Interpretation des Gedichtes "Mending Wall" von Robert Frost


Dossier / Travail, 2001

6 Pages, Note: 1


Extrait


Analyse des Gedichtes ,,Mending Wall" von Robert Frost

Robert Frost, der 1874 in San Francisco geboren wurde und 1963 in Boston starb, zog mit seiner Familie, nachdem der Vater gestorben war, 1895 nach New England, das er von da an als seine Heimat betrachtete. Dort arbeitete er nach seinem Collegeabschluss als Lehrer und zwischendurch auch als Farmer1, was sich in gewisser Hinsicht auch auf ,,Mending Wall" niederschlägt. In den Jahren 1912-15 lebte er allerdings in England, da in Amerika kein Verleger an der Publikation seiner Gedichte interessiert war; das änderte sich nach seiner Rückkehr jedoch und Frost wurde einer der bekanntesten und beliebtesten Dichter Amerikas. Im Laufe seiner Karriere erhielt Frost 44 Ehrendoktortitel und vier Pulitzerpreise2. In vielen Gedichten tritt das Bild eines verschmitzt-ironischen, uramerikanischen Dorfphilosophen zutage, das Frost für sich kreierte hatte und das von der breiten Anhänger-Gemeinde auch genauso gemocht wurde.3 Meiner Meinung nach kommt diese Rolle - wenn vielleicht auch nicht ganz offensichtlich - auch in ,,Mending Wall", das er in England schrieb, ans Licht. ,,Mending Wall" weist keine Strophenstruktur auf, man kann daher sagen, dass es entweder keine oder eine einzige Strophe besitzt. Was nun die Metrik des 45-zeiligen Gedichtes betrifft, so lässt sich feststellen, dass das überwiegende Metrum ein fünfhebiger Jambus ist, auch wenn dieser nicht regelmäßig auftritt. In diesem Zusammenhang findet man auch, dass das Reimschema ein von Frost gern verwendeter Blankvers ist.

Dafür gibt es vier Anaphern, und zwar in den Zeilen 3/4 (,,And...And"), sowie in 14/15 - also genau zehn Zeilen später - dieselbe Anapher noch einmal. Die nächste Anapher findet man in den Zeilen 21/22, dort heißt sie ,,Oh...One". Die letzte schließlich taucht in den Zeilen 30/31 auf, nämlich in Form der Wörter ,,Why" und ,,Where".

Ebenso liegen drei Alliterationen und eine Assonanz vor. Letztere finden wir in Zeile 37, wo es heißt: ,,But it's not elves exactly,...". Wobei ich auf die inhaltliche Bedeutung der ,,elves" etwas später noch zu sprechen kommen möchte. Die erste Alliteration hingegen liest man in Zeile 11: ,,..we find them there". Was die nächste Alliteration betrifft, so könnte man auch darüber streiten, ob es sich um eine Assonanz handelt, da die beiden mit einem sogenannten Approximanten oder Halbvokal beginnen, nämlich mit einem w: ,,We wear..." (Zeile 20). Die letzte Alliteration schließlich findet sich in Zeile 40: ,,...old-stone savage". Wobei man hierzu sagen muss, dass durch diese Alliteration mit den Buchstaben ,,s" der Klang der Worte bereits verhärtet wird, so dass das Bild des wilden Steinzeitmenschen, der dazu noch bewaffnet ist, noch deutlicher gemacht werden kann.

Im Gedicht selbst geht es um zwei Nachbarn, die - jedes Jahr aufs Neue - eine Mauer zwischen sich errichten, obwohl, wie der Erzähler meint, diese gar nicht notwendig wäre. Sie wissen auch selber nicht so genau, warum sie nun diese Mauer eigentlich errichten. Die erste Zeile, die auch in Zeile 35 wiederholt wird, erzeugt den Eindruck eines Rätsel, das gestellt wird. Die Lösung dafür ist jenes ,,something", das allerdings im Laufe des Gedicht nicht eindeutig definiert wird. Aber dennoch wird dadurch die Mauer, die ja als Zeichen für Kontrolle und Einschränkung steht, jedes Jahr zerstört und zwar während des Winters, denn der Autor spricht von einem ,,frozen ground", der sich ausdehnt und deshalb die Mauer beschädigt. Aber dies ist nicht der einzige Grund für die Beschädigung der Mauer, denn es gibt da noch die ,,hunters", die scheinbar auch ihren Teil dazu beitragen, dass die Mauer repariert werden muss. Offensichtlich haben sie bei ihrem Werk ganze Arbeit geleistet, haben sie doch keinen Stein auf dem anderen gelassen, wie in Zeile 7 geschildert wird. Welche Rolle die Jäger jedoch in diesem Spiel der alljährlichen Mauerreparatur spielen, ist nicht völlig klar. Sie jagen einen Hasen, sehr zur Freude der sie begleitenden Hundemeute. Weshalb sie dabei aber die Mauer geradezu auseinandernehmen, bleibt im Dunkeln. Auch hat das lyrische Ich diese Jäger noch nie beobachten können, genauso wenig wie sonst jemand. Daher bleibt der Vorgang an sich und auch die Beweggründe der Jäger verborgen. Sie stellen ganz offensichtlich ein nicht wirklich greifbares, aber dennoch präsentes Element in diesem Spiel um die Mauer.

Da nun der Nachbar das erste Mal auftritt, möchte ich einen Blick weiter unten auf das Gedicht richten. Vom Erzähler nach dem Grund für den Bau der Mauer gefragt, entgegnet der Nachbar nur lapidar: ,,Good fences make good neighbors." Diesen Satz wiederholt er sogar noch einmal am Ende des Gedichtes, als Schlusssatz. Da der Nachbar anscheinend unfähig scheint, seine Motivation differenzierter zu betrachten, wird bei einem oberflächlichen ersten Lesen, der Eindruck erweckt, der Nachbar sei in seinem Denken sehr beschränkt und nicht willens, den Mauerbau zu verhindern. Er beruft sich auch darauf, dass er das quasi von seinem Vater übernommen habe und er ,,will not go beyond his father's saying" (Zeile 43). Allerdings darf man nicht übersehen, das der Erzähler selbst an der Errichtung der Mauer beteiligt ist und diese sogar noch forciert. Denn, wie in Zeile 12 bekannt wird, er ruft seinen Nachbarn und sagt ihm Bescheid, dass die Mauer beschädigt ist und sie mit der Reparatur beginnen müssen. Beide sind also gleichermaßen am Bau beteiligt, und so treffen sie sich auch an der Grenze, schreiten diese ab und Beginnen mit ihrer Arbeit. Der gemeinsame Beginn wird auch formal hervorgehoben, im dem der Autor die Worte in Zeile 14 - nämlich ,,the wall between us" in der nächsten Zeile wiederholt und sie direkt untereinander setzt, so dass man fast sagen könnte, die Worte bilden selbst eine Mauer, rein vom optischen Eindruck her betrachtet.

Sodann beginnen die beiden mit ihrer Arbeit, die sehr mühsam ist, denn obwohl einig Steine ,,loaves" sind, was hier als Metapher dafür steht, dass die Steine leicht und gleichförmig sind, sind andere wie Bälle, also nicht unbedingt einfach zu handhaben und die Männer müssen all ihr Können aufwenden, um sie richtig zu platzieren und zu befestigen. Dieses wird auch dadurch verdeutlicht, dass Magie, einen ,,spell" nämlich anwenden müssen, damit die Mauer auch hält.

Obwohl der Bau jedoch soviel Mühe bereitet, immerhin werden die Finger der beiden in Mitleidenschaft gezogen, wie in Zeile 20 deutlich wird, scheinen sie einen gewissen Spaß an der Sache zu haben. Sie betrachten ihre Arbeit als Spiel, als ,,another kind of outdoor game" (Zeile 21), was natürlich auch zeigt, dass beide die Mauer wollen, sonst würden sie sich sicher schlechter fühlen.

Doch schon wenig später kommt der Erzähler zu der Erkenntnis, dass die Mauer im Grunde genommen gar nicht notwendig ist, denn die beiden haben eigentlich keinen Grund zu Feindschaft und Misstrauen, weil jeder etwas anderes anbaut, so dass auch keine Konkurrenzsituation entsteht, ist der Nachbar doch ,,all pine" und der Erzähler ,,apple orchard" (Zeile 24). Doch als der Erzähler dieses dem Nachbarn klarmachen will, entgegnet jener jedoch nur seinen Standardsatz ,,Good fences make good neighbors".

Daraufhin kommt zu einer Art Lehrer-Schüler-Beziehung, in der der Erzähler den Lehrer mimt und der Nachbar den Schüler. Der Erzähler versucht, dem Nachbarn zu erklären, worauf er (der Erzähler) eigentlich hinaus will. Er möchte, dass sein Nachbar diesen Ritus des alljährlichen Mauerbaus hinterfragt, was der Erzähler zwar schon getan hat, aber nicht vom Bau ablassen kann. Mit Hilfe seiner Fragetechnik, der die eines Lehrers ähnelt, der seinem Schüler eine Herausforderung in Form einer schwierigen Aufgabe stellt, stellt der Erzähler die eigentliche Bedeutung und Verwendung einer Mauer bzw. eines Zaunes heraus, beispielsweise als Kuhweide. Er will dem Nachbarn klarmachen, dass man etwas braucht wovor man sich schützen muss bzw. etwas, das einen bedroht, aber schon vorher im Gedicht ist ja klar geworden, das es so etwas nicht gibt. Doch der Nachbar möchte nicht auf dieses Lehrer-Schüler-Spieler eingehen, vielleicht hat er ja auch den Eindruck, dass der Erzähler ihm lediglich seine Sicht des Problems aufzwingen möchte.

In derselben Ansprache fällt auch wieder der Satz, der das Gedicht einleitet. Der Erzähler versucht hier eine Lösung für dieses Rätsel zu finden, er würde gern erklären was dieses ,,something", ist die Mauer nicht haben möchte, aber er muss feststellen, dass er das selbst nicht eindeutig erklären kann. Daher geht ihm der Gedanke durch den Kopf, es mit ,,elves" zu umschreiben, aber selbst diese ohnehin sehr abstrakte Erklärung reicht nicht aus, denn ,,it's not elves exactly", wobei es unklar ist, ob er weiß, wie die Lösung wirklich heißt oder ob auch er es nicht sagen kann. Er möchte allerdings auch, dass sein Nachbar die Lösung selbst herausfindet. Aber, was lässt sich an dem Begriff der Elfen, den der Erzähler ja nicht umsonst verwendet, festmachen? Elfen sind nicht greifbar, geheimnisvolle Märchenwesen. Manche verstehen Elfen auch als Waldwesen, die im Dunkeln leben und auch so agieren. Und die nächsten Bilder sind in der Tat düster, vergleicht er doch auf einmal den Nachbarn, der einen Stein in der Hand hält mit einem bewaffneten ,,old-stone savage", der ganz offensichtlich plötzlich für den Erzähler eine Bedrohung darstellt, obwohl der Erzähler vorher noch sagte, der Mauerbau wäre wie ein Spiel. Für den Erzähler sieht es jetzt so aus, als habe der Nachbar Böses vor, denn für ihn bewegt er sich in der Dunkelheit (Zeile 41), wobei es wichtig ist, hervorzuheben, dass dort auch steht ,,as it seems to me", wodurch klar wird, dass das ein rein subjekiver Eindruck des Erzählers ist. Die Dunkelheit, die den Nachbar seiner Meinung nach umschattet, rührt nicht von der natürlichen Dunkelheit des Waldes her, sondern eben gerade daher, dass Nachbar dem Erzähler etwas antun möchte, schließlich beharrte ersterer ja auch auf seine Einstellung, die er - ohne sie zu hinterfragen - von seinem Vater übernommen hat und die ihm ganz gut gefällt, weil sie unkompliziert und einfach ist. So beharrt er auf seiner Meinung, dass ,,good fences make good neighbors."

In den USA ist es nun allerdings gewissermaßen ein Brauch, alljährlich gemeinsam den Zaun zwischen den Grundstücken zu flicken, wobei man naturgemäß auch ins Gespräch kommt und Gefühle und Gedanken austauschen kann, so dass der Mauerbau eine Zeit ist, in der man auch miteinander reden kann.4

Was nun die gesamte Interpretation angeht, so könnte man das Gedicht als Denkanstoss dazu sehen, dass man nicht nur - was die Mitmenschen betrifft - den eigenen Standpunkt vertreten sollte und die anderen als engstirnig verurteilen sondern, auch überlegen, wie viel man selbst zu einem Konflikt beiträgt. ,,Mending Wall" hat den Anschein, dem Leser eine Seite aufzudrängen, die er einnehmen soll. Der Erzähler versucht immerhin alles, seinen Nachbarn als engstirnig, dickköpfig und klischeegebunden darzustellen. Dennoch darf man nicht so einfach Seiten einnehmen.

Natürlich drängt sich einem, besonders wenn man das Datum, an den dem das Gedicht geschrieben wurde (nämlich 1914), betrachtet, eine gewisse Parallele zur damaligen Weltlage auf. Frost lebte zu jener Zeit in England, wo er auch das Gedicht schrieb. Die Weltlage war dramatisch und sollte auch in einen Weltkrieg münden, der nicht zuletzt aus einem nationalistischen Denken der damaligen Länder resultierte, die quasi eine Mauer um sich errichteten, und die anderen Nationen als schlechter einstuften, ohne sich richtig zuzuhören oder zu versuchen, die Position des anderen zu verstehen. Gleichzeitig wurden die anderen als die Bösen eingestuft, ohne sich selbst einmal an die eigene Nase zu fassen, um es mal salopp auszudrücken.

Man liest auch von einer Interpretation, die in dem Gedicht eine Parallele zu Frosts Tätigkeit als Lehrer sieht5. In dem Gedicht ist der Lehrer allerdings nicht erfolgreich, da er seinem Schüler, nämlich dem Nachbarn nicht das beibringen kann, was der Erzähler in der Rolle des Lehrers schon weiß.

Das Gedicht bekam natürlich eine besondere Bedeutung, als 1961 die Berliner Mauer gebaut wurde. Nun muss man wissen, dass Frost zu jener Zeit als eine Art inoffizieller ,,Hofdichter" John F. Kennedys galt, bei dessen Amtseinführung der inzwischen greise Frost ein patriotisches Gedicht mit dem Titel ,,The Gift Outhright" vortrug.6 Als Kennedy im selben Jahr die Berliner Mauer besuchte, zitierte er auch die erste Zeile von ,,Mending Wall", die natürlich - das ganze Gedicht - in gewisser Weise auf die politische Lage passte.7,,Mending Wall" beschäftigte schon seine Leser, die zahlreich zu den Dichterlesungen Frosts erschienen, als Frost noch lebte. Wenn er jedoch gefragt wurde, was er denn eigentlich mit seinem Gedicht aussagen wolle und insbesondere mit dem Satz über die guten Zäune meine, antwortete er: ,,What do you want me to do? Say it again in different and less good words?"8

[...]


1 Franz Link. Make It New - US-amerikanische Lyrik des 20. Jahrhunderts. Paderborn, 1996.

2 Harenbergs Lexikon der Weltliteratur. Dortmund, 1989.

3 Vgl. Harenberg.

4 Rachel Hadas. Form, Cycle, Infinity: Landscape Imagery in the Poetry of Robert Frost and George Seferis. Lewisburg, PA. 1976, 56-57.

5 Lawrence Raab. ,,On Mending Wall". In Robert Pack (ed.). Touchstone: American Poets on a Favorite Poem. Hanover, 1996.

6 Vgl. Harenberg

7 vgl. Raab.

8 Vgl. Raab.

Fin de l'extrait de 6 pages

Résumé des informations

Titre
Interpretation des Gedichtes "Mending Wall" von Robert Frost
Université
University of Heidelberg
Cours
Einführung in Grundfragen der Literaturwissenschaft
Note
1
Auteur
Année
2001
Pages
6
N° de catalogue
V99385
ISBN (ebook)
9783638978293
Taille d'un fichier
378 KB
Langue
allemand
Mots clés
Interpretation, Gedichtes, Mending, Wall, Robert, Frost, Einführung, Grundfragen, Literaturwissenschaft
Citation du texte
Thilo Lochthowe (Auteur), 2001, Interpretation des Gedichtes "Mending Wall" von Robert Frost, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99385

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