808
ISBN (Livre)
9783346367815
Langue
allemand
Mots clés
UX Design, Entwicklungspsychologie, Usability für Kinder
Citation du texte
Katrin Schlierkamp (Auteur), 2012, Steigerung der User Experience für die Zielgruppe Kinder basierend auf dem Bedürfnis Stimulation. Ein erlebnisorientierter Ansatz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/993296

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